Caritas Sozialalmanach 2017 "Schwerpunkt: Luxembourg 2060 - 1,1 millions d'habitants?"

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oder einen Ort, an dem sie Projekte realisieren können. Zugleich wird dabei das Netzwerk zusätzlich stabilisiert, indem es einen formalen Auftrag erhält, der das Risiko des Zerfalls reduziert, das Netzwerken generell innewohnt. Die soziale Resilienz, die gemeinnütziges Handeln gewährleistet, wird umso bedeutsamer, je weiter die Evolution der Netzwerkgesellschaft voranschreitet. Die nächste Gesellschaft wird sowohl kollaborativer als auch individueller sein, vor allem aber komplexer und flexibler. So entwickeln sich postindustrielle Biografien schon heute zusehends zu „Multigrafien“, in denen traditionelle Gemeinschaften wie Familie oder Unternehmen nur noch eine Nebenrolle für die individuelle Stabilisierung spielen. Künftig wird es daher einen steigenden Bedarf an neuen Gemeinschaftsformen und Communitys geben, die sich auf gemeinsamen inhaltlichen Nennern zusammenfinden. Die Haltung und der Zukunftswert der Gemeinnützigkeit können und werden signifikant dazu beitragen, diese neuen, nachhaltigen Resilienz-Cluster zu etablieren und stabilisieren. 2.

Gemeinnützigkeit als „Community-Manager“

Das Netzwerk bildet die Grundlage für die kommunikative Gestaltung und Organisation unserer künftigen Lebenswelt. In der Netzwerkgesellschaft werden deshalb immer mehr Menschen nach neuen sozialen Formen suchen, um sich stärker an der Gestaltung gesellschaftlicher Gefüge zu beteiligen. Das wirft auch die Frage auf, nach welchen Prinzipien diese vernetzten Gemeinschaften organisiert sein sollten. Wichtige Erkenntnisse kann hierbei das Thema der Common Goods liefern, deren Charakteristika in vielerlei Hinsicht äquivalent sind mit denen sozialer Systeme. Die Vorgabe, dass niemand von der Nutzung ausgeschlossen werden darf, sowie Problempotenziale wie Nutzungsrivalität und Übernutzungsgefahr gelten im Prinzip ebenso für die Nutzung eines öffentlichen Parks wie für soziale Absicherungssysteme. Wirtschaft und Politik haben vor diesem Hintergrund Ordnungsstützen für öffentliche Güter errichtet, die jedoch tendenziell mit Wohlstandsverlusten verbunden sind. In diesem Kontext kann gemeinnütziges Handeln als kreativer Katalysator unter dem Leitmotiv der „organisierten Selbstorganisation“ neue, ideologieresistente Lösungsansätze anbieten, jenseits ideologischer Fahrwasser. Einen Beleg dafür lieferte die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom, die nachweisen konnte, dass Menschen nicht nur in der Lage sind, die Nutzung von Common Goods selbstorganisiert und übernutzungsfrei zu strukturieren, sondern dabei zugleich Wohlstandsgewinne erzielen können, frei von jeglichen Ausschlussbarrieren oder staatlichen Reglementierungen. Zentrale Voraussetzung für diese Lösung der „tragedy of the commons“ ist jedoch die Existenz gemeinschaftlich akzeptierter Regeln für die Nutzung der Gemeingüter, etwa hinsichtlich Aneignung, Bereitstellung und Zugangsberechtigung – eine Funktion, die 246


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