umwelt
Mutig Bürgerinitiativen. Ein Akt ökologischer Selbsthilfe. Ein Rundblick in der Region.
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ür Lothar Gehrling ist die Sache klar. Die Bürgerinitiative „Schönes Natbergen“ hat nicht mehr alle Tassen im Schrank. Also holt er die verbale Knarre raus: „Investieren Sie Ihr Geld statt in Hochglanz-Flyer mit hirnfreiem Inhalt in soziale Objekte.“ Martin Becker, angeblich hirnfrei, seufzt. Er kennt sowas. Nichts hilft gegen solche Mails. Auch kein noch so gutes Argument. Es geht um Gewerbeflächen, die der Bissendorfer Gemeinderat durchboxen will. Seit 2008 stemmt sich die Bürgerinitiative gegen diese Pläne – und ist seither für viele der Buhmann. Die Gemeinderatsfraktion der CDU spricht von „fast militantem Auftreten“. Von Bürgermeister Guido Halfter bekam BI-Pressesprecher Günter Korte, Bissendorfer Ratsmitglied der Grünen, zu hören, er solle sich schämen. Korte: „Öffentlich! In einer Ratssitzung!“ Am 22. September, parallel zur Bundestagswahl, stand eine Bürgerbefragung an. Ausgang: eine Schlappe für die BI. Besondere Gefahr: Es war generell nur vom „Natberger Feld“ die Rede. Becker: „Bewusst unscharf formuliert.“ Die BI fürchtet, der Gemeinderat wolle „einen Freifahrtschein für alles zwischen Natbergen und Achelriede“. Auffällig ist, wie humorvoll die BI für ihre Sache kämpft. Da ist dieses Bild mit dem grimmigen, fetten Kantinenkoch: „Heute wieder: Flächenfraß!“ Oder das mit den zwei Haien: „Ein Dorf – zwei Bissen“. Oder das mit den sechs Leuten im idyllischen Garten: „Willkommen im Industriegebiet
Industriegebiet statt Natur? Hier machen sich Natberger stark, das zu verhindern.
Bissendorf“ – alle tragen Ohrenschützer. Und da ist dieses Spiel „Natberger Welt“. Wo man mit Spielfiguren und Würfel zum Unternehmer wird, zum Bürgermeister, Grundeigentümer, Anwohner. Motto: „Vor uns ein Industriegebiet, nach uns die Sintflut“. 5000 Exemplare davon wurden verteilt, an alle Haushalte. Sogar einen Heimatroman hat die BI geschrieben. Becker: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Korte: „Wir haben eben viele kreative Köpfe. Und sowas bleibt tiefer hängen.“ Bis zu 500 Leute bringt die BI auf die Beine. Auch die „Interessengemeinschaft Linne-Ellerbeck“, deren Kampf den dortigen Hähnchenmastanlagen gilt, hat sich ihren Humor bewahrt. Sie arbeitet mit Wilhelm Busch: Tote Hühner, aus Max und Moritz. Die Region Bissendorf ist eine BI-Hochburg. Denn da ist ja auch noch die BI Bredberg –
sie zieht gegen Pläne zu Felde, bei Schledehausen Wald für ein Wohngebiet abzuholzen. Und die BI „Frac-Freies-Bissendorf“ – sie hat ein wachsames Auge auf alle Fracking-Befürworter. Korte: „Der Bürger wird reger, lässt nicht alles mit sich machen.“ Auch Hunteburg ist eine BI-Hochburg. Johannes Bartelt, Geschäftsführer des Kreisverbands Osnabrück Land Die Grünen, blättert in seinen Akten. Er findet eine BI gegen den Kies- und Torfabbau, eine für den Alleenschutz, eine gegen Legenhennenställe. Bessere Umweltbedingungen. Kein anderes Thema führt häufiger zu einer BI. Basisdemokratische Selbsthilfe, sagen die einen. Und machen mit bei Unterschriftensammlungen, Demos, Leserbriefaktionen.Verhinderungsallianz, sagen die anderen. Sicher, manches Problem erledigt sich. Der Kiesabbau in Hunteburg zum
GR Ü N E GES I C HT ER
Ulrike Szlapka
Vorsitzende „Pferde in Not“
20 STADTBLATT 10.2013
Ich engagiere mich für Natur und Umwelt ... weil ich daran glaube, dass die Einsicht, dass unser Wohlergehen von einer gesunden Natur abhängig ist, ernsthaft umgesetzt werden muss. Eine meiner spannendsten Aktionen war ... die Diskussion beim Freikaufen eines Pferdes. Mit den Eigentümern, vor dem Schlachter. Ob dieser wegen guter Abstammung des Pferdes einen höheren Preis zahlen würde. Wenn mich jemand fragt, was er für die Umwelt tun kann, antworte ich, als erstes ... weniger Fleisch zu essen. Einer der größten Umweltsünder ist
Beispiel. Vorerst. Ein Erfolg auch der BI „Erhaltet Hunteburg“. Aber vieles schwelt weiter. Jahrelang. Umso bewundernswerter das Durchhaltevermögen der Aktivisten. Die finden sich vor allem im Umland Osnabrücks. Gute Beispiele: das Netzwerk „Stoppt A 33 Nord“. Und die Bürgerinitiative gegen die Westumgehung. Und Pro-Teuto e.V. – engagiert gegen Kalkabgrabungen im Teutoburger Wald. In der Stadt Osnabrück hingegen ist es eher ruhig. Ist die Interessengruppe „Leben in Eversburg“ noch aktiv? Sie entstand gegen „Lärm und Gestank von Gewerbe und Industrie“. Oder die „Bürgerinitiative Hochspannung“? Seit 1998 gilt ihr Kampf Freileitungen der RWE. Korte, über den agilen „Speckgürtel“ der Stadt: „Wo es noch mehr Natur gibt, gibt’s gegen Naturzerstörung eben mehr zu protestieren.“ Harff-Peter Schönherr
So geht Umweltschutz
für mich ... der Mensch. Solange er mehr verbraucht als unsere Erde ihm auf Dauer geben kann, gibt es nur die Möglichkeit, sich auf Kosten der Natur zu bereichern. Das kann so nicht auf Dauer gut gehen. Wenn ich Bundesumweltministerin wäre, würde ich ... mich mehr für die Nachzucht und Wiederansiedlung aussterbender Tier- und Pflanzenarten einsetzen. Mir gibt Hoffnung, dass ... viele junge Menschen sich vom Gedanken der Gewinnmaximierung in allen Lebensbereichen verabschiedet haben und
merken, dass uns das nicht glücklich macht. Ich wünsche mir eine Welt, in der ... alle Menschen sich bewusst sind, dass eine intakte Erde ein Geschenk an uns alle ist. Wie sieht es aus mit dem Pferdehandel in/um Osnabrück? Es gibt erheblich mehr Pferde als nachgefragt, was sich leider oft auch auf die Haltungsbedingungen auswirkt. Das Veterinäramt ist leider sehr träge, auf Anzeigen hin zu kontrollieren, Pferde zu beschlagnahmen, Auflagen zu machen. INTERVIEW: CAROLIN RUPP