STADTBLATT 2010.08

Page 20

Alle unter einem Dach Mit dem Titel „Weitwinkel“ gibt die arte regionale 5 einen Einblick in die zeitgenössische Kunst im Großraum Osnabrück. Frischen Wind bringt eine neue, junge Künstlergeneration. VON JUDITH KANTNER

„Künstler sind heutzutage Rei-

g sende“, erläutert André Lindhorst, Direktor der Kunsthalle Dominikanerkirche und Kurator der arte regionale. Warum? Die Antwort darauf steckt im Kunstmarkt, zu dem auch viele ehemalige Osnabücker Künstler gehören. „Ein Galerist sagte mir vor kurzem, dass er eine so große Kolonie an Künstlern, die auch außerhalb Osnabrücks leben, noch nie erlebt habe – und das bei einer Stadt von dieser Größe.“ Viele dieser Künstler werden jetzt mit ihren Werken in Osnabrück

zu sehen sein. In Kombination mit Künstlern, die noch nicht „ausgewandert“ sind, sondern hier leben. André Lindhorst: „Die arte ist ein Dach.“ Darunter sind in diesem Jahr fast 100 Künstler versammelt, die neben der Hauptausstellung in der Kunsthalle, in der Stadtgalerie und im Bürgergehorsam in 15 weiteren Kulturorten im Großraum Osnabrück ausstellen. Dazu gibt es Kooperationsprojekte wie die „Offenen Ateliers“, zu denen Künstler aus Stadt und Landkreis einladen. „Wir haben spannendes Neues“, verspricht André Lindhorst.

„Es gibt einen Generationswechsel! Die Szene hat sich verjüngt.“ Zur neuen Generation gehören neben dem Newcomerpreisträger Joshua Sassmannshausen auch Sebastian Osterhaus, Sina Lichtenberg, Astrid Jaekel und Isabel Glapa, die unter den Künstlern der Hauptausstellung vertreten sind. Wie läuft ein Wahlverfahren eigentlich ab? Die Juroren, Kunstexperten aus dem norddeutschen Raum, setzen sich für einen Tag zusammen, gehen die Räumlichkeiten ab und forsten sich durch Bewerbungen, die in Form von Videos, Fotos und Konzeptbeschreibungen eingereicht werden. Nach drei Wahldurchgängen standen die neun Künstler für den offenen Wettbewerb fest. André Lindhorst über die Jury, darunter der Hamburger Kurator Rik Reinking: „Das sind echte Profis. Die lassen keine Hobbykunst durch.“ Weitere acht Künstler (u.a. Elisabeth Lumme und Christian Bögelmann) wurden vom Kurator

selbst, Co-Kuratorin Christel Schulte (Kunsthalle) und Hermann Nöring (EMAF) ausgesucht, um zum Thema „Nacht“ Fotografien und Lichtkunst im Foyer der Kunsthalle auszustellen. „Das Thema bietet großen Spielraum, sehr philosophisch“, findet André Lindhorst, dem die Idee dazu bei einem Nachtspaziergang durch Amsterdam kam. Was gibt es auf der arte noch zu sehen? „Es ist zu erkennen, dass es eine neue figurative Malerei gibt. Außerdem wird mit ganz neuen Materialien experimentiert. Hinzu kommt ein unglaubliches Crossover von Mode, Werbung, Kunst und Film. Es sind auch akustische Arbeiten dabei.“ Ein Novum ist das Projekt „arte 5 – 50 Tage – 50 Künstler“. Dabei wird jeden Tag ein anderer Osnabrücker Künstler aus den durch die Kunsthalle angekauften Arbeiten ab den 90er Jahren vorgestellt. Noch eine Notiz zum Schluss: Mit der arte eröffnet auch eine neue Galerie im Hause Clasing & Langer in der Süntelstraße 49. Zum Einstand der Galerie Letsah gibt es Fotografien von Ragnar Gischas.

„Europalette“, Joshua Sassmannshausen

„Erste große Ausstellung“ Newcomerpreisträger Joshua Sassmannshausen, 27, ist in der Hauptausstellung und Stadtgalerie vertreten. STADTBLATT: Sind Sie oft in Osnabrück? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Eigentlich nicht. Ich habe dort eher meine Jugend verbracht. Ich komme gebürtig aus Gehrde bei Bersenbrück und studiere seit drei Jahren Mixed Media an der Kunst Akademie in Enschede. STADTBLATT: Wie fühlt man sich als Newcomer? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Die Auszeichnung kam überraschend. Es ist meine erste große Ausstellung,

20 STADTBLATT≈8.2010

für die ich mich offiziell angemeldet habe. Die Bestätigung, dass auch Leute jenseits der Hochschule meine Sachen gut finden, fühlt sich gut an. STADTBLATT: Waren alle Werke für die arte bereits im Kasten? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Von den sechs bis sieben Arbeiten war die Hälfte schon fertig. Der Rest musste noch gemacht werden. STADTBLATT: Mit was für Werken sind Sie vertreten? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Ich zeige Installationen, Objekte und Fotos. Meine derzeitige Hauptarbeit ist eine Glas-Epoxy-Harz-Nachbildung einer Europalette. STADTBLATT: Was war die vernichtendste Kritik, die Sie je erhalten haben? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Das war bei meiner Werkshow im ersten Jahr an der Kunsthochschule. Ein Dozent hat gesagt, ich hätte nichts auf einer

Kunsthochschule zu suchen und sollte doch mal was anderes ausprobieren. STADTBLATT: Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Ich benutze alle möglichen Materialien, aber meistens sind sie alltäglich, schon fast vergessene Gegenstände. „Mixed Media“, trifft es ganz gut. STADTBLATT: Wie kann man sich Ihren Alltag vorstellen? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Mein Atelier habe ich zurzeit noch in der Kunsthochschule, weil wir dort die ganzen Werkmittel haben. Da bin ich mehr als die Hälfte des Tages. Nebenbei laufen noch ein paar Projekte und ein Nebenjob um das nötige Geld aufzutreiben. STADTBLATT: Welchen Künstler finden Sie interessant? JOSHUA SASSMANNSHAUSEN: Beispielsweise Walter De Maria oder Ai Weiwei. Ich finde konzeptionelle Kunst und Objekte interessant.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.