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DOSSIER DIGITALISIERUNG
Konsum
Teilen oder mieten statt kaufen Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten für einen nachhaltigeren Konsum – Stichwort Sharing Economy. Daneben trägt sie zu einer besseren Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelindustrie und zur Optimierung der Abfallentsorgung bei. Text: Cornélia Mühlberger de Preux
Müssen wirklich alle eine Bohrmaschine, einen Racletteofen oder ein Zelt besitzen, obwohl diese Dinge nur selten benutzt werden? Diese Frage stellte sich Robert Stitelmann, Initiator der Bibliothek der Gegenstände «La Manivelle» («Die Kurbel») in Genf, wo «die umwelt» zu Besuch ist. Seit Anfang Januar 2019 verleiht diese Genossenschaft Holzbearbeitungs- und Gartenwerkzeuge, Haushaltsund Küchengeräte sowie Sport-, Reise- und verschiedene andere Freizeitartikel. Gewisse Sachen zu teilen, anstatt dass alle ihre eigenen kaufen, schont in vielen Fällen Budget und Umwelt. «Teilen rechnet sich besonders, wenn die Produkte selten gebraucht werden», erklärt der junge Umweltingenieur. «Eine eigene Bohrmaschine kommt drei- oder viermal im Jahr zum Einsatz; bei ‹La Manivelle› wird sie bis zu 150-mal jährlich und von vielen Personen genutzt.»
Eine Bibliothek der Gegenstände Wie funktioniert das Ganze? Zunächst erwirbt man einen Anteilschein von 100 Franken und wird Mitglied der Genossenschaft. Mit einem Jahresabonnement von ebenfalls 100 Franken kann man anschliessend unbeschränkt Sachen ausleihen. «Der Onlinekatalog ist für das Projekt zentral», erklärt Robert Stitelmann. Alle Gegenstände sind mit einem Foto und einer detaillierten Beschreibung aufgeführt. Suchen lässt sich nach Kategorie, Nutzungsart oder Stichwort. Wird der gesuchte Artikel gefunden, kann er auf der Website reserviert werden. Jedes Mitglied von «La Manivelle» hat ein eigenes Konto. Die Software wurde von einer «Local Tool Library» in den USA entwickelt.
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«Weltweit gibt es über 80 solcher Leihgeschäfte, besonders viele davon in Nordamerika», sagt Robert Stitelmann. Dank der Digitalisierung haben die Konsumentinnen und Konsumenten einfachen Zugang zu Plattformen, auf denen sie Gegenstände bei Privaten oder bei Kleinanbietern kaufen, mieten oder ausleihen können. «In der Nachbarschaft mieten oder leihen anstatt kaufen – das ist häufig gut für die Ökobilanz», bestätigt Josef Känzig, Chef der Sektion Konsum und Produkte beim BAFU. Aus seiner Sicht sind diese Plattformen aber nur unter drei Voraussetzungen sinnvoll: 1. Durch den Tausch oder die Miete wird tatsächlich auf den Kauf eines neuen Produkts verzichtet (dank der Plattform sinkt die Anzahl der hergestellten Produkte deutlich). 2. Durch die Transaktion entstehen keine langen und energieaufwendigen Warenverschiebungen und Transportwege. 3. Das gesparte Geld wird nicht in Aktivitäten mit noch grösseren Umweltwirkungen investiert.
Schaufeln, Blusen oder Flugzeuge ausleihen In der Schweiz liegt die Sharing Economy im Trend. Ende 2018 wurde in Bern die «LeihBar» eröffnet. Ihre Website leihbar.ch erinnert daran, dass nur 20 Prozent der Gegenstände, die Leute besitzen, wirklich im Einsatz sind. Das Projekt soll auf weitere Städte in der Deutschschweiz ausgedehnt werden. Wie «La Manivelle» ist auch die «LeihBar» eine Bibliothek der Dinge. Aufgebaut von der Stiftung für Konsumentenschutz, ist sie nur eine von verschiedenen vergleichbaren Plattformen wie etwa