Magazin «umwelt» 2/2013 - Biodiversität erhalten

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umwelt 2/2013 > Störfallvorsorge

grossen Bedeutung als Trinkwasserlie­ feranten Westeuropas. Zudem könnten vor allem Störfälle in den grenznahen Betrieben der Basler Chemie uner­ wünschte Umweltauswirkungen auf das benachbarte Ausland haben. Gefragtes Know-how Der Brand einer Chemikalien-Lagerhalle der Firma Sandoz in Schweizerhalle (BL) von 1986 gab denn auch die Initialzün­ dung für die Entwicklung der Störfall­ verordnung. Sie trat 1991 in Kraft und

drohen, braucht es Vorkehrungen, um die entsprechenden Stellen in den Nach­barländern schnell und korrekt zu infor­ mieren», hebt Bernard Gay hervor. «Da­ mit will man die negativen Folgen für Mensch und Umwelt möglichst klein hal­ ten.» Dazu muss jeder Staat eine zen­trale Anlaufstelle für grenzüberschreitende Störfälle definieren – hierzulande ist dies die Nationale Alarmzentrale (NAZ). Den Schwerpunkt der Arbeit bildet das «Internationally Supported Assistance Programme». Es organisiert insbesondere

«Prävention ist zwar nicht gratis, doch unter dem Strich lässt sich damit Geld sparen, weil es seltener zu Unfällen und Produktionsunterbrüchen kommt.» Bernard Gay, BAFU regelt den Umgang mit chemischen und biologischen Risiken. Die Schweiz ist aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung auch im Büro der UNECE-Konvention über die grenzüberschreitenden Auswir­ kungen von Industrieunfällen vertreten. Das 1992 von der UNO-Wirtschaftskom­ mission für Europa verabschiedete Übereinkommen ist im Jahr 2000 nach der Ratifizierung durch 16 Staaten in Kraft getreten. Inzwischen haben es 39 Staaten und die Europäische Kom­ mission formell unterzeichnet. Bernard Gay amtete bis vor Kurzem als einer der Vizepräsidenten der Konvention. «Es gibt zwar auch innerhalb der EU und der OECD entsprechende Gremien, die wir ebenfalls für den Erfahrungsaustausch nutzen. Aber in der UNECE hat unsere Stimme ein besonderes Gewicht», erklärt er. Weil viele Länder ihre Massnahmen für die Unfallprävention bei Industriean­ lagen von Grund auf entwickeln müssen, ist das entsprechende Know-how aus der Schweiz besonders gefragt. Da sich Störfälle nie ganz ausschliessen lassen, verlangt das Übereinkommen von den Mitgliedsstaaten den Aufbau eines gut funktionierenden Informationssystems mit den Nachbarländern. «Wenn die Auswirkungen eines möglichen Unfalls die Landesgrenzen zu überschreiten

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Workshops für Behörden aus Osteu­ ropa, dem Kaukasus, Südosteuropa und Zentralasien. In der Vergangenheit hat die Schweiz gemeinsam mit dem Sekretariat der Konvention und weite­ ren Ländern Schulungstreffen in Minsk (Weiss­russland), Bratislava (Slowakei) und Kiew (Ukraine) durchgeführt. «In diesen Regionen gibt es zahlreiche Schwerindustrien, Bergwerke und grosse chemische Anlagen mit entsprechenden Risiken», weiss Bernard Gay. Die Sicherheit verbessern Ein Hauptziel besteht darin, dass die Behörden in der Lage sind, Industriean­ lagen mit potenziellen Störfallrisiken zu identifizieren, zu klassifizieren und die Daten einheitlich aufzubereiten. Damit schaffen sie die Grundlagen, um die Fabriken sicherer zu machen und die Zusammenarbeit mit den Nach­ barländern zu verbessern. An solchen Workshops wird zum Beispiel diskutiert, wie sich die Auswirkungen von Unfällen möglichst präzise abschätzen lassen und welche Instrumente für die Analyse von Schwachstellen zur Verfügung stehen. Zudem geht es darum zu definieren, ab wann ein Betrieb als gefährliches Indus­ trierisiko im Sinn der Konvention gilt. Im Anschluss an die Workshops wird

von den beteiligten Ländern erwartet, dass sie einen Aktionsplan mit verbind­ lichen Fristen verabschieden. Häufig stellt sich bei der Überprüfung durch das Konventionsbüro allerdings heraus, dass sie die entsprechenden Auflagen nicht umsetzen. Eine eigentliche Sanktions­ möglichkeit sieht das Übereinkommen nicht vor. «Doch meist ist die Verzöge­ rung nicht auf Desinteresse, sondern auf eine instabile politische Lage zurückzu­ führen», erklärt Bernard Gay. Bei einem Regierungswechsel werden nämlich oft nicht nur die Politiker, sondern auch die Chefbeamten ersetzt – entsprechend geht das Fachwissen verloren und muss erneut aufgebaut werden. Die Einsicht in die Vorteile einer verbesserten Stör­ fallvorsorge besteht jedoch fast überall. «Prävention ist zwar nicht gratis, doch unter dem Strich lässt sich damit Geld sparen, weil es seltener zu Unfällen und Produktionsunterbrüchen kommt», hält Bernard Gay fest. Klare Fortschritte registriert er in mehreren Ländern. So konnte die Störfallgesetzgebung etwa in Serbien, Kroatien, Slowenien und Moldawien in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert werden. Als nächste Projekte will die Konvention im Rahmen des Assistance Programme insbesondere den technischen Umgang mit Ölverla­ destationen verbessern, Aktivitäten unterstützen, die aus den Aktionsplänen hervorgehen, und neue Länder wie zum Beispiel Montenegro oder Turkmenistan ins Boot holen. Wenn an Workshops das Schweizer System der Störfallvorsorge vorgestellt wird, profitiere man auch selbst, betont Bernard Gay: «Wir erkennen Verbesse­ rungsmöglichkeiten und merken, wo wir unsere Zielvorgaben in der Praxis noch zu wenig umsetzen.» Weiterführende Links zum Artikel: www.bafu.admin.ch/magazin2013-2-15 Kontakt Bernard Gay Sektionschef Störfall- und Erdbebenvorsorge, BAFU 031 322 54 76 bernard.gay@bafu.admin.ch


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