Magazin «umwelt» 4/2017 - Auf gutem Grund

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BODEN ALS INVESTITIONSOBJEKT

Grenzüberschreitende Landnahmen Das Geschäft mit dem Boden in fremden Ländern, oft auch «Land Grabbing» genannt, boomt. In der Datenbank «Land Matrix» sammeln Forschungsorganisationen Daten über internationale Landdeals. Nicht nur der globale Süden ist betroffen, sondern auch Osteuropa. Scheitern derartige Projekte, sind die Folgen für die lokale Bevölkerung oft verheerend. Text: Lukas Denzler

Als vor 10 Jahren die Medien von grossen Landdeals zu berichten begannen, rief das vor allem Nichtregierungs- und Entwicklungsorganisationen auf den Plan. Aufgeschreckt hat unter anderem ein überdimensioniertes Projekt in Madagaskar: Eine südkoreanische Firma wollte sich zu jener Zeit 0,5 Millionen Hektaren Land sichern, was in der Bevölkerung zu Unruhen führte. Der populäre Begriff dafür lautet «Land Grabbing». Diplomatischer ausgedrückt, handelt es sich um grossflächige Landdeals. Tatsache ist: Der Boden wird zum Investitionsobjekt. Bald nach den ersten Meldungen fanden in Rom bei der International Land Coalition, einem Zusammenschluss von Entwicklungsorganisationen, Gespräche zu diesem Thema statt. «Weil damals niemand einen Überblick über das Ausmass dieser internationalen Landakquisitionen hatte, haben verschiedene Forschungsorganisationen Land Matrix gegründet», erinnert sich Markus Giger vom Zentrum für Entwicklung und Umwelt (CDE) an der Universität Bern. Mehr Transparenz bei transnationalen Landdeals Die Land-Matrix-Datenbank dokumentiert grenzüberschreitende Aneignungen von landwirtschaftlicher Fläche, bei denen in einem anderen Land entweder Boden gekauft, gepachtet oder mit dem Recht für eine bestimmte Nutzung über eine bestimmte Dauer belegt wurde. Als Quellen dienen überprüfbare Berichte in den Medien und von Nichtregierungsorganisationen, Geschäftsberichte von beteiligten Firmen, Forschungsarbeiten sowie Angaben von Regierungen. An der unabhängigen Initiative, die vor allem mehr Transparenz schaffen will, sind neben dem CDE auch Forschungsinstitute aus Deutschland und Frankreich sowie zahlreiche regionale Partner beteiligt.

In der Datenbank sind derzeit Landdeals von insgesamt 49 Mio. ha für landwirtschaftliche Nutzungen, Industrie, erneuerbare Energien, Tourismus und Forstwirtschaft verzeichnet. Gemäss dem im Herbst 2016 veröffentlichten Land-Matrix-Bericht gingen seit der Jahrtausendwende 26,7 Millionen Hektar Agrarflächen in die Hand von Investoren über. Das entspricht rund 2 Prozent des landwirtschaftlich nutzbaren Bodens weltweit. Umgerechnet auf Schweizer Verhältnisse, ist das so viel wie rund 6,5-mal die Fläche der Eidgenossenschaft oder «gut das 25-Fache ihrer gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche», wie Roland von Arx präzisiert, der noch bis Ende November die Sektion Boden des BAFU leitete. In Wirklichkeit dürfte es gar deutlich mehr sein. Erkundigen sich Land-Matrix-Mitarbei-

Die Land-Matrix-Datenbank dokumentiert grenzüberschreitende Aneignungen von landwirtschaftlicher Fläche, bei denen in einem anderen Land entweder Boden gekauft, gepachtet oder mit dem Recht für eine bestimmte Nutzung über eine bestimmte Dauer belegt wurde. tende bei Firmen, berufen sich diese gerne auf Geschäftsgeheimnisse. Die Datenbank dokumentiert über 1000 Landdeals. «Auf etwa 70 Prozent der Flächen hat inzwischen die landwirtschaftliche Nutzung begonnen», so Markus Giger. «Es gibt aber auch zahlreiche Berichte von gescheiterten Deals.» Afrika ist mit einer Fläche von Millionen Hektar am stärksten von Landdeals betroffen. Zu den 5 wich-

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