INSIDE News aus der Literaturszene Hier geht’s lang!
Öffentliche Personen, die als eigenwillig, ja als Sturkopf gelten, wandeln nicht selten dicht an der medialen Abrisskante. Wie Elke Heidenreich – Literaturkritikerin, Bestsellerautorin, Vor-Leserin der Nation, Viel-Leserin aus Leidenschaft und Betreiberin einer erfolgreichen Kölner Ein-Frau-Schreibwerkstatt. Zum Erscheinungsdatum – neudeutsch gerne Release genannt – ihres neuen Buches saß sie zu später Stunde in der einen oder anderen Talk-Show. Heidenreichs Thema, wie wir mit Büchern von Frauen durchs Leben kommen, steht da nicht immer auf einer vorderen Herdplatte. Besonders wenn die anwesenden Männer lieber über Tempolimit, Jamaika-Bündnis und Verjüngungskuren für überalterte Volksparteien reden wollen. Und der Moderator kultiviert derweil seine nervige Technik, Gästen ständig ins Wort zu fallen, Gedankengänge zu unterbrechen, wie ein rhetorisches Repetiergewehr inquisitorische Ja-oder-Nein-Fragen rauszuschießen und das Ganze am Ende für investigativen Journalismus zu halten.
Elke Heidenreich
Feuerwerk an Stereotypen Da erinnert sich Elke Heidenreich an den programmatischen Titel ihres Buches: Hier geht’s lang! – sagt sie sich, hat schon etwas Dampf auf dem Kessel und ledert nach allen Seiten ab. Leider etwas planlos. Semilustige Sprüche wie „Was ist das denn plötzlich für ein Modernisierungswahn? Ist das eure neue Jugend? Philipp Amthor ist heute schon älter als ich, und ich bin achtzig“ – Heidenreich ist 78 – haben ja noch Kabarettformat. Das
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Ganze kippt aber, als sie sich über die nicht ganz zu Unrecht in die Kritik geratene, aber reuige Grüne-Jugend-Sprecherin Sarah-Lee Heinrich auslässt. Sitzt da jetzt noch Elke Heidenreich, fragt man sich, oder lebt gerade ihre in den 70er Jahren erfundene Comedy-Figur Else Stratmann, eine forsch-schnoddrige, leicht reaktionäre Metzgersgattin, wieder auf? Elke/Else nimmt Fahrt auf, erreicht Betriebstemperatur, verstrickt sich in Pauschalisierungen. Folge: ein veritabler Shitstorm in den sozialen Medien und bissige Kommentare in der überregionalen Presse. Sie habe sich da etwas „zurechtpalavert“, und „eine alte weiße Frau liefert ein Feuerwerk an Stereotypen“ sind noch die freundlichsten Formulierungen. Ein alter weißer Mann, der Filmregisseur Billy Wilder, dem wir Werke wie Manche mögen’s heiß und Das Appartement verdanken, vertrat immer engagiert seine Meinung. Durch sein 95 Jahre altes Leben ist er aber mit einer anderen Regel gekommen: „Eine gute Gelegenheit, den Mund zu halten, sollte man niemals vorübergehen lassen.“
Billy Wilder