Brixner 341 - Juni 2018

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Foto: Oskar Zingerle

LH Arno Kompatscher: „Wo auch immer die neue Regierung versuchen wird, das Geld herzuholen, das sie für das Bürgereinkommen oder für andere Maßnahmen unbedingt braucht – in Südtirol kann sich die Regierung kein Geld holen“

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sondern jene aller Regionen. Der berühmte „Contratto di governo“ sieht Dinge vor, die an und für sich nicht zusammengehen und die sich teilweise geradezu widersprechen. Die Finanzierung mancher Versprechen ist zudem absolut fraglich. Man wird jetzt also sehen, was davon tatsächlich umgesetzt werden wird. Die Regierung steht vor großen Aufgaben. Zunächst muss sie das Geld finden, um den Staatsbetrieb weiterführen zu können und

zialistische Positionen einnimmt, bei denen viel Geld an die Bürger verteilt werden soll. Ob diese Konstellation langfristig funktionieren kann, wird man sehen. Und in Bezug auf Südtirol? In Bezug auf die Beziehung zwischen Rom und Bozen bekommt das Finanzabkommen eine enorme Bedeutung, das ich mit Matteo Renzi 2014 unterschrieben habe und das inzwischen bereits über

Ja, aber wir wollen unsere Autonomie nicht nur schützen, sondern weiterentwickeln. Und trotzdem: Es wäre aus meiner Sicht nicht richtig, dass wir uns von vorneherein aus irgendwelchen ideologischen Überlegungen jedem Dialog verschließen würden, nur weil dies eine neue Regierungskonstellation ist. Deshalb haben sich unsere SVP-Mandatare im Senat und in der Kammer bei der entscheidenden Abstimmung enthalten. Wir werden jetzt schauen,

„Wir wollen in der Regierungsverantwortung klare Mehrheiten haben, damit Stabilität erreicht wird“_ LH Arno Kompatscher gleichzeitig eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu vermeiden. Alternativ dazu könnte sie die Mehrwertsteuererhöhung auch bewusst zulassen. Schafft man diese enorm hohe Hürde, müssen noch die Gelder für die Versprechen des „Contratto di governo“ gefunden werden. Nun, inzwischen rudert man ja zurück und kündigt an, dass die versprochenen Maßnahmen erst in zwei oder drei Jahren umgesetzt würden. Wie man also die Dinge angekündigt hatte, werden sie wohl nicht kommen. Für mich spannend ist die Frage, ob es gelingen wird, zwei Parteien auf einen Nenner zu bringen, von denen die eine im Norden gewählt worden ist und die andere im Süden, von denen die eine wirtschaftsliberal, föderalistisch und eher nationalistisch denkt, die andere hingegen eher assisten-

ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes als unantastbar befunden worden ist: Wo auch immer die neue Regierung versuchen wird, das Geld herzuholen, das sie für das Bürgereinkommen oder für andere Maßnahmen unbedingt braucht – in Südtirol kann sich die Regierung kein Geld holen. Ich vermute nämlich, dass man genauso wie seinerzeit mit der IMI wieder versuchen wird, über die Gemeinden und Regionen Gelder einzutreiben. Südtirol bleibt also von solchen eventuellen Maßnahmen verschont, und das ist eine wichtige Botschaft an die Bevölkerung. In der Regierungserklärung in Rom gab es die Aussage, dass man die Autonomie in Südtirol schützen will.

ob es einen Dialog geben kann, und wir wollen dieser Regierung eine Chance geben. Nach den Landtagswahlen vom 21. Oktober wird es möglicherweise notwendig sein, sich nach einem neuen italienischen Koalitionspartner umzusehen. Die Südtiroler Volkspartei muss immer die Interessen der deutschund ladinischsprachigen Bevölkerung im Fokus haben, und dem entsprechend wird es wichtig sein, dass zunächst jene Voraussetzungen geschaffen werden, damit verlässliche Politik gemacht werden kann. Es geht darum, in diesem Land Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Zunächst müssen wir also die Wähler davon überzeugen, dass es für sie vorteilhaft ist, in ihrer

Wahlentscheidung einen sicheren Weg zu gehen und nicht irgendwelchen unvernünftigen oder geradezu spinnerten Vorschlägen aufzuhorchen, die möglicherweise alles aufs Spiel setzen könnten, was wir in Jahrzehnten aufgebaut haben. Wir brauchen also ein gutes Wahlergebnis. Danach sieht das Autonomiestatut vor, dass es auch eine italienische Vertretung in der Landesregierung zu geben hat, und da wird man schauen, wer nach den Wahlen im Landtag die italienische Sprachgruppe vertreten wird. Die SVP hat sich ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt: Wir wollen in der Regierungsverantwortung klare Mehrheiten haben, damit die vorhin erwähnte Stabilität erreicht wird. Die Denkweise des italienischen Regierungspartners muss natürlich mit unserem Wahlprogramm konform gehen – das ist die Voraussetzung. Wie sieht in aller Kürze Ihre persönliche Vision für Südtirol aus in den nächsten fünf Jahren? Schauen Sie, wir blicken auf ziemlich turbulente fünf Jahre zurück. Der Brenner ist immer noch offen, obwohl der Stacheldraht schon oben bereitlag – es ist mit meiner Vermittlungstätigkeit zwischen den Staaten und durch die Brückenfunktion Südtirols gelungen, die Grenze offen zu halten. Wir haben die Wirtschaftskrise überwunden – besser als alle anderen Nachbarländer. Wir haben auch die Migrationskrise im Griff – mit allen Schwierigkeiten, die damit zusammenhängen, mit denen wir aber umgehen können, wenn die europäischen Staaten die illegale Zuwanderung endlich unterbinden. Auch wenn es noch viel zu tun gibt – wir haben auch in Punkto Sicherheit eine Trendwende: Seit zwei Jahren gehen die Straftaten wieder zurück. Das alles schaffen wir dank unserer Autonomie und unserer Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. „Mein“ Südtirol ist ein Land, das autonom ist, so eigenständig wie möglich, eingebettet in Europa. Wir brauchen unsere Freunde in Europa, weil sie uns viele Möglichkeiten eröffnen, die Grenze unspürbar zu machen. Meine Vision ist aber vor allem, dass es den Südtirolern gut geht in ihrem Land, und die Autonomie hilft uns dabei. Sie ist Mittel zum Zweck. willy.vontavon@brixner.info Leserbriefe an: echo@brixner.info 15


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