Das Berliner Blumentagebuch der Clara Schumann
Das Berliner Blumentagebuch der Clara Schumann
Das Berliner Blumentagebuch der Clara Schumann
1857 – 1859
Eingeleitet von Renate Hofmann, kommentiert von Renate Hofmann und Harry Schmidt
Der vorliegende Faksimiledruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von bpk / Staatsbibliothek zu Berlin – PK, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv
BV 285
ISBN 978-3-7651-0285-1
3. Auflage
© 2019 by Breitkopf & Härtel, Wiesbaden
Alle Rechte vorbehalten
Einband und Layout: Elisa Kuzio, Frankfurt / Main
Druck: Beltz Bad Langensalza GmbH
Printed in Germany
»Erinnerung vom Rhein 1857. im Sommer von Johannes mir geschenkt.« –»Genf. 5 Febr: am See f. Joh: gepflückt betend Seiner gedenkend.« – »Stuttgart d. 28ten Jan: 58. zum Abschied erhalten.« – oder auch nur Ort und Datum lesen wir bei den liebevoll arrangierten und in ein schmuckloses Büchlein gesteckten Blumen. So bewahrte Clara Schumann die Erinnerung an sie bewegende und beglückende Augenblicke, die sie im Zusammensein mit lieben Menschen erlebt oder auch auf einsamen Spaziergängen in sich aufgenommen hatte. Welche sehnsuchtsvollen, freudigen oder auch trüben und traurigen Gedanken mögen sich für sie mit diesen Blumen verbunden haben! Als Clara Schumann dieses Büchlein zusammenstellte, war sie gerade 40 Jahre alt. Es war das letzte von mehreren. Das erste hatte sie im März 1854 begonnen und für ihren geliebten Mann Robert Schumann in der Zeit seiner Krankheit angelegt. Es sollte ihm Botschaft von ihrem Leben und ihren Gefühlen bringen.
Blumen spielten im Leben der Menschen damals eine große Rolle, sie zu pflücken, zum Kranz zu binden, als Freundschafts- und Liebesgruß zu verschenken, gehörte zum geselligen Leben. Kein Zimmer blieb ohne Blumenschmuck.
Aber auch für die Toilette der Damen waren Blumen unentbehrlich. Sie wurden an Hüten, am Kleid, im Haar getragen. Ja, die Mädchen verwandelten sich sogar bei Kostümfesten in »lebende Blumen« oder stellten bei Hochzeitsaufführungen den Namen der Braut durch die Anfangsbuchstaben der durch sie verkörperten Blumen dar. So versteht es sich von selbst, dass auch Clara von frühester Jugend an eine enge Beziehung zu Blumen hatte. Sogar Kompositionen wollte sie nur so beurteilen, als ob sie »die Staubfäden einer seltnen schönen Blume einzeln betrachtet«. Selbstverständlich gehörten Blumen auch zu ihrer Toilette. Reizend muss die junge Künstlerin in ihrem Blumenschmuck ausgesehen haben, von dem sie ihrem Bräutigam am 21. März 1839 aus Paris eine kleine Blüte schickte, die aus dem Bouquet stammte, das sie »am Kleide stecken hatte … Ich glaub, ich hätte Dir gefallen gestern; ein schwarzes Kleid hatte ich an (das ist hier beliebt), ganz einfach um das Haar, eine weiße Camelia umgeben von so weißen Blümchen, wie Inliegendes, und unter den Blumen die Broche von der Kaiserin von Oesterreich«. Und manch andere Blume fand den Weg von ihren Reisen zu Robert. »Diese Veilchen, nimm sie, ich pflückte sie Dir an einem schönen Tag in Wien.« Blumen schmückten auch später stets
das Schumannsche Heim. Auf Roberts Schreibtisch standen immer frische Blumen. Selbst auf den Weg in die Anstalt nach Endenich hatte Clara ihm noch ein Bouquet mitgegeben, von dem er einzelne Blumen verschenkte. Und auch dort verlangte er nach Blumen, die er in Düsseldorf immer um sich gehabt habe. Wie naheliegend war es da, dass Clara in dieser Zeit seiner Krankheit, da sie ihn nicht besuchen durfte und auf Nachrichten durch Dritte angewiesen war, versuchte, durch Blumen mit dem geliebten Manne in Verbindung zu bleiben. Und als sie nach der Geburt ihres letzten Kindes auf Reisen ging, teils um durch Konzerte Geld zu verdienen, teils um sich etwas zu erholen, pflückte sie an diesen Orten in Gedanken an ihn Blumen und trug sie in einem Büchlein zusammen, das ihr der junge Freund Johannes Brahms extra zu diesem Zweck geschenkt hatte. Wie viele Gedanken und seelische Schwingungen drücken diese Blumen aus, die sich nicht in Worte fassen lassen! Sie war überzeugt, dass die poetische Natur ihres Mannes diesen Klang verstehen würde, besser als jedes erklärende Wort. Durch dieses Blumenbuch wollte sie, wenn er wieder gesund wäre, ihn an ihren Erlebnissen nachträglich teilnehmen lassen, ihm so die Rückkehr in die Familie erleichtern, eine Brücke schlagen vom Einst zum Jetzt. Doch er starb, ohne je das Büchlein gesehen zu haben. »Als Erinnerung für meine Kinder aufbewahrt nach dem Tode ihres herrlichen Vaters«, schrieb sie danach in das Büchlein.
In der Zeit der Krankheit Robert Schumanns stand ihr ein junger Freund selbstlos und liebend zur Seite – Johannes Brahms. Während Clara auf Reisen war und Johannes in Düsseldorf bei den Schumannschen Kindern blieb oder sich zu Hause bei den Eltern in Hamburg aufhielt, wechselten briefliche Blumengrüße zwischen ihnen. »Die Kamelien blühen herrlich«, schreibt er ihr am 2. Februar 1855. »Eine haben wir gepresst: Sie stehen wieder in Roberts Zimmer.« Und aus Hamburg heißt es Ende des Jahres: »Die Meinigen grüßen Sie herzlichst, ich lege Ihnen Blumen hinein, die beim Kaffee standen, da dachte ich, Sie hätten auch gewiss welche vor sich.« Für diesen ihr in schwärmerischer Liebe zugewandten und von ihr ebenso geliebten Gefährten in schwerer Zeit legte sie das nächste Blumenbuch an, das Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse und stille Stunden bewahrte. Ihr letztes, hier veröffentlichtes Blumenbuch, zunächst in Gedanken an Johannes Brahms entstanden, wurde dann für sie nur
zur Erinnerung an diese durch Schumanns Tod überschattete, durch Brahms’ Liebe für sie aber auch wehmütig-glückliche Zeit. Als sie diese Blumen in das Büchlein steckte, hatte Brahms bereits begonnen, das innige Band zwischen ihnen zu lösen. Die später von ihr vorgenommenen Korrekturen an den ursprünglich sehr liebevollen Eintragungen deuten auf das Ende dieser einst rückhaltlos offenen, tiefgefühlten und vertrauensvollen Bindung.
Wer war diese Frau, die solche zarten Blumenbande knüpfte? Ihr Lebensweg war ihr vorgezeichnet, schon ehe sie geboren war. Für ihren Vater, den Besitzer einer Pianofortefabrik und Musikleihanstalt in Leipzig und Klavierpädagogen Friedrich Wieck, war es von vornherein beschlossene Sache: Wenn das Kind ein Mädchen würde, müsse es eine große Künstlerin werden. Mit Bedacht wählte er für sie den Namen Clara, die »Strahlende«, als sie am 13. September 1819 das Licht der Welt erblickte. Von Anfang an nahm der Vater die Erziehung in die Hand. Die Mutter hatte zurückzustehen, und nur widerwillig gestand er ihr einige Rechte zu. 1824 wurde die Ehe geschieden, und mit Claras fünftem Lebensjahr begann ihre konsequente musikalische Ausbildung unter alleiniger Führung des Vaters. Erst jetzt lernte sie langsam das Sprechen, auf musikalischem Gebiet dagegen war sie sehr aufgeweckt und konnte bereits Tänze nach dem Gehör begleiten, bevor der Vater mit dem regelmäßigen Unterricht begonnen hatte. So war sie eher in der Lage, Empfindungen musikalisch auszudrücken als in Worte zu fassen. Ihr ganzes Leben lang sollte die Musik für sie die eigentliche Sprache sein, ihre Gefühle, Leid wie Freude, mitzuteilen. Aus ihr schöpfte sie immer wieder Trost und Kraft, um alle Schicksalsschläge zu ertragen, die das Leben sattsam für sie bereithielt. Die Musik blieb ihr eigentliches Lebenselement.
Rasch machte Clara unter der kundigen und systematischen Anleitung ihres Vaters Fortschritte, ihre Technik vervollkommnete sich schnell, daneben improvisierte sie viel und versuchte sich auch im Komponieren. Sie war noch nicht ganz acht Jahre alt, als sie in einer Konzertprobe vor geladenen Zuhörern ein Mozart-Konzert spielte. Von nun an präsentierte ihr Vater sie immer häufiger in kunstsinnigen Zirkeln, zunächst in Leipzig, dann auch in Dresden, ehe die Neunjährige erstmals öffentlich im Leipziger Gewandhaus auftrat und »vielen
Beifall« fand. Das sollte der Start für die Künstlerkarriere sein, wie sie sich Friedrich Wieck für seine Tochter erträumte, dabei seinen eigenen Ruhm als hervorragender Musikpädagoge nicht aus den Augen verlierend. Für dieses Ziel vernachlässigte er seine übrigen Kinder, seine ganze Aufmerksamkeit und Kraft war darauf gerichtet, seine Tochter Clara zur größten Pianistin ihrer Zeit heranzubilden.
Noch war es nicht so weit, da begann ein anderer Mann in dem Leben des jungen Mädchens eine Rolle zu spielen, zunächst nur als fantasievoller Erfinder von Märchen und Gespenstergeschichten. Robert Schumann, der junge Studiosus der Jurisprudenz, hatte Clara schon bald nach seinem Eintreffen in Leipzig kennengelernt. Er war von der frühreifen Kunst des sonst so kindlichen Mädchens gefangengenommen und fühlte sich innig zu ihr hingezogen. Es dauerte nicht lange und sie wurden enge Freunde, die sich manchen brieflichen Gruß sandten. Das Band riss auch nicht ab, wenn der Vater mit ihr auf Reisen war, um Clara auf den internationalen Konzertpodien einzuführen und mit ihrem Erfolg auch selbst Ehre und Reichtum zu erwerben. Noch ehe es so weit kommen konnte, machte ihm die bisher so gehorsame Tochter einen Strich durch die Rechnung. Aus der kindlichen Schwärmerei für den »etwas launigen, störrischen, aber noblen, herrlichen, schwärmerischen, hochbegabten, bis ins Tiefste geistig ausgebildeten, genialen Tonsetzer und Schriftsteller«, wie Friedrich Wieck Schumann 1834 charakterisierte, war, ihr selbst anfangs nicht bewusst, Liebe geworden. Auch Robert Schumann hatte erkannt, dass er dieses einerseits so kindlich-elfenhafte, andererseits auch eigensinnige und ernsthafte Mädchen liebte. Friedrich Wieck traf diese Erkenntnis wie ein Schlag. Sein einstiger Schüler Robert Schumann, der – noch unbekannt – keine materiellen Reichtümer zu bieten hatte, streckte die Hand nach Clara aus, seinem kostbarsten Besitz! Schumann würde nie der Impresario seiner Tochter sein können, er, der Künstler, der selbst Unterstützung und Geborgenheit für seine schöpferische Entwicklung suchte. Diese Verbindung durfte nicht sein. Mit all seiner Autorität fuhr Wieck dazwischen. Er verbot Schumann jede Verbindung mit Clara und schickte diese allein auf Konzertreise. Sie würde sicher sehr schnell spüren, wie notwendig ihr der Vater war, wie wenig sie sich allein in der Welt behaupten konnte, und reumütig würde die Tochter zu ihm zurückkehren.
Doch diese Rechnung ging nicht auf. Der Vater warf sie ins Wasser und – sie schwamm. Wenn es auch viele innere Kämpfe kostete und so manche geheime Angst überwunden werden musste, sie bewies ihrem Vater, wozu Liebe fähig ist. Nach drei Jahren zermürbenden Kampfes, der von beiden alle seelischen Reserven forderte, konnten sie sich schließlich nach gerichtlichem Beschluss am 12. September 1840 trauen lassen.
Nun begann für Clara Schumann der zweite Abschnitt ihres Lebens, die Rolle als Frau und Mutter, wobei die Künstlerin nicht zu kurz kommen sollte. Ihre ohne den Vater erfolgreich geführten Konzertreisen hatten sie in dem Vorsatz bestärkt, von ihrer Karriere nicht zu lassen. Sie wollte Familie und Beruf miteinander verbinden – und sie tat es. Trotz der vielen Geburten – sie schenkte acht Kindern das Leben, wovon eines wenige Monate nach der Geburt starb –, trotz des sensiblen komponierenden Mannes, der Ruhe und Abgeschiedenheit, Geborgenheit in der Familie suchte, kehrte sie immer wieder auf das Podium zurück, suchte die Bestätigung ihrer Künstlerschaft und fand sie in dem begeisterten Echo des Publikums. Auch ihr Mann konnte ihr seine Anerkennung nicht versagen. Doch litt er insgeheim darunter, dass er hinter ihrem Ruhm zurücktreten musste. Seine Bedeutung als Komponist war nur wenigen Freunden wirklich bewusst, und es dauerte noch lange, ehe seine Werke die uns heute selbstverständliche hohe Wertschätzung erfuhren. Clara Schumann spürte diese seelischen Konflikte ihres Mannes und setzte auch seine Werke auf ihre Programme, doch sehr behutsam, um das Publikum nicht zu verschrecken, so wie sie es schon von ihrem Vater gelernt hatte.
Robert bildet nun ihren musikalischen Geschmack weiter; nach dem Vater wird er ihr Lehrmeister in künstlerischer Hinsicht, auf sein Urteil vertraut sie völlig, sein Lob erhebt sie, sein Tadel stürzt sie in tiefste Verzweiflung. Dreizehneinhalb Jahre währt diese Ehe im Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf, als Schumanns unheilbare Geisteskrankheit vollends ausbricht und ihn in eine Heilanstalt bringt, aus der er nicht mehr zurückkehren wird. Doch zuvor noch –im Herbst 1853 – war ein junges Genie im Schumannschen Hause erschienen, das Schumann als neuen Messias feiert und von dem Clara gleichermaßen schwärmt – Johannes Brahms, ein 20jähriger, schmächtiger, blonder Jüngling mit
blauen Augen, der über die herzliche Aufnahme und das ihm zuteil werdende Lob überglücklich ist. Mit ihm verbringen Robert und Clara in den nächsten Wochen viele gemeinsame ungetrübte Stunden beim Musizieren und im Gespräch. Es sind die letzten glücklichen, unbeschwerten für Robert Schumann. Als er am 4. März 1854 in die Anstalt nach Endenich kommt, eilt Brahms zu Clara Schumann, um ihr in dieser schweren Zeit beizustehen und den Trennungsschmerz zu lindern. Wieder ist die Musik der Mittelpunkt des gemeinsamen Erlebens. Brahms verehrt Clara zunächst schwärmerisch, verliebt sich dann immer mehr in sie. Sie ihrerseits sucht Zuwendung und einen Freund, mit dem sie über Robert sprechen und dem sie all ihre innersten Gefühle offenbaren kann. In Brahms findet sie den stets teilnahmsvollen, aufmerksamen Freund, der rücksichtsvoll auf jede ihrer Stimmungen eingeht. Mit den Schumannschen Kindern aber tollt er herum und treibt allerhand Schabernack.
Nun, da Robert Schumann nicht mehr für die Familie sorgen kann, übernimmt Clara ganz selbstverständlich diese Aufgabe. Sie will für den Unterhalt ihrer Familie allein aufkommen, Hilfe nimmt sie nicht an. Damit beginnt ihre zweite Karriere als Pianistin. In den fast zweieinhalb Jahren bis zu Schumanns Tod ist sie nur für kurze Wochen zu Hause. Die Zeit ist ausgefüllt mit Unterricht und Konzertreisen, im Sommer unterbrochen von kurzen Erholungspausen, die sie zusammen mit Brahms und den Kindern verbringt. Brahms’ Liebe zu ihr vertieft sich, fast täglich wünschen sie voneinander zu hören. Wie einst in ihrer Brautzeit mit Robert gehen nun Briefe zwischen ihnen hin und her. Denkt sie dabei auch an diese Zeit zurück, an die Jahre mit dem geliebten Mann?
Projiziert sie diese Liebe nun auf Johannes? Unversehens scheint er in Claras Augen immer mehr zum Stellvertreter Schumanns zu werden. In ihren Gefühlen kann sie kaum zwischen beiden unterscheiden, sie lebt in Gedanken an ihren geliebten Mann und sucht die Geborgenheit und Wärme bei dem geliebten Freund. Nach Schumanns Tod verstärkt sich diese Hinwendung noch. Als Brahms erkennt, welche Rolle er übernehmen soll, schreckt er zurück. Sein Ton Clara gegenüber ändert sich grundlegend, er geht auf Distanz. Clara kann diesen plötzlichen Sinneswandel nicht verstehen. Sie begreift nicht, in welche seelische Krise sie den jungen Freund mit ihrem Ausschließlichkeitsanspruch an seine Liebe gestürzt hat, und erkennt nicht, dass er sich nur durch einen
scharfen Schnitt aus dieser tiefen Bindung befreien kann. Sie fühlt sich tief verletzt. Aus diesem Schmerz bleibt eine besondere Empfindlichkeit Brahms gegenüber ihr ganzes weiteres Leben bestehen.
Nach dem Tode Schumanns liegt die Sorge und Verantwortung für die große Familie vollends auf ihren Schultern. Die Freunde stehen ihr zwar beratend zur Seite, aber für das Schicksal der Ihren ist sie allein verantwortlich und will es auch sein. Damit beginnt für Clara Schumann ein streng geregeltes Leben im Wechsel zwischen Konzerttätigkeit und Erholung. Ein Familienleben kann das nicht sein. Die Kinder leben in Pensionen oder bei der Großmutter, schließlich im mütterlichen Haus unter fremder, wenn auch liebevoller Aufsicht. Die Mutter erleben sie nur bei kurzen Besuchen und, wenn es die finanziellen Verhältnisse zulassen, in den Sommermonaten. Clara versucht, das fehlende Familienleben durch ständige Korrespondenz mit ihren Kindern und durch eine gute Erziehung und Ausbildung zu ersetzen, die sie viel Geld kosten. Sie ist zuerst Künstlerin, dann Mutter. Ohne Musik kann sie nicht sein, diese ist ein Teil ihres Lebens, die Luft, die sie zum Atmen braucht. Angebote, an einem Konservatorium eine Lehrtätigkeit zu übernehmen, weist Clara zurück. Brahms hat dafür gar kein Verständnis. Ihm antwortet sie: »Ich fühle mich berufen zur Reproduktion schöner Werke, vor allem auch der Roberts, so lange ich die Kraft habe, und würde auch, ohne daß ich es unbedingt nötig hätte, reisen …« So setzt sie ihre Konzerttätigkeit noch viele Jahre fort. Immer wieder muss sie kurzfristig Konzerte wegen starker Neuralgien in den Armen absagen, aber kaum lassen die Schmerzen nach, sitzt sie bereits wieder auf dem Podium. Erst 1878 nimmt Clara Schumann eine Stelle am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt am Main an, wo sie eine Pianistenschule nach ihrem Sinne prägt. Ihre Konzerttätigkeit schränkt sie zwar ein, ganz darauf verzichten kann sie noch lange nicht. Erst am 12. März 1891, fünf Jahre vor ihrem Tod, tritt sie zum letzten Male in einem Konzert vor das Publikum und erntet ein letztes Mal Beifallsstürme.
Resigniert resümiert sie zwei Jahre später: »Wie drängt sich mir wieder jetzt so oft der Gedanke auf, daß ich, noch bei Lebzeiten, vergessen werde. Das ist eben nicht anders mit den reproducirenden Künstlern … sind sie mal vom Schauplatz abgetreten, so gedenken ihrer nur höchstens noch die Zeitgenossen. –
Die junge Generation weiß schon nichts mehr und – belächelt mitleidig das Vergangene. – Zwar habe ich unter den Schülern wohl noch Anhänger, wie lange wirds aber dauern? Kommen sie erst in die Öffentlichkeit, dann müssen sie mit dem Strome schwimmen.« Mit solch trüben Betrachtungen beschließt eine Künstlerin ihre Karriere, die über viele Jahrzehnte in ganz Europa zu den strahlendsten Erscheinungen gehörte und überall auf Händen getragen wurde. Wie schwer sie diese Erfolge durch Selbstdisziplin und ständige Überwindung von Ängsten und Schmerzen erkauft hat, erfahren wir noch aus ihren Briefen.
Auch das hier wiedergegebene Blumenbuch aus den Jahren 1857 bis 1859 bewahrt die Erinnerung an manche schwere und schmerzensreiche Stunde, die sie auf ihren Konzertreisen erlebte. Doch noch mehr liebe Gedanken sind darin verborgen. Dazu gehört die Erinnerung an die gemeinsame Reise mit Johannes Brahms und den beiden kleinen Kindern Eugenie und Felix im Juli 1857 an den Rhein nach Oberwesel und St. Goarshausen. Eugenie erinnerte sich später daran, wie ihre Mutter, bei St. Goarshausen im Rhein stehend, sie in die Fluten tauchte. Auch ein Ausflug auf die Loreley blieb ihr unvergesslich. Es muss eine sehr glückliche Zeit gewesen sein, die zeitweise auch andere Freunde mit ihnen teilten. Wie alljährlich begann dann im Oktober der anstrengende Konzertwinter für sie. Die Reise führte sie zunächst über Dresden, Leipzig und Augsburg nach München, wo sie bei ihren Freundinnen aus der Kinderzeit, den Töchtern des Sozialökonomen Friedrich List, Emilie List und Elise von Pacher, wohnte. Viele Jahre hatte sie diese nicht gesehen und genoss nun deren rührende Fürsorge. Am 14. November gab Clara hier ihr erstes Konzert unter so großem Beifall, dass sie weitere Konzerte zusagte, ein für München ganz ungewöhnliches Ereignis. Doch schon fiel ein Schatten auf die so erfolgreich begonnene Tournee. Nach einer Orchesterprobe, in der sie Schumanns Klavierkonzert voll Enthusiasmus gespielt hatte, bekam sie so heftige Nerven- und Rheumaschmerzen im linken Arm, dass sie die nächsten Konzerte absagen musste. Tagelang litt sie unter fürchterlichsten Schmerzen, bis ihr schließlich Opium Linderung brachte. Achtzehn Tage konnte Clara keine Taste anrühren, zehn Tage musste sie den Arm in einer Binde tragen. Doch kaum begann sich ihr Zustand zu bessern, als sie sofort beschloss, die geplante Schweizer Reise durchzuführen. Am 8. Dezember 1857 gab sie in Zürich ihr erstes Konzert,
nachdem sie noch am Morgen geglaubt hatte, es der Schmerzen wegen absagen zu müssen. Der Erfolg war überwältigend. Nach ihren Konzerten in der Schweiz – in Basel, Bern, Winterthur und Zürich –, wo sie überall stürmisch gefeiert wurde, kehrte sie wieder nach München zurück. Hier spielte sie am 1. Weihnachtsfeiertag im Odeon Schumanns Klavierkonzert als Münchner Erstaufführung. Vom Orchester erhielt Clara, wie sie zwei Tage später Joseph Joachim berichtete, »einen wunderschönen Lorbeerkranz, den ich, ach so gern, gleich ihm geweiht hätte, wenn gleich aufs Grab nur. An Kränzen hat es mir überhaupt nicht gefehlt, ich habe aber keinen empfangen, wobei ich nicht gedacht hätte, wieviel Blätter Euch, Ihnen und Johannes, von jedem, den ich erhalten, gebühren, und dürfte ich Euch damit nach Herz und Gewissen schmücken, wohl Nichts mir bliebe.« Bis zum 5. Januar 1858 blieb sie in München, dann ging die Reise weiter über Augsburg, Nürnberg, Fürth und Erlangen nach Stuttgart. Hier wurde ihr die Stellung einer Lehrerin am Konservatorium unter sehr vorteilhaften Bedingungen angeboten. Obwohl auch Brahms der Freundin sehr zuredete, konnte sie sich doch nicht entschließen, die Stellung anzunehmen, denn im Innern hoffte sie, einmal in einer Stadt gemeinsam mit Joachim und Brahms zu leben und täglich mit ihnen künstlerischen Umgang zu pflegen.
Von Stuttgart aus trat Clara Schumann am 27. Januar ihre zweite Schweizer Reise an. In Genf traf sie dasselbe Missgeschick wie zuvor in München, nur befielen diesmal die heftigen Schmerzen den rechten Arm, so dass ihr jedes Konzertieren unmöglich war. »Ich saß da ohne alle Zerstreuung, ohne Freund und habe recht gelitten.« Schließlich überwand sie die Schmerzen so weit, dass sie am 19. Februar in Genf noch ein Konzert geben konnte. Dann folgten Auftritte in Lausanne, Vevey und Zofingen, St. Gallen, Schaffhausen und Winterthur, ehe sie am 11. März in Stuttgart diese große Tournee beendete. Nun konnte die Künstlerin für einige Wochen nach Berlin zurückkehren und hatte die große Freude, dass Brahms sie besuchte, mit dem sie ausgiebig musizieren und weite Spaziergänge machen konnte. Auch die folgenden Monate galten der Erholung und Kräftigung der Gesundheit für den nächsten anstrengenden Konzertwinter. Zunächst verlebte Clara schöne Tage bei alten Freunden in Lockwitz bei Dresden, dann besuchte sie Brahms’ Eltern in Hamburg, ehe sie zu einem vierwöchigen Kuraufenthalt nach Wiesbaden ging. Den eigentlichen
Urlaub verbrachte Clara anschließend mit ihren Kindern außer Ludwig und Ferdinand in Göttingen, wo auch Brahms weilte und gerade innigere Beziehungen zu Agathe von Siebold, einer Professorentochter, angeknüpft hatte. Clara sah diese Zuneigung mit gemischten Gefühlen wachsen. Einerseits mag sie erkannt haben, dass sie auf Dauer keinen alleinigen Anspruch auf Brahms haben konnte, dass er Verbindungen zu Gleichaltrigen suchte und dass sie ihn möglicherweise eines Tages ganz an eine andere Frau verlieren würde, andererseits sah sie aber bald auch die Aussichtslosigkeit dieser Beziehung und warnte Brahms davor. Verstimmungen waren das Ergebnis, so dass Clara eher abreiste als ursprünglich beabsichtigt.
Sie wandte sich zunächst nach Düsseldorf, wo ihre alte blinde Freundin Rosalie Leser aus ihrer glücklicheren Düsseldorfer Zeit lebte. Von hier aus gab sie noch einige Konzerte und kehrte am 26. Oktober nach Berlin zurück. Aber auch hier war ihres Verweilens nicht lange, denn schon am 9. November begann sie in Begleitung ihrer Tochter Marie eine große Wintertournee, in deren Zentrum Wien stand. Auf dem Wege dahin spielte sie noch in Dresden und Prag.
Am 28. Februar 1859 kehrte sie endlich nach Dresden zurück, wo sie noch mehrere Konzerte gab, ehe sie am 5. April in Berlin ihre Kinder wieder in die Arme schließen und mit ihnen zusammen die Osterferien verbringen konnte. Zur Freude aller verlebte auch Brahms die Feiertage mit ihnen. Er blieb vom 16. bis 23. April zu Besuch. Zwei Tage später, am 25. April, begannen für Clara schon wieder die Pflichten. Diesmal war ihr Ziel England, wohin sie auf Wunsch ihres Vaters auch ihre Halbschwester Marie Wieck mitnahm, um sie in das dortige Konzertleben einzuführen. Clara konzertierte zumeist mit dem Sänger Julius Stockhausen und dem Geiger Joseph Joachim. Während letzterer zahlreiche Engagements und große Erfolge hatte, war Clara mit dem Ertrag ihrer Konzerte wenig zufrieden. Die politischen Verhältnisse, der Krieg Österreichs mit Sardinien, wirkten sich negativ auf die Konzertsaison in England aus. Am Ende wurde es aber doch besser, und sie blieb länger als ursprünglich beabsichtigt. Schließlich schied sie fast mit Wehmut von London. Am 2. Juli traf sie wieder in Düsseldorf ein.
Die folgenden Monate galten der Kräftigung ihrer Gesundheit, um den Anstrengungen des nächsten Konzertwinters gewachsen zu sein. Vor der eigentlichen Erholung in Bad Honnef unterzog sie sich zunächst einer mehrwöchigen Kur in Wildbad. Brahms war davon begeistert: »Als ob mir’s selbst passierte, so freute ich mich, zu hören, Du willst nach Wildbad: Das muß sehr schön sein, jedenfalls schöner als Wiesbaden.« – »Wildbad Aug. 59« lautet auch der letzte Eintrag in diesem Blumentagebuch. Er klingt wie ein Echo auf diesen freudigen Ausruf von Brahms, für den sie es in Gedanken zusammengestellt hatte.
Ob er es je zu sehen bekommen hat?
Nachbemerkung zur 3. Auflage:
Das „Berliner Blumentagebuch der Clara Schumann“ wird im Rahmen des Robert-Schumann-Nachlasses, zu welchem neben Briefen und anderen Schriftdokumenten 34 Bände mit Kompositionen in Schumanns Handschrift gehören, in der Musikabteilung der Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz unter der Signatur Mus. ms. autogr. Schumann, C. 1 aufbewahrt. Der Name nimmt, zur Unterscheidung etwa von dem im Archiv des Schumann-Hauses Zwickau verwahrten (Endenicher) „Blumenbuch für Robert“ aus den Jahren 1854 bis 1856, Bezug auf ebendiesen aktuellen Bibliotheksstandort. Die Reihenfolge der in diesem Band wiedergegebenen Blätter entspricht der heutigen Anordnung des Konvoluts, die vom ursprünglichen Zustand abweicht (und auch keine streng chronologische Abfolge zu erkennen gibt): Aus konservatorischen Gründen wurden alle 27 Einzel- und Doppelblätter, in die Pflanzen eingesteckt sind, aus dem braunen Ledereinband gelöst und einzeln in säurefreie Umschläge eingelegt. Zum Buchblock insgesamt gehören weitere 6 ehemals mit Blumen versehene und 54 gänzlich leere Blätter. Der Abdruck der Pflanzenmontagen (jeweils Vorder- und Rückseite) erfolgt in der Größe der Originale.
Die neu gestaltete 3. Auflage des „Berliner Blumentagebuches“ erscheint 2019 aus Anlass des 200. Geburtstages von Clara Schumann und zum 300. Jubiläum des Verlages Breitkopf & Härtel.
Biographische Notizen
Tafeln
Botanische Erklärungen
Clara Schumann war am 12. November 1857 zu Konzerten in München eingetroffen. Während ihres Aufenthaltes wohnte sie abwechselnd bei ihren Freundinnen Elise von Pacher geb. List, Fürstenstraße 12, Parterre, und Emilie List, Amalienstraße 89. Am 14. November gab sie im Königlichen Odeon unter Leitung von Franz Lachner ihr erstes Konzert. Im ersten Teil spielte sie das 5. Klavierkonzert Es-Dur von Ludwig van Beethoven und »Des Abends« und »Traumeswirren« aus den Fantasiestücken op. 12 von Robert Schumann, im zweiten Teil das Capriccio brillant h-Moll op. 22 von Felix Mendelssohn Bartholdy, von Frédéric Chopin ein Impromptu (vermutlich As-Dur op. 29) und ein Notturno (wohl f-Moll op. 55 Nr. 1) und zum Schluss von Felix Mendelssohn Bartholdy ein Lied ohne Worte in C-Dur (vermutlich das »Spinnerlied« op. 67 Nr. 4).
Am 15. November, dem Tag, an dem sie das Sträußchen bekam, schrieb Clara an ihren Halbbruder Woldemar Bargiel: »… Es ist mir überall vortrefflich gegangen, d. h. ich habe mit dem größten Beifall gespielt, Geld jedoch noch nicht viel verdient … Ich habe gestern im Odeon Concert gegeben es war sehr besucht, heute höre ich aber, daß, trotzdem die Capelle mir aus Gefälligkeit gespielt (wofür ich ihnen natürlich wieder aus Gefälligkeit spiele) die Kosten dennoch sich auf 20 Louisdor belaufen. München ist übrigens in musikalischer Hinsicht noch sehr in der Kindheit – daß ein Künstler hier mehr als ein Concert gibt, scheint fast zu den Unmöglichkeiten zu gehören.
Trotzdem ich wahrhaft enthusiastischen Beifall hatte gestern, so wird heute doch großer Rath gehalten, ob wohl noch Eines zu riskiren sei! – Ich bleibe jedoch jedenfalls diese Woche noch hier … auch meinen Freundinnen zulieb, die Alles mir an den Augen absehen …«
München
am 15 Nov: 1857.
Das Sträußlein besteht im mittleren Teil aus Zweigen einer zierlichen Zuchtform der Kanadischen Schierlingstanne (Tsuga canadensis). Die Blume auf der rechten Seite stammt von einer nicht allzu häufigen Zierpflanze unserer Gärten, dem Großblütigen Mädchenauge oder Schöngesicht (Coreopsis grandiflora) und wurde gewiss schon lange zuvor präpariert, denn diese Pflanze blüht nur vom Juni bis September. Die ursprünglich in Nordamerika heimische Art wird gern in bunte Staudenbeete einbezogen und gilt als ausgezeichnete Schnittblume, die sich lange in der Vase hält. Auf der linken Seite sehen wir das Blatt eines Farns, offenbar von einer Art der Gattung Adiantum, die in Gewächshäusern als Zierform kultiviert wird. Obenauf liegt der Blütenstand eines Hahnenfußes (Gattung Ranunculus). Separat und seitlich etwas versetzt sind Thallusteile einer in den gemäßigten und kühlen Klimagebieten relativ weit verbreiteten Strauchflechte, dem sogenannten Isländisch Moos (Cetraria islandica) aufgelegt.
An diesem Abend spielte Clara Schumann im Ersten Abonnements-Konzert der Zürcher »allgemeinen MusikGesellschaft« im Casino. Es war ihr erstes Auftreten nach einer längeren durch heftige Schmerzen bedingten untätigen Zeit, die sie in München verbracht hatte.
Im ersten Teil spielte sie Felix Mendelssohn Bartholdys Klavierkonzert g-Moll op. 25, im zweiten die Klaviersonate d-Moll op. 31 Nr. 2 von Ludwig van Beethoven, das »Schlummerlied« aus den Albumblättern op. 124 von Robert Schumann und zwei Lieder ohne Worte von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Die Eidgenössische Zeitung brachte am 10. Dezember eine ausführliche Würdigung des Konzertes: »… Vorerst wird es gleich nach einigen Akkorden schon zur Evidenz gewiß, daß Frau Schumann zu der kleinen Zahl jener Künstlernaturen zählt, die in der That ›Musik haben in sich selbst‹. Der hohe geistige Ausdruck, der ihre ganze Erscheinung belebt, sobald sie durch die Saiten zu meistern beginnt, würde das allein schon verkünden. Ein Grieche hätte gesagt: ›Ein Gott ist über sie gekommen!‹ Diese höchst glückliche natürliche Begabung hat nun aber die vollendetste Ausbildung erhalten … Mit dieser vollendeten Technik verbindet sich nun eine ächt poetische Auffassung der vorgetragenen Tondichtungen. Die Künstlerin ist ganz vom Geiste derselben erfüllt und durchdrungen und weiß denselben klar und voll zur Erscheinung zu bringen. Namentlich in dieser Hinsicht steht sie hoch über manchen Virtuosen … Dieses gewissenhafte Eindringen in den Geist jedes einzelnen Tonwerkes, diese keusche Achtung desselben kann gewiß in unserer Zeit nicht genug anerkannt werden. Nicht ein fremder oder falscher Zug entstellt also das Gemälde …«
Zürich d. 8 Dec: 1857.
Blatt 1 Mitte Diese Komposition scheint durch hohe Individualität geprägt zu sein. In ihr sind zwei Blütenstände der Spinnenpflanze (Cleome spinosa – im Hintergrund) mit Veilchenblüten (rechts, wahrscheinlich Viola biflora) und dem Zweig eines immergrünen kleinblättrigen Rhododendron vereinigt. Im Vordergrund sind Blüten der Gartengänsekresse (Arabis caucasica) zu sehen, die von ihren heimatlichen Standorten in den Gebirgen Westasiens und Südosteuropas schon zeitig als Zierpflanze in die Gärten geholt wurde. Auch kleinblättrige Rhododendren – in der gärtnerischen Literatur mitunter auch als Sommerazaleen bezeichnet – sind in Mitteleuropa nicht ursprünglich verbreitet; der Zweig muss einer Anpflanzung entnommen worden sein. Die Blütenstände der Spinnenpflanze zeigen an der Spitze Knospen, in der Mitte offene Blüten und an der Basis Früchte. Das entspricht der von unten nach oben fortschreitenden Aufblühfolge der in rosa Farbtönen erstrahlenden Blütentrauben dieser Art, die vermutlich aus Nordafrika stammt. Der neben dem Strauß liegende Pflanzenteil gehört zu einer Blattflechte.
Leseprobe
An diesem Abend gab Clara Schumann ein eigenes Konzert im Casino. Im ersten Teil des Programms spielte sie die Klaviersonate C-Dur op. 53 von Ludwig van Beethoven, ein Notturno (vermutlich wieder op. 55 Nr. 1) und ein Impromptu (wahrscheinlich As-Dur op. 29) von Frédéric Chopin, im zweiten Teil, Richard Wagner zulieb, dem sie schon am 7. Dezember in Zürich begegnet war, die Etudes en forme de variations op. 13 von Robert Schumann und das Rondo capriccioso op. 14 von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Blatt 1 unten
Auch diesmal berichtete die Eidgenössische Zeitung tief beeindruckt von dem Konzert: »… Außer den früher bereits bewährten Eigenschaften, wodurch das Spiel der Klara Schumann so hochsteht, trat heute, eben in Folge der Wahl der vorgetragenen Stücke, noch mehr als im frühern Konzerte hervor, wie die treffliche Künstlerin sich in die Eigenthümlichkeit des Meisters zu vertiefen und Jedem gerecht zu werden weiß. Welch ein Abstand zwischen Beethoven und Chopin! … Wie ganz anders trat uns wieder die Muse Robert Schumanns (in den Etudes en forme de variations, op. 13) entgegen! Wir möchten diese sowohl für die Auffassung als den technischen Vortrag äußerst schwierige Komposition allerdings nicht gern von Jemand anders hören, als gerade von der Gattin des Komponisten. Von ihr vorgetragen, muß sie aber Jedem, der Musiksinn besitzt, als höchst bedeutungsvoll erscheinen; denn der dramatische Fortschritt der Tondichtung von der ernstesten, düstern Versenkung des Gemüthes in sich selbst bis zu dem schwungvollen, triumphalen Abschluß wird von der großen Künstlerin auf hinreißende Weise vor die Seele des Hörers geführt …«
Leseprobe
Zürich d. 19 Dec: 1857.
Hier sind Zweige von zwei immergrünen Pflanzen einbezogen. Links Zweiglein vom Sadebaum oder Stink-Wacholder (Juniperus sabina), der zuweilen auch als Zierstrauch angepflanzt wird. Seinen deftigen Volksnamen verdankt er dem von ihm ausgehenden unangenehmen Geruch. Rechts ist der Zweig einer Eibe (Taxus baccata) zu sehen, offenbar von einer zierlichen Zuchtform. Zwischen beiden ist der Blütenstand einer kleinen Astilben-Art (Gattung Astilbe) eingebunden. Zur Ergänzung sind wiederum Veilchenblüten beigefügt. Die in Ostasien und Nordamerika beheimateten Astilben wurden seinerzeit nur selten in Europa kultiviert. Heute bereichern Astilben den Sommerflor vieler Gärten. Sie werden auch Prachtspieren genannt und sind Produkt einer erst zu Beginn unseres Jahrhunderts einsetzenden intensiven Kreuzungszüchtung, die inzwischen viele verschiedene Sorten hervorgebracht hat.
Neben dem Gebinde ist wiederum »Isländisch Moos« aufgesteckt.
Leseprobe
An diesem Tage, einem Sonntag, an dem Clara Schumann diese Zweige pflückte, wirkte sie im »Fünften Abonnement-Conzert« mit.
Sie spielte im ersten Teil das Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur von Ludwig van Beethoven und im zweiten die Variations sérieuses op. 54 von Felix Mendelssohn Bartholdy, »Traumeswirren« und »Des Abends« aus den Fantasiestücken op. 12 von Robert Schumann sowie von Felix Mendelssohn Bartholdy ein Lied ohne Worte.
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Basel am Münster d. 13 Dec: 57.
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Hier ist ein Zweig des Kleinen Immergrün (Vinca minor) aufgelegt. Seine langen niederliegenden Sprosse sind mit gegenständig stehenden, immergrünen glänzenden Blättern besetzt. Es blüht bereits im April und Mai mit hübschen blauen Blüten. An den Blattknoten treibt es leicht Wurzeln, so dass es in kurzer Zeit größere Flächen überzieht. Diese Eigenschaft führte dazu, das vor allem in Laubwäldern und Gebüschen im südlichen Mitteleuropa natürlich verbreitete Immergrün vielerorts in Gärten, Parks und auf Friedhöfen als Bodenbedecker anzupflanzen. Auch im Volksbrauchtum, besonders im süddeutschen Raum, spielte es eine Rolle. So wurden Brautkränze aus ihm geflochten, und heiratsfähige Mädchen legten in der Andreasnacht zwei Blätter in eine Schale mit Wasser; sind diese bis zum Morgen aneinander herangeschwommen, sollte noch im gleichen Jahr die Hochzeit ins Haus stehen.
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Nachdem Clara Schumann in Bern konzertiert hatte, gab sie an diesem Tag in Basel ein eigenes Konzert im Saale des Stadt-Casino.
Im ersten Teil spielte sie das Klavierkonzert a-Moll op. 54 von Robert Schumann und von Frédéric Chopin das Notturno f-Moll op. 55 Nr. 1 sowie das Impromptu As-Dur op. 29. Im zweiten Teil folgten von Ludwig van Beethoven die Klaviersonate d-Moll op. 31 Nr. 2, von Robert Schumann das »Schlummerlied« aus den Albumblättern op. 124 und von Felix Mendelssohn Bartholdy das Rondo capriccioso op. 14.
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Basel d. 17 Dec: 57.