Trail 2/2019 Vorschau

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Fitnessstudio ist Feindesland! Der gemeine Trailrunner fühlt sich zwischen, sich im Spiegel bewundernden Muskelprotzen und nach Chanel No. 5 duftenden Aerobic-Gruppen mindestens genauso unwohl wie die Fitness-Klientel am Berg. Unterschiedlicher könnte der Antrieb zum Sport auch nicht sein: sich zu bewegen, nur um anderen zu gefallen? Ist dem Trailrunner völlig fern. Schon der Tourist auf den Wanderwegen stört die Einsamkeit und die Zweisamkeit zwischen Trailrunner und Natur. Welcher Grund spricht da überhaupt für das Fitnessstudio? Sich vor Hunderten Augen zu schinden, nur um sich als höchste Auszeichnung das Prädikat „Cardio-Opfer“ zu verdienen? Die Abneigung gegen Indoortraining sitzt tief und ist zum Teil auch zum Lifestyle geworden. Doch hinter all dem Habitus des eingefleischten Trailrunners steckt auch die Erkenntnis, dass es vielleicht doch einen Sinn für das Training in der Halle geben kann - natürlich rein sportlich. Wetter, Dunkelheit und Gefahr dürfen keine Ausreden sein, helfen aber vielleicht, den ersten Versuch zu wagen. Selbst Snowboardfahrer trainieren schließlich, ob für Halfpipe, Freestyle oder Cross, einen großen Teil im Kraftraum, der Slackline oder Turnhalle. Rennradfahrer und Triathleten kurbeln im Keller auf der Rolle und auch Kletterer trainieren zusätzlich indoor in Kletter–/Boulderhallen und an Campusboards. Wenn diese Sportarten auch nicht alle von den Anforderungen her vergleichbar sind, dann zumindest mit unserer Mentalität, sei sie Leistungssport oder Outdoor-fokussiert. Indoortraining ist unspezifisch, aber spezialisiert. Es hilft nicht, die komplexen Anforderungen des Trailrunnings abzubilden. Es kann aber Bestandteile einzeln und hochkonzentriert trainieren und verbessern. Dies ist kein Plädoyer für Laufbänder, keine Aufforderung Hanteln zu stemmen oder eine Liebesbekundung zur Lebensintensivierung durch Yoga. Es ist ein Ratgeber, wie man im Winter seine Schwächen gezielt trainieren, seine Verletzungen ohne Fitnessverlust loswerden und mehr Abwechslung in die dunklen Tage bringen kann.

AUF DER LAUFBAHN MUSS DAS TEMPO WILLENTLICH GEHALTEN WERDEN, AUF DEM LAUFBAND WILLENTLICH VERRINGERT WERDEN – EIN ENTSCHEIDENDER UNTERSCHIED. IM SCHNITT SCHAFFEN MEINE ATHLETEN AUF DEM LAUFBAND ALLEIN DESWEGEN SCHON EINE HÖHERE DURCHSCHNITTSLEISTUNG zu einer Bahn. Doch selbst wenn der Zugang zur Bahn sichergestellt ist, ist bei starkem Wind, Schneefall oder Eis die Bahn nicht laufbar – von Fussballspielen nicht zu sprechen. Natürlich ist es auch wichtig bei schlechten Bedingungen willentlich das Tempo halten zu können. Das Laufband aber ist die treue Alternative, wenn, wie so oft, irgendetwas nicht passt. Handelsübliche Laufbänder simulieren Steigungen von bis zu 15 Prozent. Das ist vielleicht noch kein Limone Skyrace, aber doch deutlich mehr als die meisten vor der Haustür haben.

Also: Laufband Der König des Fitnessstudios, der Endgegner des eingefleischten Trailrunners, das Hamsterrad des kleinen Mannes. Wenn der Eisenstemmer mit dem Waldläufer eines gemeinsam hat, dann ist es die Abneigung zum Laufband. Dabei kann das Laufband in verschiedener Hinsicht dem Trailrunner eine Hilfe für den Sommer sein. 1. Intervalltraining Nie habe ich mich härter gequält als auf dem Laufband. Wer bei 7x 3min Intervallen in den letzten Sekunden nur denken muss: „Nicht vom Laufband fallen“, der kann seine Kraft auf das Wesentliche konzentrieren. Auf der Laufbahn muss das Tempo willentlich gehalten werden, auf dem Laufband willentlich verringert werden – ein entscheidender Unterschied. Im Schnitt schaffen meine Athleten auf dem Laufband allein deswegen schon eine höhere Durchschnittsleistung. Der häufigste Fehler, das Intervalltraining und auch jedes Intervall zu schnell zu beginnen, fällt von selbst weg. Einfacher können Intervalle nicht gesteuert werden. Und in Zeiten, in denen öffentliche Laufbahnen immer noch gesichert sind wie Hochsicherheitsgefängnisse, hat auch nicht jeder Zugang

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2. Steigungstraining Die allermeisten Laufbänder lassen Steigungen bis zu 15% zu. Das entspricht zwar nicht steilen Alpenanstiegen, ist aber mehr als viele vor der Haustür haben. Für eine spezifische Muskelbelastung, d. h. mehr vorderer Oberschenkel und weniger hinterer Oberschenkel und gleichzeitig Belastung der Wade und Achillessehne im gedehnten Zustand, reicht die Steigung locker aus. Für drei verschiedene Trainingsarten macht das Steigungstraining auf dem Laufband besonders Sinn. Für lange Anstiege, die in der Natur vor Ort nicht zur Verfügung stehen: In meiner Vorbereitung auf den Transvulcania, mit 2.000 Hm am Stück, konnte ich mich nicht mal im Allgäu, erst recht nicht im März und April, vorbereiten. Hier kann das Laufband helfen auch lange Steigungen zu simulieren. Mehr als 90 Minuten sind aber bei gleicher Steigung dann auch eher Mentaltraining. Auch für Intervalle am Berg bietet das Laufband Hilfe. Obwohl fast jeder in seinem Umkreis Steigungen von 5 Minuten Dauer hat, kann auch hier das Laufband helfen, die Steigungen konstant zu halten. Gerade aber bei einer Intervalldauer von über 5 Minuten und kürzeren Pausen ist es unmöglich in den Pausen wieder zum Start zurückzulaufen. Wer keine 500-Hm-Anstiege hat und sich langsam nach oben arbeiten kann, hat mit dem Laufband mehr Flexibilität.


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