BiK F
Newsletter des Biodiversität und Klima Forschungszentrums
FORSCHUNG:
SÜSSWASSERINSEKTEN: (V)ERKANNTES POTENTIAL FÜR DIE BIODIVERSITÄTSFORSCHUNG wässern leben dagegen mehr Arten, die sich an neue Lebensbedingungen anpassen und auf diese Weise neue Eigenschaften entwickeln. Daraus können sich wiederum neue Arten bilden (ökologische Diversifikation). Die Autoren listen in ihrer Studie die Potenziale unterschiedlicher Gattungen von Süßwasserinsekten für die Biodiversitätsforschung tabellarisch auf. Artenbildung im Spannungsfeld geographischer und ökologischer
Diversifikation
lässt
sich
demnach sehr gut anhand von Köcherfliegen der Gattung Drusus untersuchen. „In Bächen
und
Quellen
des
westlichen
Balkangebietes leben unterschiedlichste Drusus-Arten, und in jedem Tal hat sich
1
eine andere mikroendemische Art entwi-
1 Ein typischer Karstbach im westlichen Balkan. Hier leben die mikroendemische Köcherfliegen der Gattung Drusus. © Ana Previsic 2 Libellen haben sowohl stehende als auch Fließgewässer besiedelt und sind somit gute Modelle zur Untersuchung von Diversifikation in Bezug auf Habitat-Stabilität. Abgebildet ist die Großlibelle Trithemis hartwigi. © Nicolas Meziere
ckelt – bis hinunter nach Griechenland“, berichtet Pauls. „Die Ursache ist hier wahrscheinlich eine geographische Diversifikation, weil die Gewässer dort durch starke Karstbildung immer weiter vonein-
2
ander isoliert werden.“ Unterschiedliche
In den Binnengewässern unseres Plane-
dikatoren für den ökologischen Zustand
Temperaturpräferenzen der Arten zeigen
ten leben im Vergleich zu anderen Öko-
eines Gewässers dienen, sind bereits sehr
jedoch, dass auch ökologische Diversifi-
systemen überproportional viele Tierar-
gut erforscht. Trotzdem sind selbst diese
kation eine Rolle spielt.
ten. Sechs von zehn dieser Tiere sind In-
Arten in der Insektenforschung völlig un-
Die Erforschung von Temperaturanpas-
sekten. Deshalb haben Wissenschaftler
terrepräsentiert, weil die Arbeiten über-
sungen trägt auch in anderen Insekten-
des BiK-F nun gemeinsam mit Kollegen
wiegend im Rahmen der Gewässerkunde
gruppen dazu bei, die Entstehung von
des Naturalis Biodiversity Center in Lei-
stattfinden. „Auch innerhalb der Insek-
Biodiversität zu verstehen, z.B. bei den
den und des Leibniz-Instituts für Gewäs-
tenkunde weiß man zu wenig von den
Zuckmücken (Chironomidae). Sie umfas-
serökologie und Binnenfischerei (IGB) in
Projekten der Kollegen. Unser Review soll
sen tropische bis antarktische Arten und
Berlin das Potenzial von Süßwasserinsek-
auch dazu beitragen, mehr Interdiszipli-
halten Temperaturen von -20° bis +40° C
ten für die Erforschung der Biodiversität
narität zu schaffen“, betont Dijkstra.
aus.
untersucht. Die Ergebnisse wurden in der
Ökologische Vielfalt entwickelt sich im
Die Übersichtsstudie führt Biodiversitäts-
diesjährigen Ausgabe des renommierten
Rahmen eines komplizierten Wirkungsge-
forscher auf neues Terrain. Die Verbin-
Fachjournals Annual Review of Entomolo-
füges unterschiedlichster Umwelteinflüs-
dung molekulargenetisch ermittelter Ver-
gy veröffentlicht.
se. Ein wichtiger Faktor ist die Stabilität
wandtschaftsbeziehungen
„Die Antwort auf die Frage, woher die
der Ökosysteme. In ihrer Arbeit entwi-
schen Daten eröffnet neue Wege, die Di-
Diskrepanz im Verhältnis von Lebensraum
ckeln die Wissenschaftler ein Modell zu
versifikation von Süßwasserinsekten zu
und Artenvielfalt bei den Süßwasserin-
den Zusammenhängen zwischen der Ha-
untersuchen und macht sie zu hervorra-
sekten kommt, könnte das Verständnis
bitat-Stabilität und der Artenbildung und
genden
der Entstehung von Biodiversität wesent-
-ausbreitung
Süßwasserinsekten.
wissen, wie die enorme Biodiversität bei
lich voranbringen“, erläutert Dr. Steffen
Dr. Michael T. Monaghan vom IGB fasst
Süßwasserinsekten entsteht, können wir
Pauls, Nachwuchsgruppenleiter am BiK-F
zusammen: „Unser Modell zeigt, dass die
auf andere Tier- und Pflanzenarten rück-
und einer der Autoren der Studie. Dr.
Stabilität des jeweiligen Ökosystems und
schließen“, erläutert Pauls. „Mit diesem
Klaas-Douwe Dijkstra vom Naturalis Bio-
die Ausbreitungsfähigkeit der darin le-
Wissen könnten wir den in vielen Berei-
diversity Center fasst diese Entstehung
benden Insekten auf nichtlineare Weise
chen dringend notwendigen Artenschutz
zusammen: „Obwohl sie nur 12 Ordnun-
voneinander abhängen.“ In stehenden
verbessern.“
gen angehören, sind Wasserinsekten auf
Gewässern etwa findet man häufiger In-
über 50 einzelne Süßwasser-Invasionen
sektenarten, die bei veränderten Umwelt-
von Landinsekten zurückzuführen.“ Die
bedingungen das Habitat wechseln (geo-
>> Studie in Annual Review of
Lebensweisen einiger Arten, die als Bioin-
graphische Diversifikation). In Fließge-
Entomology
bei
–2–
mit
Modellorganismen.
ökologi-
„Wenn
wir