SOS-ZOOM 4/2018
Jedem Kind ein liebevolles Zuhause.
Bildung Oumarou darf endlich lernen
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Auf eigenen Beinen stehen
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EDITORIAL
Thema: Bildung Liebe Freundinnen und Freunde von SOS-Kinderdorf Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich mich an meinen ersten Schultag erinnere. Es mag Ihnen vielleicht ungewöhnlich erscheinen, aber nein, dieser Tag hat bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Dafür ist mir der erste Tag im Kindergarten umso lebhafter in Erinnerung geblieben: Während die anderen Kinder aus der Nachbarschaft in Erstfeld gemeinsam loszogen, lag ich mit einem entzündeten Blinddarm im Spital. Ich war untröstlich. Doch ich hatte das Glück, dass die Ärzte mir helfen konnten, und bald hüpfte ich mit meinen Kameradinnen und Kameraden fröhlich in den Chindsgi. Rasch holte ich den verpassten Unterrichtsstoff auf und lernte, die Uhrzeit anhand des Schlags der Kirchenglocken zu erkennen. Das waren mir die anderen Kinder nämlich in der Zwischenzeit voraus.
Für viele Kinder gibt es jedoch weit mehr Gründe als eine Blinddarmentzündung, die den regelmässigen Schulbesuch verhindern. Insgesamt 264 Millionen Kinder weltweit können nicht zur Schule gehen. Die Welt wird sich aber erst entscheidend verändern, wenn alle Kinder und Jugendlichen Zugang zu Bildung haben. Genau aus diesem Grund trägt SOS-Kinderdorf in allen Programmen und Projekten auf ganz verschiedene Arten zur Förderung von Bildung und Beschäftigungsfähigkeit bei. Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei, in diesem Magazin die vielen Facetten dieser Arbeit kennenzulernen und die Geschichten von Kindern, Jugendlichen und Eltern zu entdecken. Für Ihre Unterstützung bedanke ich mich herzlich.
Erika Dittli Leiterin Programme
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Inhalt
Dieser Junge aus dem Niger, der ein Schuljahr zur Wiedereingliederung macht, hat einen klaren Berufswunsch.
Kinder von heftigen Krawallen bedroht ���������� 3 Oumarou darf endlich lernen ��������������������������� 4 Gemeinsam für eine nachhaltig lebenswerte Welt ���������������������������������������������� 8 Für einen guten Start ins Leben ����������������������10 Auf eigenen Beinen stehen ����������������������������� 12 «Kinder wollen lernen und weiterkommen» ���14 News aus der Schweiz �������������������������������������15
Fotograf: © Simon Huber
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AKTUELL: UNRUHEN IN NICARAGUA
Kinder von heftigen Krawallen bedroht
Die Gewalt bei den Protesten in Nicaragua ist eskaliert: Bei den Auseinandersetzungen, die vor rund einem halben Jahr begonnen haben, sind bereits mehr als 450 Menschen ums Leben gekommen. Wegen schwerer Ausschreitungen wurde auch das SOS-Kinderdorf in Juigalpa vorübergehend evakuiert. Nachdem es im Juli in unmittelbarer Nähe des SOS-Kinderdorfs Juigalpa zu schweren Ausschreitungen gekommen war, mussten die 38 Kinder und Mitarbeitenden das Nötigste zusammenpacken und ihr Zuhause verlassen. Sie alle seien in eine sichere Unterkunft gebracht worden, teilte Benito Rivas, Nationaldirektor SOS-Kinderdorf in Nicaragua, damals mit. Die Gewalt habe die Kinder verstört, einige müssten psychologisch betreut werden, so Rivas weiter.
sich nicht mehr trauen, ihre Kinder dorthin zu schicken», sagt Bernhard und fährt fort: «Auch Tür-zu-Tür-Kampagnen, die wir in unseren Familienstärkungsprogrammen zur Aufklärung und Sensibilisierung nutzen, finden im Moment nicht statt. Das wäre einfach zu gefährlich.» Stattdessen würden Mittel für die psychosoziale Unterstützung, zum Beispiel der Kinder aus Juigalpa, zur Verfügung gestellt. Wie sich die Situation in Nicaragua entwickeln wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar. Auslöser der Krise war die Ankündigung Präsident Daniel Ortegas im April, die Sozialversicherungsbeiträge zu erhöhen und die Renten zu senken. Spontan kam es zu Demonstrationen, die sich in kurzer Zeit zu landesweiten Protesten ausweiteten. (vbe)
Mit dem Nötigsten bepackt, verlassen die Kinder und die Mitarbeitenden des SOS-Kinderdorfs Juigalpa wegen der Krawalle ihr Zuhause.
Einen Monat nach der Evakuierung konnten die Kinder, Jugendlichen und Mitarbeitenden wieder in ihre Häuser und ihren Alltag zurückkehren. «Obwohl die Situation immer noch schwierig ist, sind wir erleichtert und glücklich, zu sehen, wie die Kinder mit ihren Geschwistern und Betreuungspersonen zu Hause spielen und ihren Alltag wieder aufnehmen», sagt Rivas. Und: «Was in unserem Land passiert, ist eine Tragödie.» Die Lage bleibt weiterhin angespannt. Urs Bernhard, verantwortlich für die Programme in Nicaragua von SOS-Kinderdorf Schweiz, erklärt: «Über unsere Newskanäle und interne NotfallUpdates halten wir uns ständig auf dem Laufenden. Dazu stehen wir im direkten Austausch mit den Verantwortlichen vor Ort.» Auf dieser Basis werde dann entschieden, welche Aktivitäten in der aktuellen Situation durchgeführt werden und welche zum Schutz der Beteiligten verschoben werden müssen. «Day Care Centers, also Kindertagesstätten, müssen aufgrund der Sicherheitslage zwischenzeitlich geschlossen werden, weil die Eltern
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NIGER: ECOLE PASSERELLE
Oumarou darf endlich lernen
Wenn ein Kind nicht regelmässig in die Schule geht, verliert es schnell den Anschluss. Und früher oder später sind dann auch der Schulabschluss und damit eine eigenständige Zukunft in Gefahr. Genau so erging es Oumarou, der im Niger lebt und zwar lernen will, aber lange Zeit nicht konnte. Der Bub, der sich mit einem grossen Wasserkanister auf dem Rücken auf den Heimweg zu seinem Onkel macht, ist sechs Jahre alt. Der Kanister und die Verantwortung für die Wasserversorgung der Familie lasten schwer auf seinen Schultern. Wenn Oumarou das Wasser abgeliefert hat, wird er an diesem Tag noch mehrmals an der Wasserstelle Nachschub holen und danach noch Brennholz besorgen, was ihn körperlich an sein Limit bringt. Er selbst wohnt auch bei der Familie seines Onkels und wäre eigentlich in der Schule angemeldet. Doch meistens ist der Primarschüler einfach viel zu müde und zu erschöpft, um etwas zu lernen. Wegen der harten Arbeit und weil es nicht immer genug zu essen gibt, kann er sich kaum konzentrieren. Oft schafft er es nicht, den Unterricht überhaupt zu besuchen. Vier Jahre lebte Oumarou so. Bis eines Tages seine Mutter zu Besuch kam: Sie sah, wie schlecht es um ihren Sohn stand, wie ausgelaugt, einsam und traurig der Bub war, der noch dazu nie richtig Anschluss an die Familie des Onkels gefunden hatte. Denn ursprünglich war Oumarou im Kreise seiner Eltern und Geschwister aufgewachsen, in Maradi, wo er geboren worden war. Eines Tages aber hatte die Familie ein Hilferuf ereilt: Der Onkel und seine Frau hatten Nachwuchs bekommen und kamen mit der Arbeit nicht mehr hinterher. Kurzerhand erhielt
Was Oumarou wohl liest? Die Lektüre öffnet ihm ganz neue Welten.
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NIGER: ECOLE PASSERELLE
der kleine Oumarou den Auftrag, die Familie des Onkels – rund 50 Kilometer von zu Hause entfernt an der Grenze zu Nigeria – tatkräftig zu unterstützen.
Gestärkte Eltern für eine bessere Zukunft Während Oumarou beim Onkel schuftete, nahm SOS-Kinderdorf seine Familie zu Hause in Maradi ins SOS-Familienstärkungsprogramm auf. Denn Armut hatte die neunköpfige Familie fest im Griff, und aus eigener Kraft schafften es der Vater und die Mutter nicht, sich daraus zu befreien. In Kursen lernten die Eltern mehr über die Bedürfnisse von Kindern. Später wurde die Mutter sogar Präsidentin der Spar- und Leihgruppe. Mit dem Geld, das die Frauen aus der Nachbarschaft dort gemeinsam sparen und einander leihen, baute sie zwei kleine Geschäfte auf. Sie verkauft Eis in Beuteln, was im heissen Sommer eine beliebte Erfrischung ist, und sie macht Frisuren. Dieses zusätzliche Einkommen sichert unter anderem die ausreichende Ernährung der Familie.
Beim Einstufungstest für die «école passerelle» ist Konzentration gefragt.
11 600
Menschen unterstützt SOS-Kinderdorf Schweiz im Niger.
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Menschen profitieren vom Familienstärkungsprogramm in Maradi. Quelle: Jahresbericht SOS-Kinderdorf 2017
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Gestärkt durch das SOS-Familienprogramm, war Oumarous Mutter nicht mehr bereit, die Situation ihres Sohnes länger zu akzeptieren. Als sie von ihrem Besuch beim Onkel nach Hause kam, überzeugte sie ihren Mann, ihr erschöpftes und unglückliches Kind heimzuholen. Seither ist etwas mehr als ein halbes Jahr vergangen. Und man sieht, wie gut es Oumarou tut, dass er wieder zu Hause ist. Seine Augen leuchten, er hat grosse Freude daran, mit seinen Geschwistern zu spielen, und er geniesst es, im Kreise seiner Familie kindgerecht und umsorgt aufgehoben zu sein.
Wissensdefizit aufholen Doch die Schule kann Oumarou nach seiner Rückkehr immer noch nicht besuchen. Zu gross sind die Wissenslücken durch den verpassten Schulstoff. Dadurch hat er den Anschluss verloren und kann im Moment nicht mit den Gleichalt-
Oumarou hilft seiner Mutter beim Geschäft mit den Eisbeuteln.
Oumarou und seine Geschwister spielen im Hof ihr Lieblingsspiel «Osselet».
rigen in der öffentlichen Schule mithalten. Genau für solche Fälle ist die «école passerelle» (Schuljahr zur Wiedereingliederung) da: Hier können Kinder verpasste Lerninhalte aufholen und nach einem Jahr wieder in die reguläre Schule integriert werden. Vor den Sommerferien hat Oumarou einen Einstufungstest gemacht und startete im neuen Schuljahr mit der «école passerelle».
Das Lernen macht Oumarou grosse Freude, und er ist voller Eifer dabei. Möglich ist dieser Weg der Reintegration geworden, weil SOS-Kinderdorf die Gebühren für das kostenpflichtige Angebot übernimmt. Weiter unterstützt SOS-Kinderdorf die Schule als Ganzes. Und Oumarou träumt bereits davon, Menschen zu retten und Armen zu helfen, wenn er gross ist. (vbe)
Bessere Zukunft für 675 junge Menschen Mit der «école passerelle» bekommen Kinder und Jugendliche im Niger, die den Schulanschluss verpasst haben, eine neue Chance auf Bildung. Das Angebot sowie weitere Massnahmen zur Bildungsförderung sind bitter nötig und stossen auf grosses Interesse, wie der nationale Direktor Maman Aboubacar im Interview erklärt. Wie ist die aktuelle Schulsituation für bedürftige Kinder und Jugendliche im Niger? Bildung ist ein universelles Recht für alle Kinder. Doch leider sind die Zahlen über den Zugang zu Bildung und deren Qualität im Niger ernüchternd. In ländlichen Gebieten, wo vier Fünftel der Gesamtbevölkerung leben, beträgt die Einschulungsrate nur gerade
70 Prozent, in städtischen Gebieten 80 Prozent. Nur rund die Hälfte der Kinder schliessen die Grundschule auch ab. Aus welchen Gründen gehen die Kinder nicht zur Schule? Viele Kinder und Jugendliche wurden schlicht nie registriert, andere brechen die Schule nach kurzer Zeit wieder ab. Die Gründe dafür sind vielfältig. Erstens ist das Bildungsangebot für Kinder aus Nomadenfamilien oder für Kinder mit Behinderungen nicht angepasst. Zweitens sind die Lernbedingungen teils sehr schwierig. Der Unterricht findet oftmals in einfachen Hütten statt und fällt während der Regenzeit einfach aus. Es fehlt ausserdem an Unterrichtsmaterial und an qualifiziertem Lehrpersonal. Drittens sind viele Eltern aus
finanziellen Gründen nicht in der Lage, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Welche Massnahmen ergreift SOSKinderdorf dagegen? Im Laufe des Jahres 2017 hat SOSKinderdorf dazu beigetragen, dass 675 Kinder und Jugendliche in der Stadt Maradi Zugang zu Bildung erhielten. Dazu gehören unter anderem Förderunterricht für rund 500 Kinder, der Bau von witterungsgeschützten Klassenzimmern für 82 Kinder, oder die Weiterbildung von 100 Lehrpersonen. Auch die finanzielle Unterstützung des Angebots «passerelle», wo 42 Kinder und Jugendliche wie Oumarou auf den Wiedereinstieg in die Schule vorbereitet werden, zählt dazu. (iru/vbe)
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AGENDA 2030: ZIELE FÜR NACHHALTIGE ENTWICKLUNG
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Gemeinsam für eine nachhaltig lebenswerte Welt Egal ob es sich um eine Kindertagesstätte in der Schweiz oder um eine Primarschule in Togo handelt: In Sachen Bildung steht jedes Land vor ganz eigenen Herausforderungen. Dasselbe gilt auch für Gesundheit, Arbeit und andere zentrale Lebensbereiche. Darum haben die 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen vor drei Jahren die «Ziele für nachhaltige Entwicklung» verabschiedet. Sie umfassen 17 grosse Ziele, die in allen Ländern greifen – für eine Welt, die Wohlstand für alle bietet und die Grenzen des Planeten respektiert. (vbe)
SOS-Kinderdorf hat die Ziele für nachhaltige Entwicklung in der Strategie verankert. SOS-Projekte und -Programme verfolgen insbesondere folgende Ziele:
Nach dem Mittag liest Fernande ihren Schwestern Racine und Norah vor. Die drei Mädchen leben im SOS-Kinderdorf Lomé im westafrikanischen Togo.
KEINE ARMUT
GESUNDHEIT UND WOHLERGEHEN
HOCHWERTIGE BILDUNG
MENSCHENWÜRDIGE ARBEIT UND WIRTSCHAFTSWACHSTUM
FRIEDEN, GERECHTIGKEIT UND STARKE INSTITUTIONEN
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FAMILIENSTÄRKUNG IN GUATEMALA
Für einen guten Start ins Leben
Wie ändert man nachhaltig das Leben der Menschen in Guatemala, wo knapp die Hälfte der Kinder mangelernährt ist und zwei Drittel der Menschen von weniger als zwei US-Dollar am Tag leben? Eine junge Frau in Santa Cruz del Quiché hat ihren Weg gefunden. Verónica ist eine scharfe Beobachterin. Dass sich ihre jüngste Tochter schneller entwickelt als deren zwei grosse Geschwister, ist ihr nicht entgangen. «Wenn wir unterwegs sind, bewegt sie sich frei und spricht. Sie sagt ‹hallo› und ‹danke›. Das haben meine anderen Kinder nicht gemacht», erzählt die junge Frau, die mit ihrem Mann und den drei Kindern im guatemaltekischen Hochland zuhause ist. Doch der Entwicklungsvorsprung der Jüngsten ist kein Zufall, sondern hängt damit zusammen, dass Verónica und ihre Familie seit einiger Zeit am Familienstärkungsprogramm von SOS-Kinderdorf teilnehmen. Liebevoll begrüsst die dreifache Mutter ihre grosse Tochter, die gerade aus der Schule nach Hause kommt. Das Mädchen strahlt und begrüsst seine Mutter freudig. Früher, so Verónica, sei der Umgang mit den Kindern rauer gewesen sei. «Um ehrlich zu sein», fährt sie fort, «sind wir hier auf dem Land manchmal sehr temperamentvoll und handeln impulsiv.» Sie habe erst lernen müssen, wie schädlich es für die Kinder ist, wenn sie körperlich gezüchtigt werden.
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Familien in vier Gemeinden profitieren in Santa Cruz del Quiché vom SOS-Familienstärkungsprogramm.
94 000
Familien weltweit unterstützt SOS-Kinderdorf mit seinen Programmen. 10
Die ganze Familie stärken Viel gelernt hat Verónica darüber an einem Familientraining, das sie gemeinsam mit ihrem Mann besuchte. Die beiden lernten dort in einer Reihe von Workshops, was ihre Kinder brauchen und welche Rechte diese haben. Dieses Angebot und viele weitere, an denen die Familie teilnimmt, gehören zum SOS-Familienstärkungsprogramm. Das SOS-Familienstärkungsprogramm verfolgt den Ansatz, dass es Kindern dann gut geht, wenn ihre Eltern und die Gemeinden wissen, wie sie sie behandeln, schützen und fördern müssen – und die Möglichkeiten dazu haben. Verónica ist sich sicher, dass ihre ganze Familie vom SOS-Familienstärkungsprogramm profitiert hat: «Nicht so sehr, was die Versorgung mit Lebensmitteln angeht, aber in der Bildung und der Hygiene. In Sachen Selbstbewusstsein, Sauberkeit und vielen weiteren Dingen. Unser Leben als Familie ist allgemein besser geworden. Und davon profitieren letztendlich alle.»
Endlich eine Perspektive Zu erleben, welche Fortschritte ihre Kinder machen, wie sich die ganze Familie entwickelt, das hat in Verónica etwas ausgelöst: Gerade lässt sich die junge Frau dazu ausbilden, andere Kinder und Eltern in der frühkindlichen Förderung zu unterstützen. «Verónica bringt sich auf freiwilliger Basis ein», sagt Diego Morales, ein SOSSozialarbeiter in Santa Cruz del Quiché. Und sie selbst ergänzt: «Wenn ich das mache, lerne ich auch viel, was ich meinen eigenen Kindern beibringen kann.» Ihr grosser Wunsch? Dass noch viele Familien vom SOS-Familienstärkungsprogramm profitieren können – und dass ihre Kinder dank einer guten Ausbildung einmal beruflich Fuss fassen werden. (vbe)
Dank Verónicas neu erworbenen Wissens über Kinder und ihre Förderung entwickeln sich ihre Töchter prächtig.
Das SOS-Familienstärkungsprogramm hat zum Ziel, dass Kinder – in der Obhut ihrer eigenen Eltern – geschützt und geborgen aufwachsen und eine Perspektive bekommen. In einem 360-Grad-Ansatz werden dafür Kinder, ihre Familien und die Gemeinde begleitet. Die verschiedenen Massnahmen umfassen vier Bereiche:
BETREUUNG UND SCHUTZ
BILDUNG
GESUNDHEIT
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STUDIUM UND BERUF
Auf eigenen Beinen stehen
Weltweit finden verlassene Kinder dank der Unterstützung von SOS-Kinderdorf ein neues, liebevolles Zuhause. Sie geniessen Fürsorge, spielen mit ihren Geschwistern und gehen zur Schule. Doch wie geht es weiter, wenn die Kinder erwachsen werden? Drei junge Menschen geben Einblick.
Brindhya Parajuli führt eine Apotheke und ist Mutter zweier Kinder. Es erfüllt sie mit Stolz, dass sie für ihre Familie sorgen kann.
«Ich bin stolz auf meine eigene Familie» Brindhya Parajuli
Jg. 1981, verheiratet, 2 Kinder (10 und 4 Jahre), Inhaberin einer Apotheke, Nepal Brindhya Parajuli weiss nicht nur, welches Medikament welche Krankheit kuriert. Sie ist auch eine richtige Powerfrau, die ihr Leben in die Hand nimmt. Als sich ihr nach der Schule die Chance bot, Pharmazie zu studieren, griff sie zu. Sie absolvierte den Bachelor, bekam ihre Tochter, schloss ein Masterstudium an und brachte ihren Sohn zur Welt.
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Als Anderthalbjährige hatte Brindhya Parajuli ein neues Zuhause im SOS-Kinderdorf gefunden. Dankbar resümiert sie: «Ich wurde dort sehr gut auf das Leben vorbereitet, habe Werte wie Respekt, Liebe und Fleiss vermittelt bekommen und kann diese an meine eigenen Kinder weitergeben.» Und sie ist stolz darauf, dass sie zum Familieneinkommen beitragen kann – als Inhaberin ihrer eigenen Apotheke. (vbe)
Voller Tatendrang lernt Zula für ihr Tourismus-Studium, damit sich die Gäste in ihrem Hotel wohlfühlen werden.
«Ich möchte Hoteldirektorin werden» Zula
Jg. 2000, Studentin, Lesotho «Ich freue mich auf das Studentenwohnheim und auf das Stadtleben», sagt Zula mit einem Schmunzeln. Vor Kurzem hat die 18-Jährige die Schule mit Bestnoten abgeschlossen und ihr Tourismus-Studium an der Universität Maseru, der Hauptstadt Lesothos, begonnen. Und die junge Frau fügt hinzu: «Meine Mama ist stolz auf mich.»
«Meine Mama», das ist die Frau, die Zula im SOS-Kinderdorf grossgezogen und dafür gesorgt hat, dass das Mädchen in die Schule geht. Zula ist dankbar dafür, dass sie gefördert wurde und jetzt die Möglichkeit hat, zu studieren. Schliesslich hat sie einen grossen Traum: Hoteldirektorin werden. «Ich hoffe, meine Mama kommt mich einmal in meinem Hotel besuchen», lacht Zula. (vbe)
«Ich bin ein Glückspilz» Suresh Poudel Jg. 1988, Banker, Nepal
Acht Jahre war Suresh Poudel alt, als seine Mutter starb und er im SOS-Kinderdorf ein neues Zuhause fand. Dass er in die Schule gehen konnte, fand er besonders gut: «Mir war schnell klar, dass eine gute Bildung meine Zukunft bedeutet. Ich strengte mich im Unterricht an und habe die Chance genutzt, die ich trotz allem Unglück erhalten habe.» Suresh Poudels Einsatz und Wille haben sich ausgezahlt: Er hat mittlerweile ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen und arbeitet in einer Bank. Mit seiner SOS-Mutter, die ihn damals aufnahm und grosszog, ist er noch eng verbunden: «Ich verdanke ihr sehr viel», sagt er und ist sich sicher: «SOS-Kinderdorf hat mich sehr gut auf das Leben vorbereitet. Ich fühle mich gestärkt für eine gute Zukunft.» (vbe) Suresh Poudel hat in seiner Wohnung ein Bild seiner SOS-Mutter aufgehängt. Fast jede Woche geht der Banker sie besuchen.
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UNTERWEGS
«Kinder wollen lernen und weiterkommen» sen leer. Für Einheimische ist dies kein unübliches Schauspiel, jetzt im Juli, wo die Regenzeit beginnt. Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Ich komme in der «école passerelle» an. Hier werden derzeit 18 Buben und 32 Mädchen im Alter von 8 bis 17 Jahren unterrichtet. Armutsbedingt hatten die Kinder und Jugendlichen die Schule abgebrochen. Doch im Klassenzimmer befinden sich zu meiner Überraschung heute bedeutend weniger Kinder – nur vier von ihnen sind Mädchen. Der Lehrer unterbricht kurz die Mathematikstunde, die Kinder grüssen freundlich. Nach einer kurzen Vorstellung geht der Unterricht weiter. Die Kinder sind mit Eifer dabei. Man merkt ihnen an, dass ihnen die Schule wichtig ist. Sie wollen etwas lernen und weiterkommen. Friederike Küchlin arbeitet seit fünf Jahren bei der Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz in Bern. Sie verantwortet die Zusammenarbeit mit Stiftungen. Kürzlich ist sie in den Niger in Afrika gereist, um sich direkt vor Ort ein Bild von der Situation und von der Wirkung der SOS-Programme zu machen.
Acht Uhr morgens in Nigers Hauptstadt Niamey. Es ist bereits 27 Grad Celsius warm, und das Leben in den Strassen ist in vollem Gange. Ich bin gemeinsam mit lokalen Mitarbeitenden von SOS-Kinderdorf auf dem Weg in die «école passerelle», eine von SOS-Kinderdorf initiierte Brückenschule zur Wiedereingliederung von Kindern, die aus unterschiedlichen Gründen die Schule abgebrochen haben. Plötzlich kommt heftiger Wind auf. Die Bäume biegen sich. Die braune Wand, die sich unaufhaltsam auf uns zuschiebt, kündigt einen Sandsturm an. Es wird stockdunkel. Regen setzt ein und fegt die Stras-
Fara Miya – die beliebteste Sauce im Niger Grundzutat dieser weissen Sauce sind sehr fein geschnittene Zwiebeln, die Violet de Galma, die hier wachsen. Diese werden in Öl angeschwitzt und mit etwas Wasser und Gewürzen zu einer sämigen Sauce eingekocht. Je nach Geschmack wird sie mit allerlei weiteren Bestandteilen wie Tomaten oder Senf ergänzt und verfeinert. Die weisse Sauce ist beliebt und wird Frauen nach der Entbindung gereicht, da sie bekömmlich und stärkend ist.
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Wo denn die Mädchen geblieben seien, frage ich den Lehrer. Sie seien wegen des starken Regens nicht gekommen, erklärt er mir. «Für Mädchen ist es wichtig, saubere Kleidung zu tragen. Ausserdem haben sie Angst vor dem Regen», fügt er an. Während wir dem Unterricht beiwohnen, tröpfeln nach und nach weitere Schüler und Schülerinnen ein. Manche nass bis auf die Knochen. Die Temperatur klettert weiter, und eine schwüle Hitze breitet sich aus. Der Lehrer schreibt die Aufgaben an die Tafel. Einfache Subtraktionen, die die Kinder in ihr Heft abschreiben. Da kommt ein Junge auf mich zu, streckt mir sein Heft und einen Rotstift entgegen. Ich soll seine Lösungen korrigieren. Er hat die Aufgaben schnell und fehlerfrei erledigt. Und auch ich habe meine Prüfung bestanden: Bald bin ich umringt von Kindern, die mir ihr Heft hinstrecken. Verstohlen fassen kleine Hände in mein Haar, neugierig, wie sich das wohl anfühlt. Ich verabschiede mich und gehe – angesteckt von der Fröhlichkeit und Neugierde der Kinder – beflügelt in den Tag. (fku)
NEWS AUS DER SCHWEIZ
Jede Münze zählt Wer auf dem Flug nach Hause Restgeld in einer fremden Währung übrig hat, kann dieses an Bord der SWISS spenden. Freiwillige Münzzähler sortieren die bunte Spendensammlung. Mehr als eine Tonne Münzen und Noten spenden die Passagiere der SWISS pro Jahr. Das gesammelte Geld wird alle 14 Tage von den Münzzählern sortiert. Alain Kappeler, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf, hat die Helferinnen und Helfer – oftmals Airline-Pensionäre – am Flughafen Zürich besucht. Die Zusammenarbeit ist für ihn eine grosse Freude: «Die Partnerschaft mit SWISS ist für SOS-Kinderdorf von grosser Bedeutung. Gemeinsam konnten wir schon viel erreichen. Es ist beeindruckend, zu sehen, wie bei SWISS Mitarbeitende und das Unternehmen Hand in Hand arbeiten, um Gutes zu bewirken.» Seit Beginn der Zusammenarbeit vor 16 Jahren kamen über die Spendensammlung an Bord schon mehr als 2,7 Mio. Franken zusammen.
Freude und Dankbarkeit über eine starke Partnerschaft – Alain Kappeler (3. v. l.) und die Münzzähler der SWISS.
Die neuen Weihnachtskarten sind da Bereiten Sie mit Ihren Weihnachtskarten gleich doppelt Freude, und schreiben Sie Ihre Weihnachtsgrüsse an Verwandte, Freunde oder Geschäftspartner auf Weihnachtskarten zugunsten von Kindern in Not. Unser Partner «Ackermannkarten» gibt jetzt das neue Sortiment an Weihnachts- und Fotokarten heraus. Für jede verkaufte Karte erhält SOS-Kinderdorf einen Franken. Letztes Jahr kamen so über 41 000 Franken für Kinder in Not zusammen.
«Ackermannkarten», ein Familienbetrieb aus Köniz bei Bern, produziert seit vielen Jahren die Weihnachtskarten für SOS-Kinderdorf und übernimmt das Bestell- und Rechnungswesen. Der Prospekt mit dem ganzen Sortiment liegt dieser Ausgabe bei. Sie können die Karten auch online bestellen: www.ackermannkarten.ch
Herzlichen Dank für Ihre Bestellung.
Impressum SOS-Zoom, Oktober 2018 Herausgeberin: Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz Schwarztorstrasse 56, Postfach 610 3000 Bern 14 T 031 979 60 60, F 031 979 60 61 info@sos-kinderdorf.ch Präsidentin: Rita Fischer Hofstetter Geschäftsführer: Alain Kappeler PC-Konto: 30-31935-2 Mitglied von SOS-Kinderdorf International, Zewo-anerkannt Redaktion und Gestaltung: Stiftung SOS-Kinderdorf Schweiz Texte: Vera Bender (vbe), Isabel Rutschmann (ir), Friederike Küchlin (fku) Layout: Melanie Cadisch Titelbild: Simon Huber Auflage: D 43 800, F 9600, I 4600 Im Interesse der Kinder sind alle Vornamen geändert. www.sos-kinderdorf.ch facebook.com/sos.kinderdorf.schweiz
PERFOR MANCE
neutral Drucksache
01-15-579812 myclimate.org
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© Tim Gainey
ZWISCHEN KATASTROPHE UND KINDHEIT ENTSCHEIDET NICHT DAS SCHICKSAL.
ENTSCHEIDEND SIND SIE.
Mit einer SOS-Kinderdorf-Patenschaft schenken Sie Kindern in Not ein liebevolles Zuhause. Herzlichen Dank. Tel. 031 979 60 60, info@sos-kinderdorf.ch www.sos-kinderdorf.ch/patenschaft