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Im Gespräch: Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz

Im Gespräch: Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz

Ein Interview zwischen dem Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter und der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz

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21.04.2021

Bundesforum Männer: Was macht die BFKM, die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz?

Enrico Damme: Wir arbeiten bundesweit für Gewaltschutzeinrichtungen, also an Schutzwohnungen und Zufluchten, sowie Hilfe- und Beratungsmöglichkeiten für von Gewalt betroffene Männer*. Viele Menschen wissen nicht, dass auch Männer* von häuslicher Gewalt betroffen sein können. Das scheint noch weitestgehend tabu zu sein. Wir werben dafür, dass Beratung und Hilfe für gewaltbetroffene Männer* immer selbstverständlicher werden.

Wir arbeiten für Männer*, die von Gewalt in verschiedenen Formen betroffen sind.

Bundesforum Männer: Welche Zielgruppen sprecht ihr an?

Enrico Damme: Wir arbeiten für Männer*, die von Gewalt in verschiedenen Formen betroffen sind. Diese Männer* können und dürfen wir selbst jedoch nicht persönlich erreichen, denn wir sind ja keine Männerberater*innen, sondern koordinierend tätig. Es sind auch zu viele Männer* betroffen, als dass wir das leisten könnten. Allein bei häuslicher Gewalt sind laut offiziellen Zahlen bis zu 20 Prozent der insgesamt betroffenen Menschen Männer*. Mit unserer Arbeit wollen wir Menschen unterstützen, die heute schon Männer*schutzeinrichtungen betreiben oder vorhaben das zu tun, also an Sozialarbeitende, die in Schutzwohnungen beraten oder in deren Trägern Verantwortung tragen. Und auch Politiker*innen und Verwaltungen sind unsere Zielgruppen, denn sie fördern und unterstützen ja Männer*schutzeinrichtungen, deren Aufbau aktuell unsere zentrale Aufgabe ist. Wir wollen erreichen, dass es zukünftig ein immer dichteres Netz von Anlaufstellen für gewaltbetroffene Männer* gibt.

Bundesforum Männer: Arbeitet ihr auch präventiv?

Enrico Damme: Wir arbeiten insofern präventiv, als wir uns über unseren Trägerverein, der LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V., an den Diskursen über Männlichkeiten beteiligen. Die sogenannten „toxischen“ Männlichkeitsvorstellungen, also kurz gesagt übertriebene Performances, unreflektiertes Risikoverhalten und verminderte Wahrnehmung des eigenen Körpers und eigener Gefühlswelten, können ja am gründlichsten über die Sozialisation „ungiftig“ gemacht werden. Dort ist das Jungenarbeitsprojekt der LAG super aktiv, die Landesfachstelle Männerarbeit macht sich unter anderem für Männerberatung und Männergesundheit in Sachsen stark.

Die BFKM klärt über Gewaltursachen sowie Ausmaße und Formen von Gewalt auf.

Bundesforum Männer: Und die BFKM selbst, ist die auch präventiv tätig?

Enrico Damme: Die BFKM klärt über Gewaltursachen sowie Ausmaße und Formen von Gewalt auf. Das passiert zuallererst, indem wir soziologische Erkenntnisse und statistische Fakten sammeln und Akteur*innen und Medien zur Verfügung stellen, zum Beispiel über die Gewaltbetroffenheit der Geschlechter in spezifischen Ausmaßen, um vergleichbare Zahlen und gute Argumente zu haben. Wir reden regelmäßig bundesweit mit den Männer*schutzeinrichtungen und bauen aktuell in einer Kooperation eine Falldokumentation auf. Damit wollen wir erfassen, welche Art und welches Ausmaß von Gewalt bei den in den Schutzwohnungen eingehenden Anfragen vorliegt.

Bundesforum Männer: Tut ihr bundesweit noch mehr?

Enrico Damme: Wir setzen uns zum Beispiel dafür ein, dass der seit langem angekündigte bundesweite Gewaltsurvey, eine Dunkelfeldstudie im Bereich der häuslichen und sexualisierten Gewalt, jetzt wirklich zügig in die Umsetzung kommt. Wir brauchen endlich repräsentative Daten, die auch Formen und Häufigkeit der Gewaltbetroffenheit von Männern sichtbar macht und hoffen, dass das Bundeskriminalamt, das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium tatsächlich noch in diesem Jahr liefern. Daneben setzen wir natürlich auf öffentlichkeitswirksame Sensibilisierung von Familien, Freundeskreisen und Männer*n selbst, gegen Gewaltbetroffenheit in unserer Gesellschaft. Nur wer sich seiner Gewaltbetroffenheit bewusst ist und damit Opfer einer Straftat ist, kann sich Hilfe holen.

Gerade haben wir eine Kampagne abgeschlossen, mit der Männer über eine App auf ihrem Handy oder Tablet adressiert wurden.

Bundesforum Männer: Welche Formen von häuslicher Gewalt unterscheidet ihr?

Enrico Damme: Da geht es nicht nur um physische Gewalt in Form von Schlägen, Tritten oder geworfenen Haushaltsgegenständen, sondern oft um psychische und soziale Gewalt, wie das Verbot, Freunde zu treffen oder um das Vorenthalten von Geld und Handynutzung.

Bundesforum Männer: Wie kommuniziert ihr eure Anliegen?

Enrico Damme: Gerade haben wir eine Kampagne abgeschlossen, mit der Männer über eine App auf ihrem Handy oder Tablet adressiert wurden. Das führte zu hohen Klickraten auf der Landkarte mit Männergewaltschutzprojekten (www.maennergewaltschutz.de). Wir haben gelernt, dass wir die Menschen selbst in Lockdown-Zeiten wirksam erreichen können. Die Fachlandschaft erreichen über wir über unsere online- und social media Auftritte, sowie natürlich über unseren regelmäßigen Newsletter.

Bundesforum Männer: Was macht euren Verein, die LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V., besonders?

Enrico Damme: Unsere Mehrwerte entstehen maßgeblich aus unserer Teamarbeit. Wir sind ein mittlerweile fünfzehnköpfiges, geschlechtergemischtes Team aus Mitarbeitenden mit vielfältigen Kompetenzen aus den Bereichen Fortbildung, Beratung, Gesundheit, Soziologie, Journalismus oder Technik – unter dem Dach eines landesweiten Trägers, dessen Hauptziel die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit ist. Mit dem Projekt der Bundesfach- und Koordinierungsstelle darf der eigentlich sachsenweit agierende Träger dank der Förderung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend nun auch ein Bundesprojekt für Männer* umsetzen. Das gibt es selten.

Bundesforum Männer: Wie kann man mehr über euch erfahren oder über eure Arbeit auf dem Laufenden bleiben?

Enrico Damme: Am besten über unsere Webseiten, www.juma-sachsen.de und www.maennergewaltschutz.de. Und wir sind auf Facebook, Twitter und YouTube vertreten. Auf den Plattformen gibt´s News aus den Arbeitsfeldern und Termine für unsere Fortbildungen. In den Fußzeilen unserer Webseiten können auch sehr gern unsere regelmäßig erscheinenden Newsletter abonniert werden.

Bundesforum Männer: Vielen Dank für die Informationen.

Enrico Damme: Gerne.

*Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz berücksichtigt mit dem Gendersternchen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt. In den letzten Jahrzehnten sind für eine diskriminierungsfreie und geschlechtergerechte Sprache unterschiedliche Formen und Varianten entstanden. Das Bundesforum Männer überlässt es den Interviewpartner:innen eine Sprachform zu wählen und nimmt diesbezüglich keine redaktionellen Änderungen vor. Dadurch soll Vielstimmigkeit im Sprachgebrauch abgebildet werden. Das Bundesforum Männer selbst hat sich aus Gründen der guten Lesbarkeit und Barrierefreiheit für den Gender-Doppelpunkt entschieden.

Enrico Damme

Enrico Damme

©Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz

Enrico Damme hat nach seinem Studium langjährig als freier Journalist im Print- und TV-Bereich gearbeitet. Seit 2015 ist er Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei der Landesarbeitsgemeinschaft Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V. Im Oktober 2019 wechselte er innerhalb der LAG in das Projekt Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz.

www.maennergewaltschutz.de

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©Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz

www.bundesforum-maenner.de

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©Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter