Berner kulturagenda 2008 N° 19

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8. bis 14. Mai 2008 /// Ein unabhängiges Engagement des Vereins Berner Kulturagenda /// www.kulturagenda.be /// 12

Originelle Nebenschauplätze der Kunst

Ăœberraschungseffekte und Events Noch bis in die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts wurde der Off-Space als Ort des Widerstandes verstanden, der unabhängig von allen Institutionen sein wollte. Den heutigen Off-Spaces haftet nicht

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Einer der jĂźngsten Off Spaces in Bern, das Grand Palais am Helvetiaplatz, wurde Anfang März mit viel Schall, Rauch und Majoretten eingeweiht. mehr so viel Subversion an, vielmehr gehĂśren sie zum Kunstbetrieb dazu. Sie haben gerade durch ihre originelle Positionierung eine Nische gefunden, die sie selbstbewusst nutzen. Der mit Ăœberraschungseffekten operierende Off-Space, der mit Events einem vermehrt unterhaltungssĂźchtigen Publikum gerecht wird, passt gut zur Schnelllebigkeit der heutigen Zeit. Off-Space als Strategie, die um Aufmerksamkeit buhlt: In Bern wurde vor Kurzem das ÂŤGrand PalaisÂť im ehemaligen ÂŤWartsaalÂť am Helvetiaplatz erĂśffnet. NatĂźrlich nicht mit einer konventionellen Vernissage, sondern mit viel GetĂśse und Gestank. Majoretten schwangen in rot-weissen Uniformen ihre StĂśckchen zu Blasmusik. Eine Installation der KĂźnstler Rudolf Steiner und Barbara Meyer Cesta machte mit RĂśhren, aus denen Rauch strĂśmte, auf sich aufmerksam. Das ÂŤGrand PalaisÂť, hinter dem die Grafiker des Ateliers Pol, Chantal Meng, Sven Weber und Juliane Wolski stehen, beschreibt sein Konzept

wie folgt: Ein Gestell fßr Kunst/Forschung/Diskurs/Vermittlung. Hier wird aus-, vor-, ab-, hin-, bei-, zu-, nach-, an-, weg-, aufgestellt. Was etwas geschwurbelt tÜnt, beschreibt, was Off-Spaces tatsächlich besser kÜnnen als herkÜmmliche Galerien: experimentieren. Gutes Beispiel dafßr ist die Stadtgalerie Loge, vor dem Progr: Hier flogen im Rahmen einer Performance den Besuchern auch schon mal Poulets um die Ohren, der Raum wurde in eine Amtsstube verwandelt oder kurzfristig zum Steinhaueratelier, wo man SMS-Botschaften fßr die Ewigkeit generieren konnte. Das Konzept der Stadtgalerie ist es, immer wieder Gastkuratoren die MÜglichkeit ungewÜhnlicher Ausstellungen, oft mit interaktivem oder zumindest kommunikativem Charakter, zu gewähren. Philosophisch und politisch Experimentell geht es auch beim Marks Blond Project zu, welches sich als Ort auf der Suche nach Erkenntnis versteht. Phi-

losophische Fragen oder gesellschaftlichpolitische Aspekte sollen erĂśrtert, die Kunst in einen sozialen Kontext gestellt werden. Anfangs diente dem Architekten und KĂźnstler Daniel Suter ein ehemaliger Kiosk aus den 60er-Jahren an der Ecke Freie Strasse/Muesmattstrasse als Schaukasten: Während nur einer Woche wurden Projekte von Einzelakteuren oder KĂźnstlergruppen einem breiten Publikum – nämlich jedem, der absichtlich oder zufällig vorbeiging – präsentiert. So versteckte sich die Kunst nicht in einer Galerie, sondern stellte sich dem Ăśffentlichen Diskurs. Mittlerweile hat sich das Marks Blond Project auch auf andere Räume – seien es architektonische oder virtuelle – ausgeweitet. Seit Mitte April präsentiert Marks Blond die Ausstellung ÂŤBologna ChicksÂť, welche drei sich gegenseitig unbekannte KĂźnstlerinnen zusammenfĂźhrt, die sich anhand von Medienkunst, Performance und Fotografie mit Spektakel und Präsentation von Kunstwerken auseinandersetzen. Nomade und Gepard Die Kuratorin des Progr, Beate Engel, fasst das Grundrezept der Off-Spaces wie folgt zusammen: minimale Mittel, Spontaneität und viel persĂśnlicher Einsatz. Das gilt wohl auch fĂźr den KĂźnstler Alain Jenzer, der mit seinem Projekt ÂŤNOMADÂť von Ort zu Ort zieht. Anfang April präsentierte er im Lichthof am Viktoriaplatz die architektonische Intervention eines KĂźnstlerkollegen. So wurde Alain Jenzer selbst kurzerhand zum Kurator – eine ebenfalls typische Strategie des Off-Space. Nicht ein Nomade, sondern ein Gepard geht im Liebefeld um. Marco Giacomoni plant in seinem Raum ÂŤGepard 14Âť Ausstellungen, Lesungen, Musik- und Theaterproduktionen.

68 in Bern

KostĂźme des 16. bis 18.Jh.

Der StattLand-Rundgang mit Schauspiel

20. April – 2. November 2008

Bern 68 – Eine Revolte erschĂźttert die Lauben. Und wo der LSD-Papst Unterschlupf ďŹ ndet.

FĂźhrungen: Samstage, 17. Mai, 24. Mai, 7. Juni, 14. Juni, jeweils

Programm

BCFHH T UJGUVOH CH–3132 Riggisberg Tel. +41 (0)31 808 12 01 www.abegg-stiftung.ch

Berner ÂŤOff-SpacesÂť • Grand Palais Thunstrasse 3 (Helvetiaplatz) ÂŤTo chew missing parts or temporal modesÂť, Vernissage von Julia Mariscal (UK). Bis 23.5. www.grandpalais.ch  â€˘ Stadtgalerie Loge Speichergasse 4, Postfach 83 www.stadtgalerie.ch  â€˘ marks blond project – Raum fĂźr zeitgenĂśssische Kunst Speichergasse 8 ÂŤbologna chicks part IIÂť von Annina Matter (Bern), Katharina Fengler (ZĂźrich) und Anna Rigamonti (Locarno). Bis 16.6. www.marksblond.com  â€˘ gepard14 Raum zur kĂźnstlerischen Auseinandersetzung und Begegnung SchĂźtzenstrasse 14, Liebefeld ÂŤInterventi SpazialiÂť Vernissage von Ernesto-Nicola Nicola. Ab 13.6. www.gepard14.ch

Wie die Vietcongfahne aufs MĂźnster kommt.

täglich 14.00 bis 17.30 Uhr

15 Uhr, weitere gemäss

Was sich auf den Nebenschauplätzen der Kunst abspielt, kann DenkanstÜsse liefern oder fßr laute und trashige Unterhaltung sorgen. Jedenfalls holt es den Besucher aus seinem Alltagstrott und lässt ihn aktiv werden. Nebenschauplätze, an denen es mehr als nur passiv zu schauen gibt, werden zunehmend zu Hauptschauplätzen. Helen Lagger

www.hierundjetzt.ch

Wie verkauft man ein Happening, bei dem die Besucher mit Spraydosen die Wand verschĂśnern oder eine Installa­ tion, die aus schmelzender Schokolade besteht? FĂźr Kunst, die nur schwer Eingang in herkĂśmmliche, zwangsläufig kommerziell orientierte Galerien findet, gibt es den sogenannten Off-Space, was frei Ăźbersetzt ÂŤNebenschauplatzÂť bedeutet. Der Begriff tauchte in den 70er-Jahren auf und wurde in den 90ern geradezu inflationär gebraucht. Wenn man den Off-Space als Nebenschauplatz versteht – der Kunst jenseits vom Hauptschauplatz zeigt, also nicht in etablierten Institutionen oder Museen –, dann existiert er bereits sehr lange. Der 1819 in Frankreich geborene Maler Gustave Courbet etwa schuf einen solchen Nebenschauplatz, als die Jury der Pariser Weltausstellung im Jahre 1855 seine realistischen Darstellungen von Bauern, welche nicht dem herrschenden Ideal entsprachen, ablehnte. Daraufhin errichtete Courbet einen eigenen Pavillon gegenĂźber der Ausstellung, der in die Kunstgeschichte eingegangen ist: den ÂŤPavillon du RĂŠalismeÂť.

Beat Schweizer

Zum Experimentieren gedacht sind die sogenannten Off-Spaces, Kunsträume, die sich von herkÜmmlichen Galerien dadurch unterscheiden, dass sie nicht kommerziell sind und oftmals an ungewÜhnlichen Orten oder nur temporär eingerichtet werden. Auch in Bern gibt es einige originelle Beispiele.

Wer nackt fĂźr ein politisches Amt kandidiert.

Und wie im Untergrund experimentiert wird. 1968 – ein Jahr, das die Welt bewegte. Start: Nydeggkirche (Haltestelle Nydegg, Bus 12), Dauer: 90 Minuten, Fr. 20.–/15.–,

Informationen und Daten der Ăśffentlichen AuffĂźhrungen unter www.stattland.ch.

Wir danken der KulturStadtBern sowie dem Amt fĂźr Kultur des Kantons Bern fĂźr die finanzielle UnterstĂźtzung.

Bern 68 Lokalgeschichte eines globalen Aufbruchs. Ereignisse und Erinnerungen Hg. von Bernhard C. Schär, Ruth Ammann, Stefan Bittner, Marc Griesshammer, Yves Niederhäuser, Vera Sperisen. 228 Seiten, 170 Abbildungen, Klappenbroschur. Fr. 38.–

hier + jetzt, Verlag fĂźr Kultur und Geschichte GmbH Postfach, ch-5405 Baden, Tel. +41 56 470 03 00, Fax +41 56 470 03 04 Bestellungen per E-Mail: order@hierundjetzt.ch

www.kulturmachtschule.ch

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Kultur macht Schule 9Zg :g[da\ \^Wi Y^ZhZb Egd_Z`i GZX]i/ GZ\Zab~hh^\ c^bbi bZ]g Vah Z^c 9g^iiZa VaaZg 6Vg\VjZg HX]“aZg$"^ccZc Vc @jaijg bVX]i HX]jaZŸ iZ^a# 9VYjgX] \ZaVc\Zc h^Z b^iiZc ]^cZ^c/ >c YZc DgX]ZhiZg\gVWZc! ^c Y^Z AZhjc\ jcY YZc A^iZgVijg"Ldg`h]de! ^ch 6iZa^Zg! ^c YZc ;^abhVVa jcY Vj[! kdg jcY ]^ciZg Y^Z 7“]cZ# LVgjb4 LZ^a `jaijgZaaZ :^ch^X]iZc Y^Z 6jhh^X]iZc Zg]Ž]Zc# >c[dgbVi^dcZc/ lll#`jaijgbVX]ihX]jaZ#X]


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