St端ckemarkt 2015
Hose Fahrrad Frau Der Staat / The State TALKING STRAIGHT Festival Zersplittert Another great year for fishing
Inhalt 2
Einführung
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Grußworte
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Scheiße, was ist denn mit den Typen los? Über die diesjährige Auswahl
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Die Jury
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Stückemarkt I: Stefan Wipplinger, „Hose Fahrrad Frau“
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Stückemarkt II: Alexander Manuiloff, „Der Staat / The State“
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Stückemarkt III: Daniel Cremer/TALKING STRAIGHT „TALKING STRAIGHT Festival“
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Stückemarkt IV: Alexandra Badea, „Zersplittert“
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Stückemarkt V: Tom Struyf, „Another great year for fishing“
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Gespräche und Workshops
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Stückemarkt Revisited: Chris Thorpe, „Confirmation“
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Leseproben
Flaschenpost für die Zukunft Die neue Dramatik in all ihren Facetten prägt in diesem Jahr das Theatertreffen. Man könnte sagen: Sie ist endlich dort angekommen. Eine Auswahl mit so vielen lebenden Autor*innen gab es noch nie, und es konnte auch noch kein Jahrgang eine größere Vielfalt an Textformen vorweisen.
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Die Suche nach zukunftsweisenden Autor*innen, ihren Stücken und ihren individuellen Schreibweisen bleibt Auftrag des Stückemarkts. Gleichzeitig stellen wir dabei grundsätzliche Fragen nach innovativen Formen der Autor*innen- und Urheber*innenschaft im Theater: Wer ist überhaupt der/die Autor*in eines Stückes? Ab wann ist ein Stück ein Stück? Wer ist an seiner Entstehung beteiligt, wer füllt es mit Leben und bringt es zur Erscheinung? Und wie wirkt sich die Form der Autor*innenschaft auf die Theatertexte aus? 2012 hat der Stückemarkt einen Prozess der Öffnung begonnen, um die Vielfalt zeitgenössischen Schreibens für das Theater zu fördern und insbesondere Theatersprachen zu entdecken, die sich noch nicht unter den Begriffen Autor*innenschaft und Stück durchgesetzt haben. Denn als unabhängiger Wettbewerb für neue Stücke kann der Stückemarkt frei von den Produktionszwängen des Betriebs ausprobieren, zur Diskussion stellen und seinen Blick in Richtungen lenken, die abenteuerlustig, visionär und vielleicht ein bisschen größenwahnsinnig sind – frei mit Heiner Müller gesprochen: eine Flaschenpost an die Zukunft schicken. 2015 zeigen wir neue Stücke – Theatertexte, Text- und Sprachentwicklungen –, die auf unterschiedliche Weise entstanden sind, vereinfacht gesagt: am Schreibtisch (Stefan Wipplinger), durch Recherche (Alexandra Badea), während des Probenprozesses (Tom Struyf), durch die Performance selbst (Daniel Cremer) oder aus einer Mischung aller Vorgehensweisen (Alexander Manuiloff). Die Notationsformen der Stücke sind aufgrund des Zeitpunkts ihrer Fixierung sehr unterschiedlich und fallen auch nicht alle in die Kategorien „geschriebenes Wort auf Papier“ oder „nachspielbar“. Die Gemeinsamkeit der Stücke besteht vielmehr darin, dass ihre Autor*innen die Urheber*innen des in der Inszenierung „gesprochenen“ Wortes sind. Die Auswahl des Stückemarktes zeigt in diesem Jahr eine experimentierfreudige Generation neuer Autor*innen, die völlig selbstverständlich mit vielfältigen Formen, Sprachen und Mitteln umgeht. Viel wichtiger als die kategorische Frage
danach, wer wie warum Autor*in ist oder nicht ist, erscheint uns die Bedeutung einer bewussten Wahl von Formen, Mitteln und Prozessen des Erzählens für das Theater selbst. Das Bewusstsein über diese Wahl, welches die Stückemarkt-Autor*innen in besonderem Maße zeigen, fasziniert an ihren Arbeiten. Es zeigt sich bei jedem der ausgewählten Stücke ein praktisches Wissen darum, dass das Medium bereits die Botschaft ist – dass die Frage nach der Form der Autor*innen- und Urheber*innenschaft nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine politische ist. Die Autor*innen entwickeln Strategien, die auch die Verfasstheit der Kunst selbst und deren politisches Potential in den Fokus rücken.
Christina Zintl
Dramaturgin Theatertreffen / Stückemarkt Der Stückemarkt wird gefördert durch die Heinz und Heide Dürr Stiftung und die Karl Schlecht Stiftung. Er findet in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung statt.
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Der Stückemarkt soll ein Labor sein, das diese Tendenzen untersucht, und in dem ein Austausch zwischen den Autor*innen, anderen Künstler*innen, Vermittler*innen und dem Publikum entstehen kann. Der Diskurs, die Vernetzung und das Prozesshafte sind hierbei genauso wichtig wie die Präsentation des Fertigen. Deshalb laden wir Sie zu vielfältigen Begegnungen mit den Autor*Innen ein – in szenischen Lesungen, Gastspielen, Workshops und Gesprächen.
Grußwort Gemeinsam mit dem Stückemarkt des Theatertreffens haben wir uns die Förderung unentdeckter Autoren und neuer Stücke zur Aufgabe gemacht. Ein schöner Erfolg für unsere Arbeit ist es daher, dass in diesem Jahr der ehemalige Stückemarkt-Autor Wolfram Lotz mit seinem Stück „Die lächerliche Finsternis“ neben der prominentesten Autorin des Stückemarkts, nämlich Elfriede Jelinek, in die Zehnerauswahl des Theatertreffens eingeladen wurde.
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Der Stückemarkt ist den Autoren und der Suche nach starken Texten treu geblieben. Wir freuen uns auf einen Jahrgang mit ganz unterschiedlichen Autoren, starken Stoffen und mutigen Ansätzen. Den vielen interessanten Vorstellungen, dem Austausch und den Diskussionen blicken wir gespannt entgegen. Die Heinz und Heide Dürr Stiftung unterstützt die Entwicklungen des Stückemarkts seit 2009, seit dem Jubiläumsjahr 2013 gemeinsam mit der Karl Schlecht Stiftung. Dabei haben wir uns viele Fragen gestellt und oft genug unerwartete und überraschende Antworten erhalten. Deshalb freuen wir uns, dass der Stückemarkt auch in diesem Jahr mit frischem Blick wichtige Debatten eröffnet: wie Stücke entstehen, was für Formen der Autorschaft es geben kann, wie es mit dem Stückmarkt weiter gehen soll. Wir sind als Förderer gerne mit dabei und wünschen Ihnen für den Stückemarkt 2015 Überraschungen, aufregende Fragen und viele neue Antworten. Heinz und Heide Dürr Dr. Katrin Schlecht Förderer des Stückemarkts
Grußwort „Es ist unmöglich, Staub aufzuwirbeln, ohne dass einige Leute husten.“ Erwin Piscator
Das Theater ist seit jeher ein Ort, an dem brisante zeitgenössische Fragen verhandelt werden, die den einzelnen Menschen, die Gesellschaft und die Politik betreffen. Bis heute versteht sich das Theater in dieser Weise: als ein Forum, in dem aktuelle Themen, die den Leuten unter den Nägeln brennen, reflektiert und Bedürfnisse, Wünsche und Ängste der Gesellschaft offen gelegt werden.
Um seinen hohen Stellenwert zu behaupten, braucht das Theater auch zeitgenössische Autorinnen und Autoren, die politische und gesellschaftliche Themen auf außergewöhnliche Art erfahrbar machen, die neue Formen der Autorschaft erproben und innovative Theatersprachen entwickeln. Der Stückemarkt 2015 möchte dem Publikum das Spektrum aktuellen Szenischen Schreibens vorstellen. Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb unterstützt den Stückemarkt der Berliner Festspiele seit vielen Jahren und ist immer wieder gespannt auf die Impulse, die von ihm ausgehen. Thomas Krüger Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung
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Damit das Theater seine gesellschaftliche Relevanz auch zukünftig aufrechterhalten kann, muss es das Ohr am Puls der Zeit haben und auf die sich stetig wandelnde Gegenwart adäquat reagieren. Wachsende globale Konflikte und soziale Ungleichheiten beschäftigen die Menschen zunehmend und führen in großen Teilen zu Verunsicherungen. Die digitale Revolution, die wir augenblicklich erleben, verändert in atemberaubender Geschwindigkeit sämtliche Lebensbereiche grundlegend: unsere Arbeit, unser Freizeitverhalten, auch unsere Produktions-, Denk- und Rezeptionsweisen. Um als zentraler Reflexionsraum unserer Gesellschaft bestehen zu bleiben, muss das Theater diese Umbrüche miteinbeziehen. Es muss sich mit den veränderten Lebensbedingungen und Verhaltensweisen auseinandersetzen und daraus neue künstlerische Darstellungsweisen entwickeln.
Scheiße, was ist denn mit den Typen los?
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Unter Pop-Soziologen gibt es neuerdings ein – so finde ich – sehr smartes Konzept: das sogenannte „Massenoriginal“. Der Begriff beschreibt das hinlänglich bekannte Phänomen, dass der Kulturmensch sich immer dann am originellsten fühlt, wenn er genau das tut oder gut findet, was alle anderen auch tun und gut finden. Denken wir ans Pete-Doherty-Hütchen: Mitte der Nullerjahre tauchte das Mini-Ding plötzlich auf allen Köpfen auf, trotz seiner kaum zu übertreffenden Lächerlichkeit. Und genauso schnell war es auch wieder weg. Was bei Hütchen Form und Farbe, ist bei Theaterstücken Sound und sogenannter „Entstehungsprozess“. Als ich in den 1990ern nach Berlin kam, war gerade die neue englische Dramatik en vogue: schnell getimte, gewalttätige, naturalistische Stücke, die – so sagte man – „filmisch“ seien. Etwas später trat die gute alte Postdramatik, die man bereits Anfang der 1990er abgeschrieben hatte, in der Person von René Pollesch zu ihrem letzten strahlenden Lauf an. Ein, zwei Saisons später erwachte urplötzlich das dokumentarische Theater aus seinem Dornröschenschlaf, und etwa gleichzeitig wurde das „Kollektiv“, gerade noch als Höhepunkt kleinbürgerlicher Verschnarchtheit verspottet, wieder salonfähig.
So ging es weiter bis zum heutigen Tag, Saison für Saison. Und kaum trat ein neues Format auf den Plan, war das Massenoriginal nicht weit. Ob „postmigrantisches Theater“, „theatrale Ausstellung“ oder „neue Ernsthaftigkeit“: Jeder Theaterjahrgang hat sein Pete-Doherty-Hütchen, das sich alle Dramaturgien, Preisjurys, Feuilletonredaktionen und Schreibschulen wie auf geheimen Führerbefehl aufsetzen. Als ich letzten Winter in die diesjährige Jury des Stückemarkts eingeladen wurde, fragte ich mich: Was ist dieses Jahr das große Ding? Das neo-postdramatische Schwurbel-Ungetüm? Das postironische Berliner BohèmeStück? Der politisch engagierte Fußgängerzonen-Exhibitionismus? Das neue Volksstück? Das bürokratisch durchgetaktete Well-Made-Play? Okay: Das war natürlich alles dabei. Es gab auch in den diesjährigen StückemarktEinsendungen Genres, es gab die „englischen Stücke“ (aus London und der UdK) und die „postdramatischen“ (aus Gießen und Osteuropa). Es gab Dokumentarisches und Projekthaftes, es gab megalomane Spracherforschungsungetüme und ordentliche Recherche-Projekte. Es gab Wagner und John Cage, Crazyness und Genauigkeit, Dichtung und Wahrheit. Was es aber – und, so scheint mir: vor allem – gab, waren besessene, hochabstrakte, hysterische, ja: schlicht eigenartige Machwerke, die wir uns alle gemeinsam anguckten und dachten: „Aha, was fangen wir denn jetzt damit an?“
Natürlich: Diese fünf Beispiele, die wir hier in einer Reihe aufstellen, bezeichnen letztlich nur eine Handvoll zufälliger Haltepunkte in der Text- und Projektebene, die wir in den vergangenen Wochen durchwandert haben – Helgard, Lutz, Tim, Yvonne und ich. Ich hoffe jedoch, dass unsere Auswahl einigermaßen repräsentativ ist für diesen (wie ich ebenfalls inständigst hoffe) Todesjahrgang der albernen AutorenDiskussion, die den Stückemarkt begleitet. „Freund ist der, vor dem man erschrickt“, sagt ein Dichter irgendwo. Und so geht es der Jury mit dem europäischen Theater, mit diesen 280 Stücken und Projekten, die wir uns in den vergangenen Monaten reingezogen haben, und die uns mehr als einmal den Ausruf abnötigten, angesichts von so vielgestaltiger Schönheit und Verbohrtheit: „Scheiße, was ist denn mit den Typen los?“ Milo Rau
Juror Stückemarkt 2015
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Ich weiß nicht, wie es den Jurys der vergangenen Jahre ging, aber vielleicht ist das Jahr 2015 das Jahr, in dem der Autorbegriff sich endgültig von all den Fesseln befreit hat, die seine selbsternannten Verteidiger ihm immer wieder anzulegen versuchen. Projekt oder Stück, Verteidigung einer Form oder ihre Kritik: Mir scheint, wir sind an einem Punkt der Theatergeschichte angekommen, an dem das keine Rolle mehr spielt. Was soll man zum Beispiel über einen Daniel Cremer sagen, diesen verrückten, genialen Typen, der sich noch einmal voll gerüstet aufs Streitross der postmodernen Ironie setzt und doch tatsächlich ein ganzes Festival geschaffen hat, auf dem anhand einer erfundenen mitteleuropäischen Sprache das Theater und all seine Rituale (Publikumsgespräche, Ibsen-Adaptionen, sogar die Indie-Bands im Abendprogramm) in das überführt werden, was sie sind: kompletter Unsinn und erhaben ragende Gipfel der Weisheit der europäischen Urbevölkerung? Ist es nicht faszinierend, ja fast verstörend, dass im Jahr 2015 noch – oder wieder? – so tiefenentspannt geplottete und sprachlich klare Werke der Kapitalismuskritik entstehen wie „Hose Fahrrad Frau“ von Stefan Wipplinger oder „Zersplittert“ von Alexandra Badea? Und sind „The State“ von Alexander Manuiloff oder „Another great year for fishing“ von Tom Struyf nun klassisch oder avantgardistisch zu nennen, sind es die Arbeiten von Autor-Regisseuren oder von Autoren, die keine Regisseure mehr brauchen, sondern nur noch ein Publikum? Vollenden all diese Arbeiten ihr Genre oder verabschieden sie sich von ihm? Und falls zweites zutrifft: wohin? Und von welchem Genre überhaupt?
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Jury
„Ich fand es faszinierend, das enorme Spektrum der Stücke und Projekte zu erleben, die für den Stückemarkt eingereicht wurden: jede Menge starke Ideen, unerschrockene Ansätze, wilde Variationen und neue Tänze mit der Idee und der Praxis des Theaters.“
„Ich habe mich gern versenkt und umgeschaut auf diesem Marktplatz der Theatertexte – Highlights für mich waren Stücke, die immer neu entstehen, spielerisch, aber mit klarem Regelwerk. Stücke, die sich mit gegebenen Strukturen beschäftigen, sie aber
Tim Etchells, Autor, Regisseur und Performer (Forced Entertainment)
performativ und sprachlich neu greifen und umsetzten – Stücke, die immer aussehen werden wie eine Probe, obwohl ihr Konzept schon das eigentliche ,Werk‘ ist. Mehr davon und mehr mit mehr Dringlichkeit behandelte politische Stoffe wünsche ich dem Stückemarkt.“ Helgard Haug, Autorin und Regisseurin (Rimini Protokoll)
„Tendenzen waren nicht erkennbar (was immer ein gutes Zeichen ist: keine literarische Mode regiert). Natürlich gab es das Überambitionierte, Naive, VerschraubtAkademische, die Festivaldramatik und die
Lutz Hübner, Autor
in meinem Kopf immer zusammenhängen mit den Gesichtern der Menschen, die mir zwischen Châtelet und Nanterre zufällig gegenübersaßen.“ Milo Rau, Autor und Regisseur
„Der Stückemarkt ist seit jeher die Innovationsplattform des Theatertreffens. Seit 2012 haben wir ihn aus seiner alten Form heraus kontinuierlich weiterentwickelt. Jetzt, 2015, sind wir da! Ein weites Spektrum des zeitgenössischen szenischen Schreibens war unter den Einsendungen zu finden. Das erzeugte bei der Suche eine Spannung, die uns kritischer fragen ließ, was ein gutes Stück ist und brachte eine Auswahl hervor, die vielseitiger in Form, Ästhetik und Inhalt nicht sein könnte.“ Yvonne Büdenhölzer, Leiterin Theatertreffen
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Klugscheißerprojekte – aber auch die Stoffe, die faszinieren, verstören und, ja, glücklich machen. Und davon mehr als die ausgewählten Fünf. Winzer würden sagen: ein guter Jahrgang.“
„Der Zufall wollte es, dass ich fast im gesamten Zeitraum der Lektüren auf Reisen war. ,The State‘ las ich im Vorzimmer eines ostkongolesischen Lokalministers, ,Zersplittert‘ in der Metro in Paris. Und so geht es mir wie meinen Schauspielern (die sich auf der Bühne an den Park oder das Kanalufer erinnern, wo sie ihre Texte lernen): ,The State‘ wird für mich immer auch ein Stück sein übers Warten im Vorzimmer eines Ministers, ,Zersplittert‘ wird
Stückemarkt I
Stefan Wipplinger Hose Fahrrad Frau
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(Österreich) – Szenische Lesung
Michaela möchte ein Kind mit ihrem Freund Alf und da sie keines bekommen kann, fragt sie ihre beste Freundin Janne, ob sie als Leihmutter zur Verfügung steht. Ein Mann ist nach Deutschland gekommen, um seine Schwester zu suchen, die als junges Mädchen nach einer Vergewaltigung dem © Matthias Müller Täter verkauft wurde und nun fünf Kinder mit ihm hat. Tom möchte mit Janne die Wohnung tauschen, aber sie will sich nur darauf einlassen, wenn auch die Möbel getauscht werden. Ein Penner braucht eine neue Hose, aber er will sie bei der Bahnhofsmission nur im Tausch gegen ein Buch mitnehmen, das dem Spender der Hose überbracht werden soll. Diese Hose hat Alf gehört, weil Michaela der Meinung war, dass er sich auch mal von Dingen trennen sollte. Tom wiederum, der an der Rezeption eines Hostels arbeitet, wird vom Bruder der Frau bedrängt, ihm kostenlos einen Schlafplatz zu geben, während Janne beschließt, sich auf den Vorschlag ihrer besten Freundin einzulassen… „Hose Frau Fahrrad“ ist ein Reigen von Geschichten, die geschickt miteinander verwoben sind und die Themen Besitz, Teilen und Tausch
verhandeln. Was besitzt man, was möchte man besitzen und wie viel braucht man, um zufrieden zu sein? Welchen Preis ist man bereit zu zahlen und wie lange gehört einem noch das, was man verloren hat? Will Michaela ein eigenes Kind nur, damit sie etwas hat, das zu ihr gehört? Hat der Mann, der von seiner Frau verlassen wird, nachdem ihr Bruder sie gefunden hat, noch Ansprüche auf sie und ihre Kinder? Wipplinger liefert keine einfachen Antworten, er verhandelt seine Fragen nicht als trockene Seminarprosa über Ökonomie, sondern schreibt federleichte, lakonische Dialoge. Seine Figuren sind Schauspielerfutter, die Situationen immer theatralisch und die eingestreuten Monologe bieten einen oft überraschenden Wechsel der Perspektive. Wipplinger beweist so in einem
Sonntag, 3. Mai 2015 17:00 Uhr Gespräch mit Stefan Wipplinger und Lutz Hübner im Anschluss / Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne / 10 €
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Stück über Ökonomie auch ein Gespür für die Ökonomie der Theatermittel. Er bearbeitet ein großes Thema, ohne didaktisch damit herumzufuchteln, er erzählt Geschichten, die scheinbar alltäglich wirken, aber eine philosophische Dimension haben: Was brauchen wir zum Leben und was wollen wir von anderen Menschen? Janne und Tom werden ein Paar, mit einem Kind, dessen Vater er nicht ist, Michaela und Alf verabschieden sich von Träumen, die sie unglücklich machten und ein Mann will herausfinden, ob man ohne Besitz leben kann. Alle verändern ihr Leben, Dinge geraten in den Tauschkreislauf und ein geklautes Fahrrad wechselt wieder einmal den Besitzer. Lutz Hübner
Einrichtung: Jan-Christoph Gockel Dramaturgie: Sonja Anders Musik: Anton Bermann Ausstattung: Julia Kurzweg Besetzung Tom: Elias Arens Alf: Christoph Franken Michaela: Lisa Hrdina Janne: Kathleen Morgeneyer Penner: Wolfgang Michael Bruder: Aleksandar Radencović Schwester/ Mitarbeiterin Bahnhofsmission: Almut Zilcher Dritter: Ernest Allan Hausmann Ehemann: Felix Römer Huda, Aylin und Amelie vom Rollschuh Paradies Berlin e.V.
© privat
Stefan Wipplinger wurde 1986 in Oberösterreich geboren, studierte an der Kunstuniversität Linz zunächst Experimentelle Gestaltung und arbeitete als Regieassistent an einem kleinen Linzer Theater und in der Freien Szene. Nach einigen Bewerbungen, unter anderem für Schauspiel und Filmregie, zog er zum Studium der Theaterwissenschaft nach Berlin, das er kurz darauf gegen Szenisches Schreiben an der UdK tauschte. Sein Kurzfilm „Es wird sicher passieren“ lief 2013 auf Internationalen Filmfestivals, 2014 wurde er vom Grips-Theater für eine Stückentwicklung beim Berliner Kindertheaterpreis ausgewählt. Sein erstes abendfüllendes Theaterstück „Hose Fahrrad Frau“ wird seit Januar vom Verlag der Autoren vertreten.
Stückemarkt II
Alexander Manuiloff Der Staat / The State
(Bulgarien) – Performance Aus dem Englischen von Hannes Becker
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Alexander Manuiloffs einfache, aber fesselnde Arbeit „The State“ wird nicht als Stück bezeichnet, sondern als Textgestaltung. Sie besteht aus einer Sequenz von 63 kurzen Statements. „The State“ ist konzeptionell im weiteren Sinne Arbeiten wie „OK OK“ (2011) von Ant Hampton und Gert-Jan Stam oder „We Are Still Watching“ (2012) von Ivana Müller in Zusammenarbeit mit Andrea Bozic, David Weber-Krebs und Jonas Rutgeerts zuzuordnen. Das Publikum wird aktiv in die Erschaffung des Dramas
© Stefan Stefanov
einbezogen; es werden denjenigen Rollen und Stimmen verliehen, die einem früheren Verständnis von Theater zufolge „nur“ Zuschauer geblieben wären. Die Forderung Brechts, der Schauspieler solle seine Distanz zu den Entscheidungen und Äußerungen der Figuren zeigen, braucht hier nicht weiter
betont zu werden, da jeder spielende Zuschauer deutlich auf die Kluft zwischen dem gedruckten Performanceskript und den Realitäten des eigenen psychologischen Innern aufmerksam gemacht wird. Ausformulierte Figuren, die sich mit dem Drama herumplagen, die seine Entscheidungen und Umstände ablehnen und über seinen Mangel an Ehrlichkeit nachdenken, sind hier heiß begehrt – sie thematisieren die Situation der Performance, verdoppeln und erweitern sie und fügen ihr zusätzliche Ebenen hinzu. Manuiloffs „The State“ schlägt auf diesem Feld einen mutigen Weg ein, denn die Arbeit basiert auf einem wirklichen Ereignis: der ungeklärten Selbstverbrennung des 36-jährigen Bulgaren Plamen Goranov im Februar 2013. Ausgehend von dieser Geschichte beginnen Manuiloffs Zuschauer-Schauspieler eine Erzählung, die Goranovs öffentlichen Selbstmord als einen Akt (eine Performance) behauptet, der noch nicht stattgefunden hat, und kündigen ihren Beginn in einer spezifischen Anzahl von Stunden und Minuten an. Gleichzeitig dienen andere Zuschauertexte als angebliche
Tim Etchells
Ausstattung: Eva Veronica Born
Sonntag, 3. Mai 2015 20:00 Uhr Gespräch mit Alexander Manuiloff und Johanna Freiburg im Anschluss Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne und Hinterbühne / 10 €
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Ich-Äußerungen von Goranov, Statements, die die Vorbereitungen auf seinen Selbstmord nacherzählen und gleichzeitig genau die Art von Erklärungen für seine Tat wagen, die Goranov selbst verweigerte. Verschiedene Ebenen realer und struktureller Gewalt ziehen die Leser ins Geschehen hinein und machen sie zu Beteiligten einer Art beeindruckenden, aber aus zweiter Hand erfahrenen Dramas. Man wird zunehmend gespannt auf einen Akt, der ironischerweise bereits stattgefunden hat. Als Zuschauer-Schauspieler sind wir nicht nur im „Stück“ gefangen, sondern im historischen Narrativ, der Tatsache eines Todes. Wir sind nicht nur am Ablauf eines Dramas beteiligt, sondern auch an einer Kultur von Korruption, wirtschaftlichem Elend, politischem Stillstand und Entrechtung, die den Rahmen für die Selbstverbrennung Goranovs und zahlreicher anderer bildete. Mit „The State“ reisen wir in eine Grenzregion des zeitgenössischen Theaters – eine Konzeptarbeit, die sich mit den Bedingungen von Performance beschäftigt und gleichzeitig die Kraft des Narrativs dazu nutzt, sich wirklichen politischen Fragen zu stellen.
© Zdravko Yonchev
Alexander Manuiloff wurde in Sofia geboren und studierte Literatur an der Universität Sofia sowie Drehbuch an der Neuen Bulgarischen Universität. Er arbeitet als Autor, Dramaturg und Journalist. 2012 nahm er am Austauschprogramm der Drama League, New York, teil. Für „Film“ (2004) erhielt er den Preis des bulgarischen Schriftstellerverbands für das beste fiktionale Debüt und war Stipendiat der Karls-Universität Prag (1999). Er ist Gründungsmitglied von Litourne, einem Förderprogramm für junge bulgarische Schriftsteller, sowie des ersten Independent Theatre Festival in Sofia (2011). Seine eigenen Theaterstücke wurden in Sofia, Prag, Baltimore und Berlin inszeniert. Seit 2012 publiziert Alexander Manuiloff seine Stücke, Romane, Drehbücher und Artikel im Internet. Eine erste Version von „The State“ entstand im Februar 2014 im Rahmen des Mini Art Fest Fo in Sofia.
Stückemarkt III
Daniel Cremer / TALKING STRAIGHT TALKING STRAIGHT Festival
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(Deutschland) – Gastspiel
Neulich Abend saß ich in einem hot pot in Reykjavik: der Körper in 39 Grad heißem Wasser, darüber der Kopf im Eisregen. Um mich herum Isländer, jung wie alt, dick wie dünn, alle hellhäutig und munter miteinander plaudernd, in einer Sprache, die ich nicht beherrsche. Dennoch war alles gestochen scharf, ich hatte das Gefühl, durch die Sprache hindurch alles verstehen zu können – fast schon schmerzhaft. Ich bin Teil davon – mag es klingen, wie es will, es wird nach den gleichen Regeln gespielt: auch meine Haut ist hell. Daniel Cremer hat für das Theater eine neue Sprache entwickelt; eine wilde Mischung fremder Vokabeln in erprobter Syntax. Während des „TALKING STRAIGHT Festivals“ wird nichts als diese Sprache gesprochen. Versucht man sie zu lernen, wird man schnell feststellen, dass man sie bereits kann: die Codes, Rituale, Abläufe und Zuweisungen unserer westlichen Welt wurden uns in die Wiege gelegt: Die Vokabeln sind austauschbar, die Muster und Inhalte vertraut. Durch den Gebrauch der Fremdsprache werden diese Sicherheit spendenden Übereinkünfte und Verabredungen haarfein nachgezeichnet. © Vincent Stefan
„TALKING STRAIGHT Festival“ ist aber nicht nur ein – auf ein Standardmaß zugeschnittener – Ausflug, die neue Sprache wird auf der Bühne, wie an der Bar kultiviert, sie wuchert in alle Bereiche des Festivalapparats hinein, infiziert sich an sich selbst und überschreibt die gängigen Sprachen (Deutsch wie Festival-Englisch). So ist es eine Reise in die eigenen Welt, die mit der „Akkreditierung und feierlichen Eröffnung unter Anwesenheit aller wichtigen Menschen“ beginnt. Die Besucher tragen Badges mit willkürlich zusammengestellten Namen und weiter geht es, in absehbarer Folge mit Grußworten, Nennung der Sponsoren. Das BühnenStück bildet den Mittelteil, Publikumsdiskussionen und gemütliches Beisammensein den Abschluss des Tages, um am nächsten Tag erneut mit einer
großen Ernsthaftigkeit auf dieser Neuordnung zu insistieren. Es ist also kein billiger Ulk, es geht nicht darum, das Theater als sinnentleert bloßzustellen, der Arbeit liegen sehr präzise Beobachtungen und Analyse dessen zugrunde, was unsere gegenseitige kulturelle Verabredung beinhaltet. Wer spricht, wer schweigt, wer hört zu, wer lacht – wie eloquent spricht der Dramaturg, wie grenzt sich die Regie dagegen ab, wie die Akteure, wie bringen sich Zuschauer ein... Während also schnell die Erkenntnis einsetzt, dass man sich auf vertrautem und deshalb gesichertem Terrain bewegt, die Binnengrenzen also überwunden hat, zeichnen sich die Außengrenzen umso klarer ab und das wird zur entscheidenden Frage: Wer ist nicht Teil dieses Arrangements, wer fehlt?
Montag, 4. Mai 2015 16:00 bis 0:00 Uhr 16:00 Eröffnung, Auftaktperformance, HEN ZEK (musikalischer Rezitationsabend) 18:00 Young Talent Campus, Workshops, NARO (Gastspiel). Im Anschluss Publikumsgespräch 20:30 Szenische Lesung, Jazz in der Lounge, Young Talent Campus, LOFIKH! (a panel of love) ab 23:30 Feier language no problem / Haus der Berliner Festspiele / Einzeltickets 10 €, Festivalpass 25 €
Helgard Haug
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Konzept: Daniel Cremer / TALKING STRAIGHT Ausstattung: Daniel Cremer und Romy Kiessling Von und mit Alicia Agustín, Daniel Cremer, Lisa Heinrici, Anja Herden, Sébastien Jacobi, Romy Kiessling, Lina Krüger, Nils Amadeus Lange, René Michaelsen, Tamer Fahri Özgönenc, Antje Prust, Fabian Raabe, Dr. Tucké Royale, Vincent Stefan, Alisa Tretau, Hans Unstern, Anton Weil u.a Premiere 30. Januar 2014, Maxim Gorki Theater, Berlin
© privat
Daniel Cremer wurde 1983 in Mönchengladbach geboren. Er arbeitet als Autor, Regisseur und Soloperformer in verschiedenen Kunstsparten, zuletzt unter anderem am Jungen Schauspielhaus Düsseldorf und dem HAU 1, außerdem in der Berlinischen Galerie und der NGbK, an der TU Berlin sowie der Viadrina-Universität in Frankfurt/ Oder. Zu den Strategien seiner Performances zählen Simulation, Re-enactment, Travestie und besonders das Verflüssigen und Verzerren von Sprache. Unter dem Label „TALKING STRAIGHT“ hat er bereits Coaching-Seminare, Konferenzen, religiöse Rituale und Stadt- und Museumsführungen verarbeitet, in gebrochenem Englisch, falschem Deutsch und „Fremdsprache“, einer von ihm entwickelten Geheimsprache. „TALKING STRAIGHT Festival“ entstand im Januar 2014 im Studio des Maxim-Gorki-Theaters.
Stückemarkt IV
Alexandra Badea Zersplittert
(Rumänien/Frankreich) – Szenische Lesung Aus dem Französischen von Frank Weigand
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Alexandra Badeas „Zersplittert“ (Pulvérisés) wirkt auf den ersten Blick wie eine Aneinanderreihung isolierter Lebensläufe, jeder davon ein Solitär an weit verstreuten Orten der Welt. Szenen wechseln im Tempo des um die Welt jettenden Head of Quality und
© Zhan Youbing
rinnen dem Leser wie Staub durch die Finger. Gerade noch in einer Fabrik in Shanghai, findet man sich gleich darauf in einem Bukarester Büroturm wieder, um von dort in ein Callcentre in Dakar geworfen zu werden. Ein Dialog der Figuren oder nur ein Austausch zwischen Dakar, Shanghai und Bukarest scheinen undenkbar. Was wie eine formverliebte und fade Aufbereitung der gängigen Globalisierungsklischees wirken könnte ist jedoch eine dicht gewebte und komplexe Textur von höchster Musikalität. Denn
die Lebensläufe der vier Figuren sind keineswegs solitär, sie beeinflussen sich gegenseitig und entfalten im Zusammenspiel einen originären Rhythmus. Themen wie kulturelle und soziale Differenz, das Verhältnis zur eigenen Arbeit und die Verortung als Individuum werden en passant gestreift und sind doch für den ganzen Text ein bestimmendes Merkmal. Das Mittel der Wahl, um diese Intensität zu erreichen, ist für Alexandra Badea die direkte Ansprache des Lesers oder Zuschauers, der so zur fünften Figur des Stückes wird. Trotz aller Unterschiede zu den präsentierten Figuren wird jedes Schicksal durch das wiederholte „Du“ zum eigenen, jede existentielle Frage muss an der eigenen Existenz geprüft werden. Dies gibt den aufgeworfenen Fragen die Fähigkeit, Zündstoff zu sein, jenseits aller moralischen Zeigefinger (die der Zuschauer für sich selber finden kann), aber auch jenseits aller Lösungsvorschläge (die der Zuschauer für sich selber finden muss). Ständig zurückgeworfen auf das eigene Ich, kann man sich dem Sog des Textes nicht entziehen und die Lektüre wird mehr und mehr zu einer Selbstbefragung: Wo will man sich wiedererkennen und wo nicht, in
Dienstag, 5. Mai 2015 18:00 Uhr Gespräch mit Alexandra Badea und Falk Richter im Anschluss / Haus der Berliner Festspiele, Kassenhalle / 10 €
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welche weltumspannenden Netze ist man selbst eingebunden und wie geht man mit zunehmend komplexen Zeitund Raumstrukturen um, ohne sich in ihnen zu verlieren? Die fragmentarische Struktur von „Zersplittert“ ist dabei nie akademisch oder didaktisch. Sie fängt eine um sich greifende Desorientierung ein und bleibt trotzdem klar genug, große Fragen und Themen zu vermitteln, ohne auf Kitsch und pessimistische Parolen zurückgreifen zu müssen. Denn der Text ist nicht nur ein Spiegel für den Leser, der ununterbrochen Fragen aufwirft, sondern auch eine Bestätigung, eine Vergewisserung, dass man da ist und lebt, egal wie. Yvonne Büdenhölzer
Einrichtung: Anne Lenk Dramaturgie: Andrea Koschwitz Musik: Camill Jammal Ausstattung: Eva Veronica Born Besetzung Head of Quality, Zulieferung, Lyon: Hans Löw Teamleiter Kunden-Center, Dakar: Camill Jamall Fertigungskraft Shanghai: Kathrin Wichmann Versuch- und Entwicklungsingenieur Bukarest: Jenny Schily
© Liova Jedlicki
Alexandra Badea wurde 1980 in Rumänien geboren und studierte Regie an der Nationaluniversität für Theater- und Filmkunst Bukarest. Seit 2003 lebt sie in Paris und arbeitet als Autorin, Regisseurin und Drehbuchautorin, ihre Stücke schreibt sie auf Französisch. Sie inszenierte unter anderem Stücke von Biljana Srbljanovic, Sarah Kane, Igor Bauersima und Nicoleta Esinencu wie auch ihre eigenen Stücke, die seit 2009 bei L’Arche Editeur in Paris verlegt werden. „Pulvérisés“ (Zersplittert) ist ihr viertes Stück. 2014 wurde es am Théâtre National de Strasbourg uraufgeführt und als Hörspiel bei France Culture sowie dem Saarländischen Rundfunk ausgestrahlt.
Stückemarkt V
Tom Struyf Another great year for fishing
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(Belgien) – Gastspiel Aus dem Flämischen von Uwe Dethier und Katrin Lohmann „Another great year for fishing“ von Tom Struyf gehört zum Genre der Lecture Performance. Es gibt einen Ausgangspunkt (eine Beziehungskrise, gefolgt von einem Burnout), ein Thema (die Sinnsuche in der Multioptionsgesellschaft) und eine Form (die des klassischen Storytelling, verknüpft mit Video und Tanz). © Clara Hermans Struyf tritt selbst als Interpret seines Stücks auf, sekundiert von der großartigen Tänzerin Nelle Hens und einer ganzen Reihe von Spezialisten auf Video. Allein schon die soziologische Präzision der Geschichten und Statements, die Tom Struyf erzählt und einspielen lässt, die geradezu altmodische existenzielle Empfindsamkeit des Autor-Performers gepaart mit seinem Humor würden genügen, den Abend zum Stückemarkt (und überhaupt zu jedem Festival) einzuladen. Struyfs Rhythmusgefühl ist perfekt, er schreibt und performt mit der poetischen Klarheit eines Romans von Paul Auster, und zweifellos ist er einer der besten Erzähler, die die europäischen Bühnen zwischen Rejkjavik und Kairo zu bieten haben. Aber all diese technische Perfektion dient – wie übrigens vor allem Nelle Hens‘ Tanz, der zu Beginn der Perfor-
mance rätselhaft oder gar dekorativ erscheinen mag – , einer viel weiterführenden Absicht: die Zuschauer in einen Raum jenseits aller Informationen und aller Geschichten zu führen, in einen Raum der Erschöpfung (Struyfs hellblaues Hemd ist am Ende des 80minütigen Abends dunkel vor Schweiß) und damit der Ruhe. Das Stück von Tom Struyf ist, wie man dann plötzlich merkt, zugleich ein Essay (der sich ein Problem greift und es umkreist) und ein Ritual (das dieses Problem bearbeitet und es, wenn auch nur im Raum der Kunst, aufhebt). Neben der Tatsache, dass Tom Struyf einen wunderbaren, unendlich schönen, wahren, geduldigen und weisen Theaterabend geschaffen und unser Wissen über die Welt und die Menschen erweitert hat, ist „Another great year for fishing“ so ein – man
entschuldige den religiösen Terminus – erlösendes Ereignis. Wer sich von Struyfs Schlussmonolog, in dem er sich eine (noch) schrecklichere Welt (in der scheiternde Beziehungen nicht mit Therapiesitzungen, sondern zwangsläufig mit dem Tod eines der Partner ausgehen würden) und eine bessere vorstellt (aus der man hinaustreten, komplett und körperlich ins All hinaustreten könnte, um „tatsächlich nachzudenken“), wer sich davon nicht berühren lässt, der hat schlicht und einfach kein Herz.
Dienstag, 5. Mai 2015 20:30 Uhr Gespräch mit Tom Struyf und Christina Zintl im Anschluss Haus der Berliner Festspiele, Seitenbühne / 10 €
Milo Rau
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Konzept, Text und Spiel: Tom Struyf Tanz: Nelle Hens Dramaturgie: Willem De Maeseneer Kamera und Montage: Geert De Vleesschauwer Premiere 23. Oktober 2014 Monty Kultuurfaktorij, Antwerpen In Koproduktion mit detheatermaker, Vlaams Cultuurhuis, De Brakke Grond en deBuren, Provinciaal domein Dommelhof en C-Mine
© Tine Struyf
Tom Struyf wurde 1983 geboren und studierte Schauspiel in Maastricht (NL). Er arbeitet als Autor, Schauspieler und Regisseur unter anderem mit fABULEUS, Theater Artemis, HETPALEIS, Grand Theatre, Onafhankelijk Toneel und detheatermaker. Seine Performances „The Tatiana Aarons Experience“ (2010) und „Act to forget“ (2012) wurden zu Het Theaterfestival eingeladen. In „Another great year for fishing“ arbeitete er erstmals zusammen mit der Tänzerin Nelle Hens, die Produktion entstand im Oktober 2014 und tourt seitdem durch Belgien und die Niederlande.
Eröffnung, Gespräche und Workshops Stückemarkt Eröffnung Impuls Thomas Oberender Jurygespräch mit Yvonne Büdenhölzer, Helgard Haug, Lutz Hübner und Christina Zintl Sonntag, 3. Mai 2015 16:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Stefan Wipplinger und Lutz Hübner im Gespräch Sonntag, 3. Mai 2015 18:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Alexander Manuiloff und Johanna Freiburg im Gespräch Sonntag, 3. Mai 2015 21:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Alexandra Badea und Falk Richter im Gespräch Dienstag, 5. Mai 2015 19:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei
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Tom Struyf und Christina Zintl im Gespräch Dienstag, 5. Mai 2015 22:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei What if... ANFANGEN.WEITERMACHEN.FERTIGWERDEN. Workshop mit Stefan Wipplinger und Lutz Hübner „What if...“/ „Was wäre wenn...“ – Das ist der Beginn von fiktivem Erzählen, ein Grundimpuls, Wirklichkeit zu befragen und zu eigenen Entwürfen von Wirklichkeit ins Verhältnis zu setzen. Das ist dem dramatischen Schreiben allein freilich nicht vorbehalten, aber doch nach wie vor sehr nützlich. Ausgehend von kurzen Aufgaben versuchen wir, Fantasien für Figuren und Situationen zu entwickeln, weiterzugeben, weiterzuentwickeln. Und was das Fertigwerden betrifft, werden wir wohl nur Mutmaßungen anstellen können, uns die Frage stellen: Was braucht man tatsächlich und was kann man streichen? Zwei Autoren, die in ihrem Schreiben eine Verwandtschaft fanden, machen sich auf die Suche nach den Unterschieden. Der eine mit der Erfahrung von über 40 Stücken, der andere mit einem bodenlosen Fass voll Fragen, zwischen den Stühlen sitzend, von Studium und Beruf, Form und Inhalt, Genres, Medien und Disziplinen. Wie entscheidet man sich für das Richtige? Kann man auch einfach alles machen, vielleicht nicht gleichzeitig aber wenigstens hintereinander? Montag, 4. Mai 2015 12:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de
Dramaturgy of Restrictions Workshop mit Alexander Manuiloff The workshop will explore how various forms of constraints may be used as an artistic way of expression. The process may include physical activities so, please, bring comfortable shoes and clothes. Montag, 4. Mai 2015 14:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de Another great workshop Workshop mit Tom Struyf, Nelle Hens und Willem De Maeseneer We will talk about the origins of “Another great year for fishing” and about how a production is created by intuitively bringing together diverse elements (interviews on video, dance, narration) without knowing in advance what the result should look like. A conversation about the power of personal stories, the narrow line between fiction and reality, about narrating experiences of reality in a theatrical context and about cooperation. Together with dancer Nelle Hens, we will put the connection between the various disciplines to practice and explore the interplay of two bodies in combination with a personal story. Dienstag, 5. Mai 2015 12:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de Writing from an actuality image Workshop mit Alexandra Badea How can we react to what we are seeing? How can we talk about the contemporary world? What are our possibilities to reinvent the reality, to imagine other possibilities? We’ll choose one picture from the flux of images that circulate on the internet and this will be the starting point of the writing process. The form is free. Everything will be reinvented. Dienstag, 5. Mai 2015 14:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de
Stückemarkt Revisited TALKING STRAIGHT. In A Meeting With Daniel Cremer Workshop und Coaching Vedh’s mendern hen Succes? Ode val Restsobbe por mîn olsdrath gar med Raber’n, gorndod Theaten olschag-hor. Daniel Cremer gardet usming Rablarge, var sekh serzet Holsmarg. Aber werst ums Midra sin! Gedlo ornd Üramins rodder. Migst hen Theaten, hen Kunst, Mosd, hen Spirits, hen Entertainment: urnd par vödh-humensist Regimesind glöd megen Futur’ne. Ens Workshop mar sadgermen Müdesig. Montag, 6. Mai 2015 15:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de
Der Stückemarkt zeigt Inszenierungen seiner ehemaligen Teilnehmer*innen. In diesem Jahr kehrt der britische Autor Chris Thorpe (Stückemarkt 2014) zurück nach Berlin. Das Gewinnerstück des Edinburgh Fringe-Festivals 2014 geht den Fragen nach, warum wir glauben, was wir glauben, wie es möglich ist, in einen aufrichtigen Dialog mit jemanden zu treten, dessen Ansichten wir verachten, und wie standhaft eine extreme Überzeugung bleibt, wenn sie sich permanent erklären muss. Für „Confirmation“ führte Thorpe Gespräche mit einem Neonazi und Holocaustleugner. Den daraus entstandenen Text performt er selbst. Regie: Rachel Chavkin Mittwoch, 13. Mai 2015 bis Samstag, 16. Mai 2015 20:00 Uhr / Autorengespräch am 14. Mai im Anschluss an die Vorstellung / English Theatre Berlin/International Performing Arts Center / 18 €
Mittwoch, 6. Mai 2015 17:00 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Wolfram Lotz, Hannes Becker: Bring das Zeug von draußen ins Theater! Aber fix! Ein gemeinsamer Workshop des Internationalen Forums und des Stückemarkts Alle Teilnehmenden bringen ein Textstück, einen Zeitungsbericht, ein Bild, ein Objekt oder sonst etwas mit, das eine gesellschaftliche Wirklichkeit außerhalb des Theaters bezeichnet. Dann wird nach der Verbindung zum Mitgebrachten gefragt. Es dient als Grundlage für Theaterarbeiten, die im Laufe des Workshops kollektiv entwickelt werden. Die Autoren Wolfram Lotz und Hannes Becker schreiben Theaterstücke, Gedichte, Essays, Hörspiele und Prosa. Gemeinsam formulierten sie das Vorhaben eines „Unmöglichen Theaters“, mit dem sie das Verhältnis von Text, Bühne und Wirklichkeit befragen. Präsentation am Samstag, 9. Mai 2015 16:30 Uhr Haus der Berliner Festspiele, Camp / Eintritt frei Anmeldung erforderlich unter anmeldung@berlinerfestspiele.de
Chris Thorpe © Armin Friess
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Politisches Schreiben heute – Abschlussgespräch zum Stückemarkt 2015 In Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Mit Yvonne Büdenhölzer (Leiterin Theatertreffen), Daniel Cremer (Autor, Regisseur und Performer Stückemarkt 2015), Valerie Göhring (Bloggerin Theatertreffen 2015), Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung), Ewald Palmetshofer (Autor, Juror Stückemarkt 2012) Moderation Christine Wahl
Chris Thorpe Confirmation
Stefan Wipplinger Hose Fahrrad Frau U-Bahn (Penner/Tom) Tom
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Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner
Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom
Wieso starren Sie mich so an? Gehen Sie weiter. Ich starre Sie nicht an. Etwas an mir starren Sie an. Hätten Sie die Güte – Ich hab nichts. Wissen Sie, was ein Déjà-Vu ist? Ja weiß ich. Was verstehen Sie darunter? Lassen Sie mich in Ruhe. Bitte antworten Sie. Was? Was wollen Sie – Was ist ein Déjà-Vu? Na. Das ist, wenn man etwas schonmal erlebt hat. Wenn man etwas ein zweites Mal erlebt. Das ist falsch. Aha. Ihre Antwort ist äußerst interessant. Ja. Danke. Tatsächlich ist das, was Sie beschreiben, nämlich das Gefühl, das bei diesem Phänomen entsteht. Statistisch gesehen ist es aber extrem unwahrscheinlich, eine Situation zweimal zu erleben. Bitte. Ich hab noch 50 Cent. Ok? Mehr hab ich nicht. Daher ist viel mehr anzunehmen und übrigens auch wissenschaftlich erwiesen, dass die Erfahrung eines Déjà-Vus das Ergebnis einer qualitativen Gedächtnisstörung ist. Ja toll. Das wusste ich nicht. Es interessiert mich aber auch nicht. Also eine Täuschung. Eine Täuschung des eigenen Hirns. Ihr Hirn funktioniert aber auch nicht einwandfrei oder? Was!? Nichts. Nichts für ungut. Nein, nein sprechen Sie weiter. Sie haben nicht unrecht. Eben deshalb spreche ich sie an. Aha. Weil mir diese Situation sehr bekannt vorkommt und ich herausfinden wollte, ob es ein Déjà-Vu ist. Alles klar. Und es ist ganz offensichtlich eins. Tut mir leid. Nein nein nein, das ist es eben. Das hier ist keines. Ist keines. Nein. Ich glaube, Sie haben das Phänomen doch noch nicht ganz verstanden. Es gehört ja eben zum Déjà-Vu dazu, dass Sie glauben, es sei echt. Das weiß ich. Sehen Sie. Ein Déjà-Vu. Herzlichen Glückwunsch. Genießen Sie‘s. Und jetzt –
Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner
Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom Penner Tom
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Jemand sein altes Fahrrad wiedererkennen würde. Nicht wahr? Hochinteressant. Sie können nicht von mir erwarten – Keineswegs. Machen Sie sich keine Sorgen. Wirklich verblüffend. Was ist denn so verblüffend? Dass ich genau weiß, was Sie sagen. Es ist, als hätte ich dasselbe schon einmal gesagt. Ja. Ein Déjà-Vu. Bestimmt. Außerordentlich faszinierend. Nicht wahr? Guten Tag. Hallo? Warten Sie.
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Tom Penner Tom
Das Besondere an meinem Déjà-Vu ist, dass ich diese Situation zwar kenne, aber aus einer anderen Perspektive. Wow. Dann scheinen Sie ganz außerordentlich begabt zu sein. Sie verstehen mich immer noch nicht. Nein. Da haben Sie völlig recht. Lassen Sie mich endlich in Ruhe. Sie sind sehr unfreundlich. Sie sind sehr anstrengend. Erlauben Sie mir noch eine Frage. Eine Frage. Woher haben sie dieses Fahrrad? Was? Was geht Sie das an? Sehen sie? Genau so habe ich auch reagiert damals. Wovon zur Hölle reden Sie? Ihr Fahrrad. Sie haben es vor kurzem erst gekauft. Oder gestohlen. Jetzt reicht‘s. Hauen sie ab. Und das weiß ich, weil es bis vor kurzem noch mir gehört hat. Weil es ein bisschen immer noch mir gehört. Verstehen Sie? Es hat nicht aufgehört mir zu gehören. Ich hab es nicht verkauft oder gespendet. Ganz sicher hab ich es Ihnen auch nicht geschenkt. Es wurde mir geklaut. (lange Pause) Das... das kann doch jeder sagen. Ist das so? Lassen Sie den Scheiß. Es gibt tausend Fahrräder, die so ähnlich aussehen, Sie könnten sich irren. Könnte sein. Sehen Sie? Es besteht kein Zweifel. Beweisen Sie das erst mal. Das ist nicht nötig. Ich weiß es ja. Unglaublich. Wirklich faszinierend. Hören Sie mal. Ich klaue nicht. Ich hatte keine Ahnung. Wovon hatten Sie keine Ahnung? Na, dass der Typ... das war auf so einem Markt... dass der geklaute Räder vertickt. Tatsächlich? Woher soll ich denn wissen ... Na, ich gebe zu, der Gedanke stand mal im Raum, woher der die hat, aber ich hätte doch niemals gedacht, dass…
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Alexander Manuiloff Der Staat / The State
Ich bin Plamen. Plamen heißt „Flamme” auf Bulgarisch. Was für ein böser Zufall! Ich hätte nie gedacht, dass ich das tun würde. Ich hätte nie gedacht, dass ich das Leben ablehnen könnte. Aber jetzt muss ich. Ich muss anderen zeigen, dass es noch einen Ausweg gibt. Und ich muss einen Brief schreiben. Ich muss diesen Brief schreiben und sie wissen lassen, dass es einen Grund dafür gibt, dass ich es tue.
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Ich bin Plamen. Das letzte Mal, als ich glücklich war… Ich dachte auf einmal, ich muss mich erinnern, wann das letzte Mal, als ich glücklich war, war … Das letzte Mal, als ich glücklich war, ist… ist heute eigentlich. Als ich den Entschluss fasste, wurde alles langsamer. Ich bin voll da. Ich bin in der Lage, so viele Dinge auf einmal wahrnehmen: Dinge, die sonst unbemerkt an meinen Bewusstsein vorüberziehen. Gerüche, Farben, feine Variationen in den Stimmen der Menschen, die so viel zum Ausdruck bringen, Musik, das Singen der Vögel, weils gerade Frühling wird. Das unfassbare Grün der Bäume. Das Leben.
Daniel Cremer / TALKING STRAIGHT TALKING STRAIGHT Festival
Grußwort Dr. Tucké Royale (Schirmherm des Festivals) Vödhödest Grososen, Ersbangern, en mift honorabelen Gritten, Hermen Grobvoss, Langhoff – en, vòsodest: Herm Farbarjewitch, kolst migsen Master ar hen Studiokurmst! Velkom.
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Velkom Herm Krobenstropp en sisal, poften Fafst Mitterer, Grauck, Hock, Sobben, Mopti, Frega Mohn, ensoden gipf ar hons subsern Finanzhoggen: Sáliss ar Berstelsmarm Nogdsôr, Mosd Stift, Kussel Migsdrath en Ogga Mirsvothen ar hen Initaititve Nyhen Sozialfakh ar vödhen Markprapt, Hen Gersosenbank, Gorki Theat op hen Megasponsor TOTALIS. Herm Sentator, Kuroren – en schunsrinsdest: mîn vödhest org Publikum! Olvodd' hübbe hen Schirmhermft lobhoden ar mîn hochkrathen Dimond nar sobstbrad'hen Kurmstscene: hen TALKING STRAIGHT FESTIVAL, en Zechtfreege ar kiesen voft dorm eminente Ilmen: Kollektsen orb Kunstesten umst hen diversteven Vödh-Uppen: Performance, Kiese, Theaten, Musa, Worpe en Kimo. Mar ogfe hen Publikhoggen, Theorecken, hen Selholmigher en Kuroren - kolvoggen podg hendern vödhe Humen. So, himst ar hogden par hen Festivals trem Degen jullen interssanter Kontakten ar sobridh kin Jinden. En var gedhest Koften, varbek ar Herm Bonsel Grobvoss. Alkid sieden oft Usmangen rin pobbt. Son Sentator, mogen Hömmer, urs laubt ar hen Kurmst, Justiz, en kraften Bauweest. Üphel singdem ens dett Kirvak. Sáliss ar Herm Grobvoss umst Gengen. En pluus. En pluus. En Pluss.
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Alexandra Badea Zersplittert
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Teamleiter Kunden-Center, Dakar (männlich) Du steigst über den schlafenden Körper auf der gegenüberliegenden Seite deines Betts Du durchquerst das Nachbarzimmer Andere Körper schlafen/ Du gehst raus in den Hof Du öffnest den Wasserhahn und hältst deinen Kopf unter das Wasser Eine Minute lang bleibst du so Kopf unter Wasser/ Nach einer Nacht voller Alpträume von Telefonklingeln und blinkenden Bildschirmen atmet dein Gehirn endlich auf Du bleibst unter Wasser und könntest noch stundenlang dort bleiben Doch die Zeit verrinnt, und du musst sie aufholen/ Du ziehst Shorts und ein T-Shirt an Stopfst dir den verbrannten Reis von gestern Abend rein Und wühlst in deinem Kopfkissen nach ein paar Scheinen / Dein Nachbar schläft noch, also kannst du in Ruhe suchen Die Fülle des Geldes macht dir Angst Höchste Zeit, die Hälfte des Kopfkissens in Euros umzutauschen Du zögerst, dein Nachbar dreht sich in deine Richtung Das ist riskant Er könnte jeden Moment die Augen öffnen Also lässt du es und gehst/ Du rennst Der Reis kommt dir beinahe hoch, doch du rennst weiter Der Expressbus Sainte Marie-Bonne mère fährt genau in dem Augenblick an, als du ihn beinahe erwischt hast Dein Herz klopft Wut steigt hoch Du ballst die Fäuste und bist still Du setzt den Kopfhörer auf und hörst „Die Zeit der Wunder ist nicht vorüber Die Blinden sehen Die Lahmen gehen Die Wahnsinnigen kommen wieder zu Verstand Die Toten erwachen zu neuem Leben Jesus ist die Lösung für Krankheiten und Probleme aller Art Und wenn auch du willst, dass er in dein Leben eingreift Dann setze deinen Glauben ein Glaube an Wunder Glaube an Jesus Denn er wird bald wiederkehren“ Beim vierten Stück der auf CD aufgezeichneten und von deiner Kirche für 5000 Franc CFA verkauften Predigt mit der Schwarzweiß-Kopie des Predigers auf dem Cover kommt der Expressbus Société musulmane –La vérité vorbei Du nimmst ihn nur ungern, doch die Zeit verrinnt, und du musst sie aufholen/ Du setzt dich auf die Außentreppe des Busses und während der einstündigen Fahrt hörst du: „Gott kann dich spirituell erfüllen Gott kann dich emotional erfüllen Gott kann dich mit Intelligenz erfüllen Gott kann dich an diesem Morgen mit einem Plan erfüllen Dem Plan, der dir fehlt, um vielleicht eine Tür in deinem Leben zu öffnen“
Fertigungskraft, Shanghai (weiblich)
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Du hörst deinen Namen/ Er kommt von weit weg Als käme er aus deinem 3700 Kilometer entfernten Dorf Als würde ihn deine 35 Zugstunden entfernte Großmutter sagen Als würde ihn der Atem der Toten tragen, die die Erde deiner Eltern fruchtbar machen Du hörst deinen Namen, und dein Fleisch fühlt sich an wie durchgeschüttelt von Insektenbeinen / Du öffnest die Augen Fünf Frauenkörper sind um das Bett herum zu Gange - Da-Xia Da-Xia - Du bist spät dran. - Steh auf - Wasch dich - Schnell - Sonst 5 Yuan - Oder 10 - 5 pro Minute - Wenn zehn Minuten, dann der ganze Morgen - Und sie ziehen dir den halben Tag ab - Los - Mach schon - Hoch mit dir - Schlafen kannst du nachher. Wann, nachher? Nach was? Schwachsinnige Fragen, die durch dein mit Müdigkeit vollgesogenes Gehirn geistern. Du tauchst deinen Kopf in einen Eimer Wasser Drei Zahnbürstenbewegungen Du ziehst deine neongelbe Uniform Made in China über und verlässt den Schlafsaal / Keine Zeit, dein Gesicht zu betrachten, das ein bleibendes Ekzem übel zugerichtet hat Du reihst dich in den gemeinsamen Marsch ein Du durchschneidest den Raum mit deinen herunterhängenden Armen und atmest durch/ 300 Meter weit geht ihr an den 17 Kilometern Laufbändern entlang an den Gittern, die rund um die Uhr von Wachleuten in Militäruniform bewacht werden an der Liebesquelle an der Buddhastatue an der abgesperrten Kantine, und ihr seid da / Eine Plakattafel in leuchtenden Farben lächelt euch zu „Wir wünschen Ihnen einen schönen Tag“
Tom Struyf Another great year for fishing
Kay
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Joris
Noël
Alles wird gut, ist meine Ansicht. Alles wird gut, denn wir sterben alle. Das Leben ist, wie es ist: man wird geboren, man lebt, und man stirbt – manche früher als andere. Also, alles wird gut. Aber: Probleme können auch schön sein. Es können Herausforderungen sein, wenn man sich ihnen stellt, darüber nachdenkt, Dinge verändert. Man sitzt im Flugzeug und sieht durch das Fenster einen der Motoren abstürzen. Und man denkt: „Wow, das ist nicht gut!“ Also sagt man’s seinem Nachbarn und der sagt: „Nein, Mann, so schlimm kann’s nicht sein, wir sind in guten Händen.“ Ich trau dem Braten nicht. Alle sitzen bei einem Drink, beschäftigen sich mit ihren Handys und gucken Fernsehen. Die Stewardess sagt: „Jetzt setzen Sie sich erst mal gemütlich hin.“ Und ich: „Nein, ich will denPiloten sprechen! Wir haben einen Motor verloren!“ „Bleiben Sie ruhig. Sind Sie sicher, haben Sie das wirklich gesehen?“ „Ja, hab ich wirklich!“ Und du gehst weiter, am Air Marshal vorbei, der dich vor Entführungen schützen soll, und du machst die Tür auf … und in dem Cockpit sitzt niemand. Das ist die Wirklichkeit. Während die Optimisten glauben: „Da ist ein Schurke im Cockpit, und dann kommt der Held, der den Schurken packt, und dann kommt ein Journalist und erzählt die Geschichte, und dann ist alles wieder gut.“ Die Realität ist, dass viele Dinge durcheinander passieren, dass da nicht immer Logik hinter steckt, dass es nicht immer eine klare Ursache und Wirkung gibt, und dass am Ende nicht immer klar ist, wer gewonnen hat, oder verloren. Was das angeht, gleicht Realität eher einem Schwedischen Film, als einem Amerikanischen Actionfilm. (Stille. Bewegungssequenz.)
Tom
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Keine vierundzwanzig Stunden später werde ich wach auf einer Matratze in einem Hotel. Ich weiß nicht wo ich bin. Es ist superwarm. Stimmen auf dem Flur, in einer Sprache die ich nicht verstehe. Kopfschmerzen. Muskelkater. Und langsam, ganz langsam kommt alles zurück: schmutzige Toilette, Gehen, der Zug zum Flughafen Brüssel. Ja. Ich wollte so schnell wie möglich, so weit wie möglich weg. Ja. Ich liege auf einer Matratze in einem Hotel in Kapstadt. Südafrika. Ich sammle mich und suche im Labyrinth von Fluren den Weg zur Rezeption. Ein kleiner, schwarzer, kahler Mann fängt an zu lachen und zu rufen, sobald er mich sieht. „Goodmorning Sir! How are you? You like South-Africa?“ Ich sage, dass ich gerade angekommen bin und frage, ob ich einen Kaffee bekommen kann, aber er ist nicht zu stoppen. „Of course my friend! What would you like to do? Clubbing, diving, hiking, township-tour, Robben-Island, Table Mountain?“ „Äh“, ich komme nicht mit. „Äh, nothing“, sag ich. „Just nothing.“ Ich erzähle kurz, wie ich hierhergekommen bin und das findet er scheinbar unglaublich – er schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch und lacht, hoch und schrill und ruft: „You crazy Europeans! Crazy Europeans!“ Ich lache ein bisschen mit ihm mit. „Yeah.“ „But my friend“, sagt er. „You´re searching for the end of the world, aren´t you? But that´s not here, I´ll show you, wait. “ The end of the world ... Wenn man auf der Höhe Belgiens langsam aber sicher anfangen würde zu sinken. Würde man dann hier wieder auftauchen? Das Ende der Welt – ja, stimmt, denke ich. Genau das suche ich.
Impressum Leitung Theatertreffen: Yvonne Büdenhölzer Dramaturgie Theatertreffen / Stückemarkt: Christina Zintl Mitarbeit Dramaturgie / Produktion: Katrin Schmitz Praktikantin: Raffaela Phannavong Ausstatterinnen: Eva Veronica Born, Christiana Symeonidou (Assistenz) Regieassistenz: Philipp Urrutia Stückemarkt-Jury 2015 Tim Etchells, Autor, Regisseur und Performer (Forced Entertainment) Helgard Haug, Autorin und Regisseurin (Rimini Protokoll) Lutz Hübner, Autor Milo Rau, Autor und Regisseur (International Institute of Political Murder) Yvonne Büdenhölzer (Leiterin Theatertreffen)
Die Berliner Festspiele werden gefördert durch
Das Theatertreffen wird gefördert durch die
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Festivalbüro: +49 30 25489 233 stueckemarkt@berlinerfestspiele.de Stückemarkt-Broschüre Herausgeber: Berliner Festspiele Redaktion: Barbara Behrendt, Christina Tilmann Übersetzung: Elena Krüskemper Graphik: Ta-Trung, Berlin Schrift: LL Brown Papier: PlanoPlus, Circle offset white Herstellung: enka-druck GmbH, Berlin Copyright 2015 Berliner Festspiele und Autoren Stand: April 2015 Veranstalter Berliner Festspiele Ein Geschäftsbereich der Kulturveranstaltungen des Bundes GmbH Gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Intendant: Dr. Thomas Oberender Kaufmännische Geschäftsführerin: Charlotte Sieben Leitung Redaktion: Christina Tilmann Leitung Marketing: Stefan Wollmann Leitung Presse: Claudia Nola Ticket Office: Ingo Franke Hotelbüro: Heinz Bernd Kleinpaß Protokoll: Gerhild Heyder Berliner Festspiele Schaperstrase 24, 10719 Berlin T +49 30 254 89 0 berlinerfestspiele.de info@berlinerfestspiele.de
Medienpartner
Der Stückemarkt wird gefördert durch
In Kooperation mit
Wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung von
Außerdem danken wir dem Maxim Gorki Theater und dem Deutschen Theater Berlin
Haus der Berliner Festspiele 3.5. So
Andere Spielorte
16:00 Camp Eröffnung Stückemarkt mit Yvonne Büdenhölzer, Helgard Haug, Lutz Hübner, Thomas Oberender, Christina Zintl 17:00 bis 18:15 Seitenbühne Stückemarkt I: Hose Fahrrad Frau von Stefan Wipplinger im Anschluss Gespräch mit Stefan Wipplinger und Lutz Hübner 20:00 bis 21:30 Stückemarkt II: Der Staat / The State von Alexander Manuiloff im Anschluss Gespräch mit Alexander Manuiloff und Johanna Freiburg
4.5. Mo
12:00 bis 14:00 Camp What if... Workshop mit Stefan Wipplinger 14:00 bis 16:00 Camp Dramaturgy of Restrictions Workshop mit Alexander Manuiloff 16:00 bis 0:00 Stückemarkt III: TALKING STRAIGHT Festival von Daniel Cremer / TALKING STRAIGHT
5.5. Di
12:00 bis 14:00 Camp Another great workshop Workshop mit Tom Struyf, Nelle Hens und Willem De Maeseneer
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14:00 bis 16:00 Camp Writing from an actuality image Workshop mit Alexandra Badea 18:00 bis 19:15 Camp Stückemarkt IV: Zersplittert von Alexandra Badea im Anschluss Gespräch mit Alexandra Badea und Falk Richter 20:30 bis 21:45 Seitenbühne Stückemarkt V: Another great year for fishing von Tom Struyf im Anschluss Gespräch mit Tom Struyf und Christina Zintl und Abschlussfeier 6.5. Mi
15:00 bis 17:00 Camp TALKING STRAIGHT. In A Meeting With Daniel Cremer Workshop und Coaching 17:00 bis 18:30 Camp Politisches Schreiben heute – Abschlussgespräch zum Stückemarkt 2015 in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
9.5. Sa
13.5. Mi – 16.5. Sa
16:30 Uhr Camp Wolfram Lotz, Hannes Becker: Bring das Zeug von draußen ins Theater! Aber fix! Workshop-Präsentation 20:00 bis 21:20 English Theatre Berlin/ International Performing Arts Center Stückemarkt Revisited Confirmation von Chris Thorpe Regie Rachel Chavkin Am 14.5. im Anschluss Autorengespräch
www.berlinerfestspiele.de Aus: Another great year for fishing Š Clara & Wies Hermans