Behörden Spiegel Mai 2022

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Informationstechnologie

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ehörden Spiegel: Herr Staatssekretär Burghardt, das Land Hessen hat mit der DVH 4.0 seine Vision einer digitalen Verwaltung formuliert. Welches sind die zentralen Säulen dieser Vision? Patrick Burghardt: Unser Anspruch sind effiziente, bürgernahe und transparente Abläufe. Wir sehen unsere Verwaltungsvorgänge aus Sicht unserer Kundinnen und Kunden, also den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen, die die Verwaltung nutzen. Deshalb sollte die Antragsverwaltung, mit der sich die DVH 4.0 beschäftigt, so einfach und nachvollziehbar gestaltet sein wie eine Online-Bestellung. Hier kommen drei Kernprinzipien zum Einsatz, die zum Teil bereits in der Verwaltung bekannt sind, nun in der DVH 4.0 explizit festgeschrieben wurden. Erstens “One-Stop-Shops”: Mit nur einer einzigen digitalen Sitzung sollen Kundinnen und Kunden Dienstleistungen anstoßen können – anschließend läuft der Verwaltungsprozess automatisch bis zum Abschluss ab. Zweitens: In den sogenannten “No-Stop-Shops” führt die Behörde sogar antragslos Verwaltungsdienstleistungen aus. Das kann perspektivisch unter anderem bei dem Gewähren von Kinder- oder Elterngeld nach der Geburt eines Kindes greifen. Zentral ist das dritte Element, das “Once-Only-Prinzip”. Bestimmte digitale Informationen werden von den Kundinnen und Kunden nur noch einmal benötigt und stehen dann auch für weitere behördliche Angelegenheiten zur Verfügung, selbstverständlich mit Einverständnis der Antragstellenden. Die Behörden tauschen die Informationen untereinander aus, was die Datenqualität erhöht und Mehrarbeit auf allen Seiten reduziert. Aus einer reaktiven Verwaltung wird so eine proaktive Verwaltung – die Voraussetzung für das Zielbild der DVH 4.0, welches mit seinen Dienstleistungen den Kundinnen und Kunden rund um die Uhr zur Verfügung steht. Ich möchte jedoch betonen, dass weiterhin auch die Möglichkeit des klassischen Antragsweges inklusive des persönlichen Besuchs vor Ort bestehen wird. Behörden Spiegel: Ein früherer Bundeskanzler hat Visionäre sprichwörtlich zum Arzt geschickt. Wie sorgen Sie dafür,

Eine ambitionierte Zukunftsvision Hessen auf dem Weg zur “Digitalen Verwaltung 4.0” (BS) “Wir wollen die Zukunft der Verwaltung in Hessen so gestalten, dass sich unsere Dienstleistungen nahtlos und vorausschauend in den Alltag der Kundinnen und Kunden und unserer Beschäftigten integrieren”, heißt es in der Einleitung zur DHV 4.0 (“Digitale Verwaltung 4.0”). In dieser Vision, einer Fortschreibung der Digitalstrategie “Digitales Hessen”, hat das Land eine übergreifende Gesamtsicht auf die Verwaltungsdigitalisierung in Hessen formuliert. Über zentrale Inhalte der DVH 4.0 und wie man die Vision in die Realität transferiert, sprach der Behörden Spiegel-Redakteur Guido Gehrt mit Staatssekretär Patrick Burghardt, CIO und Bevollmächtigter der hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie.

“Aus einer reaktiven Verwaltung wird eine proaktive Verwaltung …”

Patrick Burghardt ist seit 2019 Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung sowie CIO und Bevollmächtigter der hessischen Landesregierung für E-Government und Informationstechnologie. Foto: BS/HMinD

dass aus Visionen Umsetzungsstrategien und letztlich reale Projekte werden?

Nutzerkonto für die Kundinnen und Kunden. Wichtig ist uns die Einbindung aller Beteiligten, vor allem der Burghardt: Die DVH 4.0 ist Ressorts und ihrer Digitalisiein der Tat eine ambitionierte rungsbeauftragten. Denn klar Zukunftsvision. Doch eine Visi- ist, dass solch eine herausforon ist Voraussetzung, um sich dernde Strategie nur Realität auf den Weg zu machen und werden kann, wenn es ein GeBegeisterung für das Projekt meinschaftsprojekt wird und die der Verwaltungsdigitalisierung Akzeptanz für die Maßnahmen gegeben ist. mit dem Ziel Wir benötides digitalen “Die Strategie der DVH 4.0 gen alle BeRathauses zu schäftigten entfachen. ist nicht abgeschlossen, auf jeder Nach einem sondern muss iterativ Ebene, damit Jahr DVH 4.0 fortentwickelt werden.” die Digitalikönnen wir sierung der sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg. Verwaltung gelingen kann. DeModern, serviceorientiert und ren Erfahrung und Wissen aus effizient – so muss und wird die dem Verwaltungsalltag hilft uns digitale Verwaltung in Hessen zudem, die DVH fortzuschreiaussehen. Dem liegt schon der ben, mit der wir die Zukunft der gesetzliche Auftrag zugrunde. Verwaltung in Hessen gestalten. Aus der Vision wurde ein konWir leben in einer Zeit der kreter Maßnahmenkatalog abge- schnellen, permanenten Veränleitet, um die Ziele der Strategie derung, vor allem in der ArbeitsDVH 4.0 zu erreichen. Dieser wird welt, was insbesondere durch die nach und nach umgesetzt, wobei Digitalisierung vorangetrieben wir eine große Bandbreite an wird. Deshalb ist die Strategie Maßnahmen identifiziert haben. der DVH 4.0 auch nicht abgeBeginnend bei fachspezifischen schlossen, sondern muss iterativ Umsetzungen, zum Beispiel der fortentwickelt werden. Digitalisierung einzelner Verwaltungsleistungen, reicht der Behörden Spiegel: Die DigiKatalog bis hin zur Bereitstellung talisierung ist ein sehr dynamivon zentralen IT-Komponenten, scher Prozess und über längere was nur landesweit gestemmt Zeiträume, wenn überhaupt, nur werden kann. Hier ist ein ak- schwer planbar. Liegt hier nicht tuelles Beispiel das einheitliche auch ein Risiko für die DHV 4.0?

Burghardt: Ich bin überzeugt: und so zum Beispiel die VPNEin dynamischer Prozess ruft Zugänge “HessenAccess” enorm auch Innovation hervor. Unser steigern. Eine der wichtigsten Anliegen ist es, die hessische Voraussetzungen der DigitaliVerwaltung so zu gestalten, sierung in der Verwaltung. dass sich VerwaltungsdienstBehörden Spiegel: Um die leistungen immer besser in den Alltag der Menschen integrieren. Zukunftsvision einer DHV 4.0 Ganz einfach, medienbruchfrei, “auf die Straße” zu bekommen, sind die Beschäftigten in der zu jeder Zeit. Die Kernbotschaft unserer öffentlichen Verwaltung von eleStrategie lautet: Der Mensch mentarer Bedeutung. Wo sehen steht im Mittelpunkt. Darauf Sie hier Handlungsbedarf? sind auch die NutzenverspreBurghardt: Wir wissen, dass chen ausgerichtet, welche erstmalig so in einer Verwaltungs- wir auch aufgrund des Fachstrategie formuliert wurden. kräftemangels im Wettbewerb Denn auch wenn die Digitalisie- um die klügsten Köpfe stehen rung eine enorme Erleichterung und in der Verwaltung auch für Dienstleistungen bietet, wir einen attraktiven, modernen damit Potenziale heben und die Arbeitsplatz bieten müssen. Behörden fit für die Zukunft ma- Deshalb ist Digitalisierung chen: Verwaltung wird von Men- unerlässlich und bedeutet für schen für Menschen ausgeübt. unsere Beschäftigten mit der Sie muss bei allem technischen Umsetzung der DVH 4.0 mehr Fortschritt und digitaler Un- Effizienz im Verwaltungshanterstützung menschenzentriert deln. Der Fokus der Strategie sein, zuverlässig und immer liegt auf der Antragsverwaltung, welche durch digitalisierte Abansprechbar. Deshalb ist uns Transparenz läufe und den Einsatz digitaler bei den Maßnahmen wichtig, Anwendungen handhabbarer sowohl in der externen Kom- und übersichtlicher wird. Wir brauchen in der gesamten munikation mit den Kundinnen und Kunden: Was haben hessischen Verwaltung ambitiowir erreicht? Was leistet die nierte Mitarbeiterinnen und MitVerwaltung aktuell? Aber auch arbeiter. Alle Behörden müssen nach innen: Um den Erfolg bei als vielversprechender Arbeitgeder Umsetzung der DVH 4.0 zu ber sowohl für Menschen mit gewährleisten, ist es notwendig, Berufserfahrung als auch für dass die Beschäftigten aktiv bei junge Talente wahrgenommen der Gestaltung der Veränderung werden. Dazu gehören selbstverständlich digitale Tools, die mitwirken. Hier haben wir mit der Arbeits- unter anderem flexible Zeitmogruppe “Corona Lessons Lear- delle und mobiles, ortsunabned” sehr gute Erfahrungen mit hängiges Arbeiten ermöglichen. Selbstverständlich richten wir dem Feedback aus den Ressorts erzielt und konnten daraus den Blick auch auf die derzeitigen Verwaldie nächstungsmitarten Schritte “Wir müssen die Verwalbeitenden, ableiten, die tungsdienstleistungen die wir mit unseren Beschäftigten immer besser in den Alltag unterschiedlichen Angehelfen. Die AG erfass- der Menschen integrieren.” boten für die Aus- und te über eine Umfrage die Bedarfe der Mit- Weiterbildung unterstützen. arbeiterinnen und Mitarbeiter, Diese Maßnahmen möchten beispielsweise zur technischen wir noch deutlich ausweiten, Büroausstattung. Die Verwal- um wirklich alle Beschäftigten tung konnte zügig reagieren zu befähigen, die an sie gestell-

DIGITAL DIGITALE VERWALTUNG IN HESSEN VISION | AGENDA | UMSETZUNG 08. Juni 2022 | Bad Homburg

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Behörden Spiegel / Mai 2022

ten Anforderungen zu meistern und ihre digitalen Kompetenzen weiterzuentwickeln. Diese Aktivitäten erfordern einen organisatorischen Change-Management-Prozess, den wir derzeit konzipieren. Vor uns liegen interessante Aufgaben für die digitale Zukunft Hessens, die Herausforderungen bedeuten, aber auch viel Potenzial in sich bergen. Ich möchte alle Beteiligten ermutigen, diesen Weg mitzugehen und an der modernen, bürgernahen und transparenten Verwaltung mitzuarbeiten.

Mehr zum Thema Die Verwaltungsdigitalisierung steht auch im Zentrum des Kongresses “HEssenDIGITAL”, den der Behörden Spiegel am 8. Juni 2022 in enger Kooperation mit der hessischen Landesregierung in Bad Homburg veranstaltet. Im Rahmen der Veranstaltung wird u. a. das Thema “DHV 4.0 – Die Zukunftsagenda für die hessische Verwaltung” in einem Vortrag von Staatssekretär Patrick Burghardt behandelt und mit den Teilnehmenden diskutiert. Weitere Informationen zum Kongress sowie eine Anmeldemöglichkeit unter www.hedigital.de

MELDUNG

Digitales Bauamt (BS/gg) Der Landkreis Fulda will gemeinsam mit seinen Kommunen die Bauverwaltung umfassend digitalisieren. Dazu sollen die Arbeitsprozesse zwischen der unteren Bauaufsicht, den kommunalen Bauämtern und der Öffentlichkeit optimiert werden. Dazu zählen die Digitalisierung der Bauakten, die Erschließung von Standard-Schnittstellen zu einschlägigen Fachverfahren und die Nutzung der hessenweit in allen Kommunen vorhandenen Digitalisierungsplattform Civento. So sollen Kollaboration und Interoperabilität zwischen den Verwaltungsebenen verbessert und eine wichtige Voraussetzung eines digitalen Workflows in Echtzeitübertragung geschaffen werden. Das Projekt wird vom Land Hessen im Programm “Starke Heimat Hessen” mit rund 2,43 Millionen Euro gefördert.