Leseprobe "Brauseboys Müllerstraße"

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In der Kneipe angekommen, musste ich allerdings schnell feststellen, dass mein Outfit bei meinen Bekannten tatsächlich auf reichlich Irritationen stieß. Nicht dass man mich eher bürgerlich gekleidet kennen würde, aber diese popanzartige Ver-

wandlung konnten sie denn doch nicht ganz nachvollziehen, worauf ich den ganzen Tresen zusammenschrie: »Ja, ist det hier ’ne verlauste Studentenspelunke, kann man hier nicht ’ne Molle und ’n Korn zischen, ohne hirnmäßig unterwandert zu werden?« Die Formulierung »hirnmäßig unterwandert« fanden die Kollegen am Tresen dann doch so gelungen, dass sich für diese exotische Eskapade gleich noch der ein oder andere Bierspender fand. Es war ein recht vergnüglicher Abend, der schon kurz darauf den Weg in die Annalen der immer wieder erzählten Kneipen­anekdoten fand, unter dem Titel: »Wie Hinark mal ein echter Weddinger werden wollte«. Nur gut, dass es in dieser lauwarmen Nacht nicht noch zu einem Aufeinandertreffen mit einer dieser arabischen Jungscliquen kam, ich weiß nicht, ob ich den Heimweg dann so schadlos überstanden hätte. Nun, nichts gegen unsere kleinen, schwarzhaarigen Prinzen mit den coolsten Koteletten, aber in Gruppen dann doch leider oft ein hormonell bedingter kollektiver Atavismus, der da herumlümmelt. Ponys, die sich wie Vollbluthengste gerieren. Immerhin verdanken wir ihnen die doch relativ geringe Anzahl hohlköpfiger Neonazis bei uns. Die Straßenhoheit liegt hier in anderen Händen und in diesem speziellen Falle ist das denn doch sehr begrüßenswert. Der individuelle kleinbürgerliche Faschismus zeigt sich eher wie folgt: Im U-Bahnhof Seestraße kreischen einige arabische Mädchen herum und ein gegelter Mittvierziger mit schwarzer Brille und sportivem Auftritt murmelt etwas von Gaskammer vor sich hin. Tatsächlich erntet er sogleich die kritischen Blicke 136


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