Berl in er Unw ill e Der Berliner an sich ist von Natur aus unwillig Sicher, mancher, den man im Getriebe der Großstadt anspricht, reagiert zunächst etwas unwillig. Ganz zu schweigen von gele gentlichen Begegnungen der Dritten Art bei Behördengängen oder Kont akten mit dem Dienstleist ungspersonal in der Metro pole. Obwohl man zugestehen muss, dass sich in den letzten Jah ren dort viel geändert hat. So ist etwa das Servicepersonal im Gastronomiebereich dienstbeflissener geworden. Ein »warten Sie hier, Sie werden platziert« wird man kaum noch zu hören bekom men. Der eigentliche Berliner Unwille aber weist weit zurück in die Stadtgeschichte. Die Berliner Patrizier zeigten sich um die Mitte des 15. Jahrhunderts ihrem Landesherren, dem Kurfürsten Fried rich II., gegenüber aufmüpfig. Was in der heißen Phase der Aus einandersetzung um 1447/48 im Einzelnen geschah, ist nur durch den Entwurf einer kurfürstlichen Anklageschrift überliefert, die kein objektives Bild bietet. Nach aufrührerischen Reden in »Wein kellern und anderswo« setzten in der ersten Januarhälfte des Jah res 1448 Bürger den Bauplatz des kurfürstlichen Schlosses an der Spree unter Wasser (Stadtschloss). Auch die Arbeit fürstlicher Beamter, Zöllner und Richter wurde massiv behindert. Außer dem brach man in den Wirtschaftshof Friedrichs II. ein und stahl drei Pferde und drang in die kurfürstliche Kanzlei vor, wo man Akten einsah und vernichtete. Allerdings handelte es sich nicht um umstürzlerische Umtrie be im heutigen Sinne, vielmehr um Auseinandersetzungen zwi schen den Mächtigen der Zeit. Die Patrizierfamilien der Doppel stadt Berlin/Cölln hatten ihren Einfluss immer weiter ausgebaut. Sie verfügten über großen Grundbesitz, zahlreiche Privilegien und Einnahmequellen. Ihnen gegenüber standen ein ökonomisch
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Berliner Unwille