Naturräume und Landschaften in Brandenburg und Berlin (Leseprobe)

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Einführung

Brandenburg wird schon lange als »Streusandbüchse des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation« bespottet. Damit verbindet sich sein Image als ein »karges Land mit sprödem Charme«. Gleichzeitig aber zeugen ausgedehnte Schutzgebiete von der reichhaltigen natürlichen Ausstattung der Landschaften. In der Realität bieten die brandenburgerischen Landschaften weit mehr an Schönheit, Eigenheit, Produktivität, Ursprünglichkeit und Verschiedenartigkeit als mancher Touristenführer mit »klaren Seen, herrlichen Wäldern und weiten, offenen Blicken über Felder« beschreiben und versprechen. Zum Erkennen und Verstehen des landschaftlichen »Tafelsilbers« bedarf es eines landeskundlichen Wissens, das mit dem vorliegenden Buch befördert werden

­möchte. Das Ziel des Vorhabens besteht in einer inhaltlichen und visuellen Darstellung der räumlichen Gliederung der Naturräume und Landschaften Brandenburgs. Der Charakter der brandenburgischen Landschaften erschließt sich in besonderer Weise aus der Kenntnis ihrer Genese, der jüngsten eiszeitlichen und warmzeitlichen Entwicklung, und den dabei entstandenen natürlichen Komponenten und ihren später vom Menschen zunehmend gestalteten Veränderungen. Die Großlandschaften und ihre Untergliederungen werden auf der Grundlage der natürlichen Landschafts- und Landnutzungsstrukturen gekennzeichnet. Allein, die geografische und geomorphologische Eigenheit und Diversität der Landschaften sind in dem flachen Land nicht so offenkundig sichtbar und erfassbar. Der Blick auf die charakterisierenden Reliefunterschiede wird häufig von Wald bzw. Siedlungen verstellt, sodass einige Landschaftsformen weder vom Boden noch aus der Luft abgebildet werden können. Auch zeichnen die geläufigen administrativen Grenzen der aktuellen Landkreise, deren Namen sich überwiegend aus Großlandschaften ableiten, nur selten die natürlichen Grenzen dieser Landschaften nach. Zum besseren Verständnis der fachlichen Beschreibungen werden deshalb räumliche Einheiten bzw. Landschaftsstrukturen mit Computervisualisierungen modelliert. Die Landschaftsvisualisierungen, die mittels der Applikation eines Geografischen

Informationssystems (GIS) und einer neuen Geodatenbasis in Kombination mit moderner Bildbearbeitung erstellt wurden, sollen Verborgenes sichtbar machen. Die Visualisierungsprodukte der betrachteten Landschaften sind deshalb eine wesentlichen Seite des Buches. Die kartografischen Darstellungen besitzen einen sehr hohen und komprimierten Informationsgehalt und vermitteln klare Sichten auf räumliche Konstellationen. Die neuen Bildkompositionen befördern so ein »verstehendes Beobachten«. Sie ermöglichen, von neuen Ansichten zu neuen Einsichten über Kulturlandschaften zu gelangen. Die vorliegende Beschreibung nimmt die bereits in den 1950 er Jahren in ihren Grundzügen von einem Potsdamer Geografenkollektiv unter Leitung von Johannes F. Gellert bearbeitete naturräumliche Gliederung auf, die als Teil eines umfassenden Handbuches der naturräumlichen Gliederung Deutschlands entwickelt wurde (Meynen, Schmithüsen et al. 1960). Eine Beschreibung der brandenburgischen naturräumlichen Gliederung bearbeitete Scholz (1962). In einem physisch-geografischen Überblick aktualisierten Marcinek und Zaumseil (1993) den Wissensstand des Territoriums der neu gegründeten Länder Brandenburg und Berlin. Zahlreiche jüngere quartärgeologische und raumbezogene Forschungsarbeiten haben das Bild und das Wissen über die brandenburgischen Naturräume und Landschaften wesentlich erweitert und vertieft. Sie fließen in die vorliegende Beschreibung ein. Den Naturräumen und Landschaften des Bundeslandes Berlin wird ein eigenes Kapitel gewidmet, auch wenn die hier anzutreffenden Strukturen bereits bei den umrandenden Naturräumen behandelt wurden. Mit dem speziellen Fokus auf die naturräumliche Basis der Hauptstadt wird auch die Beziehung zu ihrer natürlichen Umgebung beleuchtet. Ein besonderer Beitrag von Claus Dalchow verlässt die naturkundliche Darstellung der Naturräume und Landschaften und zeigt mit kreativ akzentuiertem Geodatenumgang verblüffende Sichten auf den Hintergrund der realen Landschaftsstrukturen. Gegenwärtig werden vielfältige Nutzungsansprüche an Landschaften gestellt. Offensichtlich sind insbesondere die exzessiven Einführung  7

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