Berlin Werwolf (Leseprobe

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Beeil dich, Pierre. Mach, dass du fortkommst. Er öffnet die Fahrertür. »Hier steht der Wagen gut. Die Schlüssel nehme ich mal mit und wir sehen uns besser morgen!« Er knallt die Tür zu und macht einen Schuh, wie wir hier sagen. Es entspricht unserer Abmachung: Was auch immer passiert, er soll nicht versuchen, mir in die Quere zu kommen, wenn es so weit ist. Nichts ist unnötiger, als das Blut eines guten Freundes zu trinken. Ich kippe aus dem Wagen, krieche über den Beton. Verdammt, tut das weh. Der Vollmond richtet sein Licht auf den Mustang. Mein innerer Dämon bricht mir sämtliche Knochen, um Verlängerungsstücke in die Lücken zu stopfen. Danach schneidet er meine Muskeln auf und webt stärkere, tierische Fasern ein. Meine Adern quellen zu reißenden Flüssen, immer wieder unterbrochen von Stromschnellen, an denen Adrenalin aufschäumt, von meinem ochsenstarken Herzen durch den sich aufbäumenden Leib gepumpt. Der Begriff Schmerz beschreibt diesen Prozess nur mangelhaft. Es gibt eben keine Verwandlung light. Manchmal hilft es, zu schreien. Recke Schnauze nach oben. Nase nimmt Witterung auf. Hab sie! Wollust. Zorn. Hetze durch Berlin. Berlin in der Nacht. Springe. Hauswand zu Hauswand. Leicht, ganz leicht. Klettere. Hetze. Springe. Flug über Steine. Muskeln sind stark! Bin ich schon lange unterwegs? Minuten? Stunden? Weiß nicht. Ist auch egal. Hab Geruch in Nase. Leitet mich durch Stadt. Zunge trocknet aus. So was. Verlangt nach Blut! Ja! Schneller, immer schneller, dann … bin … ich da. Will jaulen. Vor Freude! Aber besser nicht. Setze zum Sprung an. Es blickt mich an. Ein Augenpaar. Erstaunen. Entsetzen.

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