BDLspezial 1/2015 Generationenvertrag

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Da stimmen die Anreize nicht. Tatsächlich steigt die Zahl der Nicht-Versicherungspflichtig-Beschäftigten seit Jahren. Etwa jeder neunte Erwerbstätige in Deutschland ist bereits selbständig, drei von vier Selbständigen nicht rentenversicherungspflichtig. Und wer nicht vorsorgt, setzt auf die Solidarität kommender Generationen, ohne zuvor einen entsprechenden Beitrag geleistet zu haben. Und die Beamten… … ihre Alterssicherung ist von der öffentlichen Hand garantiert. Die Rücklagen werden nicht ausreichen, so dass hier sicher auch die Steuerzahler einspringen müssen. Angesichts dieses Szenarios wäre es günstig, neue Beamte schon jetzt in die gesetzliche Rentenversicherung aufzunehmen, anstatt das Problem auszusitzen. Und was ist mit den unsichtbaren Staatsschulden, die künftige Generationen auch schultern müssen? Neben den sichtbaren Schulden gibt es noch die so genannten impliziten Staatsschulden. Sie ergeben sich aus der Lücke zwischen den künftigen Einnahmen und den bereits in Aussicht gestellten Ausgaben des Staates. Die kann sich mit jeder politischen Maßnahme ändern, denn die Basis für die Modellrechnungen sind die aktuellen politischen und rechtlichen Bedingungen. Doch auch dafür müssen die künftigen Generationen aufkommen. Das klingt nach einer Lawine. Und doch wurden gerade die Beitragssätze gesenkt, statt eine Gesetzesänderung zu erwirken, die eine größere Rücklage in der Rentenkasse ermöglicht. So ist das Gesetz. Wenn die Menschen älter werden, gibt es mehr ältere Wähler. Das klingt nach Gerontokratie. Das ist Polemik. Die Demokratie bricht nicht zusammen, nur weil es mehr alte Wähler gibt. Und, wie viele Untersuchungen zeigen, hat die ältere Generation nicht nur die eigenen ökonomischen Interessen im Blick. Viele haben Kinder und Enkel, deren finanzielles Wohlergehen ihnen am Herzen liegt. Sie halten auch die Interessen der Jungen für wichtig. Doch die Zahl der Wähler, die jenseits oder kurz vor der Rente sind, steigt mit der Lebenserwartung. Brauchen wir nicht eine Art Jugend-Check, einen Zukunfts-Verträglichkeitsfaktor für politische Entscheidungen? Wir brauchen junge Menschen wie die Landjugend, die ihre eigenen Interessen vertreten. Junge Menschen müssen sich einbringen, auch wenn es mühsam ist, gerade wenn die einflussreichen Posten schon von den Alten besetzt sind. Also eine Jugendquote in Parteien….? Darum kann die Jugend sich selbst kümmern. Für problematischer halte ich, dass künftige Generationen - Kinder und heute noch nicht geborene Generatio-

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nen - keine Stimme haben. Das lässt sich auch schwer verwirklichen. Eigentlich ist es eine Aufgabe der heute politisch Verantwortlichen, die Interessen der künftigen Generationen im Blick zu haben. Das gilt nicht nur für Staatsfinanzen oder Rentenhöhe, sondern auch für Umweltfragen… Womit wir wieder beim Kern wären: Was ist gerecht? Gerecht ist, wenn künftige Generationen die gleichen Chancen wie die heutige Generation haben, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Dazu gehört, ihnen keine großen Lasten und genügend natürliche Ressourcen zu hinterlassen. Genauer lässt sich das nicht sagen? Leider nicht. Das muss immer wieder neu ausgehandelt werden. Wie sieht es in anderen Ländern aus? Es gibt wenige andere Länder, die vor solchen großen demografischen Herausforderungen stehen. In Frankreich sieht es zum Beispiel viel besser aus, weil es dort diesen starken Geburtenrückgang nicht gab. Und Japan? Japan ist das einzige Land, das uns in dieser Hinsicht ähnelt - für uns ein demografischer Pionier. Doch wir müssen unsere eigene Lösungen finden, denn eins ist klar: Hinter die Errungenschaft der Sozialversicherungssysteme gehen wir nicht mehr zurück. Die intergenerationelle Umverteilung wird weiter über diese öffentlichen Kassen laufen. Sie berührt das tatsächliche Zusammenleben der Generationen wenig. Das steht auf einem anderen Blatt. Wann gehen Sie in Rente? Frühestens mit 67 - eher später. Was fällt Ihnen spontan ein zu …Dorf? Aus beruflicher Sicht sehe ich da zuerst die demografischen Probleme und Versorgungsprobleme. Zugleich denke ich an das Zusammenleben, an Dorfgemeinschaft, an aktive Menschen, die neue Wege für unsere Zivilgesellschaft gehen. …Landjugend? Es gibt den Trend, in die Städte zu wandern. Aber ein Teil der Landjugend will weiter auf dem Land leben, nutzt den Freiraum, den sie dort hat und schafft mit ihrem Engagement Heimat. …Engagement? … unerlässlich für das Zusammenleben der Generationen und ungeheuer sinnstiftend. Allerdings darf es kein Zwang werden, sondern muss freiwillig und aus eigenem Antrieb geschehen. Für das Gespräch bedankt sich Carina Gräschke.

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