Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft

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Sektoren erzielt. Diese Entwicklung lässt sich in drei Perioden einteilen: • In den ersten Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung sind die THG-Emissionen um durchschnittlich 13 Mt pro Jahr gesunken, primär getrieben durch das Auslaufen verhältnismäßig ineffizienter Kohlekraftwerke. • Zwischen 1995 und 2014 ist der CO2-Ausstoß der Energiewirtschaft relativ konstant geblieben. Trotz eines schnellen Wachstums erneuerbarer Energien gelang es nicht, die THG-Emissionen zu senken, da durch den parallelen Kernenergieausstieg die Laststunden fossiler Kraftwerke annähernd gleich blieben. Wirtschaftswachstum und steigende Stromexporte ins benachbarte Ausland führten zudem zu einer robusten Nachfrage. • Seit ungefähr 2015 ist der kontinuierliche Ausbau erneuerbarer Energien auch in der THG-Emissionsentwicklung erkennbar, da diese zunehmend fossile Kraftwerke verdrängen. Außerdem führten steigende CO2-Kosten in Kombination mit niedrigen Erdgaspreisen zu einem Rückgang der Laststunden von Kohlekraftwerken. Im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 sanken die Emissionen dadurch um 6 Prozent pro Jahr – insgesamt um 72 Mt CO2ä. Das neue nationale Klimaziel sieht in der Energiewirtschaft bis 2030 eine Emissionsreduktion von 77 Prozent gegenüber 1990 auf insgesamt 108 Mt CO2ä vor.160 Gegenüber 2019 entspricht dies einer Emissionssenkung von 58 Prozent, und bis 2045 muss die Energiewirtschaft Treibhausgasneutralität erreichen. Gleichzeitig steigt die deutsche Nettostromnachfrage im Zielpfad bis 2030 um 42 Prozent (von 507 TWh in 2019 auf 722 TWh in 2030 und 993 TWh in 2045).161 Zur Erreichung der Klimaziele in anderen Sektoren ist dort eine Elektrifizierung vieler Anwendungen nötig, vor allem im Verkehr (Elektromobilität) sowie in der Gebäude- und Industriewärme (insbesondere Wärmepumpen und Power-to-Heat). Darüber hinaus muss der Stromsektor eine wachsende Nachfrage nach grünem Wasserstoff bedienen, dessen Produktion sehr stromintensiv ist. Dies macht die Klimaherausforderung der Energiewirtschaft umso größer.

• Europäischer Emissionshandel (ETS): Industrieanlagen und Kraftwerke mit einer Feuerungswärmeleistung über 20 MW sind in Europa im ETS erfasst und müssen über den Kauf von Zertifikaten einen Preis pro emittierter Tonne CO2ä entrichten. In der deutschen Energiewirtschaft bewirkt dies bei steigenden CO2-Preisen grundsätzlich eine Verschiebung von der stärker emittierenden Kohle- hin zur weniger stark emittierenden Gasverstromung. • Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Über das EEG erhalten neu gebaute Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom (beispielsweise Windkraftanlagen oder Solarparks) eine garantierte Einspeisevergütung pro erzeugter MWh über meist 20 Jahre. Der starke Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland von 12 GW im Jahr 2000 auf 125 GW im Jahr 2019 ist hauptsächlich auf diese Förderung des Deltas zwischen Großhandelsstrompreis und garantierter Vergütung zurückzuführen. Die Kosten für diese Förderung werden derzeit voll auf die Stromverbraucher umgelegt (in Höhe von 28 Mrd. Euro bei einem Regelsatz von 6,4 ct pro kWh in 2019). • Kohleausstiegsgesetz: Dieses Gesetz legt einen Pfad zur schrittweisen Stilllegung der Kohlekraftwerke in Deutschland fest. 2030 sollen demnach noch 17 GW am Netz sein (gegenüber 44 GW in 2019), spätestens zwischen 2035 und 2038 sollen alle Kohlekraftwerke stillgelegt sein. Das Gesetz wurde 2020 verabschiedet und hatte daher keine Auswirkung auf die Emissionen der Energiewirtschaft bis 2019. • Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG): Das KWKG fördert Anlagen, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren und damit eine hohe Effizienz aufweisen. Diese Effizienzgewinne tragen ebenso wie der durch das ETS angereizte Wechsel von Kohle auf Erdgas grundsätzlich zur Emissionsminderung in der Energiewirtschaft bei. Nach Einschätzung dieser Studie würden bestehende politische Instrumente in der Energiewirtschaft bis 2030 zu einer Reduktion auf 165 Mt CO2ä führen. Damit verfehlt der Sektor sein Klimaschutzziel von 108 Mt im Jahr 2030 deutlich.

Aktuell wirken auf die Emissionen der Energiewirtschaft vor allem folgende politische Instrumente:

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Vor der Klimaschutzgesetz-Novelle vom Juli 2021 betrug das Emissionsreduktionsziel für die Energiewirtschaft 32 Prozent in 2030 gegenüber 1990. Siehe auch Kapitel 10.2.2.1.

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