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Proposition !Mediengruppe Bitnik – https://istdieschweizschonklimaneutral.ch
Rapport du jury projet d’art public Berne, Palais du Parlement, tympan
Extrait du document soumis :
An der Nordfassade des Parlamentsgebäudes steht in schwungvoller Handschrift in vier Landessprachen «Nein». Der Schriftzug scheint aus demselben Stein gemeisselt wie die Sandsteinblöcke des Giebelfeldes. Die Buchstaben fügen sich fast nahtlos in die Fassade ein, nur ihre klaren, schnörkellosen Formen irritieren. Sie stammen nicht aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert, sondern aus der Gegenwart. Was bedeutet dieses «Nein»? Ist es ein Verweis auf die handschriftlich ausgefüllten Abstimmungsblätter bei Volksentscheiden? Ist es die Antwort auf eine Frage? Beides. In seinem Strategiepapier «Langfristige Klimastrategie der Schweiz» hat der Bundesrat im Januar 2021 den Weg zu einer klimaneutralen Schweiz bis 2050 dargelegt. Wir stellen die Frage nach der Klimaneutralität ins Zentrum dieser Arbeit und produzieren als Antwort zwei Schriftzüge für das Giebelfeld des Parlamentsgebäudes: Bis die Schweiz die Klimaneutralität erreicht, steht an der Bundeshausfassade als skulptural gefasste Handschrift ein viersprachiges Non, No, Nein, Na. Wird das Ziel der Klimaneutralität erreicht, wird der Schriftzug ersetzt, und das Bundeshaus zeigt im Giebelfeld ein viersprachiges Oui Si Ja Gea. Die Bundeshausfassade wird damit zum Liveticker in einer Frage, deren Aushandlung uns als Gesellschaft in den kommenden Jahrzehnten zentral beschäftigen wird. Die Materialisierung des Tickers in Stein kann dabei als humorvolles Zugeständnis an die historische Dimension dieser Frage gelesen werden: Nicht nur wird der Wandel zu einer klimaneutralen Gesellschaft Jahrzehnte dauern, die Auswirkungen der Klimaerwärmung werden sich erst Jahrzehnte nach dem Erreichen dieses Ziels verlangsamen. Die Trägheit des Materials entspricht der Trägheit des Handlungsraums. Das Nein an der Fassade impliziert das Ja als Ziel. Die Fassade des Bundeshauses wird zum Zustandsanzeiger für die zentrale Frage der nächsten fünfzig Jahre, zu einem Liveticker, der nicht in Sekunden refresht, sondern in Jahren oder Jahrzehnten. Die zugehörige Frage «Ist die Schweiz schon klimaneutral?» bleibt Besucher*innen im ersten Moment verborgen. Der Titel und eine Tafel am Gebäudesockel verweisen auf die zugehörige Statuswebseite. Die Frage ist also Bindeglied zwischen dem skulpturalen Eingriff an der Bundeshausfassade und der virtuellen Präsenz im Internet. Die Arbeit ist inspiriert vom Internetphänomen der einfachen Statuswebseite (Single Serving Sites), einer Internetkultur, die seit den Anfängen des Internets besteht und stetige Fortsetzung findet. Single Serving Sites sind einfache Statuswebseiten, die sich der Anzeige eines einzigen Status oder einer einzigen Frage widmen. Man kann sie als eine Art binärer (Ja/Nein) Liveticker verstehen. Sie widmen sich damit auf humorvolle Weise einer einzelnen Frage, die sich Menschen weltweit stellen, und die über Landesgrenzen und Kulturräume hinweg verbindet. Die Auswirkungen von dem, was wir heute für oder gegen das Klima tun, wird sich erst in 10, 20 oder 30 Jahren spürbar zeigen. In jahrelangen Klimadebatten hat es sich gezeigt, dass es uns schwerfällt, mit diesem langen Zeithorizont umzugehen. Warum soll ich heute etwas tun oder lassen, das vielleicht erst in 30 Jahren Auswirkungen zeigt? Mit unserer künstlerischen Intervention fassen wir die nächsten 30, 50 oder 100 Jahre als Performancezeitraum auf und geben dieser Zeitspanne eine neue Bedeutung als Handlungsraum. Damit wird sie zu einem Raum, in dem Handlung möglich und notwendig wird.
Rapport du jury projet d’art public Berne, Palais du Parlement, tympan
Rapport du jury projet d’art public Berne, Palais du Parlement, tympan
Hintergrund
Die Frage der Klimaneutralität eignet sich wie keine andere als Thema für die Fassade des Bundeshauses, weil es eine Frage ist, die – trotz ihrer globalen Relevanz – in den einzelnen Nationalstaaten entschieden werden wird. Es hat sich gezeigt, dass sich trotz internationaler Abkommen keine Verbindlichkeit der einzelnen Staaten gegenüber ihren Klimazielen eingestellt hat. Die Schweiz hat aber schon einmal gezeigt, dass sie eine Pionierstellung bei der Anregung von internationalen Kooperationen in einer internationalen Frage von Wichtigkeit einnehmen kann: Dem humanitären Völkerrecht. Die Schweiz hat es vor 150 Jahren, fast zeitgleich mit ihrer Gründung als Bundesstaat und kurz vor dem Bau des Bundeshauses geschafft, den Anstoss zu geben für die Ausarbeitung des internationalen Völkerrechts. Mit der Gründung des Internationalen Roten Kreuzes und der Unterzeichnung der ersten Genfer Konvention ist die Schweiz die Wiege für das heutige humanitäre Völkerrecht. Wie das internationale Völkerrecht, ist die Klimafrage ein globales Thema, das belastbare internationale Abkommen benötigt. Kein Staat ist allein stark genug, um die Klimakrise zu überwinden. Mit der mutigen Installation des eigenen Klimastatus am Parlamentsgebäude und der Performance des eigenen Klimastatus über mehrere Jahrzehnte, kann die Schweiz erneut eine Pionierrolle in einer wichtigen globalen Frage einnehmen.
Giebelfeld
Der Perimeter für die Intervention ist das Giebelfeld, das als unbespielte Fläche eingebettet ist zwischen den Symbolen für den neugegründeten Bundesstaat: Die politische Unabhängigkeit wird von den Symbolfiguren für demokratische Gewaltenteilung flankiert und von den Symbolen für Kraft und Intelligenz verteidigt. Zusammen mit den Figuren für Freiheit und Frieden ergänzen der Geschichtsschreiber der Vergangenheit und der Geschichtsschreiber der Gegenwart die Symbolik. Innerhalb der gebauten Formensprache der Fassade stellen wir Bezüge zu bestehenden Symbolen und Figuren her, ohne die Fassade visuell zu überladen. Mit unserer Intervention wird das Giebelfeld zum dritten – fehlenden – Geschichtsschreiber. Dem Geschichtsschreiber der Zukunft.
Typografie
Die Formgebung des Schriftzuges verweist auf die Handschriftlichkeit des demokratischen Prozesses beim Ausfüllen des Stimmzettels. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Rahel Arnold aus Zürich entwickelt und ist eine Ableitung aus verschiedenen Handschriften.
Rapport du jury projet d’art public Berne, Palais du Parlement, tympan
Umsetzung am Bau
Für die Realisierung konnten wir die Spezialist*innen von Mumenthaler Works in Basel gewinnen. Sie gehören zu den führenden Produzent*innen von grossen Kunstinstallationen mit einer langjährigen Erfahrung im Umsetzen von Skulpturen und Kunstobjekten im öffentlichen Raum. Die 21 Buchstaben der beiden Schriftzüge Nein und Ja werden nach Möglichkeit in Leichtbeton gegossen und mit Sandstein beschichtet. Die Kleinbuchstaben haben eine Höhe von ca. 40 cm und eine Tiefe von 30 cm. Das Gesamtgewicht der beiden Schriftzüge bleibt mit 1500 kg unter dem erlaubten Höchstgewicht von 2000 kg. Die Buchstaben werden einzeln in den Sandsteinen verankert. Wir haben bei der Planung darauf geachtet, dass die Haltepunkte genügend Abstand von den Fugen zwischen den Steinen haben. In Zeitplan und Budget sind Ressourcen eingeplant, um vor einer definitiven Produktion der Schriftzüge mittels Prototypen die Details der Realisierung am Gebäude zu überprüfen. Als Alternative zu gegossenem Leichtbeton haben wir zudem eine Realisierungsvariante aus sandsteinbeschichtetem Blech budgetiert. Dieses Material wäre vom Gewicht her leichter. Die definitive Entscheidung für die Realisierungsvariante werden wir gemeinsam mit den Bauherren anhand der Prototypen treffen.
Metall-Tafel am Sockel des Bundeshauses
Am Platz, wenn möglich am Sockel des Gebäudes, wird eine Tafel angebracht, die kurz die Arbeit erklärt und mittels QR-Codes die Verbindung zu der Statuswebseite schafft. Die Gestaltung der Tafel ist einfach und fügt sich in die bereits vorhandene Signaletik am Platz ein.
Website
Die Webseite zeigt auf der Landing-site das handschriftliche Nein oder Ja, das die aktuelle Antwort zeigt. Auf Unterseiten finden sich in vier Landessprachen und in Englisch weitere Informationen zur Arbeit. Die Webseite ist über die URLs der Fragen erreichbar: https://istdieschweizschonklimaneutral.ch https://lasuisseestelledejaclimaticamentneutre.ch https://lasvizzeraegiaclimaticamenteneutra.ch https://halasvizragiainabilantschaclimaticaneutrala.ch https://isswitzerlandclimateneutralyet.ch Die Webseite ist integraler Teil der Arbeit und schreibt die Internetkultur der Single Serving Sites fort. Der Begriff wurde 2008 vom Blogger Jason Kottke geprägt, um ein Phänomen zu fassen, das Internethumor mit durchaus Nützlichem verbindet. https://isitajewishholidaytoday.com oder auch https://istheshipstillstuck.com/ oder https://hasthelargehadroncolliderdestroyedtheworldyet.com/ Sie behandeln auf humorvolle Weise Fragen, die sich Menschen weltweit stellen und uns somit über Landesgrenzen und Kulturräume verbinden.
Der Wechsel Oui Si Ja Gea
Die Skulpturen für den Ja-Schriftzug werden zeitgleich mit den Nein-Skulpturen produziert und wenn möglich bis zur Verwendung für Besucher*innen sichtbar gelagert. Dies könnte entweder am Sockel des Parlamentsgebäudes sein oder auch im Inneren des Bundeshauses. Eine sichtbare Anwesenheit des JaSchriftzuges würde die Idee der Frage als Handlungsraum unterstützen. Die Präsenz des Ja-Schriftzuges könnte zur Motivation werden, das noch nicht erreichte Ziel möglichst schnell zu erreichen. Falls dies aber nicht möglich ist, weil es den Parameter der Aufgabenstellung sprengt, wird das Ja bis zur Verwendung eingelagert. Der Schriftzug kann dann gewechselt werden, wenn der Bundesrat, die der Arbeit zugrundeliegende Frage (Ist die Schweiz schon klimaneutral?) mit «Ja» beantwortet. Der Auftrag zur Überprüfung des Status kann dem Bundesrat jederzeit mit den Mitteln des parlamentarischen Vorstosses (z.B. der Motion) erteilt werden. Die Handschrift des Schriftzuges verweist auf die Handschriftlichkeit des demokratischen Prozesses beim Ausfüllen des Stimmzettels. Der Prozess des Wechsels des Schriftzugs verweist auch auf die Prozesse
Rapport du jury projet d’art public Berne, Palais du Parlement, tympan
der parlamentarischen Demokratie, die zu erhalten ebenso wichtig für die Zukunft der Schweiz sind, wie das Erreichen der Klimaneutralität.
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Évaluation / Appréciation
« Non No Nein Na » - « Sur la façade nord du Palais du Parlement, le mot « Non » est écrit d'une main pleine d'élan dans quatre langues nationales. L'inscription semble sculptée dans la même pierre que les blocs de grès du fronton. Les lettres s'intègrent presque parfaitement dans la façade, seules leurs formes claires et sans fioritures irritent. Elles ne datent pas de la fin du 19e siècle, mais de l'époque contemporaine ». Cette quadruple négation se veut une réponse provisoire à la question pressante posée par la page web « https://istdieschweizschonklimaneutral.ch ». Dès que la politique suisse pourrait répondre positivement à cette question centrale, un quadruple oui serait monté, dont les lettres, déjà taillées dans la pierre, attendent visiblement au pied de l'immeuble. !Mediengruppe Bitnik utilise l'un des lieux les plus visibles de la politique suisse pour maintenir une question centrale constamment présente pour les débats actuels et futurs au Parlement et dans l'opinion publique. En fin de compte, un pari public est lancé sur la rapidité avec laquelle la politique créera le changement visible dans la société et donc aussi dans cette mise en scène artistique. Pour sa compréhension, l'intervention physique est obligatoirement liée au site web, qui suit le format ludique en réseau du « Single Serving Site ». Le jury se réjouit de la position explicitement politique de l'œuvre, qui projette la politique quotidienne dans les conseils avec un objectif concret dans le futur. Le défi de ce « Non » va au-delà de la provocation, en ce sens qu'il s'associe à de nombreuses options d'action possibles de la société et de sa représentation au Parlement. On peut toutefois se demander dans quelle mesure cette écriture plastique est effectivement associée sur place à la question visée. Libérée visuellement, la forte présence du « Non » répété sur le bâtiment peut aussi s'autonomiser en un rejet général et gratuit du débat et de l'action politiques. La présence du lien Internet sur un panneau de la façade ou dans la communication du Parlement aurait par contre du mal à remplir la fonction conceptuelle importante de cette partie virtuelle de l'œuvre. Du point de vue de la protection des monuments, il existe en outre des réserves fondamentales quant à la présence d'une inscription dans le tympan.