Bayerischer Monatsspiegel #151

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POLITIK & WIRTSCHAFT den fairen Wert. Eine Aktie ist damit zeitweise zu billig, zeitweise zu teuer. Diese Schwankungen nutzen Value Investoren aus und kaufen nur dann, wenn eine Aktie unter ihrem fairen Wert notiert. Sie gehen sogar noch weiter. Der Einstieg erfolgt je nach Strategen nur mit einem Sicherheitspuffer von etwa 20 Prozent unter diesem fairen Wert. Damit machen Value Investoren den Rat für Anleger „billig kaufen, teuer verkaufen“ greifbar. Value Investoren agieren antizyklisch: Sie steigen ein, wenn der Kurs einer Aktie unter dem fairen Wert notiert und sie verkaufen, wenn dieser erreicht wird. Die breite Masse der Anleger verhält sich anders: Otto-Normal-Anleger springt nämlich meist auf einen fahrenden Zug auf – wenn also die Kurse schon stark gestiegen sind und bereits die Medien, die Arbeitskollegen, die Nachbarn einen Aufschwung feiern. Dann sind Aktien aber teuer. Der Erfolg von Value Investoren basiert genau darauf, einzusteigen, bevor eine Aktie vom breiten Markt entdeckt wird und sie auf oder über ihren fairen Wert steigt. Ermittelt wird dieser faire Wert einer Aktie über zwei Schienen: Zum einen anhand fundamentaler Daten aus der Bilanz und der Gewinnrechnung eines Unternehmens und dem Vergleich mit der Börsenbewertung. Hier sind zum Beispiel Kennziffern wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV, das KursBuchwert-Verhältnis KBV, die Eigenkapitalquote oder die Dividendenrendite wichtig (siehe Tabelle).

Wie Anleger günstige Aktien erkennen Auswahl von Bewertungskennziffern KGV Kurs-Gewinn-Verhältnis (Aktienkurs/Gewinn je Aktie) KBV Kurs-Buchwert-Verhältnis (Aktienkurs/Eigenkapital je Aktie) Eigenkapitalquote (Eigenkapital/Bilanzsumme) Eigenkapitalrendite (Gewinn/Eigenkapital) Gewinnwachstum Dividendenrendite (Dividende je Aktie/Aktienkurs) KCV Kurs-Cashflow-Verhältnis (Aktienkurs/Cashflow je Aktie)

value-verdächtig, wenn…

Gut behauptet hat sich dabei meine Aktienauswahl im Rahmen einer Value-Strategie (siehe Tabelle rechts). Zwischen 2002 und 2006 brachte mein einmal jährlich in der Anlegerzeitschrift Euro am Sonntag veröffentlichtes Value-Depot mit jeweils zehn attraktiven Value-Titeln ein Plus von 268,6 Prozent. Der DAX warf im selben Zeitraum nur 15,7 Prozent ab.

Jahr 2002 2003 2004 2005 Gesamt

Value-Depot EURO am Sonntag 31,0 % 41,6 % 26,9 % 56,6 % 268,6 %

DAX -33,2 % 10,8 % 15,3 % 35,6 % 15,7 %

< 10 <1 > 30 % > 12 % > 10 % > 5% <4

„Valueverdächtig“ sind dabei nicht nur niedrige Werte bei KGV, KBV, KCV und hohe Werte bei der Eigenkapitalquote, Eigenkapitalrendite, dem Gewinnwachstum und der Dividendenrendite. Es zählt auch der Vergleich mit Firmen der gleichen Branche. Etwa bei der Gewinnspanne. Ist diese bei einer Firma höher als bei der Konkurrenz, dann produziert sie entweder billiger oder kann höhere Preise durchsetzen. Im letzteren Fall sind wahrscheinlich die Produkte oder Marken besser oder eine Firma verfügt über eine gute Marktstellung. Und das sind alles weiche Faktoren – die zweite Schiene bei der Beurteilung von Unternehmen. Diese weichen Faktoren sind in den aktuellen Krisenzeiten sogar besonders wichtig. Denn ist die Unsicherheit hoch, weil die von den Börsianern und Analysten erwarteten Gewinnschät-

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zungen in Zweifel gezogen werden, was bleibt da anderes übrig, als ein Unternehmen anhand seines Geschäftsmodells, der Produkte, Marktstellung und auch der Mitarbeiter zu beurteilen? Denn über diese weichen Faktoren lässt sich die Qualität eines Unternehmens gut bestimmen. Das Management ist hier besonders wichtig. Value Investoren prüfen zum Beispiel, wie lange der Vorstand schon im Unternehmen oder der gleichen Branche tätig ist und wie es mit seiner Zuverlässigkeit – sprich Prognosesicherheit – aussieht. Das erlaubt Rückschlüsse auf die Prognosen, ob etwa die veröffentlichten Gewinnaussichten realistisch sind. Anleger und Investoren, die viel Erfahrung haben und die Aussagen des Managements gut einordnen können, liegen mit ihrer Gewinnschätzung für ein Unternehmen am ehesten richtig. Die Beurteilung, ob eine Aktie billig oder teuer ist, erhält damit größere Treffsicherheit. Ein Investment entwickelt sich so viel wahrscheinlicher zum Erfolg.

Aber eins dürfen Anleger selbst bei der Anwendung einer Value-Strategie nie vergessen: Man muss dabei immer langfristig planen. Denn kurzfristig werden gute Unternehmensdaten, solide Bilanzkennziffern und eine günstige Bewertung von der Markttechnik überdeckt. Da spielt der Ölpreis eine Rolle, schlechte Daten vom Arbeitsmarkt oder von der Preisfront. Wer aber langfristig an einen sinnvollen Vermögensaufbau denkt, der sollte sich einen Spruch von Warren Buffett zum Motto nehmen: „Eine Aktie, die man nicht zehn Jahre zu halten bereit ist, darf man auch nicht zehn Minuten besitzen.“ n

Georg Pröbstl, Jahrgang 1966, beschäftigt sich seit über 25 Jahren intensiv mit Börse und Geldanlage. Als Buchautor, Chefredakteur verschiedener Börsendienste und Finanzjournalist konzentriert er sich auf die Betrachtung von Aktien anhand fundamentaler Kriterien. Als ausgewiesener Kenner insbesondere deutscher Nebenwerte liegt sein Fokus auf Anlagestrategien wie Value Investing und Dividendenstrategien. Der Autor lebt in Wald in der Schweiz.

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