Bayerischer Monatsspiegel #151

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POLITIK & WIRTSCHAFT

Das sind keine nebensächlichen Formfragen, sondern handfeste Machtfragen. Wenn ein CDU-Landesverband – zum Beispiel in der Steuerpolitik – anderer Meinung ist als die BundesCDU, dann wird das in den entsprechenden CDU-Gremien geklärt. Unvorstellbar, dass die CDU-Spitze sich eigens mit dem aufmüpfigen Landesverband zusammensetzte. Im Fall der eigenständigen CSU aber geht es nicht anders. Deshalb konnte die CSU jetzt ihr Herzensanliegen auch gegen SPD und gegen CDU durchsetzen – nämlich den Einstieg in einen neuen Steuertarif. Das organisatorische Nebeneinander der beiden Schwesterparteien erfordert ein weitgehendes inhaltliches Miteinander. Jedenfalls dann, wenn beide im Bund regieren wollen. Ohne CSU ist eine bürgerliche Regierung von Union und FDP schon rechnerisch nicht möglich. Eine Große Koalition mit der SPD könnte die CDU zwar allein eingehen. Aber dann wäre die CDU der Juniorpartner, und im Kanzleramt säße ein Sozialdemokrat. CDU und CSU sind also zur Kooperation verdammt. Das hindert beide nicht daran, gerne mit den Muskeln zu spielen und den anderen gelegentlich zu ärgern. Der extremste Fall war zweifellos der berühmte Kreuther CSU-Beschluss von 1976, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen. Die demonstrativ kühle Art, mit der die CDU-Vorsitzende Angela Merkel vor den bayerischen Landtagswahlen 2008 der CSU jede steuerpolitische Wahlhilfe verweigerte, offenbarte indes, dass Halsstarrigkeit und Überlegenheitsgefühle auch nördlich des Mains anzutreffen sind. Das Scheitern des Umweltgesetzbuches an der CSU wiederum bewies, dass die bayerische Union der großen Schwester zwar nicht ihren Willen aufzwingen, aber mit ihrem Veto vieles verhindern kann. Besonders stark ist die CSU bei Personalfragen: Wer aus ihren Reihen der Bundesregierung angehört, wird in München entschieden, nicht in Berlin. Der Verlust der absoluten CSU-Mehrheit hat das ohnehin schwierige Neben- und Miteinander nicht etwa in dem Sinn erleichtert, dass die CDU jetzt groß auftrumpfen könnte. Denn die Grundregeln der politischen Mathematik gelten nach wie vor. Ohne eine CSU, die in Bayern auf etwa 50 Prozent der Stimmen kommt, verfehlt die Union auf Bundesebene die magischen 40 Prozent. Die CDU kann noch aus einem anderen Grund kein Interesse an einer nachhaltig geschwächten CSU haben. Da die bayerische Union vehementer für konservative Werte eintrat als die CDU, etwa bei den Themen Türkei oder

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Innere Sicherheit, band sie stets eine nennenswerte Zahl konservativer Wähler außerhalb Bayerns an sich. Da machte dann doch mancher sein Kreuz bei der vermeintlich zu liberalen CDU – im Vertrauen darauf, eine starke CSU werde das innerhalb der Union schon richten. Die herben Stimmenverluste der CSU bei den Kommunalund Landtagswahlen des vergangenen Jahres machen jedoch deut- lich, dass diese von Wahlerfolgen verwöhnte Partei inzwischen auf dieselben Schwierigkeiten stößt wie die CDU. Junge Men- schen, gut ausgebildete Frauen und Großstädter beiderlei Geschlechts unter 60 Jahren haben offenkundig Vorbehalte gegenüber der Union, ganz gleich, ob nun CSU oder

Quelle: obs/CMA

Grüne – und nicht zuletzt die bayerische CSU. Auch wenn die manchmal als etwas eigenwilliger Landesverband der CDU abgetan wird. In der Tat ist das Verhältnis zwischen CDU und CSU ein besonderes. Beide Parteien stehen auf denselben tragenden Säulen, der christlich-sozialen, der liberalen und der konservativen. Sie machen sich keine direkte Konkurrenz: Die CDU beschränkt sich auf 15 Bundesländer, die CSU auf Bayern. Aber diese war und ist eine eigenständige Partei. Das war zuletzt mit Händen zu greifen, als die Große Koalition um ein neues Konjunkturpaket rang. Da verhandelten eben nicht CDU und SPD miteinander, sondern drei Parteien: CDU, SPD und CSU. Um ganz genau zu sein: Der großen entscheidenden Koalitionsrunde war eine kleine vorausgegangen – eine zwischen CDU und CSU.

Manchmal gibt es für CDU und CSU auch Grund zum Lächeln.

CSU drauf steht. Die CSU kann sich jedenfalls gegenüber der CDU nicht mehr damit brüsten, sie wisse viel besser als die große Schwester, wie man Wahlen gewinne. Die größte Herausforderung für die CSU ist im Superwahljahr 2009 nicht die Bundestagswahl im September, sondern die Europawahl am 8. Juni. Da die CSU traditionell als eigenständige Partei in den Wahlkampf zieht und nicht etwa eine Listenverbindung mit der CDU eingeht, muss sie in Bayern genügend Stimmen bekommen, um bundesweit die 5-Prozent-Hürde zu schaffen. Das gelang der CSU bei allen bisherigen Europawahlen problemlos, zuletzt vor fünf Jahren mit 57 Prozent in Bayern oder umgerechnet stolzen 8 Prozent im Bund. Sollte es der CSU erstmals nicht gelingen, mit eigenen Abgeordneten ins Europäische Parlament einzuziehen, würde das nicht nur dem politischen Anspruch der CSU als vollwertiger Partei zuwiderlaufen. Das Neben- und Miteinander der Unions-Parteien würde noch komplizierter. Und die Union insgesamt sicher nicht stärker. n Dr. Hugo Müller-Vogg, war Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seit 2001 arbeitet er als freier Publizist in Berlin, schreibt regelmäßige Kolumnen in der Bild-Zeitung („Berlin intern“) und „duelliert“ sich in der im Osten viel gelesenen verbreiteten SUPERillu in einer Streitkolumne mit Politikern wie Gregor Gysi, Andrea Nahles oder Cem Özdemir. Mit Bundespräsident Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn hat er Gesprächs-Bände publiziert.

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