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Region

Nr. 34 | Donnerstag, 26. August 2021

Zum 50. einen 1300 Kilometer langen Marathon

Mit 50, in der Blüte des Lebens, wünscht sich Mann was Schönes: ein Motorrad, ein E-Bike, Ferien auf dem Hausboot oder eine Fahrt in einem Formel-1-Wagen. Für einmal soll es besonders, und nicht gewöhnlich sein. Das hat sich auch der Grenchner Patrik Hegelbach gesagt und sich zum Fünfzigsten selbst beschenkt: eine Teilnahme am Deutschlandlauf. 1300 Kilometer in 20 Tagen – von der Nordseeinsel Sylt auf die Zugspitze im bayerischen Garmisch-Partenkirchen.

halten. Wer rote Ampeln missachtet, wer abkürzt, wer Müll auf die Erde wirft, wird disqualifiziert.» Das sind strenge Sitten. Auch wenn es nur 29 Läuferinnen und Läufer sind. Nein, es sind mehr. Wer will, kann mehrere Etappen am Stück oder Einzeletappen absolvieren.

JOSEPH WEIBEL

Google oder Via Michelin hilft auf die Sprünge. Ich will wissen, wie das geht. Von Sylt nach Garmisch – ein Wahnsinn. Google zieht eine fadengerade Linie von oben nach unten und kommt auf 990 Kilometer. Zu Fuss sei das mit 198 Stunden zu schaffen, steht da.

Er überlässt nichts dem Zufall

Der einzige Schweizer

Vor mir steht ein lebensfroher Patrik Hegelbach – IT-Berater aus Grenchen. Das noch junge Dalmatiner Weibchen begrüsst den Fremden ebenso freudig wie der Hausherr selbst. Sieht so ein Sportler aus, der in 20 Tagen im Schnitt 65 Kilometer pro Tag laufen und dafür 7 Stunden aufwenden will – bei Wind und Wetter oder gleissender Hitze? Keine Ahnung, wie ein Sportler aussieht, der sich eine solche Aufgabe auferlegt. Mit ihm sind es noch 26 weitere Läuferinnen und Läufer, die seit letztem Samstag unterwegs sind und uns am 9. September von der knapp 3000 Meter hohen Zugspitze zuwinken wollen und rufen: He, wir haben es geschafft! Sie kommen aus Deutschland, Holland, Belgien, Österreich oder Frankreich. Patrik Hegelbach ist der einzige Schweizer Teilnehmer. Auf der Startliste wird er als «Hegu» geführt. Das ist sein Übername –nicht erst seit er jährlich rund 3000 Laufkilometer bewältigt.

Mit 120 Kilogramm kam die Wende

Wer Patrik Hegelbach von früher her kennt, weiss, dass er nicht immer ein Sportler mit drahtigem Körper war. 2001 habe er 120 Kilogramm auf die Waage gebracht und sich entschieden, weniger zu essen und mehr Sport zu treiben. Aber welchen? Fussball spielte im Juniorenalter, bis ihn ein Kreuzbandriss aus dem Feld warf. Buchstäblich. Er spielte beim FC Grenchen und hätte wohl das Zeug dazu gehabt, den Fussball noch vermehrt in seinen Lebensmittelpunkt zu stellen. Er fuhr auch gerne Rad. Letztlich entschied er sich fürs Laufen, weil man da nur von oben nass werden und diesen Sport auch im Winter betreiben könne. Sieben Jahre später wog er noch 80 Kilogramm. Die Ernährungsumstellung und der Sport hatten ihre Wirkung gezeigt. Laufen entwickelte sich bei ihm zur Leidenschaft. «Ich bekam Lust, mich an einem Wettkampf zu messen», erinnert er sich. 2010 meldete er sich am New York-Marathon an. Zur Vorbereitung

Die Nummer 7 für den einzigen Schweizer Teilnehmer am Deutschlandlauf über 1300 Kilometer. Patrik «Hegu» Hegelbach auf dem Bild mit seiner Frau Doris kurz nach der Startnummernausgabe im deutschen Husum. Bild: PD wollte er im Jahr 2008 auch den Luzern Marathon bestreiten. Einfach so. «Das Problem: Ich hatte keine Ahnung, wie man auf einen Marathon trainiert.» Was macht man in einem solchen Moment? Man orientiert sich an Vorbildern und wie sich diese läufertechnisch entwickelt haben. Hinzu kam das Mentaltraining. Er trifft sich auch heute regelmässig mit dem Grenchner Drogist Markus Arnold zum gemeinsamen Mentaltraining.

Spass an Etappenläufen

Natürlich weiss er zwischenzeitlich längst, wie das mit der Vorbereitung auf einen Lauf geht. Von den sechs Marathonklassikern auf dieser Welt fehlt ihm nur noch der von Chicago. Der letzte grosse Coup gelang ihm mit der erfolgreichen Teilnahme am Transalpin-Lauf 2019. Der führt von Bayern über Öster-

reich ins Engadin mit Ziel im Südtirol. Das sind 270 Kilometer mit 16 000 Höhenmetern. Beim Deutschlandlauf sind es «nur» ein Bruchteil davon, dafür fünfmal mehr Kilometer. Jedenfalls sei er damals auf den Geschmack von Etappenläufen gekommen und habe sich kühn entschlossen, zum Fünfzigsten den Deutschlandlauf zu bestreiten. Er zeigt mir sein «Kleiderpack». Vier Paar Schuhe, kurze und lange Sporthosen, Funktionswäsche mit Shirts, Unterziehern, Socken. Für die letzte Etappe auf die Zugspitze sind unter anderem Handschuhe und Mütze vorgeschrieben. Das ist keine Empfehlung, sondern Tenuebefehl des Organisators. Auf der ganzen Strecke fordert der Organisator Disziplin. «Keine Absperrungen dürfen missachtet werden. Die Läufer müssen sich an die Strassenverkehrsordnung

Patrik Hegelbach ist froh, wenn sich noch mehrere Laufende auf der Strecke halten. «Das ist für mich Joggen in der Gruppe.» Jedes Kleidungsstück hat er getestet. Ganz besonders die Hosen. Denn wenn er auf der Strecke einen «Wolf» erwischt, wird das Vorhaben zur Qual. Er überlässt nichts dem Zufall. Deshalb ist die Anzahl der Hosen und auch der Shirts beschränkt. Einen Wäscheservice gibt es nicht. Am Etappenziel gehen die Läufer mit den Kleidern unter die Dusche. Ganz einfach. Ganz allein auf sich gestellt ist er nicht. Begleitet wird er von seiner Frau Doris. Sie fährt mit dem VW-Bus mit, der ihm auch als Schlafstätte dient. Diesen «Luxus» schätzt er sehr. Sein Lauffreund Franco Marvulli, der ehemalige Radrennprofi und gern gesehener bzw. gehörter Moderator im Velodrome in Grenchen, hätte ihn gerne begleitet. Der Zürcher, frisch verheiratet und baldiger Vater, schmunzelt: «Mit seiner Frau Doris hat er den besten Coach!» Unterstützt wird er auch von einer Podcastgruppe, die sich aus Laufbegeisterten, vor allem aus Deutschland, zusammensetzt. Einige hätten sich angemeldet für Einzeletappen, andere würden ihn unterwegs kurz besuchen. Viel Zeit dazu haben sie nicht. Täglich will er sieben Stunden laufen, genug Zeit haben zur Regeneration. 8000 Kalorien muss er zu sich nehmen, ebenso 5 bis 7 Liter Flüssigkeit. Was macht denn dieser Mann, der 3000 Kilometer jährlich joggt, sonst noch? Beruflich ist er IT-Berater in einem Berner Unternehmen. Er lernte Elektriker bei den damaligen Elektrowerken Grenchen (EWG) und bildete sich später zum Elektrotechniker TS und Energiemaster weiter. In seiner Funktion als Softwareberater berät er heute vorwiegend Energieversorger. Und ja: Seine Frau Doris schenkte ihm zwei Töchter, 17 und 19. Die fiebern genauso mit ihrem Vater, wenn er in diesen und nächsten Tagen ganz Deutschland durchläuft – und sich nichts mehr wünscht, als dass er diesen Riesenmarathon bis zum Schluss schafft.

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FRANCO MARVULLI WÜNSCHT HEGU VIEL GLÜCK «Als ich 2018 von meiner Lauffreundin Isabel Acklin inspiriert wurde, am 100-Kilometer-Lauf Biel teilzunehmen, war meine Erfahrung mit dem Laufsport eher dürftig. Eine Distanz, fernab meines Denkens. In den sozialen Medien berichtete ich damals über meine Vorbereitung. «Hegu» schrieb mich persönlich an und fragte mich, ob ich seine Unterstützung brauchen könnte und schrieb mir, er würde mich gerne mit dem Fahrrad begleiten. So ein Angebot wollte ich nicht ausschlagen. Hegu kannte ich bis zu diesem Angebot noch nicht. Ich wollte ihn unbedingt kennen lernen. Und die Praxis bestätigte die Theorie. Seine Präsenz am Wettkampf, seine Lauftipps, waren buchstäblich zielführend. Ich schaffte die 100 Kilometer am Stück. Wir hatten in den Nachtstunden auf der Strecke viel Zeit zum Philosophieren und gleichzeitig entstand eine Freundschaft zwischen uns. Diesem ersten Abenteuer folgten dann eine ganze Reihe von speziellen Läufen. Wir sind gemeinsam in vier Tagen um alle Seen gelaufen, die von der Aare tangiert werden. Wir liefen gemeinsam von Schaffhausen über Vaduz nach München. Wir bewältigten die 140 Kilometer von der Quelle der Thur bis zu ihrer Mündung in den Rhein. Sein aktuelles Projekt ist noch eine Stufe extremer! Ich hätte ihn gerne begleitet. Hegu überlässt nichts dem Zufall, minuziös bereitet er sich auf seine Abenteuer vor. Er plant seine Etappen, bereitet seine Verpflegung akribisch vor; er testet sein Material und schätzt seine Form ein. Er ist sein eigener Coach. Hegu ist ein Athlet, der kämpft, ohne dass er seinen Humor verliert. Sein Lachen gehört zu ihm wie das Amen in der Kirche. Für mich ist er ein jung gebliebener Sportler – immer offen ist für Neues. Hegu wird es schaffen, denn er bringt alles mit, was man für so ein Abenteuer braucht: einen starken Kopf und seine Frau Doris.

Franco Marvulli (rechts): «Viel Spass, Hegu! Ich freue mich von dir zu lesen.»

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