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Region

Nr. 09 | Donnerstag, 27. Februar 2020

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AUF EIN WORT MIT ... DANIEL JUILLERAT Die Grenchner-Stadt-Anzeiger-Serie

Ein Zahnarzt mit Mass

JOSEPH WEIBEL

D

aniel Juillerat winkt ab und will partout kein Bild von sich machen lassen. Ausgerechnet: selbst ein Fotograf, der seinem Hobby nach der Pensionierung wieder vermehrt frönen will, sperrt sich vor der Linse. Wir einigen uns dann auf ein Porträt vor dem schönen Stoffgemälde von Peter Wullimann. Da stehe ich also im zweiten Stock vor der Praxis von Dr. Daniel und Dr. Paula Juillerat. Das Ehepaar praktiziert in den gleichen Räumlichkeiten: er als Zahnarzt, sie als Allgemeinmedizinerin. Am 13. März 2020 ist Schluss. Dann drehen beide den Schlüssel zum letzten Mal an ihrer Praxistüre. Ich vermeide es, ihm zu erzählen, wie ich mich fühle, wenn ich vor einem Zahnarzttermin stehe. Er kennt diese Geschichten zuhauf. «Nach der sechsten oder siebten Version findet man das nicht mehr lustig», meint er, ein bisschen mit einem Schmunzeln im Gesicht. Er weiss, dass er einen Beruf hat, der nicht zuoberst auf der Beliebtheitsskala von Patienten steht. Der Besuch bei ihm oder einem Berufskollegen wird aber für den Menschen früher oder später unvermeidlich. Besonders wenn in jungen Jahren schon der Schulzahnarzt an einem oder mehreren Zähnen bohrte. «Sobald ein Zahn einmal angebohrt ist, geht es immer weiter». Er wolle den Patienten nicht weh tun, sagt er fast entschuldigend. Höchstens ein Abszess oder eine schlecht wirkende Spritze seien mögliche Ursachen, die zu unerwarteten Schmerzen führen könnten. Er berichtet aber vor allem von Patienten, die bei ihm die Angst vor dem Zahnarzt verloren haben. Seine charismatische Ausstrahlung vermittelt seinem Gegenüber einen Mitmenschen, der schon mit seiner ruhigen Art, und seiner Stimme, für die nötige Entspannung sorgt. Im Anschluss an eine Sitzung macht er zudem gerne noch ein Schwätzchen mit dem vor ihm auf dem Zahnarztstuhl sitzenden Patienten. «Während der Behandlung funktioniert das nur unter schweren Bedingungen», feixt er.

1948 in Grenchen – in den gleichen Räumlichkeiten, die Daniel und Paula Juillerat in 14 Tagen verlassen. Vater Juillerat war ein Pionier beim Einsatz von reinen Keramikimplantaten. Das scheint im Blut der Juillerats zu sein. Der Sohn schrieb 1977 eine Dissertation über Implantate. «Zu einer Zeit», schmunzelt er, als Implantate noch gar nicht allgegenwärtig waren». Später dann schon. Und wieder sorgte ein Grenchner Zahnarzt, dieses Mal der Junior, für Aufsehen. Als erster Zahnarzt im Kanton erkannte er früh das Potenzial der so genannten Cerec-Methode. Er besuchte Kurse, kaufte ein Gerät und setzte es in seiner Praxis ein. Mit dieser speziellen Technik wurde der betroffene Zahn eines Patienten ausgemessen und

Die (Zahnarzt-)Angst vor Grenchen

Nach 42 Jahren praktischer Arbeit in Grenchen setzt er einen Strich unter diese lange Karriere. Auch wenn er ursprünglich Pilot werden wollte, so hat ihn die Biologie und die gesamte Medizin immer fasziniert. Er hat sich eine schöne Stammkundschaft aufgebaut, «mit lieben Leuten aus allen Bevölkerungsschichten», sagt er gerührt. Er, ein Ur-Grenchner, der fast zeitlebens hier lebte und wohnte, hadert ein bisschen mit dem Stadtzentrum, das für ihn ehe öde und trist wirkt. «Die Wohnqualität ist aber hervorragend, und Grenchen ist nach allen Seiten offen». Das meint er nicht nur geographisch. Dass die Stadt aber immer noch mit einem Imageproblem kämpft, wurde Anfang 2019 klar, als er sich um eine Praxisnachfolge bemühte. Fünf Monate hatte er ein Hin und Her mit einem Anwärter, der dann zuletzt doch absprang. Er schrieb die Praxis aus, im Inserat stand aber nichts, dass sie sich in Grenchen befindet. Als er die Interessenten über den Standort in Kenntnis setzte, war das Gespräch schnell beendet. Grenchen mit gleich viel Einwohnern wie Solothurn hat ungleich weniger Zahnarztpraxen als die Kantonshauptstadt. Und so gibt es keine Nachfolge. Ihm tut es weh, dass die gesamte im Boden versenkte Infrastruktur zurückgebaut werden muss. Er kann das einfach nicht nachvollziehen. Der Aufbau einer Zahnarztpraxis von Grund sei extrem kostspielig.

> STECKBRIEF Vorname/Name: Daniel Juillerat Wohnort: Grenchen Geburtsdatum: 17. Juni 1950 Beruf/Funktion: Zahnarzt

> FÜNF FRAGEN Meine Lieblingsdestination: Italien (Südsizilien/Toskana) Lieblingsspeise: Spaghetti Aufsteller der Woche: Viele nette Abschiedsworte von meinen Patienten Auf was kann ich nicht verzichten: Meine Familie Ich würde nie: eine solche Frage beantworten! (Kriegs- und Kriminalgeschichte beweisen, dass man leider nichts ausschliessen kann).

mehr Zeit ein. Ebenso für das Reisen und die klassische Musikwelt geniessen. Beide kochen ausserdem gerne und pflegen einen assortierten Weinkeller. Ausserdem warten bereits vier Enkelkinder darauf, dass ihre Grosseltern künftig mehr Zeit für sie haben. Die Juillerats haben drei Kinder, die natürlich alle ausgeflogen – aber vom gleichen Autovirus wie ihr Vater infiziert sind. Er wirkt zufrieden, blickt versonnen aus dem Fenster. «Schön war’s», sagt er. Er habe nie das Ziel gehabt, immer ein volles Wartezimmer zu haben. Im Gegenteil: Er setzte täglich einen Puffer von einer Stunde – falls ein Notfall eintreffen sollte. Blieb der aus, gab es eine ausgiebige Kaffeepause. Seine Patienten wird er vermissen. «Für mich waren die Begegnungen auch immer sehr wertvolle soziale Kontakte». Vielleicht brauche es irgendwann weniger Zahnärzte. Denn allgemein würde heute viel mehr Prophylaxe gemacht. «Junge Menschen haben praktisch keine Karies mehr». Er schmunzelt. «Das war eine schöne Zeit, als ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Frau in Bern hauste. Manchmal büffelten wir 18 Stunden am Tag vor Prüfungen.» Er habe keine Zeit für Studentenproteste gehabt. 1979 sind sie dann, als das erste Kind im Anzug war, nach Grenchen umgezogen und wohnen seit 1984 im eigenen Haus am Hofweg. Auf einem Praxismöbel steht ein Modell eines Swiss-Passagierflugzeuges. Ganz vergessen hat er die Fliegerei nie. Im Gegenteil. Und er blinzelt mit den Augen: «Ich habe die Privatpilotenlizenz nachgeholt».

Privatpilotenlizenz nachgeholt

Ändern lässt sich das nicht mehr. Daniel Juillerats ernste Miene weicht einem Lächeln. Er wird 70 dieses Jahr, und will in Zukunft noch einiges bewerkstelligen. Seine Passion ist Fotografieren. Eben erst trat er beim Fotoclub Solothurn ein. Für Haus und Garten rechnet er ebenfalls

Pionier mit Massfüllungen

Sein Traumberuf war das ja nicht. Pilot habe er werden wollen, sagt Daniel Juillerat. Heuschnupfen und Asthma haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. So wurde er Zahnarzt, wie sein Vater. Der praktizierte seit

Spuren einer Fasnacht Sie kommen während der Fasnachtszeit in gehäufter Form vor, und ihre Beliebtheitsskala reicht von «sehr beliebt «bis «sehr unbeliebt»: die Konfetti. Die maskierten Karnevalisten bewarfen sich einst mit süssen Konfettis. Das hatte damals den Vorteil, dass die grösste Zahl dieser Konfetti dankbare Abnehmer fand. Paul Demuth wurde 1855 im deutschen Grünheide bei Erkner geboren, war Buchbinder. Er nimmt für sich den Anspruch, der Erfinder dieser Luft- und Lustobjekte zu sein. Die Idee zum Konfetti sei ihm auf einer Italienreise gekommen. Das war 1887. Soweit zur Geschichte. Und heute: Am Grenchner Fasnachtsumzug (wie wohl an allen anderen auch …) wurden sie in die Luft geschleudert, als gäbe die Fasnacht ihre Derniere. Mit kleineren und grösseren

im Anschluss mittels CNC-Technik eine massgenaue Füllung produziert. Die weiter entwickelten Geräte seien dann immer teurer geworden, und damit auch die Behandlungen. Heute werden Compositefüllungen eingesetzt. Ein weiches, kunststoffbasiertes Material. Die Entwicklung in seiner Branche war Daniel Juillerat immer sehr wichtig. Ebenso die Aus- und Weiterbildung. Wer sieben Jahre und mehr praktiziert, ohne sich mit Innovationen auseinanderzusetzen, hat verloren. «Schliesslich mussten wir uns vor dem Abschluss einer ständigen Weiterbildung verpflichten».

Wer sie anderntags von der Strasse wegwischen muss, wird sich sagen: Die einen haben Freude, die anderen dann die Arbeit ... (Bild: Joseph Weibel) Bomben auf den Umzugswagen wurden sie Richtung Publikum transportiert und fanden ihr Ziel in den Haaren, unter den Hemden, Blusen oder Hosen. Und dann: Alles schütteln und rütteln hilft nichts. Mindestens ein Konfetti bleibt immer treu – bis zum Beginn der nächsten Fasnacht, sagt eine umgeschriebene Sage. jw

ums. raxisjubilä narchiv) P s e in e h lic ilie rat anläss n. (Bild: Fam Vater Juille als schon in Pensio Er war dam

Folk, Bekanntes und Raritäten Kunstmusik und Folk, Bekanntes und Raritäten von Komponisten, die auf den britischen Inseln gewirkt haben. Die Abendmusik in der Markuskirche Bettlach von kommendem Sonntag (1. März) um 17 Uhr hat einiges zu bieten. Anne Simone Aeberhard, Blockflöten und Urs Aeberhard, Orgel entführen die Konzertbesucher in die englische Barockmusik. Es gelangen Werke von Matthew Locke (16211677), Giuseppe Sammartini (16951750) und traditionelle Songs für Blockflöte und Orgel aus England und Schottland zur Aufführung. Orgelwerke von James Oswald (17101769) und Georg Friedrich Händel

Ein Genuss für klassische Musikfreunde: Anne Simone Aeberhard und Urs Aeberhard entführen die Konzertbesucher in die englische Barockmusik. (Bild: zvg) (1685-1759), der lange in England gelebt und gewirkt hat, vervollständigen das Programm.

Anne Simone Aeberhard (1986) machte den Bachelor und Master in Pedagogy an der Hochschule der Künste Bern bei Michael Form. Im Sommer 2013 schloss sie den Master in Performance bei Kees Boeke an der Hochschule der Künste Zürich mit Auszeichnung ab. Als Solistin und in Kammermusikformationen pflegt Anne Simone Aeberhard eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland. Urs Aeberhard studierte Klavier, Sologesang und Orgel am Konservatorium seiner Vaterstadt Bern. Nach dem Orgelkonzertdiplom folgten Studien in Paris bei Marie Claire Alain und Daniel Roth. Seit 1999 Organist an der Reformierten Stadtkirche Solothurn. Der Eintritt ist frei, es wird eine Kollekte erhoben. mgt


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