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THIERSTEIN

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Donnerstag, 26. Juni 2014 Nr. 26

ERSCHWIL

Leckerbissen mit der Brosy-Orgel In Erschwil inszenierte die Organistin Claire Charpentier eine musikalische Reise von Rom nach Hamburg und liess die Zuhörerschaft in die Epoche des Barock eintauchen. Jürg Jeanloz

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ie ist klein, zierlich, beschwingt und schwärmt für den italienischen Komponisten Girolamo Frescobaldi. Der Stil des grossen Meisters fasziniere sie derart, dass sie ihm und weiteren Komponisten des Barock das Konzert auf der Brosy-Orgel in der Kirche St. Peter und Paul widme, meint entzückt die Organistin Claire Charpentier. Notenblätter reihen sich vor der symphatischen Französin auf, als sie zur Toccata Seconda von Frescobaldi ansetzt. Bereits der Auftakt fasziniert durch lebhafte Läufe und liebliche Passagen. Frescobaldi, Charpentier und die Brosy-Orgel sind eine Einheit und harmonieren fantastisch. Nach einem schweren Präludium von Vincent Lübeck nimmt sie eine weitere Melodie des Italieners in Angriff. Das Stück ist ihr auf den Leib geschrieben, blumig und fröhlich kommt es daher. Claire Charpentier studierte Orgel am Konservatorium von La Courneuve/Paris und spielt auch Klavier und Cembalo. Mit ihrem Ehemann und Sohn lebt sie in Olten, wo sie Unterricht an der Musikschule erteilt. Seit einem Jahr ist sie Organistin an der evangelischen Kirche Kirchberg BE. Als Solistin tritt sie in ganz Europa auf und spielt auch in ver-

Vertraut mit der Brosy Orgel: Claire Charpentier. schiedenen Formationen. «Vergessen Sie nicht, meinen Registranten Peter Meironke zu erwähnen», ruft sie mir nach. Der Titularorganist hilft der Musikerin bei anspruchsvollen Orgelstücken, indem er die Register zieht, Noten umblättert und mit Rat und Tat beiseite steht. «Schmücke dich, o liebe Seele» ertönt es liebevoll von der Empore. Das Stück von Johann Sebastian Bach besticht durch fulminante Cornetpassagen und anmutigen Flöteneinlagen. Während der Toccata von Dietrich Buxtehude wähnt man sich an einem sprudeln-

FOTO: JÜRG JEANLOZ

den Bach, der sich langsam zum reissenden Fluss entwickelt. Die Brosy-Orgel ist wie geschaffen für dieses Stück und imitiert das Gurgeln und Rauschen mit herrlichen Klängen. «Das nächste Stück habe ich mir gewünscht», raunt mir Oskar Bader zu, der die Organistinnen aussucht und für die Restauration der Orgel zuständig war. Charpentier setzt zum Finale einer Bach’schen Fuge an und hüllt uns in einen kompositorischen Orkan. Eine musikalische Herausforderung, die Charpentier hervorragend meistert und vom Publikum mit Ovationen bedacht wird.

KLEINLÜTZEL / SAINT-URSANNE

Im Dialog mit Dante und seiner Göttlichen Komödie

LESERGALERIE

Wochenblattleser auf der Pirsch Zwei Künstler visualisieren die Botschaften von Pascal Rebetez: Jean-Pierre Gerber (l.) und Daniel Gaemperle.

Die Natur als Künstlerin: Auf Obermatt in Zwingen.

FOTO: REINHARD HÄNGGI, ERSCHWIL

dust. Eine Kunstausstellung in Saint-Ursanne? Kein Thema für das Wochenblatt. In diesem Fall schon, weil einer der drei Künstler, Daniel Gaemperle, in Kleinlützel wohnt und arbeitet. Zudem ist der 60-Jährige massgebend am Konzept dieses Gesamtwerkes beteiligt, und schliesslich liegt das Städtchen am Doubs für hiesige Kunstliebhaber doch lediglich eine halbe Autostunde entfernt. «Du Gueulard au Paradis» oder «Le Retour de Dante», so der Name der Ausstellung, nimmt die Inhalte der «Göttlichen Komödie» des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321) auf und wagt den Versuch, diese in die heutige Welt zu transferieren. Pascal Rebetez, Theaterregisseur, Fernsehmoderator und Autor aus Delémont, nimmt sich in einem Tagebuch –

18. November 2013 bis 26. April 2014 – Dantes Inhalten an und platziert seine Botschaften in Form von vier Videos und Wandtexten passend zu den Skulpturen des in Biel lebenden Jurassiers Jean-Pierre Gerber und den Bildern von Daniel Gaemperle. Entstanden ist eine Symbiose von Texten, Formen und Bildern, welche Fragen aufwirft, einen Spannungsbogen erzeugt und trotzdem durch Synonyme und Gegensätze zu einem harmonischen Gesamtbild führt. Die morbide Ambiance in den Räumen einer ehemaligen Kalkfabrik am Bahnhof Saint-Ursanne bietet eine Umgebung, in welcher sich eine solche Ausstellung nirgends trefflicher entfalten könnte. Daniel Gaemperle zeigt in diversen Formaten Urformen des Lebens. Abstraktes, welches beim genauen Hinschauen «absolut gegenständlich» wird.

FOTO: MARTIN STAUB

So jedenfalls sieht es der Künstler selbst. Stimmungen, Gedankengänge, Gefühle und Visionen in allen Facetten. Die Gebetsmühlen aus jurassischem Tannenholz mit Schriftzeichen aus verschiedenen Kulturen von Jean-Pierre Gerber, welche das irdische Paradies aber auch Fegfeuer und Hölle zelebrieren, sowie die neun überdimensionierten BetonEngel, welche nicht nur himmlische Botschaften verkünden, runden das göttliche Gesamtbild ab. Die Ausstellung wird veranstaltet vom Verein ARCOS (Art Contemporain à Saint-Ursanne), welcher parallel dazu die Bilder-Ausstellung von Léonard Félix im Kloster von Saint-Ursanne durchführt. Saint-Ursanne, Fours à chaux, 22. Juni bis 27. Juli, täglich von 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr.


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