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Serie

Freitag, 16. Dezember 2016

Waschen ein Vergnügen! Die Fabrik der Industriellenfamilie Lange in Bonstetten Willy Hug: Alte Geschichten aus dem Säuliamt (Serie) 110 «Waschen ein Vergnügen!» So lautete der Titel eines Waschmaschinen-Prospektes der Firma Lange. Einst gehörte zum Waschen der Wäsche das Schlagen, Reiben und Bürsten von Hand. Zur Entwicklung bis zur vollautomatischen Waschmaschine trug die Bonstetter Firma Lange wesentlich bei. Es sind selten gewordene Relikte aus früherer Zeit, die alten, mit Holz zu feuernden Waschherde in Waschhäuschen. Heute ist in jedem Haus eine programmierbare, Autor Willy Hug. elektrische Waschmaschine Standard. Diese gibt es aber erst seit etwas mehr als 60 Jahren. Doch bis sich diese durchgesetzt hatten, gab es viele Versuche. Die Fabrikgebäude der Firma «Waschmaschinen Lange» stehen heute noch, unmittelbar beim Bahnhof Bonstetten. Hellmut Lange, der Gründer und Besitzer der Fabrik in Bonstetten, schrieb 1943, mitten in den Kriegsjahren seinen Lebenslauf. Nicht nur er, sondern weitere ehemalige Schüler und Schülerinnen der Sekundarschulklasse 1913 bis 1916 in Zürich verewigten sich mit ihren Lebensläufen zusammen in einer Chronik, welche sie als Dank ihren ehemaligen Lehrern Hösli und Aeppli überreichten. Hellmut Lange schrieb darin: «Kürzlich fand ich ein Aufsatzheft der fünften Klasse. Damaliges Thema: Was ich werden will. Natürlich Mechaniker, eine grosse Fabrik, viele Arbeiter und einen Haufen Geld verdienen, schrieb ich. Fast alles davon ist eingetroffen, nur das Letztere nicht. Nach vierjähriger Lehrzeit als Mechaniker und einer Gesellenzeit kam ich ins Zürcher Oberland. Durch Intrigen und Verleumdungen meines Meisters wurde ich aus dem Sattel geworfen. Verzweiflung ergriff mich und ich war fest entschlossen, mein junges Leben fortzuwerfen. Aber ich fand den Weg zurück. Nun war mein Entschluss gefasst, mein so gemein an mir handelnder Meister sollte durch mich die grösste Konkurrenz erfahren. So mietete ich in Bonstetten eine kleine Werkstatt, kaufte diese und vergrösserte sie. Meine beiden Brüder und mein Vater halfen mit, mein Ziel zu erreichen. Ich hatte Glück, verlor aber auch zweimal viel Geld mit Teilhabern. Auf grossen Studienreisen im Ausland eignete ich mir wichtige Kenntnisse an, welche mich befähigen, die grössten sowie die kleinsten Wasch-, Auswind- und Glättemaschinen zu bauen. So ist also meine Firma Waschmaschinen-Lange + Co. Zürich entstanden».

in der Schweiz gefalle und wie dankbar er dafür sei. Er arbeitete als Spengler und Werkführer bei der Firma Adolf Schulthess & Co., Waschmaschinenfabrik in Zürich. 1924 trat er in die von seinem Sohn Hellmut zwei Jahre vorher gegründete Fabrik in Bonstetten ein.

maschinen, sowie Zentrifugen und andere Maschinen für Grosswäschereien übernehme. Jedenfalls machte Hellmut Lange nachher alleine weiter. Er bedauerte, dass er durch diese zwei missglückten Geschäftsverbindungen viel Geld verloren hatte. In den Kriegsjahren stellte Lange nebst kleinen Haushalt-Waschmaschinen vorwie-

gend für Hotels, Anstalten und Spitäler grosse Industrie-Wasch-, Auswindeund Glättemaschinen, sowie Trocknungsapparate her. Hellmut Lange starb 1950, erst 49-jährig. Die Kirche von Bonstetten vermochte die Trauernden kaum zu fassen. Er war im Betrieb und im Dorf sehr beliebt gewesen, engagiert in der

Geschäftliche Schwierigkeiten Der Familienbetrieb entwickelte sich erfreulich. 1929 konnte hinter dem Backsteingebäude ein grosser Anbau realisiert werden. Die Firma florierte mit 40 Mitarbeitern und spezialisierte sich als Spezialfabrik für moderne Wäschereimaschinen. 1924 gesellte sich der Teilhaber Kienast dazu und die Firma inserierte für Hydro Wäschereimaschinen als «Kienast und Lange AG, Zürich und Bonstetten». In Zürich entstand ein Schaulager. Einige Patente kamen zur Anmeldung: Kolbenflüssigkeitsmotor, Wendegetriebe, Zentrifugen, Antriebseinrichtungen. 1932 traten «Kienast & Lange» als «Vereinigte Wäschereimaschinenfabriken» auf. Sie patentierten eine Trommelwaschmaschine mit Schwenkeinrichtung für das Entleeren der Wäschetrommel. Die Teilhaberschaft mit Kienast erwies sich aber nicht als glücklich und wurde wieder aufgelöst. 1933 vermeldete die Firma Ferrum Rupperswil, dass sie von Lange das Sortiment und Kunden im Bereich Wasch- und Glätte-

Emma und Hellmut Lange mit ihren Kindern Hilda, Heinz und Willy, um 1940.

Der Vater des Firmengründers, Otto William Lange, kam von Chemnitz.

Waschen 1940. Holzbefeuerter Waschherd. Das erhitzte Wasser steigt oben durch einen Sechter und fliesst durch die eingelegte Wäsche nach unten.

Holzbefeuerte, halbautomatische Waschmaschine um 1945. Die horizontale Trommel oben wurde von einem Wassermotor gedreht.

Der Vater kam von Chemnitz Den Grundstein für die Firma legte jedoch der Vater von Hellmut Lange. Der 1873 in Chemnitz (Sachsen) geborene Otto William Lange hatte im väterlichen Geschäft eine Spenglerlehre absolviert. Es zog ihn dann in die Fremde. 1892 kam er als Neunzehnjähriger erstmals in die Schweiz, wo er in der Spenglerei und Zinkornamentenfabrik Adolf Schulthess arbeitete. 1894 fuhr er in seine Heimat zurück, um drei Jahre später wieder zurückzukehren. Diesmal für immer und mit seiner Frau Camilla Elisabeth und der gemeinsamen Tochter. Er betonte immer, wie gut es ihm

Kirchenpflege, dem Krankenpflegeverein und als Präsident des Mechanikermeister-Verbandes des Bezirks Affoltern. Der Fabrikbetrieb in Bonstetten bestand noch bis 1957. Heute können sich wohl nur noch Wenige an die Familie Lange und ihre Waschmaschinenfabrik beim Bahnhof Bonstetten erinnern.

Die Gebäude heute: Unten war das Lager, oben wohnte die Familie Lange. Dahinter der Anbau von 1929.


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