FLOTTE & Wirtschaft 03/2012

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KOLUMNE Prof. Dipl.-Ing. Dr. Bernhard Geringer ist Dekan der Fakultät für Maschinenwesen und Betriebswissenschaften an der TU Wien. Er gilt international als einer der renommiertesten Experten für Fahrzeug- und Motorentechnik.

E-Autos: Vom Hype zur Verdammung?

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lternative Antriebstechnik – und hier insbesondere jene mit rein elektrischem Antrieb, gespeist von leistungsfähigen Batterien – ist nach wie vor im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Aber diese Antriebstechnik ist keinesfalls neu oder „die“ Innovation: Bereits vor über 100 Jahren war eine Drittelteilung der Antriebe im Fahrzeug (ein Drittel Elektro-, ein Drittel Benzinund ein Drittel Dampfantrieb) die Realität. Elektrofahrzeuge wurden aufgrund der einfachen Handhabung als Luxusautos mit großer Zukunft eingeschätzt – jedoch erst nach Lösung des Speicherproblems. Diese Hoffnung hat sich bis heute nicht erfüllt. In weiterer Folge hat der Elektromotor in Funktion des Starters dem Verbrennungsmotor zum Durchbruch verholfen: Starten wurde für jedermann und jederfrau einfach und ohne dem lästigen Ankurbeln möglich. Durch die stetig steigenden Anforderungen zur Effizienzsteigerung, gepaart mit ökologischen Aspekten („reiner Antrieb“), wird heutzutage wieder verstärkt nach Synergien der beiden Antriebssysteme nachgedacht. Der Hybrid scheint hier eine mögliche Lösung zu sein.

Kein freiwilliger Rückschritt Aber auch reine E-Fahrzeuge haben in den letzten Jahren einen sehr starken Aufwind bekommen. Sie werden oder wurden von vielen Experten als langfristige Hauptform der individuellen Mobilität angesehen. Wenn es darum geht, einen Zeithorizont zu definieren, scheiden sich allerdings die Geister. Das Problem dabei ist, dass man einer Technologie auch schadet, wenn sie zu früh und zu wenig vorbereitet eingeführt wird. Daraus resultieren überzogene Erwartungen, die bei Nichterfüllung in einer Ablehnung münden. Der Nutzer erwartet im Neuen etwas Besseres, Billigeres, Komfortableres oder zumindest Ebenbürtiges und akzeptiert keinesfalls einen freiwilligen Rückschritt. Wenn eine neue Lösung aber unausgereift zum Kunden kommt, lehnt er diese kategorisch ab, und es dauert sehr lange, bis sich diese Lösung – auch bei Verbesserungen – durchsetzen kann. Ein gutes Beispiel ist hierfür der Audi Duo Hybrid aus den 90er Jahren des vorigen Jahrtausends: Er war seiner Zeit voraus und wurde nicht angenommen. Erst Jahre später gelang es Toyota mit viel Einsatz und Investment, den Prius erfolgreich zu etablieren.

Vermieste Begeisterung Wie sieht die aktuelle Situation im Bereich Elektrofahrzeuge aus? Aufgrund massiver politischer Unterstützung und begleitender Medienpräsenz wurde in der Bevölkerung die Einschätzung manifest, dass in Kürze die Elektromobilität den Individualverkehr prägen wird. Nach den ersten Erfahrungen werden aber nun die Elektrofahrzeuge verteufelt – bezeichnenderweise durch die Medien: Mangelnde Reichweite, Heizungsmanko und ungebührliche Ladedauer vermiesen die Begeisterung der „First Follower“. Auch die (späte) Erkenntnis in der Öffentlichkeit, dass Elektromobilität nur bei regenerativ hergestelltem Strom Sinn

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macht, senkt die Erwartungshaltung. Damit folgt der anfangs großen, überzogenen Erwartung nun die breite Ablehnung. Damit besteht die große Gefahr, dass, ähnlich wie bei früheren Hypes für die Elektrofahrzeuge (etwa in den 70er und insbesondere den 90er Jahren), das Thema wieder in der Versenkung verschwindet. Unsummen von Förderungen und Investitionen wären wieder einmal vergeudet.

Seriosität nötig So weit darf es nicht kommen, sind mein Kollege Dr. Peter Hofmann und ich überzeugt: Ziel

muss ein ganzheitlicher systemorientierter Ansatz sein. Von der Stromerzeugung über die Infrastruktur bis zum Endprodukt Fahrzeug muss der Entwicklung Zeit für die erfolgreiche Einführung gegeben werden, damit diese gelingen kann. Dies betrifft neben den Medien auch die Hersteller, die seriöse Einschätzungen kommunizieren und nicht aus Wettbewerbs- und Ö k o - Im a g e gründen übereilt handeln sollten. •


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