2023
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Foto aus Mechthild – ein Mysterienspiel
3 Inhalt Veranstaltungsüberblick 4 Liebes Publikum 6 Fake Voices 8 Darum: wir leben 10 VJ = Vokal J | Video J 12 CO | :N: | ECT ...................................................................................................................................................... 13 CD-Neuerscheinung 15 „Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!” (Uraufführung) 16 Interview mit Ole Hübner 18 Gespräch mit Prof. Dr. Maja Dshemuchadse und Dr. Friedrich Hausen 20 Maschinelle Pareidolia 22 Videoinstallationen für und mit Jan Heinke (1968 –2022) .................. 24 Konferenz der Kinder 26 Space is the Case ODER *topien 27 „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“ (H. Heine) 28 Die rechtschaffenen Mörder 29 Jahresprojekte Zwischen High-Tech und Heimat ............................................................................................ 32 „Der Mund formt sich etwas um“ 33 Oberton + 34 AuditivVokal Dresden 38 Olaf Katzer 41 Wissenschaft und Forschung 42 Neue Dresdner Vokalschule 43 CD-Diskographie 44 Spenden und Unterstützen 47 AuditivForum ...................................................................................................................................................... 47 Förderer und Partner 48 Team | Kontakt 50
Bitte informieren Sie sich auch auf www.auditivvokal.de über die aktuellen Aufführungen.
20. Januar
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
4. Februar
Konzertsaal Musikhochschule Dresden
3. März Hole of Fame Dresden
Fake Voices Gesprächskonzert Seite 8
Darum: wir leben Konzert Seite 10
VJ = Vokal J | Video J Audiovisuelles Nachtcafé Seite 12
24. März Kunsthalle Erfurt CO | :N: | ECT Performancekonzert Seite 13
5. Mai
überall im Handel
6. Mai
HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste
Mechthild – ein Mysterienspiel
CD-Neuerscheinung Seite 15
„Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!“
Chortheater Seite 16
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2023
– 1.
5 22. Mai Kesselhaus Trossingen Maschinelle Pareidolia Konzert Seite 22
zeitgenössische
Videoinstallationen für und mit Jan Heinke (1968 –2022) Seite 24 August Görlitz Konferenz der Kinder Familienkonzert Seite 26
– 24. September Kunstraum GEH8 Dresden Space is
Case ODER *topien Performative kompositorische Anthologielesung Seite 27
November Liebfrauenkirche Duisburg
10. Juni
Oktober OSTRALE – Biennale für
Kunst, Robotronkantine
21.
he
21.
in der Nacht…“ Konzert Seite 28 Repertoire Staatsschauspiel Dresden Die rechtschaffenen Mörder Schauspiel Seite 29
„Denk ich an Deutschland
Liebes Publikum,
auch dieses Jahr sind wir Auditiven in uns gegangen und haben uns gefragt, wie wir Sie, unser Publikum, für das musikalische Leben im 21. Jahrhundert begeistern können. Die Themenfindung fiel uns leicht, da wir auf vieles aus den vergangenen Jahren nachhaltig aufbauen und diese zu neuen Schwerpunkten ausbauen können: Alte und Neue Musik in allen Arten, Extended Vocal Techniques, Oberton, Elektronische Musik, Musiktheater und Chortheater, Dialekte … Und das ist erst der Anfang! Wir schauen hinter, ober und unter die Töne und wollen uns gemeinsam mit Ihnen wichtige Fragen stellen, die uns in dieser Zeit beschäftigen.
Für dieses Jahr planen wir ganze 16 Uraufführungen. Nach den „falschen Stimmen“ im Rahmen der Ausstellung „Fake. Die ganze Wahrheit“ im Deutschen Hygienemuseum werden uns die Aspekte Wahrheit, Täuschung und Vertrauen weiter beschäftigen. Welche Voraussetzungen braucht unsere demokratische Gemeinschaft im 21. Jahrhundert, um weiterhin Bestand zu haben? Mit dem Musiktheater „Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!” werden wir im Festspielhaus Hellerau verschiedene „Gemeinschaftssingsysteme“ und damit neue Konzepte von gemeinschaftsbildender Gesellschaft aufeinandertreffen lassen, die das Wirken von Machtstrukturen auf den Einzelnen und die größere Masse beleuchten. Besonders begeistert sehen Sie uns angesichts unserer Zusammenarbeit mit Wolfgang Saus. Mit ihm hat unser Ensemble einen der bedeutendsten Obertonsänger und Chorphonetiker Deutschlands als künstlerischem Partner gewinnen können. Unter seiner Anleitung erweitern wir unser Klangspektrum um ganz neue (Ober)Töne und freuen uns in diesem Zusammenhang auf eine Uraufführung der niederländischen Komponistin Miranda Driessen.
Einen weiteren bedeutenden kompositorischen Partner konnten wir mit Ole Hübner gewinnen, der dieses Jahr unser „Komponist in Residenz“ sein wird. Zu seinen zahlreichen Auszeichnungen zählt der GEMA-Musikautor*innenpreis 2022. Bereits für unser Projekt in Hellerau wird er eine neue Arbeit beisteuern. Er ist ebenso Teil unseres mehrjährigen Forschungsprojektes „Zwischen Hightech und Heimat“, für das wir uns dem Thema Dialekte im Allgemeinen und dem Sächsischen im Besonderen widmen werden. Dafür werden wir den Menschen im Freistaat auf den Zahn fühlen und auf den Mund schauen. Natürlich führen wir unsere langjährige, erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Dresden weiter und werden uns weiter über unsere bisherigen Grenzen bewegen gemeinsam mit der Musikhochschule Trossingen Künstliche Intelligenz „zu Wort“ kommen lassen.
Wir laden Sie also ein auf ein Jahr voller bislang ungehörter Töne und unerwarteter musikalischer Erlebnisse!
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Foto von nach dem Konzert Verehrungsklänge im Schloss Rammenau
Foto von einer Probe für Mechthild – ein Mysterienspiel
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Fake Voices
Vom falschen Bewusstsein –
20. Januar 2023
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Werke von Alyssa Aska (UA), Michael Edward Edgerton (UA), Volker
Sondermann (UA), Wilfried Jentzsch (UA), Nicola Vicentino, Claudio Monteverdi, Johannes Ockeghem
Abschlusskonzert der Konzertreihe re:actions von KlangNetz Dresden u.a. mit:
Prof. Dr. Maja Dshemuchadse | Psychologie
Dr. Friedrich Hausen | Philosophie
Wolfgang Saus | Obertonsänger
Olaf Katzer | Musikalische Leitung
Unsere Stimme ist Ausdruck unserer Individualität. Sie ist einzigartig und unverwechselbar. Die menschliche Stimme verrät viel über unsere Persönlichkeit und über unsere Stimmung. Mit dem richtigen Ton in der Stimme können wir jeden beliebigen Inhalt präzise zum Ausdruck bringen. Unsere Stimme ist damit ein entscheidendes Werkzeug zur erfolgreichen Veräußerung unseres Ichs. Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Phänomene über immer mehr Informationskanäle und (digitale) Resonanzräume wachsen aber unbeobachtete Räume, die Täuschungen der Öffentlichkeit ermöglichen und damit auch berechtigte Zweifel an Echtheit und Wahrheit nähren.
Diese Ambivalenz greift AuditivVokal Dresden auf und entwickelt im Rahmen der Sonderausstellung „Fake. Die ganze Wahrheit“ im Deutschen Hygiene-Museum eine Produktion mit diversen musikalischen Falschinformationen, Wahrheiten, Fälschungen, Lügen, Desinformationen und Falschmeldungen.
Die Sorge, einem Täuschungsversuch zu erliegen, wird durch zunehmende Unsicherheiten in Wirtschaft, Wissenschaft und zwischenmenschlichen Beziehungen spürbar. Deshalb wachsen mit den Informationsfluten auch Projektionsflächen für Verschwörungs- und Erlösungsphantasien und entsprechend auch eine Anziehungskraft von vermeintlich einfachen Parallelwelten angeblich alternativen Wissens mit undifferenzierten Verurteilungen und verführerischen Heilsversprechen.
In einem Konzert, das sich dem Konzept Fake widmet, wenden Komponist*innen und Sänger*innen ihr künstlerisches Herstellungswissen auf, um Täuschungsformen, Fälschungsformen und deren Effekte erlebbar zu machen.
Welche Art von Musik beeinflusst die Stimme und führt zu einer veränderten Wahrnehmung? Lässt sich mit musikalischer Begleitung als „Kulisse“ arbeiten? Wie verändert sich der Ausdruck der Stimme mit verschiedenen „Soundkulissen“? Oder funktioniert „die Wahrheit“ durch die menschliche Stimme nur ohne „Kulisse“? Ist „die Wahrheit“ die Variante, die sich für die Sänger*innen am besten anfühlt? Oder werden die Sänger*innen selbst manipuliert und flüchten sich auf ihnen vertrautes Terrain?
Inwieweit verändert sich die Wahrnehmung der Inhalte, die musikalisch vermittelt werden, wenn der Raum verändert wird, wenn die Musik nicht auf der Bühne stattfindet? Was definiert ein Konzert? Und welche Rolle spielen die Zuhörer*innen?
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„Es gibt kein richtiges Singen im Falschen“
Darum: wir leben
Heinrich Schütz neu interpretiert
4. Februar 2023
Konzertsaal Musikhochschule Dresden
Heinrich Schütz, Alberto Arroyo, Séverine Ballon, José Mará Sanchez-Verdú | Komposition
Juan Munoz, Vasily Ratmansky, Lauren Siess, Samir Timajchi, Julia Waldeck | Sound&Fury
Konrad Schöbel | Orgel
Sven Rössel | Violone
Anne-Kathrin Tietke | Laute
Ekaterina Gorynina | Cello
Olaf Katzer | Musikalische Leitung
Dass man anlässlich eines Konzerts des Ensembles AuditivVokal Dresden die Sängerinnen und Sänger zunächst nur hört, aber nicht sehen kann, damit darf das Publikum durchaus rechnen. Die besondere Stilistik des Ensembles wird dabei immer wieder durch eine kreative Verzahnung des musikalischen Materials mit Kompositionen Alter und Früher Musik sichtbar. Auch die Auseinandersetzung mit dem Œuvre Heinrich Schütz‘ bildet wiederholt die Folie für Reflexionen über die menschliche Existenz und deren künstlerische Verarbeitung: „Mit unserer Bearbeitung der Musikalischen Exequien haben wir ein vielfältiges, neues Werk geschaffen, das die Vorlage von Schütz in ihrer Art belässt, aber durch einen neuen Kontext anders erlebbar macht. Unsere zeitgenössischen Aspekte in dieser Arbeit zeigen, was uns heute beschäftigt, unsere Überlegungen zu Transzendenz, zu Leben und Tod“, so Olaf Katzer.
Klanglich erfahrbar machen das drei zeitgenössische Kompositionen, für die die Französin Séverine Ballon und die Spanier José María Sánchez-Verdú und Alberto Arroyo gewonnen werden konnten. Ihre Ergebnisse sind organisch in Schütz‘ Vorlage eingebettet und mit ihr verwoben worden. Im Aufgreifen der entscheidenden Grundmotive bei Schütz haben die drei Komponisten*innen in einem interdisziplinären Rechercheprozess menschlich allgemeingültige Fragen erörtert, die die religiöse Komponente beleuchten und eine Verbindung zwischen Diesseitigem und Jenseitigem ausmachen. Ein sensibler Wechsel aus Instrumental- und Vokalteilen trägt die komplexe Dramaturgie.
Die Verbindung zwischen der Lebenswelt Heinrich Schütz‘ und zeitgenössischen Herausforderungen liegt in einer tänzerischen Freude, die fast auf paradoxe Weise aus der Geste der Trauer entsteht und sich über das Konzept des Barock verstehen lässt: Der Tod ist demnach die verbesserte Weiterführung des irdischen Daseins. Sorgen und Nöte erlebte der Mensch gestern genauso, wie er auch heute damit konfrontiert ist. Oder wie Olaf Katzer es zusammenfasst: „Wir sollten den Tod nicht tabuisieren. Vielmehr brauchen wir die gemeinsame Beschäftigung mit der irdischen Endlichkeit, um ein menschliches, beseeltes und wirklich glückliches Leben führen zu können“.
In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik Dresden, dem dortigen, transmedialen Ensemble-Workshop Sound&Fury
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Foto aus einer Probe für Darum: wir leben mit den Komponisten Alberto Arroyo und José María Sanchéz-Verdú
VJ = Vokal J | Video J
3. März 2023, Hole of Fame
AuditivVokal Dresden und VJ Dominic Kießling
Ein Audiovisuelles Nachtcafé
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Foto aus O süsses Lied, o Lustgeschrey! mit Katharina Salden
24. März 2023, Kunsthalle Erfurt
AuditivVokal Dresden und das enseble via nova
In der Kunsthalle Erfurt bespielt das ensemble via nova seit 2018 jährlich eigene Konzertreihen. REFLEXIONEN – CO|:N:|ECT – TRANSFORM – FUSION. Dabei realisiert es Projekte mit befreundeten, internationalen Ensembles. Dieses Mal wird AuditivVokal Dresden zu Gast sein.
Auf dem Programm stehen neben „Nein allein“ von Carola Bauckholt Ausschnitte aus „Song Books“ und „Aria“ von John Cage, Friedrich Goldmanns „An sich“ und Iden Samimi-Mofakhams „Re-Search“. Zusätzlich wird eine Uraufführung von Johannes Hildebrandt zu erleben sein.
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| ECT
CO | :N:
Foto aus Mechthild – ein Mysterienspiel
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CD-Neuerscheinung
Reiko Füting: Mechthild – ein Mysterienspiel
Musiktheater in drei Akten und einem Prolog von Reiko Füting mit einem Epilog von Oliver Schneller Libretto von Christian Lehnert basierend auf Leben und Schriften der Mechthild von Magdeburg
Anlässlich der feierlichen Wiedereröffnung der ehemaligen Klosterkirche im Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen Magdeburg wurde im September 2022 das Mysterienspiel „Mechthild“ uraufgeführt. Die genreübergreifende Produktion verknüpft mittelalterliche und zeitgenössische Musik in einem Klangraum und widmet sich „Mechthild von Magdeburg“, einer bedeutenden Persönlichkeit der Stadtgeschichte.
Die CD dazu ist ab dem 5. Mai 2023 erhältlich!
Olivia Stahn & Hanna Herfurtner | Sopran
Susi Wirth | Schauspiel
AuditivVokal Dresden
Ensemble Adapter Berlin
New Chamber Ballet NewYork
Miro Magloire | Choreographie
Helge Leiberg | Live-Malerei
Olaf Katzer | Dirigent
Thomas Schmidt-Ehrenberg | Regie
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„Yes! Yes! Yes!
Die Fernsehshow!” (Uraufführung)
Ein Chortheater über Masse, Macht und Mich
6. Mai 2023, HELLERAU –Europäisches Zentrum der Künste im Rahmen des Festivals „Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“
Ole Hübner, Hans-Joachim Hespos | Komposition
Olaf Katzer | Künstlerische und Musikalische Leitung
Ferdinand Vicončaij, Ole Hübner | Libretto
Sebastian Hanusa | Dramaturgie
Johannes Schropp | Choreografie
AuditivVokal Dresden
Europa Chorakademie Görlitz |
Leitung: Jan Hoffmann
Der Jugendchor | Schulchor am Pestalozzi-Gymnasium Heidenau |
Leitung: Max Röber
Nikolas Stäudte | Moderation
Luise Neuhaus-Wartenberg | Politik
Dr. Friedrich Hausen | Philosophie
Prof. Dr. Maja Dshemuchadse | Psychologie
Prof. Dr. Dirk Baecker | Soziologie
Prof. Martin Maria Krüger | Beratung
Gemeinsam singen macht glücklich! Nur hat die Sache einen Haken: Man kriegt die Flügel gestutzt, wenn der Dirigent mal wieder das letzte Wort hat. Und die Hingabe an eine Gemeinschaft geht eben mit der Aufgabe gewisser individueller Freiheiten einher. Das gilt zumindest für den klassischen Konzertchor. Aber ist es in einem solistischen Vokalensemble, das sich auf Zeitgenössisches spezialisiert hat, ganz anders? Spielen da etwa Aspekte wie Machtstrukturen möglicherweise gar keine Rolle?
Im Musiktheater „Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!“ treten der Konzertchor der Europa Chor Akademie Görlitz und das Vokalensemble AuditivVokal Dresden im Format einer Spielshow gegeneinander an. Ausgangspunkt ist dabei die Behauptung, Individuum und Kollektiv seien im jeweils eigenen „Singsystem“ auf bestmögliche Art miteinander verbunden. Herausgefordert werden sie hierbei vom Jugendchor Heidenau. Dieser wirft die Frage auf, was den Chorgesang im Innersten zusammenhält – und beobachtet gemeinsam mit einem prominent besetzten Expertenrat die beiden Ensembles, wie sie sich, auf der Suche nach Antworten, von Hans-Joachim Hespos und Ole Hübner komponierten Singspielen stellen.
Künstlerische Leiter werden zu Kandidaten der Spielshow, das „Vorsingen“ wird zum Wettbewerb und das alles unter den strengen Augen eines Expertenrats, der sich mit Kommentaren keineswegs zurückhalten wird. Das macht natürlich erst dann richtig Spaß, wenn auch wirklich die Grenzen des künstlerisch Machbaren sichtbar werden. Und mit einer Moderatorin in der Funktion der Spielleiterin hat es auch noch einen agent provocateur. Damit ist klar, dass sich das Publikum hier nicht einfach entspannt zurücklehnen werden kann. Schließlich gibt es noch mehr wichtige Aufgaben, die übernommen werden müssen, damit alles schön demokratisch zugeht.
Ein Projekt in Kooperation mit den Dresdner Tagen der zeitgenössischen Musik HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste und der Europa Chor Akademie Görlitz
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Wir brauchen die Vielstimmigkeit!
Wir brauchen die Diversität!
Wir brauchen das eigenständige Denken und Handeln des Einzelnen die mündige Entscheidung jeder Einzelperson sich mit allen anderen zur Gruppe zusammenzuschließen um gemeinsam stärker und pluraler und diverser und vielfältiger und unterschiedlicher zu sein
Du willst dass der Chor ein Labor
für die GE-SELL-SCHAFT ist
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Ein Interview mit Ole Hübner, Komponist in Residenz 2023
Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit AuditivVokal für das Projekt „Yes, Yes, Yes! Die Fernsehshow!“ entstanden?
Ich habe von 2020 bis 2022 in der Meisterklasse Komposition an der Hochschule für Musik in Dresden studiert. Dort habe ich Olaf Katzer kennengelernt. Wir sind sehr schnell in Diskussionen eingestiegen, über Aspekte des Chor- und Ensemblegesangs, aber auch über Interessensgebiete, die über das Singen hinaus gehen, wie beispielsweise die Idee des Chors als Miniaturgesellschaft und -labor. Wir haben uns immer wieder getroffen, und nach und nach hat sich die Idee eines Projekts entwickelt. Uns ging es dabei von Anfang an um den Versuch, die uns relevanten Aspekte sowohl mit künstlerischen als auch mit wissenschaftlichen Mitteln zu beleuchten. Bei AuditivVokal ist es ja bereits seit langem
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„Musik kann wissenschaftliche Ideen sinnlich erfahrbar machen“
Ole Hübner (*1993) studierte Komposition (Hannover, Köln, Dresden, Oslo) und Angewandte Theaterwissenschaft (Gießen). Ole ist Mitglied der Kollektive the paranormal φeer group und The Navidsons und war in inter-/transdisziplinäre Projekte in Deutschland, Schweiz, Frankreich, Italien und Russland involviert. Lehraufträge erhielt Ole seit 2018 u.a. an der JLU Gießen und der ADK Baden-Württemberg. Seit 2021 kuratiert
Ole das Musik 21 Festival Niedersachsen. Auszeichnungen umfassen den Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart, den GEMA-Musikautor*innenpreis 2022 und Stipendien für die Villa Aurora
L.A., die Cité Internationale des Arts Paris u.a.
www.olehuebner.de
etabliert, dass es sich bei den Projekten nie um reine Konzertaufführungen handelt. Konzeptionelle Einflüsse aus Bereichen wie der Philosophie gehören ja dazu. Deshalb wollten wir mit „Yes, Yes, Yes!“ ein Format entwickeln, das auch wissenschaftliche Inputs integriert, kurze Lecture Performances oder Panel Discussions, um mehrere Facetten der Musik zu beleuchten. Musik kann wissenschaftliche Ideen sinnlich erfahrbar machen.
Wie finden dann konkret bei Ihrem Kompositionsprozess Musik und Text zueinander? Ich bin von Anfang an in die Konzeption eingebunden. Die Texte kommen in erster Linie von Friedrich Hausen. Ich bin in an der Textgenese beteiligt. Die Partitur ist schon ein ganz schöner Brocken, in mehrfacher Hinsicht. Zum einen ist es jede Menge musikalisches Material. Zum anderen haben wir es hier ja mit gleich drei Ensembles zu tun, die verschiedene musikalische Spezialisierungen mitbringen. Das ist eine besondere Herausforderung.
Innerhalb der Show wird es, wie wir es nennen, Singspiele geben, bei denen die Ensembles auf ihre Weise Aufgabenstellungen lösen werden, die sich aus wissenschaftlichen
Inputs generieren. Diese kommen von unserem Expert*innengremium. Das können kurze Gedanken sein, die sich auf den Chorgesang beziehen. Dafür versuchen Friedrich Hausen und ich, herauszufinden, was eine jeweils passende Antwort sein könnte. Wie sähe diese aus der Sicht von AuditivVokal aus, wie aus der Sicht der Europa Chor Akademie Görlitz? Wir haben dazu Sentenzen entwickelt, die Friedrich Hausen in poetische Form gebracht hat. Am Ende wird es ein 90-minütiges Stück geben, das prall gefüllt ist.
Dabei ist eins der drei Ensembles ein Schulchor. Haben Sie in diesem Bereich bereits Erfahrungen?
Mit Schulchören habe ich noch nicht gearbeitet, aber ich habe mal ein Musiktheater mit einem Kinderchor gemacht. Man muss bei Kindern und Jugendlichen schon sehr genau darauf achten, was möglich ist. Welche Intervalle sind für solche jungen Stimmen gut singbar? Da denkt man schon viel über praktische Aspekte nach. Dabei stehe ich in engem Austausch mit Max Röber, dem Chorleiter. Er hat von mir erste Skizzen bekommen und in entsprechendem Feedback gezeigt, was geht und was nicht.
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Sie beide sind in ihren jeweiligen Funktionen als Psychologin bzw. Philosoph unter anderem in die Projekte „Fake Voices“ und „Yes, Yes, Yes! Die Fernsehshow!“ involviert. Was beschäftigt Sie in diesen Zusammenhängen am stärksten?
Hausen: Bei „Fake Voices“ geht es um Vertrauen und Misstrauen, aber auch Fremdheit, um ein Verstehen eines vermeintlichen Falschen in seinem Anderssein. Als Menschen leben wir in Kooperationsbeziehungen, wo wir von einer Vertrauenswürdigkeit und Wahrhaftigkeit unserer Mitmenschen abhängen. Bei „Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!“ geht es darum, wie innerhalb von Kooperationsbeziehungen das Verhältnis von individueller Freiheit und kollektiven Zielen optimiert werden kann. Als Philosoph habe ich an einer kulturunabhängigen Wertehierarchie gearbeitet, die aber in ihrer bisherigen Darstellung beim Thema kollektive Intentionalität und Gemeinschaftssinn an ihre Grenzen stößt. Derzeit entwickle ich hier eine entsprechende Analyse, die in die Arbeit an „Yes! Yes! Yes! Die Fernsehshow!“ einfließt. Hierbei ist das Besondere, dass ich von Anfang an konzeptionell eingebunden bin und sowohl meinen philosophischen Hintergrund mit einbringen kann, als auch als Texter involviert bin und am Ende mit auf der Bühne stehe. Hier geht vor allem darum, die Themen prägnant zu präsentieren.
Dshemuchadse: Genau das ist wohl der Punkt. Um es mal liebevoll zu formulieren: Wir sind Universaldilettanten. Die Dreingabe verschiedener Facetten aus unseren jeweiligen Wissenschaften ist das Ziel und die Herausforderung dabei, sich nicht in wissenschaftlichen Untiefen zu verlieren und das Publikum zu verlieren. Da liegt der Fokus eben nicht auf einem einzelnen Bereich. Wir
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„Die Wahrheit muss viele Perspektiven berücksichtigen“
Ein Gespräch zwischen Prof. Dr. Maja Dshemuchadse und Dr. Friedrich Hausen
sind neugierig, Dinge zusammen zu bringen, die so eigentlich wohl nicht zusammengehören.
Vor allem arbeiten wir nicht unabhängig von der Gesamtgruppe und sind dabei sehr flexibel. Es soll sich nicht nur das Konzept weiterentwickeln, sondern auch das Ensemble. Deshalb überlegen wir immer, wie wir die Workshops auch in Bezug zueinander setzen können. Friedrich führt da beispielsweise Gesprächsrunden mit dem Ensemble durch. Ich gebe Stimm-Selbsterfahrungs--Workshops. Bei „Fake Voices“ konkret mit dem Blick auf den Aspekt Vertrauen.
Eine Besonderheit von AuditivVokal Dresden ist die langfristige Arbeit an Projekten, die sich nicht nur auf die öffentlichen Vorstellungen als Höhepunkt konzentriert. Wie gestaltet sich das konkret?
Dshemuchadse: Das macht für mich den Reiz aus. Für mich ist das weniger eine künstleri-
sche Arbeit, sondern eben eher psychologisch. Das ist sehr gemeinschaftsbildend. Dafür mache ich auch eigene Projekte, wie kürzlich gemeinsam mit einer Bachelor-Studentin. Im Rahmen eines Forschungsprojektes haben wir mit den Ensemble-Mitgliedern Einzelcoachings durchgeführt, bei denen wir mit dem psychologischen Konzept der inneren Anteile gearbeitet haben. Das ist in therapeutischen Ansätzen weit verbreitet. Das haben wir mit Interviews evaluiert. Das Ziel ist, die individuelle Entwicklung der Auditiven zu unterstützen.
Hausen: Unsere Arbeit ist dabei kontinuierlich. Als Ensemblephilosoph beschäftige ich mich auch mit einer Ästhetik der Teilhabe, angebunden an einen sinnphilosophischen Ansatz. Da geht es unter anderem darum wie Kunst das Leben von Menschen verändern kann. Das beschäftigt Olaf Katzer und AuditivVokal Dresden sehr.
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Maschinelle
Pareidolia
Neue Werke zum Thema
KI und Stimme
22. Mai 2023, Kesselhaus Trossingen
Neue Werke von Artemi Gioti, Ludvig Elblaus, Claudio Panariello und Luc Döbereiner
Pareidolie bezeichnet das Phänomen, Muster, Stimmen, Gesichter oder Gegenstände in Dingen oder Klängen zu erkennen, die diese gar nicht beinhalten. So meinen wir, Objekte in vorbeiziehende Wolken zu sehen oder ein Gesicht auf einem Foto der Marsoberfläche zu erkennen. Die menschliche Wahrnehmung sucht ständig nach bekannten Mustern und Bedeutungen. Ähnlich versucht auch KI, Muster und Bedeutung in Daten zu erkennen. Auch hier kommt es zu Fehldeutungen. KI hört Stimmen, sie imaginiert Formen im Rauschen, erträumt sich Gesichter und erzeugt somit gewissermaßen Trugbilder und „Trugklänge”. Das Konzertprogramm „Maschinelle Pareidolia” beschäftigt sich mit dem generativen Potenzial von KI, ein Potenzial, das eben nicht bloß im funktionierenden Identifizieren liegt, sondern in den kreativen Fehlern dieser Technologie. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis von KI und menschlicher Stimme, ihrer Identität und Körperlichkeit, Spracherkennung, Verfremdung und Synthese.
Das Programm besteht aus vier neuen Kompositionen für AuditivVokal Dresden, die sich verschiedentlich mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine beschäftigen. Das Stück von Claudio Panariello untersucht, wie und was Weinen, Verzweiflung und schließlich deren Auflösung für die Maschine bedeutet. Die Komposition von Ludvig Elblaus kombiniert eine Live-Gesangsperformance mit in Echtzeit generierten elektronischen Teilen.
Während sich die Sängerinnen und Sänger anpassen, versuchen die Maschinen dasselbe zu tun und stellen die beiden Welten nebeneinander. Das Stück von Artemi Gioti untersucht das transformative Potenzial neuer Technologien für das musikalische Denken und erforscht Mensch-Computer-Ko-Kreativität. Luc Döbereiners Komposition beschäftigt sich mit dem Verhältnis von menschlicher Stimme und synthetischen Klängen und damit, wie musikalische Entscheidungen kollektiv und gemeinsam durch Performer*innen und Algorithmen getroffen werden können.
„Maschinelle Pareidolia” wird gefördert im Impulsprogramm Kultur nach Corona des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
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Foto aus Alte Klänge von Wilfried Jentzsch
Videoinstallationen für und mit Jan Heinke (1968 –2022)
10. Juni – 01. Oktober 2023, OSTRALE – Biennale für zeitgenössische Kunst, Robotron-Kantine
„Mvsica universalis“
Ein Film von Maks Pallas
Alberto Arroyo | Komposition
„Ruf in die Stille – zu unsern Zeiten“
Ein Film von AVANGA Filmproduktion
Heinrich Schütz und Alberto Arroyo | Komposition
AuditivVokal Dresden beteiligt sich mit eigenen Videoinstallationen an der diesjährigen OSTRALE. Darin reflektiert das Ensemble aktuelle gesellschaftliche Befindlichkeiten im Bild des Wassers. Ausgehend von dem Sprichwort „Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen“ erkundet das Ensemble in einem audiovisuellen Triptychon gemeinsam mit dem Filmkünstler Maks Pallas die emotionalen Übergangsbereiche des Lebens, in denen sich Hör- und Blickwinkel durch kaleidoskopische Brüche, prismatische Spiegelungen und tiefgründige Reflektionen im Wasser verändern können: Trauer verwandelt sich in Freude, auf Schmerz folgt Auflösung und Heilung, emotionale Erstarrung geht in eine neue Lebendigkeit über.
AuditivVokal Dresden greift dafür fast 400 Jahre in die Musikgeschichte zurück und verarbeitet hier unter anderem Heinrich Schütz‘ Motette „Verleih uns Frieden“, den eindrucksvollen Ruf nach Einvernehmen. Diese werden von vokalen Assoziationen zu unserer Zeit unterbrochen.
Die Installationen widmen wir unserem langjährigen Ensemblemitglied Jan Heinke, der am 20. April 2022 nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von nur 54 Jahren verstarb. Wir werden Jan in ehrendem Andenken bewahren - seine musikalischen Pioniertaten, seine stimmliche Neugier und seine herzliche Mitmenschlichkeit werden weiter in unserem Ensemble Bestand haben. Seine himmlischen Obertöne wird er nun am Ort ihres Entstehens weiter singen – die Engel werden sich über seine Mitwirkung mit Sicherheit freuen! Mit diesen Arbeiten wird auch Jan Heinkes wiederholtes Mitwirken an der OSTRALE ein letztes Mal aufgegriffen. Er ist als Sänger der Teil der Videos.
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Foto aus SchützRaum – ein musikalisches Äthernettheater mit Jan Heinke
„Das Ensemble AuditivVokal Dresden nimmt die Corona-Krise zum Anlass zu einem distanzierten Blick, der unsere sächsische Geschichte und das Heute zusammenführt. Die berühmte Friedensbitte „Verleih uns Frieden“ von Heinrich Schütz rahmen die Sängerinnen und Sänger mit zeitgenössischen Improvisationen ein: Das Ergebnis verweist auf kulturelle Errungenschaften, die wir mit Einsatz und Kraft erhalten und weiterentfalten wollen.“
Sächsischer Ministerpräsident Michael Kretschmer
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Konferenz der Kinder
August 2023, Görlitz
Arne Gieshoff | Komposition
Alexander Gruber | Libretto
Elisabeth Holmer | Künstlerische Leitung
Olaf Katzer | Musikalische Leitung
Wolfgang Lessing | Pädagogische Leitung
„Die Konferenz der Kinder“ ist ein großangelegtes Chorprojekt für Kinder- und Profimusiker, das als freie Nacherzählung von Erich Kästners Werk »Die Konferenz der Tiere« konzipiert ist. Kästners leidenschaftlicher Appell für den Schutz unserer Kinder gegen Gewalt, Krieg und Intoleranz ist aktueller denn je. Das Projekt transferiert die erfolgreiche Produktion aus dem Jahr 2019 nach Görlitz und erarbeitet das Werk dort mit Schüler*innen neu.
Foto aus einer Probe für Von Spiegel-Pfeifen und Tenorgeln
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Space is the Case ODER *topien
21. – 24. September 2023, Kunstraum GEH8
Performative kompositorische Anthologielesung
Kathrin Assauer | Idee, Konzept
André Tempel | Bühnenbild, Installation
Space is the Case lautet der Titel des Jahresprogramms 2023 des Kunst- und Kulturzentrums GEH8. Unter diesem Motto steht der Stellenwert von Raum im Verhältnis zur gesellschaftlichen Teilhabe im Fokus. Nur die Verfügbarkeit von Raum ermöglicht Selbstentfaltung und Teilhabe. Den Erhalt und die Stärkung von Teilhabe gilt als essenziell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Identifikation des Individuums im gesellschaftlichen Gefüge. Was sind (fehlende) wirkliche, was mögliche Räume und worin liegt das Potenzial der Kunst, solche zu erschaffen?
Alberto Arroyos Komposition für diese multimediale Performance entsteht aus extrahierten Teilen der zu lesenden Autorentexte. Die Autoren und Solisten des Ensemble AuditivVokal Dresden werden diese teils simultan vortragen, angelehnt an das in den 20-iger Jahren entstandene Konzept des poem simultan, hier allerdings vervielfacht simultan, durch mehrere Texte und deren gleichzeitige Lesung.
Für diese hybride Performance werden die iranischen Autor*innen per Live-Stream zur Lesung zugeschaltet. Die „Anthologie-Lesenden“ werden mit einem Headset-Micro ausgestattet, und die Zuhörer*innen können per Kopfhörer einzelnen Lesenden zuhören. Die zeitlichen Strukturen der Texte werden dabei aufgelöst und durch räumliche Ordnungen ersetzt, im Textraum in der Publikation auf dem Papier als Schriftbild und in der dazu geordneten bildnerischen Übersetzung der Zeichnungen, auf der phonetischen Ebene der Texte als Klangraum, der Positionierung der Lesenden und schließlich innerhalb der von den Texten erzeugten Assoziationen.
Fragmentierung, Collagieren und Simultanität der Ereignisse können durch Loslassen herkömmlicher „Wasserglas-Lesungsformate“ und bekannter Hör- und Sehgewohnheiten durch Wahrnehmung verborgener Bereiche zu neuen „Texten“ führen. Das babylonische Stimmengewirr wird überwunden, und neue Wahrheiten und Wirklichkeiten, „anstrengende Wahrheiten“ nach F. Mayröcker treten zu Tage, für Autoren, Lesende und Rezipienten.
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„Denk ich an Deutschland in der Nacht …“ (H. Heine)
21. November 2023
Liebfrauenkirche Duisburg
Werke von Gerhard Stäbler, Kunsu Shim, Jaime Reis, Emmanuel Nunes, Wilfried Jentzsch, Gabriel Iranyi, Susanne Stelzenbach, Adrian Pop, Diana Rotaru, Gabriel Mălăncioiu, Hanns Eisler, Johann Friedrich Reichardt
Das Programm „Denk ich an Deutschland in der Nacht …“ (H. Heine) sensibilisiert auf sinnliche Art und Weise, die Fragen nach unserer Identität: Welche Werte vertreten wir? Wie wollen wir die Zukunft gestalten? Anschließend an unsere Produktionen „Vox populi. Der Klang der Demokratie“ (2017), „Vokalmusik für einen europäischen Dialog“ (2019) und „Vision Europa“ (2022) können wir nunmehr mit einer Reihe an Werkbeiträgen die Zuhörer*innen sowie uns für die europäische Idee neu begeistern, indem wir vielleicht nicht unbedingt Antworten, dann aber doch detaillierte Fragen zu den Herausforderungen unserer Zeit auf unserem Kontinent stellen können – vor allem aber: Zum weiteren Nachdenken anregen.
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Die rechtschaffenen Mörder
Nach
dem
Roman von Ingo Schulze mit Musik von Peer Baierlein
Monatlich aktuelle Termine finden sich im Monatsspielplan des Staatsschauspiel Dresden und auf der Homepage von AuditivVokal
Repertoire-Produktion am Staatsschauspiel Dresden
„Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar …“ – Mit dieser märchenhaften Einleitung beginnt Ingo Schulzes Roman aus dem Jahr 2020, in dessen Zentrum die Geschichte des Buchhändlers Norbert Paulini steht. Dieser will nur eins: ein Leser sein. Schritt für Schritt wird aus dem skurrilen jungen Mann ein angesehener Intellektueller, der mit seinen antiquarischen Büchern eine kleine geistige Elite in der DDR versorgt. Er gilt als berühmter Dissident, in der Wendezeit aber lehnt er es ab, sich mit Tagespolitik zu beschäftigen. In der neuen Wirklichkeit nach 1989 verarmt Paulini, denn nun sind alle Bücher frei auf dem Markt verfügbar. Der Antiquar fühlt sich von seinen Schützlingen verraten. Er verbittert und nimmt zunehmend rechtsextreme Positionen ein …
Mit Kompositionen von Peer Baierlein begleitet AuditivVokal das Stück szenisch und aus dem Off und verkörpert dabei die inneren Prozesse und Gedanken der Figuren.
„Mehr als eine illustrative Klangkulisse bieten die hörenswerten Sänger von AuditivVokal Dresden. Teils in klassischer Harmonik, teils gekonnt dissonant schaffen sie permanent eine schwebende, fragende, unaufgelöste Sphäre.“
25.10.2021 taz, die tageszeitung von Michael Bartsch
„Mehrere Prozessionen des fünfköpfigen Ensembles AuditivVokal Dresden, von Olaf Katzer dirigiert, verströmen Mystik und Verklärung.“
25.10.2021 Dresdner Neuste Nachrichten von Andreas Herrmann
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Jahresprojekte
Foto aus SchützUniversum
Zwischen High-Tech und Heimat
21 sächsische Dialekte –21 sächsische Lebensgeschichten
Ein Forschungsprojekt 2023 – 2025
AuditivVokal Dresden auf der Suche nach heimatlichen Sprachschätzen
Ziele: Produktion einer CD, Programmierung einer interaktiven Website (musikalische Kartographie der Dialektformen), Produktion eines Dokumentarfilms für ARTE, Dialog- und Begegnungskonzerte an 21 verschiedenen Orten im ländlichen sächsischen Raum
Dialekt ist Heimat. Und ist trotzdem nicht unumstritten. Die Kluft zwischen dem stolzen Leben des eigenen Dialekts und damit der eigenen Wurzeln auf der einen Seite und schamhaftem Verbergen der Mundart ist Alltag. Besonders das Sächsische wird leider oft nicht gern gehört. Es scheint im Zuge abwertender Beurteilungen geradezu als Präzedenzfall für das Gegenteil von Bildung und Intelligenz. Dabei ist Dialekt vor allem auch Vielfalt. Das Vogtland, das Erzgebirge, Nordsachsen mit dem Raum Leipzig oder die ostsächsische Lausitz: Überall spiegeln sich in der Sprache Varietäten soziokultureller Traditionen.
Eine Auseinandersetzung mit Dialekten liegt für die Kunst allerdings nicht direkt nahe. Als Vokalensemble in Sachsen wird sich AuditivVokal genau deshalb auf die Suche nach dem künstlerischen und kulturellen Wert der Lautmöglichkeiten begeben, um zu entdecken, welche kompositorischen Herausforderungen in diesem Bereich liegen. Dabei geht es weder um bloße Spiegelung oder gar Nachahmung. Im Fokus stehen vielmehr die potenziellen Möglichkeiten künstlerischer Verarbeitung auf der Basis grundlegender Wertschätzung. Denn Sprache repräsentiert den Menschen und steht immer für Tradition und Kultur.
Im Rahmen eines längerfristig angelegten Forschungsprojektes wird AuditivVokal dialektale Volksweisen einerseits in ihrer Ursprünglichkeit und Urtümlichkeit adaptieren, andererseits auch in Kompositionsaufträgen neue Perspektiven erleb- und hörbar machen.
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Foto von den Filmaufnahmen des Auditiven Weihnachtsgrusses 2022
Als Artist in Residenz 2023 für AuditivVokal Dresden wird Ole Hübner auch eine Komposition für das Forschungsprojekt zum Thema Dialekte beisteuern. Im Interview mit AuditivVokal Dresden verrät er, wie sein Bezug zum Sächsischen ausfällt und warum das Imitieren von Dialekten immer so eine Sache ist.
Sie haben in Dresden an der Musikhochschule Ihre Meisterklasse absolviert, aber bislang weder in Dresden noch in Sachsen gelebt. Wie kann da ein kompositorischer Zugriff auf das Sächsische aussehen?
Ich habe die Möglichkeit, mir einen oder mehrere sächsische Dialekte auszusuchen, oder das Sächsische als Ganzes. Da bin ich in meinen Möglichkeiten ganz frei. Ich finde die Idee sehr spannend, besonders weil ich eben bisher so wenige Berührungspunkte mit dem Sächsischen habe. Aufgewachsen bin ich in einer „dialektalen Grauzone“: Meine Mutter stammt aus Berlin, mein Vater aus Bremen. Später habe ich in Köln und Hessen gelebt und damit das ein oder andere mit eingepackt. Ich selbst spreche mehr oder minder Hochdeutsch, aber sobald ich mich an bestimmten Orten aufhalte, greife ich fast automatisch einige Begriffe und Vokabeln und Färbungen auf, zum Beispiel in Berlin das Berlinerische, in Wien das Wienerische. Der Mund formt sich etwas um.
Das bewegt sich an den Rand des Imitierens von Dialekten. Das kann ein ziemlich dünnes Eis sein. Manche Menschen reagieren darauf empfindlich.
Wahrscheinlich geht es dabei auch um die Diskussion der cultural appropriation. Dialekt
wird eben oft sehr stark mit Heimat assoziiert. Dialekt ist meiner Meinung nach Ausdruck von Gegebenheiten, die es eben nur in einer bestimmten Gegend gibt. So, wie es ein bestimmtes Gericht nur in einer Gegend gibt, gibt es dort einen bestimmten Namen dafür. Dialekt drückt also auch Konzepte aus.
Allgemein betrachtet ist das Imitieren von Dialekten wohl meistens eher peinlich, weil es in den seltensten Fällen gelingt. Außerdem hat das Imitieren von Dialekten oft einen parodistischen Anteil. Damit ist es eine Art Spiegelung persönlicher Außensichten. Irgendwo ist es ein Kondensat dessen, welche Spezifika ich aus einer Region mitnehme. Deshalb scheue ich davor auch zurück. Sächsisch könnte ich nie auch nur annähernd sprechen.
Wenn Dialekt so stark mit Heimat verbunden ist, könnte man dann sagen, Dialekt „gehöre“ jemandem?
Ich glaube, jedes immaterielle Kulturgut „gehört“ gewissermaßen denen, die es pflegen. Aber was heißt Besitz? Wenn man das von Dialekten auf Nationalsprachen überträgt, kann man sicher nicht sagen, eine Sprache „gehöre“ einer Gruppe von Menschen. Es gibt aber eine Gruppe von Menschen, die mit einer bestimmten Sprache besonders gut vertraut ist und dadurch darin eine vorrangige Expertise hat. Das schafft auf jeden Fall eine Form von Zugehörigkeit.
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„Der Mund formt sich etwas um“
Oberton + Interview Wolfgang Saus
Auch professionelle Ensembles wie AuditivVokal Dresden lernen immer weiter gern dazu. Deshalb beschäftigen sich die Sängerinnen und Sänger auch mit Obertongesang. Wolfgang Saus vermittelt ihnen dafür die nötigen Kenntnisse und zeigt sich im Interview mit AuditivVokal Dresden beeindruckt von den Fähigkeiten des Ensembles.
Das Ensemble AuditivVokal Dresden ist durchaus für stimmliche Experimente bekannt. Jetzt bringen Sie mit dem Obertongesang eine ganz neue Komponente ein. Ist es ein großer Schritt für die Sängerinnen und Sänger hin zum Obertongesang?
In der üblichen Ausbildung spielt Obertongesang gar keine Rolle. Ich habe bereits mit vielen professionellen Ensembles zusammengearbeitet und bin sehr beeindruckt, wie schnell die Sängerinnen und Sänger von AuditivVokal lernen. Das hat auch viel mit der jeweiligen Motivation und Begeisterung zu tun. Aber so ein schnelles Vorankommen habe ich wirklich bisher noch nicht erlebt. Da ist ganz viel Neugier und Selbstinitiative spürbar.
Was genau bedeutet das für das Ensemble technisch?
Das gesamte Ensemble bringt zurzeit die Obertongesangstechniken auf professionelles Niveau, das derzeit weltweit weniger als eine Handvoll Spitzenensembles beherrschen. Neben bestehenden Werken können sie in Zusammenarbeit mit Komponisten unglaubliche neue Klangmöglichkeiten realisieren.
In der Chorphonetik, die ich entwickelt habe, werden Homogenität und Intonation aus den Vokalen heraus kontrollierbar. Diese neue Herangehensweise an den Klang ist eine der Nebenwirkungen des Obertongesangs, dessen ungewöhnliche Hörweise und Zungenfertigkeit eine zehnfach präzisere Kontrolle der Vokale und Resonanzen ermöglichen.
In welche Richtung möchten Sie AuditivVokal damit begleiten?
Ich entwickle gerade einen speziellen OnlineKurs für das Ensemble. Das Ziel ist, dass die Sängerinnen und Sänger in der Lage sind, zwei Melodien gleichzeitig zu singen. Um ehrlich zu sein, ich würde mit dem Ensemble gern ein bisschen angeben wollen. Ich denke da auch an die Klangfarbentheorie von Arnold Schönberg. Da sind ganz neue Variationen möglich. Schon seit Jahrzehnten ist meine Vision, dass ein Ensemble gemeinsam improvisiert und die Sängerinnen und Sänger dabei ihre Verhältnisse zueinander in Einklang bringen. Das Publikum würde im Prinzip die Authentizität des Momentes komponieren.
Wolfgang Saus ist Obertonsänger, klassischer Bariton, Gesangslehrer, Stimmcoach, Stimmforscher und Autor. Nach eigenen Angaben sang er im Alter von sieben Jahren wie Micky Maus. Offenbar hat sich das geändert, denn später sang er im Tschechischen Philharmonie Chor und dem Römischen Symphonie Orchester. Eine Weiterentwicklung des Obertongesangs lebt er vor allem in der Chorphonetik. Und er macht gern auf seiner Visitenkarte Musik.
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Foto von Wolfgang Saus bei einer Lecture über Obertongesang
Sopran
Katja Fischer
Lisa Fornhammar
Coco Lau
Lidia Luciano
Olivia Miller
Anna Palimina
Clara-Sophie Rohleder
Katharina Salden
Anne Stadler
Marina Szudra
Viktoria Wilson
Angela Wingerath
Alt
Bernadette Beckermann
Marie Bieber
Julia Böhme
Constanza Filler
Lia Gets-Berman
Ingvill Statle Skjørten
Stefan Kunath
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Tenor
András Adamik
Kyle Fearon-Wilson
Jonas Finger
Christopher B. Fischer
Markus Klose
Sören Richter
Murilo Sousa
Bass
Jakob Ahles
Nikolai Füchte
Timo Hannig
Burkhard Kosche
Benjamin Mahns-Mardy
Mykola Piddubnyk
Philipp Schreyer
Felix Schwandtke
Cornelius Uhle
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Foto aus ECOS AUSTRALES
AuditivVokal Dresden
wurde 2007 durch den Dirigenten Olaf Katzer gegründet und avancierte in kurzer Zeit zu einem der profiliertesten Vokalensembles der Gegenwartsmusik. Im Mittelpunkt der interdisziplinär angelegten künstlerischen Arbeit steht die conditio humana, die Frage nach der Bedeutung von Menschlichkeit, Empathie, Verantwortung und Würde im Zeichen neuer technologischer, gesellschaftlicher und ökologischer Entwicklungen. Über 210 Uraufführungen, exzeptionelle Eigenproduktionen, internationale Gastspiele bei zahlreichen Festivals sowie CD-, Rundfunk- und Videoaufnahmen dokumentieren die künstlerische Vielfalt und stilistische Singularität.
Die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit den renommiertesten Komponistinnen und Komponisten unserer Zeit fließen auch in die Interpretationen Alter und Früher Musik ein, bei denen das Ensemble mit einem eigenen Ansatz fasziniert. Die 36 Sängerinnen und Sänger von AuditivVokal Dresden treten in unterschiedlichsten Formaten auf: Vom klein besetzten A-cappella-Konzert über Performances und szenische Aktionskunst bis zum großen klassischen Konzert mit Orchester sind sie in immer wieder überraschenden Konstellationen zu erleben. AuditivVokal Dresden reüssiert dabei regelmäßig auf zahlreichen Festivals im In- und Ausland und folgt Einladungen in die wichtigen Konzerthäuser deutscher und internationaler Musikzentren. Das Ensemble gastierte bisher in fast allen europäischen Ländern sowie in den USA, in Brasilien und Chile. Regelmäßige CD- und Rundfunkproduktionen mit Deutschlandfunk Kultur, dem Mitteldeutschen Rundfunk, Rundfunk Berlin-Brandenburg, mit dem Bayerischen Rundfunk und Radio Suisse Romande ergänzen die künstlerische Arbeit genauso wie Multimediaproduktionen mit den Filmproduktionsfirmen Avanga oder Knitterfisch.
Instrumentale Partner des Ensembles sind Klangkörper wie die Dresdner Sinfoniker, das Ensemble Art d‘Echo, El Perro Andaluz Dresden, das Duo Reflexion K, das Ensemble Moto Perpetuo New York, das Ensemble Iberoamericano oder das Ensemble Interface Frankfurt/Main. Interdisziplinär arbeitet AuditivVokal Dresden unter anderem mit den Regisseuren Maxim Didenko, Claudia Bauer oder Holk Freytag, mit dem Schriftsteller Marcel Beyer, der Choreografin Katja Erfurth, dem Soziologen Prof. Dr. Dirk Baecker oder der Psychologin Prof. Dr. Maja Dshemuchadse zusammen.
Infolge der intensiven ästhetischen Auseinandersetzung mit den aktuellen kompositorischen Sichtweisen auf die menschliche Stimme und durch zahlreiche Kompositionsaufträge an junge renommierte Komponistinnen und Komponisten, ist die Neue Dresdner Vokalschule als ästhetisch neue Richtung entstanden. Dieses künstlerische Wirken wird seit 2017 im Rahmen eines kooperativen Dokumentationszentrums in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) dokumentiert. Die Neue Dresdner Vokalschule versteht sich in enger Zusammenarbeit mit Komponistinnen
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Foto aus Schlachthof 5 konzertant
und Komponisten als lebendiges Instrument, um bereits vorhandene, komplexe und avancierte Werke und ebenso neu entstehende Kompositionen (ur-)aufzuführen.
Olaf Katzer und AuditivVokal Dresden engagieren sich gesellschafts- und kulturpolitisch durch die Vermittlung und Förderung zeitgenössischer Vokalmusik. Eine enge und intensive Zusammenarbeit besteht seit Jahren mit der Hochschule für Musik Dresden. Zahlreiche Projekte für Jung und Alt stehen dabei ebenso auf ihrer Agenda wie Workshops und Meisterkurse für Kompositions- und Gesangsstudierende an Hochschulen wie der Hochschule für Musik Dresden, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, am Conservatório das Música in Belo Horizonte oder der Manhattan School of Music New York.
Die Vision von AuditivVokal Dresden ist es, die großen Fragen und Herausforderungen unserer Zeit mit seiner künstlerischen Programmatik näher zu beleuchten. Das Ensemble möchte den Eigenwert der Kunst, aber auch die fragilen Werte von Demokratie und Empathie stärken.
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Foto aus einer Probe für Mechthild – ein Mysterienspiel mit dem NYC Chamber Ballet
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Olaf Katzer
studierte Musik und Psychologie in München, Weimar und Dresden. Im Jahr 2007, bereits während seines Studiums, gründete er das Ensemble AuditivVokal Dresden, das er seitdem künstlerisch leitet.
Mehr als 200 Ur- und Erstaufführungen, Gastspiele bei zahlreichen Festivals und Rundfunkaufnahmen zeigen sein Engagement für die „zeitgenüssliche“ Vokalmusik. Konzertreisen quer durch Europa, nach Taiwan, China, die USA und Südamerika ermöglichen immer wieder transdisziplinären Austausch mit Sängern*innen, Instrumentalisten*innen, Tänzern*innen, Komponisten*innen, Malern*innen, Regisseuren*innen und Wissenschaftlern*innen. Auf diese Weise entwickelt Olaf Katzer beständig in nachhaltigen und unkonventionellen Programmgestaltungen eine zeitgemäße Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert.
Einladungen erhielt er als Dirigent von Klangkörpern wie dem RIAS Kammerchor, dem SWR Vokalensemble Stuttgart, dem MDR Rundfunkchor und dem Dresdner Kammerchor. Seit 2011 ist er als Dozent für Chordirigieren an der Hochschule für Musik Dresden tätig, seit dem Studienjahr 2015/16 in Funktion des Vertretungsprofessors für Chordirigieren. 2019 wurde Olaf Katzer mit dem Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden ausgezeichnet, 2020 mit dem Arras-Preis.
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Wissenschaft und Forschung
Wissenschaftliche Reflexion und Interdisziplinarität spielt schon seit einigen Jahren eine bedeutende Rolle in der Arbeit von AuditivVokal Dresden: Wissenschaftler*innen erarbeiten heute nicht nur eine Entscheidungsbasis von gesellschaftlicher Tragweite, sondern auch Bauteile zu differenzierteren Weltanschauungen. Gemeinsames Wissen ist auch Grundlage einer Kultur des wachsamen Vertrauens, wie sie für eine offene Gesellschaft wichtig ist und heute besonders gefährdet ist. Hier setzt für AuditivVokal Dresden das Gespräch mit Kulturwissenschaft und Forschung an, das erhellende Begleitreflexionen ermöglicht und nicht zuletzt auch künstlerischen Konzepten zuarbeitet, in denen auch etwas von solchen tiefen Erfahrungen, die Wissenschaftler*innen prägen, für Laien erlebbar werden kann.
In Zusammenarbeit mit dem Institut für Neue Musik der Hochschule für Musik Dresden und dessen Leiter Prof. Dr. Jörn Peter Hiekel wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Formate mit Komponisten wie Heinz Holliger, Mathias Spahlinger oder Hans-Joachim Hespos realisiert.
Das Ensemble trägt zur wissenschaftlichen Erschließung der Stimme des 21. Jahrhunderts bei, indem Ensemble-Mitglieder im Studio für Stimmforschung der Hochschule für Musik Dresden an der wissenschaftlichen Betrachtung zeitgenössischer Stimmtechniken teilnehmen. Unter Federführung und in Zusammenarbeit mit Prof. Hartmut Zabel (HfM Dresden), Prof. Dr. Dirk Mürbe (Charité Berlin) und Prof. Dr. Friedemann Papst (Klinikum Dresden-Friedrichstadt) werden stimmliche Anforderungen der zeitgenössischen Sänger*innen fassbar gemacht.
Bis heute wurden noch nicht alle technischen Ansprüche der Neuen Musik beschrieben. Ziel ist es daher, die physiologische Beschreibung der Vorgänge im Kehlkopf voranzubringen sowie aus den gewonnenen Erkenntnissen eine praxisnahe Vermittlung herzuleiten. Seit mehreren Jahren wirkt AuditivVokal Dresden zusammen mit der Sächsischen Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) am Dokumentationszentrum Neue Dresdner Vokalschule.
Es wird das Noten-, Werbe-, Bild- und Tonmaterial zeitgenössischer Vokalkunst professionell archiviert und sowohl für die Gegenwart als auch für die Nachwelt zugänglich gemacht. Im vergangenen Jahr begannen AuditivVokal Dresden und der Komponist Prof. Michael Edward Edgerton von der Malmö Academy of Music/Lund University Schweden, im Rahmen einer virtuellen Partnerresidenz des GoetheInstituts an den Extremen der Stimme im 21. Jahrhundert zu forschen.
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Neue Dresdner Vokalschule
SLUB – Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
Auslöser für die „Gründung“ der Neuen Dresdner Vokalschule (nachfolgend NDVS) war das gleichnamige Konzert im Juli 2013, das mit einem Workshop- und Vermittlungsprojekt für Sänger*innen und Komponist*innen gekoppelt war, welches Olaf Katzer und seine Auditiven mit der Sopranistin und ausgewiesenen Expertin für zeitgenössische Vokalkunst, Sarah Maria Sun, im Leonhardi-Museum Dresden und an der Hochschule für Musik Dresden durchführten.
Die damaligen, aber auch nachhaltigen Erfolge dieses Projektes veranlassten Team und Ensemble gleichermaßen, die Möglichkeiten einer in Dresden zentrierten „Schule der zeitgenössischen Vokalkunst“ weiter zu verfolgen, hin zu einer Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert. In ihr soll weniger ein Ausund Weiterbildungszentrum gesehen werden, als vielmehr ein Forum metadisziplinären Umgangs mit Gesang & Musik, und Kunst & Kultur im Allgemeinen. Die Neue Dresdner Vokalschule soll sich aus der Zusammensetzung verschiedenster (Vokal)Musiker*innen, (Ton)Künstler*innen und (Musik)Wissenschaftler*innen, denen gemeinsam daran gelegen ist, jene Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert zu definieren und voranzubringen.
Durch den großen Zuwachs an Noten-, Werbe-, Bild- und Tonmaterial freut sich AuditivVokal Dresden sehr, mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden eine handlungs- und wirkmächtige Kooperations- und Dokumentationspartnerin gefunden zu haben, die uns
hilft, das bereits vorhandene und stetig sich erweiternde Material professionell zu archivieren und sowohl für die Jetzt- als auch Nachwelt zugänglich zu machen. Ziel ist die Etablierung eines Dokumentationszentrums zur gegenwärtigen Vokalmusik und deren Ausübung, wie sie sich beispielhaft in den Aktivitäten von AuditivVokal Dresden niederschlägt. Das Dokumentationszentrum soll dabei nicht nur jene Werke und Produktionen enthalten, die sich der NDVS zuordnen lassen, sondern auch darüber hinausreichen.
Die Quellen werden vom Dokumentationszentrum Neue Dresdner Vokalschule archiviert und Interessierten vor Ort zugänglich gemacht. Grundsätzlich sollen die Materialien zudem digital und online, d. h. zeit- und ortsunabhängig, verfügbar sein.
Das Dokumentationszentrum will vor allem Dirigent*innen, Sänger*innen und Komponist*innen ansprechen, die sich über ein bestimmtes Werk oder AuditivVokal Dresden informieren wollen oder auf der Suche nach Inspiration sind. Gleichzeitig sollen aber auch Wissenschaftler*innen jeder Couleur und Disziplin erreicht werden, die zur zeitgenössischen Vokalmusik, Ensemblekunst und dergleichen arbeiten wollen.
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CD-Diskographie Digitales
Sonos Transcribenda
Firmamento estelar II
Ramón Gorigoitia
Da Vinci Classics, 2020
Ramón Gorigoitia
Released on: 2020-12-11
Auditivvokal Dresden
Ensemble Iberoamericano
Conductor: Olaf Katzer
Composer: Ramón Gorigoitia
Distant Song
Reiko Füting: distant song, 2018
New Focus Recordings
Released on: 2018-12-14
Art d‘Echo
AuditivVokal Dresden
Conductor: Olaf Katzer
Composer: Reiko Füting
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Annäherung an Petrarca
Gerald Eckert: Absence, 2020
Mode, Records Released on: 2020-04-03
AuditivVokal Dresden
ensemble reflexion K
Conductor: Olaf Katzer
Composer: Gerald Eckert
Kammermusik II (2014 – 2016)
„Sprachlos“ (2016)
Livemittschnitt Palais im Großen Garten Dresden 2016
Tonmeister: Max Pauls
AuditivVokal Dresden
Conductor: Olaf Katzer
Composer: Andreas F. Staffel
Contemporary Chamber Music 2
Contemporary Collection, Vol. 11, 2020
RMN Music
Recording Released on: 2020-03-25
Featuring works by Will Healy, Hao Zou, Will Frampton, Demian Rudel Rey, Chin Ting
Chan, Antonio Fraioli, and Richard Heller
K U N S T
kammermusik | text-klangkompositionen | elektronische musik
Producer: Dave Maler
© + by kreuzberg records, 2012
Verlag Neue Musik, Berlin
AuditivVokal Dresden
Conductor: Olaf Katzer
Composer: Susanne Stelzenbach
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Impressum
© Herausgeber: AuditivVokal Dresden
KunstAuditiv Dresden e.V.
Könneritzstraße 19
01067 Dresden
Bildnachweise:
DocWinkler: S. 22, 23, 25, 38, 51, 52
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Thomas Kujawinski: S. 36, 37
Volker Metzler: S. 30, 31
pdsci: S. 21
Astrid Solberg: S. 18
Nilz Boehme: S. 1, 2, 7, 14
Rafael Sampedro: S. 12
Nicole Meier: S. 11, 26, 32
Redaktion: Rico Stehfest, Nicole Meier, Olaf Katzer
Gestaltung: Thomas Pegel, sachenwerk
Druck: WIRmachenDRUCK GmbH
www.auditivvokal.de
Stand: Januar 2023
Änderungen vorbehalten!
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