2022
„Die Charmeoffensive 2
aus Elbflorenz“
Georg Beck, Deutschlandradio
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Inhalt
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Konzertüberblick
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Willkommen
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Programm
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AuditivVokal Dresden
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Wissenschaft und Forschung
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Neue Dresdner Vokalschule
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Spenden und Unterstützung
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CD-Diskographie
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Partner, Förderer, Netzwerke
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Team, Kontakt
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Konzertüberblick
2022
Aufgrund der aktuellen Lage kann es zu kurzfristigen Terminänderungen kommen. Bitte informieren Sie sich auch auf www.auditivvokal.de
22.1./25.1./30.1./ 2.2./9.2.
Die andere Frau Musiktheater
Seite 14
Schlachthof 5 – konzertant Musiktheater
Seite 16
Musikrevolution Sinfoniekonzert
Seite 18
Konzertreise
Seite 19
KI | Cartography of Voice Emotions Gesprächskonzert
Seite 20
Kompositionswerkstatt
Seite 22
Semperoper Dresden
13.2.
HELLERAU Dresden
26.3./27.3.2
Philharmonie Dresden
1.4.-5.4. Rumänien
28.4.
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
2.5. – 6.5. Dresden
25.5.
Hochschule für Musik Dresden
26.5./27.5./28.5. N.N., Leipzig, Dresden
3.8.
St. Franziskus Schwäbisch-Gmünd
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Chaya Czernowin Gesprächskonzert
Verehrungsklänge Jubiläumskonzert
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Vision Europa Konzert
Seite 26
28.8./30.8./1.9. Markuskirche Chemnitz
5.9.
Kunstfest Weimar
16.9./17.9./18.9. Konzerthalle Magdeburg
9.10./10.10.
Stadtkirche St. Marien Weißenfels, Dresden
19.10./21.10.
Leonhardi-Museum Dresden, Alte Feuerwache Köln
31.10.
Museum Kirche zum Heiligen Kreuz Zittau
5.11./6.11./12.11./13.11. Auferstehungskirche Dresden, Schloss kirche Chemnitz, Konzerthalle Magdeburg
12.12.
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Repertoire
Staatsschauspiel Dresden
Konferenz der Kinder Familienkonzert
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Autotune para el pueblo Performancekonzert
Mechthild Musiktheater
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Darum: Wir leben Konzert
Seite 33
Ecos Australes Gesprächskonzert
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O süsses Lied, o Lustgeschrey! Konzert
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„Hast Du Töne? – Wir schon!“ Konzert
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Fake Voices – eine musikalische Analyse Konzert
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Die rechtschaffenen Mörder Schauspiel
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Willkommen Olaf Katzer in „SchützRaum – ein musikalisches Äthernettheater“ Konzertsaal HfM Dresden, 2020
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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, uns Auditiven geht es auch im Jahr 2022 um das große Ganze: „Darum: Wir leben“ ist eine kurze Sentenz aus Heinrich-Schütz´ „Musikalischen Exequien“, die wir für das Heinrich Schütz Musikfest neu interpretieren werden. Die Topoi um Leben, Tod, Trauer und die Vorstellung um ein ewiges Leben werden wir dabei zusammen mit den spanischen Komponisten José María Sanchéz-Verdú und Alberto Arroyo sowie einer Stipendiatin, die – wie einst Schütz in jungen Jahren in Venedig - bei uns in Dresden ein Kompositionsstipendium bekommen wird, neu beleuchten. Die Vertonung eines ewigen Lichtes wird uns dabei schon im Frühjahr in zwei Konzerten mit der Dresdner Philharmonie beschäftigen: Neben dem Klassiker „Lux aeterna“ von Györgi Ligeti widmen wir uns dem über allen Zeiten schwebenden Nicolas Gomberts „Media vita“. Schütz komponierte in Dankbarkeit zu seinem Förderer Moritz, Landgraf von Hessen, mit seinen italienischen Madrigalen „Verehrungsklänge“ – dies haben wir zum Anlass genommen, im 15. Jahr unseres Bestehens beim Deutschen Chorfest Leipzig verehrende Klänge zum Klingen zu bringen und prominente Menschen mit runden Geburtsoder Todestagen zu feiern: Das sind Heinrich Schütz, der sorbische Komponist Korla
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Awgust Kocor, Iannis Xenakis und der große Stimmforscher des 20. Jahrhunderts Alfred Wolfsohn. Und wir verehren auch unser Heimatland Sachsen. Mit vier Uraufführungen wollen wir den ästhetischen Wert und die künstlerischen Potenziale der sächsischen Dialekte und Intonationen erlebbar machen. Europa braucht heutzutage neue und mehr Ideen für bessere Verbundenheit denn je. Neben dem Programm „Vision Europa“, das wir für das Kirchenmusikfestival Schwäbisch-Gmünd entwickelt haben und und in dem es eine Neuvertonung des Friedrich Schiller Gedichtes „An die Freude“ von Vladimir Rannev zu entdecken gibt, werden wir auch Osteuropa bereisen und beim Festival Cluj Modern einen musikalischen Dialog mit rumänischen Werken auf Europa führen. In Dresden führen wir am Staatsschauspiel mit „Die rechtschaffenen Mörder“ die Aufarbeitung der Auswirkungen innerdeutschen Ost-West-Verhältnisses weiter und nicht zuletzt beschäftigen wir uns mit der europäischen Kolonial-Geschichte: So hat diese unter anderem auch zum Verschwinden von indigenen, chilenischen Sprachen geführt. In einer Produktion u.a. für den Deutschlandfunk Köln spüren wir diesen Sprachen mit mehreren Uraufführungen nach.
Apropos Geschichte: Spätestens seit „Schlachthof 5“ wissen wir, dass jederzeit alle Zeit ist. Die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft können Sie im Februar in der genialen Vertonung von Vladimir Rannev im Festspielhaus Hellerau ein weiteres Mal erleben, diesmal in einer eigens entwickelten halbszenischen Fassung im Konzertdesign. Und auch die Geschichte der Mechthild von Magdeburg bekommt eine besondere Aufmerksamkeit mit der Uraufführung & CD-Aufnahme eines neuen Werkes von Reiko Füting, mit der wir die erfolgreiche Zusammenarbeit am Gesellschaftshaus Magdeburg aus dem Jahr 2018 fortsetzen. Die unentdeckten Weiten der kompositorischen Zukunft haben auch in diesem Jahr ein besonderes Gewicht. Nicht nur in der Wiederaufnahme der „Konferenz der Kinder“ von Arne Gieshoff, sondern auch mit zwei Kompositionswerkstätten unterstreichen wir unser Engagement für den sängerischen und kompositorischen Nachwuchs: Einmal für Kinder und Jugendliche im Rahmen einer Produktion für die Kinderkomponistenklasse Sachsen, zum zweiten für Studierende im Rahmen einer Kompositionswerkstatt für das Heinrich Schütz Musikfest.
können. Aber auch deswegen pflegen wir schon seit Anbeginn unseres Bestehens einen intensiven interdisziplinären Ansatz. Wir freuen uns daher umso mehr, dass wir unser Team um unsere Ensemblepsychologin Prof. Dr. Maja Dshemuchadse erweitern konnten. Sie wird bei der Kompositionswerkstatt wie auch beim KI – Carthography of Voice Emotions – Projekt aktiv mitwirken und begleitet darüberhinaus unsere allgemeine künstlerische Arbeit. Lassen Sie sich von uns inspirieren und begeistern! Wir geben alles, damit wir Ihr Leben bereichern können. Herzliche Grüße im Namen aller Auditiven,
Ihr Olaf Katzer Künstlerischer Leiter AuditivVokal Dresden
Gegenwärtige 15 Jahre AuditivVokal Dresden bedeuten künstlerisch immer alles zu geben, erst recht in der nach wie vor sehr herausforderungsvollen Corona-Lage. Wir danken daher herzlich allen unseren Förderern und Unterstützern, ohne die unsere künstlerische Arbeit in diesen schwierigen Zeiten nicht möglich wäre. Wir werden auch in diesem Jahr nicht alle großen Fragen künstlerisch beantworten
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Programm Foto aus „KASSANDRA | Zunge: reißen“ HELLERAU, 2021
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Die andere Frau (UA) Musiktheater in zehn Szenen Torsten Rasch Libretto von Helmut Krausser AuditivVokal Dresden, 8er Besetzung 22. Januar 2022, 19.00 Uhr UA 25. Januar 2022, 19.00 Uhr 30. Januar 2022, 19.00 Uhr 02. Februar 2022, 19.00 Uhr 09. Februar 2022, 19.00 Uhr Semperoper Dresden – Sächsische Staatsoper Dresden
Im Auftrag der Semperoper hat der Komponist Torsten Rasch gemeinsam mit dem Schriftsteller Helmut Krausser aus der biblischen Geschichte von Abram und seiner Frau Sarai ein Musiktheaterwerk entwickelt. »Die andere Frau« erzählt die Dreiecksgeschichte um die »Leihmutter« Hagar, die nach der Geburt von Sarais Sohn Isaak doch verstoßen wird. Die biblische Geschichte steht für die Entstehung der drei monotheistischen Weltreligionen, für Krieg und Frieden, Hass, Heimatverlust, Liebe und Toleranz. Torsten Rasch bezieht in seine Komposition frühe babylonische Textfragmente ein und öffnet mit Passagen für die iranische Sängerin Sussan Deyhim ein Fenster in eine ganz andere Musikkultur. Ursprünglich für die Spielzeit 2019/20 geplant, bringt die Semperoper »Die andere Frau« nun endlich auf die Bühne und lädt ihr Publikum an einen ungewöhnlichen Ort ein: Opernhandlung und Zuschauer finden gemeinsam auf der Bühne der Semperoper ihren Platz. Der Zuschauerraum wird Teil der Bühnenhandlung und erlaubt dem Publikum einen veränderten Blickwinkel auf seinen angestammten Platz.
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Handlung: Abram und seine Frau Sarai sind auf der Flucht vor Krieg und Hungersnot. In Ägypten, wo sie Zuflucht gefunden hatten, musste Sarai sich als Abrams Schwester ausgeben, um ihn zu schützen. Doch er hat sie nicht vor den ägyptischen Männern beschützt. Nun kann sie keine Kinder mehr bekommen. Sarai ist verbittert, doch Abram vertraut weiter auf Gott, der ihm eine segensreiche Zukunft im »gelobten Land« Kanaan verheißen hat. Da Sarai weiß, dass Abram für diese Zukunft eine Dynastie begründen muss, schlägt sie ihm vor, mit der jungen Sklavin Hagar ein Kind zu bekommen und dieses Kind als Erben großzuziehen. Abram, stolz auf seine Männ-
lichkeit und durchdrungen von der Idee, ein Auserwählter Gottes zu sein, befielt Hagar, sich ihm hinzugeben und sein Kind auszutragen. Doch aus Eifersucht bereut Sarai ihren Plan schon bald. Ihre Eifersucht wächst, als Hagar schwanger wird. Hagar fürchtet um ihr Leben und will in die Wüste fliehen. Doch dort erscheint ihr ein Engel, der sie zum Bleiben bewegt und ihr den Namen des Sohnes verkündet: Ismael. Sarai sieht ihre Stellung als Ehefrau Abrams immer mehr in Frage gestellt und weigert sich, das Kind anzuerkennen. Sie will die Nebenfrau Hagar fortjagen, sobald diese ihre Aufgabe als Leihmutter erfüllt hat. Als Abram die Nachricht von der Zerstörung der Städte Sodom und Gomorrha erhält, reagiert Sarai hartherzig und ohne Mit-
gefühl. Da erscheinen drei geheimnisvolle Gäste – in Wahrheit drei Engel –, die Sarai prophezeien, dass sie doch noch einen Sohn bekommen wird: Isaak. Sarai triumphiert über Hagar, die vergeblich darauf hinweist, dass Ismael Abrams erstgeborener Sohn ist. Sie fordert von Abram, Hagar zu töten, um die Konkurrenz der beiden Frauen und der beiden Söhne zu beenden. Doch Abram weigert sich, einen Mord zu begehen und unterwirft sich dem Willen Gottes. Vorgeblich um sie zu schützen, schenkt er Hagar die Freiheit und fordert sie auf, schnellstens zu fliehen. Hagar durchschaut Abrams feige Entscheidung und zieht mit ihrem Sohn in die Wüste. Die drei Engel prophezeien, dass beide Söhne überleben und zu Gründungsfiguren von zwei Weltreligionen werden.
Foto aus „KASSANDRA | Zunge: reißen“ HELLERAU, 2021
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SCHLACHTHOF 5 – konzertant Musiktheater Vladimir Rannev nach dem Roman von Kurt Vonnegut Libretto von Johannes Kirsten Musikalischer Prolog Herbert-Baum-Gruppe zum Gedenken George Dreyfus AuditivVokal Dresden, 9er Besetzung Wolf-Dieter Gööck, Schauspieler Olaf Katzer, Konzertdesign 13. Februar 2022, 14.00 Uhr 13. Februar 2022, 20.00 Uhr HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste Im Rahmen der Gedenkwoche 13. Februar
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„Schlachthof 5“ ist der Titel eines 1969 erschienenen Romans von Kurt Vonnegut. Im Jahr 1922 geboren in Indianapolis (USA), meldet sich Vonnegut im Alter von 21 Jahren freiwillig zum Militärdienst. 1944 gerät er in Kriegsgefangenschaft und wird nach Dresden gebracht. In den Kellern des Schlachthof 5 überlebt er die schweren Bombenangriffe, die in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 auf Dresden erfolgen. Jahrelang sucht Vonnegut einen Weg, das Erlebte festzuhalten. Als er 1969 schließlich „Schlachthof 5“ veröffentlicht, wird der Autor schlagartig berühmt, sein Roman wird ein Bestseller und avanciert zum Kultbuch der Vietnamkriegsgegner. Der Text ist Collage, Satire, Biografie, Science Fiction und alles zugleich: Fragmentarisch-ausschnitthaft wandert die Romanerzählung durch unterschiedliche Zeitebenen und lässt persönliche Erfahrung und Erlebtes mit Fiktion und Phantasiertem zusammenlaufen. „Schlachthof 5“ thematisiert nicht nur die Bombennacht von Dresden, sondern ist gleichsam Reflektion über Möglichkeiten des Erinnerns und Festhaltens von Erfahrungen. Wie erinnern wir Kriegsgeschehnisse? Welche Erfahrungen werden Teil unseres kulturellen Gedächtnisses? Wie wird Geschichte (neu)geschrieben? Auch 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist der Stoff aktuell: Immer wieder vereinnahmen (neo)nationalistische und rechtspopulistische Gruppierungen den Bombenangriff für ihre Zwecke. Beständig wird an dem „Mythos Dresden“ fortgeschrieben, wird aktuelle Politik mit der Vergangenheit legitimiert. Bereits zu NS- und DDR-Zeiten waren die Geschehnisse der Bombennacht zum Spielball einer wechselvollen Instrumentalisierung durch unterschiedliche politische Akteure und Lager geworden.
Foto aus „Schlachthof 5“ HELLERAU, 2020
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Musikrevolution Sinfoniekonzert Werke von Nicolas Gombert, György Ligeti, Rebecca Saunders, Igor Strawinski Jonathan Nott, Dirigent Nicolas Hodges, Klavier Dresdner Philharmonie AuditivVokal Dresden, 16er Besetzung 26. März 2022, 19.30 Uhr 27. März 2022, 11.00 Uhr Dresdner Philharmonie, Kulturpalast
Nicolas Gombert „Media vita“ für 6-stimmiges gemischtes Vokalensemble Rebecca Saunders „To An Utterance“ für Klavier und Orchester György Ligeti Lux aeterna für 16-stimmiges gemischtes Vokalensemble a cappella Igor Strawinski „Le sacre du printemps“ Das Frühlingsopfer. Bilder aus dem heidnischen Russland in zwei Teilen
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Mit dem Thema, den Tod als eine Schwelle des Übergangs zu etwas Neuem zu begreifen, bringt AuditivVokal zwei besondere vokale Akzente in das sinfonische Programm „Revolution“ der Dresdner Philharmonie. „Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen“ spricht der Text des von kontinuierlichen Klängen getragene „Media vita“ von Nicolas Gombert (ca. 1495–1560) und ist eine Bitte um die Erlösung vom Tod. Gomberts Motette erscheint damit wie ein älteres Gegenstück zu Ligetis ikonisch gewordenem Vokalwerk „Lux Aeterna“, das in seinen sich langsam verschiebenden Klangflächen ein Bild ewigen Lebens beschwört. Nicolas Gombert gilt in der Vokalmusik des 16. Jahrhunderts als großer Meister des Kontrapunkts, der den durchimitierten Satz, bei dem die musikalischen Motive durch alle Stimmen wandern, zur Vollendung brachte. Das sechsstimmige „Media Vita“ zeigt seine Fähigkeit, einen ununterbrochenen Satzverlauf, in dem sich Melodien und Klangbewegungen überlagern, plastisch und mit großer Ausdruckskraft zu gestalten und durch rhythmische und harmonische Spannungen eine Sogwirkung im Klang zu entwickeln. Der Stil von Gombert steht in einer Tradition, die Ligeti in seinen eigenen Kompositionen stark beeinflusste. Sein „Lux Aeterna“ aus dem Jahr 1966 verarbeitet den letzten Text der lateinischen Totenmesse und ergänzt damit sein im Jahr zuvor abgeschlossenen Requiem, das nur die ersten Teile der traditionellen Totenmesse enthält. Dadurch, dass das von langen Noten bestimmte Stück akzentlos gesungen wird und die Stimmen nicht zugleich ihre Lage ändern, entstehen sich kontinuierlich wandelnde Klangflächen, deren Konsistenzveränderungen bewegte und weite Panoramen von Licht und Dunkel entstehen lassen.
Konzertreise nach Rumänien Eine musikalische Begegnung deutscher und rumänischer Komponist*innen Werke von Gerhard Stäbler, Gabriel Iranyi, Susanne Stelzenbach, Friedrich Goldmann, Joong-Hoon Kang, Iulia CibișescuDuran, Gabriel Mălăncioiu, Adrian Pop AuditivVokal Dresden, 6er Besetzung 01. April bis 05. April 2022 Festivalul Cluj Modern – Cluj-Napoca
Alle zwei Jahre, mitten im Frühling, wird das Cluj Modern Festival für eine Woche zum Mittelpunkt des zeitgenössischen rumänischen Musiklebens. Zum ersten Mal ist in diesem Jahr auch AuditivVokal Dresden zur Biennale Cluj Modern eingeladen. In Zusammenarbeit mit dem deutsch-rumänischen Komponisten Gabriel Iranyi wurde ein Konzertprogramm entwickelt, in dem deutsche und rumänische Werke von Komponisten wie Gabriel Mălăncioiu, Adrian Pop und Susanne Stelzenbach aufgeführt werden. AuditivVokal Dresden freut sich auf den Besuch einer Kulturlandschaft, die in ihrer vielfältigen Gegenwärtigkeit verschiedenster Einflüsse aus rumänischen, ungarischen, jüdischen, siebenbürgisch-sächsischen, Sinti und Roma geprägten Wurzeln im 20. Jahrhundert Einfluss auf die Musikgeschichte nahm und mit Cluj auch heute eines der europäischen Zentren zeitgenössischer Musik stellt.
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KI | Cartography of Voice Emotions (UA) Werke von Alberto Arroyo, Tobias Schick, Michael Edward Edgerton, Amer Ali, Jan Heinke AuditivVokal Dresden, 10er Besetzung 28. April 2022, 19.00 Uhr Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Die Sorge, dass vielleicht einst Maschinen den Menschen unnütz machen oder „beherrschen“ werden, ist alt und gewinnt insbesondere bei Jugendlichen angesichts der Fortschritte lernfähiger Computerprogramme neue Aktualität. Der Informationsphilosoph Floridi spricht von einer 4. Revolution, wo es scheint, dass die Maschinen intelligenter sind, als wir. Vor dem Hintergrund der KI-Ausstellung folgt AuditivVokal Dresden der Idee, als Antwort auf diese Herausforderung solche Seiten von Intelligenz zu betonen, die im Wesentlichen lebendig und menschlich sind. Auf dem Programm stehen ein Werk von Alberto Arroyo, das sich dem emotionalen Leben als eigener Dimension von Intelligenz widmet und eines von Tobias Schick, das durch eine „künstliche“ Rahmenverschiebung intelligente Lernprozesse provoziert. Oscar Wilde äußert 1891 in einem Brief: „Kunst ist nutzlos, weil ihr Ziel einfach darin besteht, eine Stimmung zu erzeugen. Sie ist nicht dazu gedacht, in irgendeiner Weise zu belehren oder zur Handlung zu verführen.“ Dieses Zitat könnte Motto sein für Alberto Arroyos „Mythos der Freude“, der sich anhand eines moral- und lehrefreien Prosatextes mit Stimmungen und Emotionen beschäftigt. Auf Basis einer
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Ensemblearbeit mit Maja Dshemuchadse zur Vielfalt persönlicher Affekttönungen und stimmlicher Ausdrucksmöglichkeiten sowie einer grotesken Göttererzählung entstand ein Werk, in dem eine Vielzahl von Stimmungen und Emotionen musikalische Gestalt erlangt und Hörer entsprechend „anstecken“ will. Arroyo greift auf barocke Ansätze zurück, nach denen bestimmte Affekte durch definierbare musikalische Figurentypen hervorgerufen werden. Analog zur Rechenmaschine Pascals, die Denkprozesse auf eine Maschine überträgt, ist eine frühbarocke „Vermessung des Seelenlebens“ eine Kulturtechnik des „Outsourcings“ von Gefühlstriggern. Damit entsteht
eine Dialektik zwischen Selbstwirksamkeit und Manipulierbarkeit des emotional intelligenten Lebens. In der Uraufführung von Tobias Schicks Werk „Inkonsequenza für virtuelles Ensemble“ kann Musik etwas von der Wirklichkeit bewusst machen, indem sie hörbar macht, wie die Deutung der Wirklichkeit von kulturell, gesellschaftlich und biographischen vorgebildeten Deutungsmustern beeinflusst wird. Sie verweist damit auf einen erweiterten Begriff von „Intelligenz“, der über die Fähigkeit zur möglichst effizienten Problemlösung hinaus darauf zielt, sich in neuen Situationen zurechtfinden zu können
und um die Ecke zu denken. „Inkonsequenza für virtuelles Ensemble“ wurde als instrumentales Werk konzipiert, wird jedoch von einem Vokalensemble realisiert. Darin finden typisch instrumentale Gesten, Texturen und Klangsituationen Verwendung und werden auf die Stimmen übertragen. Dadurch werden die Konsequenzen der experimentellen Rahmenverschiebung für die menschliche Wahrnehmung anschaulich gemacht: Wie anders klingt ein virtuelles Instrumentalensemble als ein tatsächliches Instrumentalensemble? Wie klingt aber das virtuelle Instrumentalensemble auch anders, als als man es erwartet?
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Kompositionswerkstatt im Auftrag des mitteldeutschen Heinrich Schütz Musikfestes Schütz22 Das genaue Programm der Kompositionswerkstatt entnehmen Sie bitte unserer Website www.auditivvokal.de ab dem 15. April 2022 02. – 06. Mai 2022 in und um Dresden
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Foto aus einer Arbeitsprobe, VILLA WIGMAN, 2021
Heinrich Schütz gilt im als wichtigster Überbringer italienischen Frühbarocks nach Deutschland. Die Stilsicherheit, Reichhaltigkeit und Würde seiner imposanten Klangsprache machte ihn zur führenden Stimme der Musikwelt. Ihm gelang es wie wenigen der großen Komponisten abendländischer Tradition, existenziellen Themen, die den Lebensrahmen betreffen, einen musikalischen Tonfall zu geben, der öffentlichkeitstaugliche Rhetorik mit subjektiver Intimität und Erlebnistiefe zu verbinden vermag. Schütz als Meister einer Stilsynthese von großer gestischer Dichte und Ausdruckstiefe soll nun in neuen, zeitgenössischen und intermedialen Kontexten bearbeitet und verstanden werden. Ziel ist es, in einem mehrstufigen Prozess im Zusammenspiel von jungen Komponist*innen, interdisziplinären Impulsen durch Werkstattreferent*innen mit AuditivVokal Dresden drei neue Vokalwerke im Oktober 2022 im Rahmen des Heinrich Schütz Musikfests und des Themenjahres Schütz22 zur Uraufführung zu bringen. Die neuen Werke sollen eine künstlerische Auseinandersetzung mit Leben und/oder Werk von Heinrich Schütz umfassen. Das Leitthema der Komponistenehrung ist: WEIL ICH LEBE. Dieses Motto wird auch der Bezugsrahmen für die Komponist*innenwerkstatt. Bei der kompositorischen Entwicklung werden die Komponist*innen im Dialog und Austausch mit anderen Disziplinen wie der Psychologie (Prof. Dr. Maja Dshemuchadse), der Philosophie (Dr. Friedrich Hausen) und der Musikwissenschaft (Prof. Dr. Michael Heinemann) treten und die Erkenntnisse in ihr neues Werk einfließen lassen. Vorträge, Round-Tables, Workshops und Proben für die Öffentlichkeit finden unter anderen mit Charlotte Seither, Mark André, Stefan Prins, Jörn Peter Hiekel, Kompositionsstudierenden und der Kinderkomponistenklasse statt.
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Verehrungsklänge Jubiläumskonzerte zu 15 Jahre AuditivVokal Dresden Werke von Heinrich Schütz, Chaya Czernowin, Korla Awgust Kocor, Alberto Arroyo (UA), Iannis Xenakis, Peer Baierlein (UA), Johannes Brahms, Richard Röbel (UA), Manuel Hidalgo, Johannes Ockeghem AuditivVokal Dresden 26. Mai 2022, N.N. 27. Mai 2022, 19.00 Uhr, Peterskirche Leipzig im Rahmen des Deutschen Chorfestes 28. Mai 2022, 18.00 Uhr, SLUB Dresden
„Weites Meer, dem Busen Harmonien sich verfugen, von Hoheit und Tugendglanz tönt Lob der Winde. Solche Verehrungsklänge meine Muse dir künde.“ Heinrich Schütz
AuditivVokal Dresden feiert nicht nur sein eigenes 15jähriges Jubiläum, sondern folgt mit den „Verehrungsklängen“ einer programmatischen Idee, die die Ensemblearbeit ohnehin seit Jahren begleitet: So werden seit Beginn teils vergessene Werke der Alten Musik zur Aufführung gebracht sowie neue Kompositionen, die sich mit diesen älteren Werken auseinandersetzen. Da jede kulturelle Blüte ein eigenes Wissen, eigene Fähigkeiten und Tugenden begünstigt und hervorbringt, die später kaum auf demselben Niveau zu wiederholen sind, stehen ältere Kulturleistungen und Kunstwerke wie Spuren älterer Weisheit und Quellen der Inspiration, die uns entscheidende Hinweise unserer heutigen Orientierung geben können. Jubiläen und historische Gedenktage haben ihren Ursprung im religiösen Fest. Spezifische Gestaltungsformen des religiösen Feierns leben in ihnen auch noch in säkularisierter Form weiter. Religiöse Feste bilden eine rituelle Sprache emotionaler Kommunikation. Mit unserem Projekt „Verehrungsklänge“ möchten auch wir Angebote eines solchen emotionalen Erlebens und Nachvollziehens von Geschichte unterbreiten, indem wir verschiedene Jubiläen in einem Projekt vereinen. Neben Entdeckungen Alter Musik und Klassikern wie Iannis Xenakis „Nuits“ werden Uraufführungen zu sächsischen Dialekten zu erleben sein. 15. Geburtstag von AuditivVokal Dresden 60. Todestag von Alfred Wolfsohn 100. Geburtstag von Iannis Xenakis 125. Todestag von Johannes Brahms 200. Geburtstag von Korla Awgust Kocor 350. Todestag von Heinrich Schütz 525. Todestag von Johannes Ockeghem
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Vision Europa Werke von Stefan Beyer, Manuel Hidalgo, Vladimir Rannev (UA), Richard Röbel, Harald Muenz, Friedrich Goldmann, John Cage Texte von Falk Richter AuditivVokal Dresden, 12er Besetzung 03. August 2022, 20.00 Uhr St. Franziskus, Festival Europäischer Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd
Zum ersten Mal ist AuditivVokal Dresden beim Festival Europäischer Kirchenmusik in Schwäbisch-Gmünd zu Gast. Das jährlich stattfindende Festival will wesentliche Themen für den Menschen thematisieren. Die programmatische Ausrichtung orientiert sich dieses Jahr an dem Thema „Vision Europa“. Eigens für das diesjährige Festivalthema wurde das Programm „Vision Europa“ entwickelt und beinhaltet Werke aus den Produktionen „Vox populi. Der Klang der Demokratie“ (2017) „Vokalmusik für einen europäischen Dialog“ (2019) sowie die Uraufführung von Vladimir Rannevs „An die Freude“ (2020). In den letzten Jahren stehen Merkmale europäischen Lebens wie demokratische Kultur, relativ flache Hierarchien, gewachsene Vielfalt und ziviles Engagement auf dem Prüfstand. Mit einem Neuerstarken despotischer Herrschaftsformen und dem Aufstieg Chinas und dessen prägender Kraft in der Weltwirtschaft erhält die europäische Zivilgesellschaft starke Konkurrenz. Unter Coronabedingungen spitzen sich Polarisierungen zu, die vor allem auch unser Demokratieverständnis betreffen. Mit dem Motto „Vision Europa“ wird dazu eingeladen, musikalische Vergegenwärtigungen kultureller Wurzeln und Möglichkeiten Europas zu erleben.
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Foto aus „SchützRaum – ein musikalisches Äthernettheater“ Konzertsaal HfM Dresden, 2020
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Konferenz der Kinder Eine Produktion von KlangNetz Dresden e. V. Arne Gieshoff Libretto von Alexander Gruber Elisabeth Holmer, Künstlerische Leitung Olaf Katzer, Musikalische Leitung Wolfgang Lessing, Pädagogische Leitung AuditivVokal Dresden, 8er Besetzung 28. August 2022, 17.00 Uhr 30. August 2022, 11.00 Uhr 01. September 2022, 11.00 Uhr Markuskirche Chemnitz »Die Konferenz der Kinder« ist ein großangelegtes Chorprojekt für Kinder- und Profimusiker, das als freie Nacherzählung von Erich Kästners Werk »Die Konferenz der Tiere« konzipiert ist. Kästners leidenschaftlicher Appell für den Schutz unserer Kinder gegen Gewalt, Krieg und Intoleranz ist aktueller denn je. Das Projekt transferiert die erfolgreiche Produktion aus dem Jahr 2019 nach Chemnitz und erarbeitet das Werk dort mit Schüler*innen neu.
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Mechthild (UA) Musiktheater Reiko Füting Libretto von Christian Lehnert AuditivVokal Dresden, 8er Besetzung 16. September 2022, 19.00 Uhr UA 17. September 2022, 19.00 Uhr 18. September 2022, 19.00 Uhr Konzerthalle Georg Philipp Telemann Magdeburg
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Die Komposition ist eine Komposition für den Raum des mittelalterlichen Gebäudes und für den Raum der Sprache des Librettos // Der KlangRaum der Sprache wird erweitert durch den Klang-Raum der Instrumente und durch Klang-Räume von Musik aus der Zeit, in der Mechthild von Magdeburg lebte // Für die Wiedereröffnung der Konzerthalle
in Magdeburg // einem Gebäude des 11. Jahrhunderts // über Mechthild von Magdeburg, die christliche Mystikerin des 13. Jahrhunderts // basierend auf einem Libretto von Christian Lehnert // inspiriert vom Genre des Mysterienspiels // sich mit dem Platz des Glaubens in unserer Zeit auseinandersetzend // inszeniert von Thomas Schmidt-Ehrenberg //
für zwei Sängerinnen, z w e i Tä n z e r i n n e n , eine Sprecherin // Vo k a l o k te t t u n d Instrumentalquintett // dazu ein Positiv // musikalisch geleitet vo n O l a f K a t ze r / / choreographiert von Miro Magloire // mit live-Malerei von Helge Leiberg // umrahmt von Installationen im Kunstmuseum und im Skulpturenpark // mit elektronischen Klängen von Oliver Schneller
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Darum: Wir leben (UA) Heinrich Schütz’ Musikalische Exequien neu interpretiert AuditivVokal Dresden, 11er Besetzung 09. Oktober 2022 Stadtkirche St. Marien Weißenfels 10. Oktober 2022 Dresden
Im Jahr 2022 wird weltweit der 350. Todestag von Heinrich Schütz gefeiert. AuditivVokal Dresden wird im Auftrag des mitteldeutschen Heinrich Schütz Musikfestes und SCHÜTZ22 aus diesem Anlass die „Musikalischen Exequien“ in Zusammenarbeit mit drei Komponist*innen neu beleuchten und in seinen musikalischen, geistlichen und räumlichen Dimensionen neu interpretieren: die Exequien werden dabei in drei Teilen mit drei neuen Kompositionen verwoben, so dass ein ergreifendes neues Werk aus Alt & Neu entsteht. Als Komponisten konnten die beiden spanischen Persönlichkeiten José María Sánchez-Verdú (*1968) und Alberto Arroyo (*1989) gewonnen werden, die mit einer bei einem internationalen Wettbewerb noch auszuwählenden neuen Komponistin inhaltlich korrespondierend gemeinsam das neue Werk erschaffen werden. Inhaltlich-dramaturgisch spielen die Topoi des Todes, der Trauer, aber auch der Vorstellung eines ewigen Lebens eine maßgebliche Rolle bei der Neu-Vertonung. Aus dem musikalischen Blickwinkel der Weiterentwicklung einer heutigen Affektenlehre und zeitgenössischen Wort-Ton-Beziehung soll ein aktueller Zugang für eine neue Erlebnisqualität der “Musikalischen Exequien” gewonnen werden: „Darum: Wir leben“.
Foto aus „in allem Frieden“, Militärhistorisches Museum Dresden, 2018
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Ecos Australes Werke von Pablo Galaz (UA), Carina Contreras (UA), Boris Alvarado (UA), Rafael Diaz, Ramón Gorigoitía, Eduardo Caceres AuditivVokal Dresden, 8er Besetzung 19. Oktober 2022, 19.00 Uhr Leonhardi-Museum Dresden 21. Oktober 2022, 19.00 Uhr Alte Feuerwache Köln
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Ausgehend von der Südamerika-Tournée, bei der AuditivVokal Dresden im Jahr 2016 auch Chile bereiste, entsteht zusammen mit Ramón Gorigoitía das Programm „Ecos Australes“, in dem sich AuditivVokal Dresden den chilenischen Ursprachen widmen wird. Das Projekt Ecos Australes hat die Absicht, kulturellen Errungenschaften der Urvölker Chiles durch den Filter der Kunst neue Präsenz zu geben. Der Nachhall der ausgerotteten Völker wie Selknam, Kaweshkar oder Yamana und die unendlichen Weiten des Südens, die sie einst bevölkerten, sollen ebenso neue Resonanzräume finden wie auch die kulturellen Stimmen jener einst selbstbestimmten Völker, die durch die synkretistisch zusammengesetzte Gesellschaft Chiles unterworfen und angepasst wurden wie Mapuche, Aymara oder Quechua. Das geistige Erbe dieser Kulturen soll neu belebt werden, um ihre essentielle andine Kosmovision wieder zu erwecken und deren inspirierendem Potenzial eine Stimme in unserer modernen Öffentlichkeit zu geben. Durch die Erschaffung von neuen Werken für Stimmen, die sich aus dem Fundus der Sprachen der Urkulturen nähren, sowie aus ihren Riten, Zeremonien und Traditionen, entstehen individuell entwickelte Klangvorstellungen, die uns ihr historisches Vermächtnis näherbringen.
Foto von der Südamerika Konzertreise, Valparaíso, 2016
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O süsses Lied, o Lustgeschrey! Konzertprogramm im Rahmen der Hammerschmidt-Ehrung 2022 Werke von Andreas Hammerschmidt, Claude Vivier, Friedrich Goldmann, Gerhard Stäbler, Rudolf Mauersberger, Manuel Hidalgo AuditivVokal Dresden, 8er Besetzung 31. Oktober 2022, 18.00 Uhr Museum Kirche zum Heiligen Kreuz Zittau
Mehr als drei Jahrzehnte lang wirkte Andreas Hammerschmidt in Zittau – Grund genug für die Stadt, diesen großen Musiker und Komponisten des 17. Jahrhunderts zu ehren. Die Erinnerungskultur ist ein wertvoller Bestandteil unserer Identität. Wir erinnern uns darin an prägende Ereignisse und an unsere geistigen Vorfahren, vergegenwärtigen uns ihre Lebensbedingungen, ihre Herausforderungen, fruchtbare Leistungen sowie Wirkungsgeschichten. Mit dem Geschichtsbewusstsein wird – unter einer Schicht schnellen Wandels und abrupter Veränderungen – eine langsamere, ruhigere Verankerung der Perspektive auf das Jetzt möglich. Der sächsische Komponist und Organist Andreas Hammerschmidt (*1611, †1675), dessen 411. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, zählt zweifelsfrei dazu. Zittau war 36 Jahre lang der Lebensmittelpunkt von Hammerschmidt. AuditivVokal Dresden freut sich, die 7. Hammerschmidt-Ehrung am Reformationstag im Museum „Kirche zum Heiligen Kreuz Zittau“ musikalisch gestalten zu können. In diesem Konzert werden Werke von Hammerschmidt mit Kompositionen aus dem 20. Jahrhundert und unserer Tage kontrapunktiert.
Foto aus „Gedenkvesper zum 50. Todestag von Rudolf Mauersberger“ Loschwitzer Kirche, 2021
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„Hast Du Töne? – Wir schon!“ (UA) Neue Kompositionen für Orgel und Vokalensemble von Kindern und Jugendlichen der Komponisten klassen aus Dresden und Strasbourg AuditivVokal Dresden, 5er Besetzung 5. November 2022, 16.00 Uhr UA Auferstehungskirche Dresden-Plauen 6. November 2022, 16.00 Uhr Schlosskirche Chemnitz 12. November 2022, 17.00 Uhr 13. November 2022, 17.00 Uhr in Magdeburg im Rahmen des „Wochenendes der jungen Musik“ – Eine Veranstaltung des Musikalischen Kompetenzzentrums Sachsen-Anhalt
Was haben ein Komponist, der vor 350 Jahren verstorben ist und Nachwuchskünstler*innen von heute gemeinsam? Damals wie heute kommt man mit Begeisterung, Offenheit und Neugierde besser durch die Welt. Das gilt für Heinrich Schütz ebenso wie für die Schüler*innen der Komponistenklasse Dresden. Seit Gründung der Komponistenklasse Dresden 1982 durch Hans J. Wenzel werden hier komponierende Kinder und Jugendliche aus Dresden und dem sächsischen Raum gefördert. Über 600 Schülerkompositionen wurden seitdem von Profimusiker*innen in moderierten Familienkonzerten uraufgeführt. So wie der Europäer Heinrich Schütz die musikalischen Entwicklungen seiner Zeit förmlich in sich aufsog und daraus eine
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eigene, meisterhafte Tonsprache entwickelte, beschäftigen sich die Komponistenklassenschüler jedes Jahr intensiv mit Musik, Literatur und Kunst aller Epochen und setzen sich in ihren Stücken mit speziellen Themen, Gattungen und Instrumenten auseinander. Sie arbeiten mit jungen Kreativen aus anderen Sparten zusammen und pflegen den kulturellen Austausch mit jungen Künstler*innen aus der französischen Partnerstadt Strasbourg. Die Komponistenklasse Dresden begeht 2022 ihr 40-jähriges Bestehen. Auf Anregung der Initiatoren von SCHÜTZ22 steht zu diesem Anlass eine besondere Besetzung im Mittelpunkt. Unter Anleitung der Komponist*innen Silke Fraikin, Johannes Korndörfer und Annette Schlünz haben die Acht- bis 18-Jährigen erstmals Gelegenheit, für große Kirchenorgel und fünfstimmiges Vokalensemble zu komponieren. Den kreativen Austausch mit Kompositionsschülern aus Strasbourg fortsetzend, werden auch neue Stücke von Schülern aus der Eurometropole das Programm bereichern. Es erklingen ca. 15 Uraufführungen aus der Feder der jüngsten Komponist*innengeneration.
Foto aus „SchützRaum – ein musikalisches Äthernettheater“ Konzertsaal HfM Dresden, 2020
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Fake Voices – eine musikalische Analyse Werke von Hape Kerkeling, Alberto Arroyo (UA), Volker Sondermann, Manuel Hidalgo, Alfred Wolfsohn (Stimmanalyse) AuditivVokal Dresden, 12er Besetzung
Anläßlich der Sonderausstellung „Fake. Die ganze Wahrheit.“ im Deutschen Hygienemuseum entwickelt AuditivVokal Dresden eine Eigenproduktion mit diversen musikalischen Falschinformationen, Wahrheiten, Fälschungen, Lügen, Desinformationen und Falschmeldungen.
12. Dezember 2022, 19.00 Uhr Deutsches Hygiene-Museum Dresden
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Mit einer wachsenden Unübersichtlichkeit von Herrstellungsprozessen von Dingen und Informationen wachsen auch unbeobachtete Räume, die Täuschungen der Öffentlichkeit ermöglichen und damit auch berechtigte Zweifel an Echtheit und Wahrheit nähren. Die Sorge, einem Täuschungsversuch gegenüber zu stehen, wird durch einen gesteigerten Wettkampf in Wirtschaft, Wissenschaft und Liebesleben verstärkt, in dem in immer aufwendigere und ausgeklügeltere Werbestrategien investiert wird. Zugleich wachsen mit überfordernden Informationsfluten auch Projektionsflächen für Verschwörungs- und Erlösungsphantasien und entsprechend auch eine Anziehungskraft von „einfachen“ Parallelwelten „alternativen“ Wissens, mit ihren eindeutigen Verurteilungen und kraftvollen Heilsversprechungen. In einem Konzert, dass sich dem Fake widmet, verwenden Komponist*innen und Sänger*innen ihr künstlerisches Herstellungswissen, um Täuschungsformen, Fälschungsformen und ihre Effekte erlebbar zu machen.
Die rechtschaffenen Mörder Nach dem Roman von Ingo Schulze mit Musik von Peer Baierlein AuditivVokal Dresden, 5er Besetzung Repertoire-Produktion im Staatsschauspiel Dresden, Termine unter dem Monatsspielplan des Staatsschauspiel Dresden: www.staatsschauspiel-dresden.de oder unter: www.auditivvokal.de > Kalender
„Im Dresdner Stadtteil Blasewitz lebte einst ein Antiquar ...“ – Mit dieser fast märchenhaften Einleitung beginnt Ingo Schulzes neuer Roman, in dessen Zentrum die Geschichte des Buchhändlers Norbert Paulini steht. Dieser Paulini will nur eins: Ein Leser sein. Schritt für Schritt wird aus dem skurrilen jungen Mann ein angesehener Intellektueller, der mit seinen antiquarischen Büchern eine kleine geistige Elite in der DDR versorgt. Er gilt als berühmter Dissident, aber er lehnt es ab, sich in der Wendezeit mit Tagespolitik zu beschäftigen. In der neuen Wirklichkeit nach 1989 verarmt Paulini, denn nun sind alle Bücher frei auf dem Markt verfügbar. Der Antiquar fühlt sich von seinen Schützlingen verraten; er verbittert und nimmt zunehmend rechtsextreme Positionen ein...
„Eine Klasse für sich sind die Sänger von AuditivVokal Dresden. Teils in klassischer Harmonik, teils gekonnt dissonant gehen sie eigenständig über filmähnliche akustische Illustration hinaus und schaffen permanent eine schwebende, fragende, unaufgelöste Sphäre.“ Michael Bartsch, 31.10.2021, nachtkritik.de
Foto nächste Seite aus „Die rechtschaffenen Mörder“ Staatsschauspiel Dresden, 2021
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AuditivVokal Dresden
AuditivVokal Dresden wurde 2007 durch den Dirigenten Olaf Katzer gegründet und avancierte in kurzer Zeit zu einem der profiliertesten Vokalensembles der Gegenwartsmusik. Im Mittelpunkt der interdisziplinär angelegten künstlerischen Arbeit steht die conditio humana, die Frage nach der Bedeutung von Menschlichkeit, Empathie, Verantwortung und Würde im Zeichen neuer technologischer, gesellschaftlicher und ökologischer Entwicklungen. Über 150 Uraufführungen, exzeptionelle Eigenproduktionen, internationale Gastspiele bei zahlreichen Festivals sowie CD-, Rundfunk- und Videoaufnahmen dokumentieren die künstlerische Vielfalt und stilistische Singularität. Die Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit mit den renommiertesten Komponistinnen und Komponisten unserer Zeit fließen auch in die Interpretationen Alter und Früher Musik ein, bei denen das Ensemble mit einem eigenen Ansatz fasziniert. Die Sänger*innen von AuditivVokal Dresden treten in unterschiedlichsten Formaten auf: Vom klein besetzten A-cappella-Konzert
über Performances und szenische Aktionskunst bis zum großen klassischen Konzert mit Orchester sind sie in immer wieder überraschenden Konstel- lationen neu zu erleben. AuditivVokal Dresden reüssiert dabei regelmäßig auf zahlreichen Festivals im In- und Ausland und folgt Einladungen in die wichtigen Konzerthäuser deutscher und internationaler Musikzentren. Das Ensemble gastierte bisher in fast allen europäischen Ländern sowie in den USA, in Brasilien und Chile. Regelmäßige CD- und Rundfunkproduktionen mit Deutschlandfunk Kultur, dem Mitteldeutschen Rundfunk, Rundfunk Berlin-Brandenburg, mit dem Bayerischen Rundfunk und Radio Suisse Romande ergänzen die künstlerische Arbeit genauso wie Multimediaproduktionen mit den Filmproduktionsfirmen Avanga oder Knitterfisch. Instrumentale Partner des Ensembles sind Klangkörper wie die Dresdner Sinfoniker, das Ensemble Art d‘Echo, El Perro Andaluz Dresden, das Duo Reflexion K, das Ensemble Moto Perpetuo New York, das Ensemble Iberoamericano oder das Ensemble Inter-
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face Frankfurt/Main. Interdisziplinär arbeitet AuditivVokal Dresden unter anderem mit den Regisseur*innen Maxim Didenko, Claudia Bauer oder Holk Freytag, mit dem Schriftsteller Marcel Beyer, der Choreografin Katja Erfurth, dem Soziologen Prof. Dr. Dirk Baecker oder der Psychologin Prof. Dr. Maja Dshemuchadse zusammen. Infolge der intensiven ästhetischen Auseinandersetzung mit den aktuellen kompositorischen Sichtweisen auf die menschliche Stimme und durch zahlreiche Kompositionsaufträge an junge renommierte Komponist*innen, ist die Neue Dresdner Vokalschule als ästhetisch neue Richtung entstanden. Dieses künstlerische Wirken wird seit 2017 im Rahmen eines kooperativen Dokumentationszentrums in der Sächsischen Landesbibliothek – Staatsund Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) dokumentiert. Die Neue Dresdner Vokalschule versteht sich in enger Zusammenarbeit mit Komponist*innen als lebendiges Instrument, um bereits vorhandene, komplexe und avancierte Werke und ebenso neu entstehende Kompositionen (ur-)
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aufzuführen. Olaf Katzer und AuditivVokal Dresden engagieren sich gesellschafts- und kulturpolitisch durch die Vermittlung und Förderung zeitgenössischer Vokalmusik. Eine enge und intensive Zusammenarbeit besteht seit Jahren mit der Hochschule für Musik Dresden. Zahlreiche Projekte für Jung und Alt stehen dabei ebenso auf ihrer Agenda wie Workshops und Meisterkurse für Kompositions- und Gesangsstudierende an Hochschulen wie der Hochschule für Musik Dresden, der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main, am Conservatório das Música in Belo Horizonte oder der Manhattan School of Music New York. Die Vision von AuditivVokal Dresden ist es, die großen Fragen und Herausforderungen unserer Zeit mit seiner künstlerischen Programmatik näher zu beleuchten. Das Ensemble möchte den Eigenwert der Kunst, aber auch die fragilen Werte von Demokratie und Empathie stärken.
Foto aus „Ostgezeter“ HELLERAU, 2019
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Ensemble 2022
Sopran
Alt
Katharina Salden Anne Stadler Dorothea Wagner Linda Ahlers Alexandra Berger Julia Domke Katja Fischer Birte Kulawik Anna Palimina Lisa Preißler Clara-Sophie Rohleder Marina Szudra Nantia Toliou Viktoria Wilson
Marie Bieber Julia Böhme Nanora Büttiker Lia Gets-Bermann Constanza Filler Sinah Seim-Olesch Anna-Maria Tietze
Mezzosopran
Jan Heinke Angela Wingerath
Bernadette Beckermann Marlen Bieber Kerstin Döring Sophia Hohenöcker Louisa-Marie Reh
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Altus Stefan Kunath
Extended Vocals
Tenor
Bass
András Adamik Alexander Bischoff Jonas Finger Sören Richter Kyle Fearon-Wilson Konrad Furian Benjamin Glaubitz Markus Klose Jan Lang Robert Pohlers Christopher Renz
Benjamin Mahns-Mardy Philipp Schreyer Felix Schwandtke Cornelius Uhle Jakob Ahles Markus Brühl Timo Hannig Clemens Heidrich Bojan Heyn Max Hickl Alexander Keuk Burkhard Kosche Felix Rohleder Clemens Weichard Gerry Zimmermann
Foto aus „Memento mori. Todesfuge nach Paul Celan“ HELLERAU, 2021
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Künstlerischer Leiter
Olaf Katzer 50
Olaf Katzer studierte Musik und Psychologie in München, Weimar und Dresden. Bereits während des Studiums gründete er das Ensemble AuditivVokal Dresden, welches er seitdem künstlerisch leitet. Über 150 Ur- und Erstaufführungen, Gastspiele bei zahlreichen Festivals und Rundfunkaufnahmen dokumentieren sein Engagement für die »zeitgenüssliche« Vokalmusik. Konzertreisen in fast alle europäischen Staaten, sowie nach Taiwan, China, die USA und Südamerika. Im transdisziplinären Austausch mit Sänger*innen, Instrumentalist*innen, Tänzer*innen, Komponist*innen, Maler*innen, Regisseur*innen und Wissenschaftler*innen entwickelt er in nachhaltigen und unkonventionellen Programmgestaltungen eine zeitgemäße Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert. Einladungen erhielt er als Dirigent von Klangkörpern wie dem RIAS Kammerchor, dem SWR Vokalensemble Stuttgart, dem MDR Rundfunkchor und dem Dresdner Kammerchor. Seit 2011 ist er als Dozent für Chordirigieren an der Hochschule für Musik Dresden tätig, seit dem Studienjahr 2015/16 in Funktion des Vertretungsprofessors für Chordirigieren. 2019 wurde Olaf Katzer mit dem Förderpreis der Landeshauptstadt Dresden ausgezeichnet, im Jahr 2020 mit dem Arras-Preis.
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Altus und stellvertretender Vorsitzender KunstAuditiv e.V.
Stefan Kunath 52
Stefan Kunath wird oft gefragt, wie er zum Singen, noch dazu in der Altlage gekommen ist. Vielleicht liegt es daran, dass er im Dresdner Kreuzchor, wo er bis zum Abitur über neun Jahre hinweg musikalisch das Laufen erlernte, erst spät in den Stimmwechsel kam und da bereits die Basis für seinen späteren Umgang mit der Kopfstimme gelegt hat. Beim Zivildienst in München, durfte er im Vokal Ensemble München mitwirken und intensiv in die Alte Musik eintauchen und verspürte Lust am Singen auf der Bühne. Zumeist sang er im Bass des Ensembles, durfte sich dann und wann aber auch im Alt ausprobieren. Daraufhin nahm er Kontakt zu seiner früheren Gesangslehrerin in Dresden und den regelmäßigen Unterricht, nun in der Altlage, wieder auf. Sie vermittelte ihn an seine spätere Professorin Margret Trappe-Weil. 2007 nahm Stefan sein Gesangstudium auf, das er 2012 erfolgreich mit Diplom beenden konnte. Seither frönt er überwiegend der sogenannten Alten Musik – konzertant, aber auch in Barockopern-Produktionen mit barocker Gestik – oder vergnügt sich im zeitgenössischen Musikgefilde. Nebst der sängerischen Tätigkeit ist Stefan bei AuditivVokal Dresden auch für die Notenbibliothek, das Archiv und als stellvertretender Vorsitzender des Vereins verantwortlich.
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„Wir sind froh, wir sind fünf!“ Dies war das interne Motto, als Auditiv Vokal Dresden im Jahr 2012 in seine fünfte Saison startete. Das Ensemble feierte seinen fünften Geburtstag. Ein erstes kleines Jubiläum, ein erster kleiner Meilenstein! Das Jahresmotto sollte von jedem gelebt und nach außen getragen werden. Die Idee dahinter: Den Weg für ein zukünftiges Selbstverständnis bereiten. Man sollte sich das bis dahin Erreichte bewusst machen und dadurch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Zukunft des Ensembles stärken. Eine Art „Mia san mia“. Ich selbst war da erst seit zwei Jahren dabei und überwiegend als sängerische Ergänzung für die Stücke eingesetzt, in denen ein Altus gebraucht wurde. Schnell empfahl ich mich für weitere Aufgaben, verlor zunehmend den Schrecken vor zeitgenössischen Noten und durfte mich schon bald zum erweiterten und festen Kern der auditiven Sängerschar zählen. Mittlerweile begleite ich das Ensemble seit einigen Jahren auch auf administrativer Ebene als stellvertretender Vorsitzender des Trägervereins KunstAuditiv Dresden e.V. und zeichne verantwortlich für unser Notenarchiv und die Zusammenarbeit mit der SLUB Dresden. In diesen nunmehr zwölf Jahren habe ich mit AuditivVokal Dresden sehr viel erlebt und konnte die bemerkenswerte Entwicklung eines No-Name-Studentenensembles zum gefragten professionellen Ensemble für zeitgenössische Vokalmusik, das mittlerweile auch international aktiv ist, hautnah miterleben und sogar unterstützend begleiten. Wenn ich gefragt werde, was das Faszinierende oder vielleicht sogar Einzigartige an AuditivVokal Dresden ist, benenne ich meistens zwei Aspekte: Zum einen, dass AuditivVokal Dresden stets die Neugier an den Menschen, den Dingen und der Welt behält und die Kunst niemals zum Selbstzweck wird.
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Das Spannende ist, dass ein Projekt niemals dem anderen gleicht. So bespielen wir z.B. untypische Konzertorte und kombinieren alle möglichen Sparten und Zünfte. Neben der naheliegenden szenischen Umsetzung einzelner Programme und die Zusammenarbeit mit Choreograf*innen und freien Regisseur*innen, kann sich unser Cast projektbezogen schoneinmal um Tänzer*innen, Schauspieler*innen oder Livemaler*innen erweitern. Oder wir werden selbst zu Schauspieler*innen und drehen Musikvideos. Aber auch das Zusammendenken von künstlerisch-musikalischen mit philosophischen, psychologischen und physiologischen Aspekten setzt immer neue Reize und erweitert stetig unser aller Horizont. Und zum andern, dass wir bei aller Ernsthaftigkeit und Professionalität, die das Erarbeiten bisweilen hochkomplexer zeitgenössischer Uraufführungen erfordert, erpicht darauf sind, der Kunst mit Fröhlichkeit zu begegnen. Dies ist ein ganz wichtiger Aspekt unseres Tuns. Da Neue Musik noch immer mit einer gewissen Verbissenheit und Beklemmung assoziiert wird, ist unser Ansinnen bei allen unserer Auftritte Leichtigkeit, Freude und Spaß an der Sache zu vermitteln und dadurch einen barrierefreien Zugang für jedermann zu bieten. Wenn die Künstler*innen gelöst und mit einer gewissen Fröhlichkeit auf die Bühne treten, wird sich diese Heiterkeit auch auf das Publikum übertragen. Und wie wir aus mehrfacher eigener Erfahrung bestätigen können: Sie überträgt sich! Sowohl auf das Fachpublikum als auch auf die Menschen, die sich nicht den ganzen Tag mit Musik und im Speziellen mit Neuer Musik auseinandersetzen. In diesem Sinne: Wir sind froh, wir sind fröhliche fünfzehn! Stefan Kunath Altus und stellvertretender Vorsitzender vom KunstAuditiv e.V.
Foto aus „Amproprification #6“ CTM Festival, HAU1, 2021
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Ensemblephilosoph
Dr. Friedrich Hausen
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Tiefe Schönheit von Welt Das Jubiläumsjahr 2022 lässt einerseits froh und zuversichtlich in die Zukunft schauen, die für AuditivVokal Dresden eine Fülle interessanter Projekte bietet. Ich kenne das Ensemble seit seiner Frühzeit und konnte die eine Entwicklung zu immer mehr Prägnanz, Sensibilität und vielgestaltiger Ausdruckstiefe seit den Anfängen miterleben. Und ich freue mich, seit 2020 mit im Boot zu sein und an Veranstaltungskonzepten und Begleitreflexionen mitarbeiten zu dürfen. In der Zusammenarbeit verbindet uns zuallererst die Musik selbst, ein Bemühen um künstlerische Qualität, um ästhetische Tiefe, Differenziertheit und Ausdruckskraft, um schlüssige Form und Lebendigkeit. Es wird mit ästhetischen Mitteln erlebte Gegenwart verdichtet und damit reichhaltige Erfahrungen ermöglicht. Klanglich verdichtete Gegenwärtigkeit ist gleichsam das Material, aus dem gehaltvolle Skulpturen in der Zeit entstehen. Der größte Teil der Arbeit des Ensembles betrifft zeitgenössische Musik, in der heutige Komponist*innen Situationsmerkmale und Fragen unserer Zeit in unverbrauchte klangliche Erzählstrukturen und Tönungen des Erfahrens einbetten. Zugleich findet eine Auseinandersetzung mit bedeutenden Werken Alter Musik statt, in dem Versuch, etwas von dem darin eingelegten Kulturwissen in unserer Zeit wiederzubeleben und sich in dem sich beschleunigenden Strom der Informationen und Fortschritte zurück zu verwurzeln. Gerade in unserem kontrastintensiven Dresden, wo in den letzten Jahren die politischen Konflikte besonders hitzig geführt werden, ist eine musikalische Kunst und tiefe Schönheit von Wert, die teils unlösbare Probleme, ja auch Unansehliches, Schwaches, Deformiertes und selbst Leiden und Tod sehen und verstehen kann, ohne dabei den Zauber des Lebens preiszugeben eine Kunst, deren sensible Kraft und mensch-
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liche Wärme tiefer reicht, als das, was uns entzweit. Dem entspricht in der Arbeit mit AuditivVokal Dresden ein ethisches Anliegen: Die Auditiven haben es sich auf die Fahne geschrieben in einem Ethos des Respekts, des gegenseitigen Verstehens, und der Empathie zu wachsen. Für die Begleitreflexion zu dem, was Olaf Katzer „Neue Menschlichkeit“ nennt, beschäftigt mich die Idee einer „Philosophie und Ästhetik der Teilhabe“, das sinnerfüllte Menschsein in einem lebendigen Kontakt mit der Welt, in einer Teilhabe an der Wirklichkeit sieht. Im Sinne einer Ästhetik der Teilhabe wird bei AuditivVokal Dresden u. a. an einer stärkeren Beteiligung der Eigenpräsenz von Sänger*innen erstrebt. Gerade auch Seminare mit Maja führten ästhetische Erlebnisse im Singen und Hören zusammen mit existenziellen Erfahrungen oder Erinnerungen daran, die tiefgehende Gespräche über die Schnittstellen zwischen Darstellung und Mitteilung im Singen ermöglichten. Dies führte nicht nur zu einem Kennenlernen anderer Seiten bei Ensemblemitgliedern, sondern auch zu einer Erweiterung der Bereiche und affektiv-existenziellen Lebenszonen, die mit Rezipienten geteilt werden können. Dr. Friedrich Hausen Ensemblephilosoph
Hausens ästhetischer Ausgangspunkt ist folgender: Kunst spricht, indem sie Erfahrungen provoziert. Kunsterfahrungen sind dabei Bilder oder Modelle für mögliche Erfahrungen jenseits der Kunst. Die ästhetische Werterfahrung steht entsprechend für Werterfahrungen im Leben, für existenziell Bedeutsames. Mithilfe von Kunst können wir differenzierte und reichaltige Erfahrungen ebenso wie Haltungen dazu teilen und mitteilen. In einem „Sprechen“ mit Werterfahrungen liegt auch ein verändernder, utopisches Potenzial von Kunst begründet, die imstande ist, Ideen zu sähen und innere Ziele zu wecken und zu stärken. AuditivVokal Dresdens Beschäftigung mit alten Kulturen, alter Musik und Aspekten von Heimat findet in kunstphilosophischer Perspektive einen Anker: Unter schnellen Veränderungen werden oft wichtige langfristige Orientierungshilfen durch aktuelle Dringlichkeiten und überfordernde Informationsfluten verdeckt. Gerade die Digitalisierung mit ihren unzähligen Effekten geht mit einer Neubelebung alter Kulturtechniken der Mediation u. a. einher. Kulturschätze älterer Epochen zeigen oft große Prägnanz und stellen daher gerade in Zeiten massiven technologischen Fortschritts und einschneidender sozialer Veränderungen Inspirationsquellen für gelingende Orientierung dar. Hausens Ideal einer „Advance-and-backward-rooting-balance“ setzt auf einen gemessenen Fortschritt, der mit einer vertieften Rückverwurzelung zu einem Gleichgewicht findet. Friedrich Hausen arbeitet mit Blick auf ästhetische Formen an einem Konzept der
imaginativen Bewegungskohärenz, die sich besonders auf Musik anwenden lässt: Insbesondere in der Alten Musik wird musikalische Kohärenz oftmals weniger durch motivischen und harmonischen Zusammenhang hervorgebracht, als durch die Organisation von Spannung und Entspannung, und Zusammenhänge von Impuls und Effekt, die oft körperlich gestischen Charakter erlangen. Die Kohärenz musikalischer Bewegung trägt u. a. die seelische Kraft, die Schönheit, Anmut und Eleganz sowie die gefühlte großformale Einheit. Diese Perspektive lässt sich auch auf die Analyse und Interpretation vieler Werke der Neuen Musik übertragen. Mit AuditivVokal Dresden stehen derzeit Fragen nach einem menschlichen Selbstverständnis im Vordergrund. Wie kann – nach den Zeugnissen des Inhumanen im 20. Jahrhundert und angesichts der Klimakrise und der Ausbeutungsverhältnisse im 21. Jahrhundert – eine empathische, hoffnungsvolle Perspektive eingehalten werden? Was bedeuten die großen technologischen und sozialen Veränderungen für unsere Lebensform? Und wie finden entsprechende Erfahrungen und Überlegungen einen geeigneten musikalischen Ausdruck? Und umgekehrt: wie finden spezifisch ästhetische Formen des Entdeckens und Welterschließens Berücksichtigung in anspruchsvollen Wörterdiskursen? Zu diesen Fragen entwickeln AuditivVokal Dresden und Friedrich Hausen seit Mai 2020 verschiedene Veranstaltungsformate.
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Interview mit Dr. Friedrich Hausen Seit einiger Zeit gestaltest Du die auditive Philosophie mit Deiner Expertise aktiv mit. Was bedeutet Dir die künstlerische Arbeit von AuditivVokal Dresden? Die Tradition zeitgenössischer Musik hat mich seit der Jugend mit ihrer Kreativität, Sensibilität, Vielfalt, Vision, Ausdruckskraft und ihrem Reflexionsniveau beeindruckt. Daher bin ich froh, heute mit einem Ensemble zeitgenössischer Musik zusammenzuarbeiten und meine Erfahrung als Berufsdenker in Projekte miteinfließen lassen zu können. Ein hochkultureller Anspruch an Konzepte, Begleitreflexionen usw., wie er in der Tradition klassischer Musik gepflegt wird, steht leicht einer Unmittelbarkeit und Musikalität im Wege. Ursprünglich soll sie ja vermitteln, zwischen den Fragen, die öffentliche Geltung betreffen, und unserer erlebnisfähigen, Fülle suchenden, existenziell gefährdeten, sensiblen Subjektivität. Eine solche Vermittlung ist angesichts einer Komplexität, die heute unsere Öffentlichkeit bestimmt, eine besonders große Herausforderung. Daher ist für mich viel wert, hier mit eine Gruppe von fähigen Vollblutkünstler*innen und ausgeprägten Charakteren zusammenzuarbeiten, wo es möglich wird, künstlerisch Verantwortung für sehr schwierige Themen zu übernehmen, und die Ergebnisse dabei reich und lebendig bleiben. Wir stehen weltweit vor gewaltigen gesellschaftlichen Herausforderungen. Wie können wir alle im Allgemeinen und wir Auditiven im Speziellen die Welt retten? Das ist eine lustige Frage: Aber tatsächlich sehe ich ein „rettendes“ Potenzial in der Kunst. Bei scharfen Polarisierungen entstehen leicht Dominoeffekte von Verzerrungen: Wenn bestimmte Sachfragen politisiert sind, ist das Signalsystem im Walde verändert. Dann bewegen sich viele Stimmen nicht mehr natürlich, sobald
heikle Themen auf dem Tisch sind. Da ist die Zuordnung zu der oder der Gruppe erst einmal wichtiger, als Wahrheitsfragen. Wir Menschen sind offenbar so… Kunst hat nun immer auch eine „Hofnarrenrolle“, oder besser gesagt: Sie kann mit ihrem eigenen Gravitationsfeld Spielräume öffnen, wo mit bestimmten Fragen dann frei, spielerisch umgegangen wird, und unsere normativen Ansprüche, Verdächtigungen usw. erst einmal zugunsten einer spielerischen Neugier ausgeschaltet sind. Und hier können wir ohne großen diplomatischen Aufwand alternative Perspektiven testen, vielleicht auch solche, die einer Haltung wachsamen Vertrauens dienen können. Und wachsames Vertrauen ist Grundlage einer anspruchsvolle Demokratiekultur, wie wir sie brauchen, um den sozialen und ökologischen Herausforderungen entgegentreten zu können. Worauf freust Du dich in unserem Jahresprogramm 2022 besonders? Auf die musikalischen Revolutionen mit Ligeti und Gombert, und auf die Emotionenkarthographie. Ligeti und Gombert bieten sehr eindrucksvolle Kontinuumskompositionen, mit Klanglichen Kraftfeldern in denen das Hören in ein hörendes Sehen umspringt. Und bei der Kartographie bin ich einfach sehr gespannt, was aus den Vorbereitungen wird, die wir jetzt ja schon mehrfach zu unserem Ärger verschieben durften, was uns aber auch unerwartete Spielräume zu weiterer Reifung von Idee und Realisierungsform ermöglichte.
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Ensemblepsychologin
Prof. Dr. Maja Dshemuchadse 62
Als Psychologin mit den Schwerpunkten Kommunikationspsychologie und Coaching begleitet Maja das Ensemble mit Ihrer Fachexpertise sowohl im Rahmen konkreter Projekte als auch zur langfristigen Entwicklung des Ensembles. Dies kann je nach Thema und Bedarf im gemeinsamen Diskurs, durch Wissensinput, in praktischen Workshops oder als Coaching erfolgen. Dabei geht es um all die Stimmungs- und Schwingungsaspekte im Ensemble, die nicht unmittelbar den Schall betreffen, sondern sich vielmehr mittelbar ästhetisch und atmosphärisch auf den gemeinsamen Klang auswirken.
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Interview mit Prof. Dr. Maja Dshemuchadse Was interessiert Dich am meisten an der Psychologie? Was motivierte und motiviert Dich dazu? An meinem Beruf fasziniert mich das unglaubliche Entwicklungspotential eines jeden Menschen. Gemeinsam Wege zu suchen, die zur persönlichen Entfaltung führen und neue Erlebnisse ermöglichen, erfüllt mich. Wie würdest Du Dein Verhältnis zu Musik charakterisieren? Was bedeutet Musik für Dich? Diese Frage ist unmöglich zu beantworten. Musik ist für mich der ultimative Gefühlskatalysator, eine Droge mit hohem Suchtpotential. Ich spüre Klang, wie Wasser umfließt er mich und dringt in mich ein. Ich könnte mein Leben und Lieben anhand meiner musikalischen Erfahrungen erzählen und kaum etwas würde fehlen. Gibt es etwas, das Du von der Stimme über den Menschen lernst? Nichts verrät uns so viel über unsere Gegenüber, wie die Stimme. Dabei verarbeiten wir diese Information völlig mühelos, unwillkürlich und reagieren darauf meist unbewusst. Als Therapeutin und Coach
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trainiere ich meine Aufmerksamkeit für die kleinen Nuancen und erspüre so aus der Stimme die Stimmung. Meinerseits gehe ich stimmlich in Kontakt und vermittle Vertrauen und Anteilnahme durch den Klang meiner Stimme, weniger durch das Gesagte. Was interessiert Dich besonders an der Zusammenarbeit mit einem Vokalensemble wie AuditivVokal Dresden? In einem Vokalensemble wie AuditivVokal spielt die Gruppendynamik für die entstehende Musik eine große Rolle. Einerseits ist die Gruppe so groß, dass sich eine konstruktive Dynamik nicht mehr automatisch aufgrund von Sympathie einstellt, andererseits ist die Gruppe so klein, dass die Leitung Raum lassen kann, für Prozesse der Selbstorganisation und nicht alles hierarchisch kontrollieren muss. Dieses Feld verbindet meine praktischen Kompetenzen als Teamcoach mit meinen Forschungsinteressen zur Theorie dynamischer Systeme und meiner Liebe zum Gesang.
Foto aus „Long Distance Relation“ Konzertsaal HfM Dresden, 2020
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Composer in Residence
Alberto Arroyo 66
Alberto Arroyo wurde 1989 in Spanien geboren. Er studierte Komposition am Conservatorio Superior de Música de Aragón (Spanien) bei José M. Sánchez-Verdú und absolvierte seinen Masterstudiengang an der Hochschule für Musik Dresden bei Prof. Mark Andre und Manos Tsangaris. Derzeit promoviert er in Dresden bei Prof. Dr. J.P. Hiekel. Arroyo ist Gründer und künstlerischer Leiter des Ensembles „Continuum XXI“, welches sich auf das Spiel mit historischen Instrumenten im Bereich der Alten und auch Neuen Musik spezialisiert hat - Continuum XXI gehört seit 2018 zu „Förderprojekte Zeitgenössische Musik, als innovative und junge Initiative und ist vom Deutschen Musikrat gefördert. Weiter arbeitet er regelmäßig mit namhaften Ensembles wie bspw. den Neuen Vokalsolisten Stuttgart, Andrés Gomis (SIGMA Project), dem Trío Arbós, dem Dresdner Barockorchester, der Singakademie Dresden, der Potsdam Akademie, dem Vertixe Sonora zusammen. Konzerte führten ihn bereits nach Berlin, Stuttgart, Toulouse, Barcelona, Salzburg, Tokyo, Saragossa, Zagreb, São Paulo und Santiago de Compostela. Sein musikalisches Talent wurde bereits sehr früh erkannt und mit Stipendien gefördert. So erhielt er bspw. ein vierjähriges Stipendium des spanischen Ministeriums für Erziehung und Kultur sowie ein Stipendium für die Sommerakademie des Mozarteums im Jahre 2012. Ferner war er Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der „Fundación SGAE“. Besonders hervorzuheben ist seine Auszeichnung „Premio Jóvenes Compositores Fundación AutorCDM“ – er war der jüngste Komponist, der je für diesen Preis nominiert wurde.
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Interview mit Alberto Arroyo Wie würdest Du Dein Verhältnis zu Musik charakterisieren? Was bedeutet Musik für Dich? Und was bedeutet zeitgenössische Musik für Dich? Was kann sie, was die ältere Musik möglicherweise nicht kann? Mich hat immer die körperliche Dimension der Musik fasziniert, quasi als wäre sie eine Skulptur, die sich durch die Zeit ändert und entwickelt. Dieses Eros, eine Art Sensualität – nicht im erotischen aber im körperlichen Sinne verstanden – war bei mir als Zuhörer und jetzt als Komponist eines der wichtigsten Elemente. Musik wäre wie eine Welle im Meer, die uns schlägt, quasi wie ein Schock, eine transformative Erfahrung. Es muss etwas in mir passieren, wenn ich mich mit Musik beschäftige, etwas muss sich ändern. Sie kann aber auch eine raffinierte Liebkosung sein, die uns hypnotisiert. Auf der anderen Seite ist für mich von entscheidend, wenn die Technik und die kompositorischen (Vor)Reflexionen transzendieren und sie dem „Bauch“ Platz machen. Oder anders gesagt, wenn man die Artefakte nicht mehr erkennt und nur die Emotion im Vordergrund ganz prägnant zu fühlen ist. Als ich Anfang meines Kompositionsstudiums war, habe ich das Werk „Elogio del tránsito“ für Bass- und KontrabassSaxophon und Orchester von José Maria Sánchez-Verdú gehört. Das war im positiven Sinne ein
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Schock für mich. Eine Brutalität war jenseits der Technik. Seitdem hatte ich verstanden, was Komponieren bedeuten konnte und ich bin immer noch auf der Suche mit jedem Werk, das gleiche zu schaffen. Was interessiert Dich als Komponist zeitgenössischer Musik an Alter Musik und insbesondere an der Musik des Frühbarock? Was kannst Du von Komponisten wie Monteverdi, Gesualdo oder Schütz lernen? Als ich das „VIII Libro de Madrigali“ von Monteverdi entdeckte, seine extremen Dissonanzen in seinem historischen Kontext, seine Fähigkeit, Figuren zu schaffen, die sehr konkrete Affekte von Wut, templanza, Liebe, Schmerz bewegen, habe ich mich sofort in seine Musik verliebt. Das ist ähnlich wie bei Gesualdo und den abenteuerlichen Harmonienwechseln bei seiner vokalen Musik. Im Oeuvre Schütz‘ ist die religiöse Musik viel dominanter als die profane, die er in Italien von Monteverdi gelernt hat. Wenn Schütz in seinem Werk denselben Text in verschiedenen Stimmen in kurzen Abständen überlagert, entsteht eine sehr spannende phonetische Textur, wie in „Verleih uns Frieden“. Und nebenbei, wenn eine klare harmonische Richtung dazukommt, kann man nur Gänsehaut bekommen.
Inwiefern prägt die Erfahrung von Musik und die Arbeit an Musik Dein Menschenbild? Die Faszination dafür, was wir als Menschen noch nicht kennen und verstehen können – bspw. die Dunkle Materie und Energie oder die elementarsten Partikel der Materie –, prägt und charakterisiert uns als Menschen. Die Suche nach diesem Unbekannten, nach diesem Mysterium, finde ich faszinierend und enorm wichtig. Auf der gleichen Weise bin ich als Mensch berührt und fasziniert, wenn ich nicht alles verstehen kann, wenn eine Art Mysterium sich hinter der Kunst verbirgt. Wenn wir nicht alles sehen und (er)kennen, dann gibt es Raum für die Phantasie, für die Kreativität, für unsere Vorstellung. So bin ich der Meinung, dass wir Poesie im Leben brauchen: Nicht alles zeigen, nicht alles verstehen. Wenn eine Art Alchemie stattfindet und die Elemente sich mischen und verbergen, dann bin ich neugierig und glücklich.
mit Leidenschaft und Überzeugung zusammenhängen. Es ist in diesem gemeinsamen Raum zwischen Innovation und Repertoire, wo wir uns am besten verstehen und gern zusammen experimentieren, riskieren und forschen. Mein Eindruck ist, dass es nichts gibt, was dieses vokale Ensemble nicht machen kann. Dies überrascht mich immer wieder positiv – jedes Projekt neu. Das mit Viertelton-Wechseln abenteuerliche und gar nicht einfach zu singen „Musica prisca“ von Nicola Vicentino, die extremen Schreie beim Experimentieren und die Präzision und Qualität bei jeder Probe während des Arbeitsprozesses sind einige der Elemente, die mich besonders bei einer Zusammenarbeit mit AuditivVokal Dresden interessieren. Ich würde auch die menschliche Dimension betonen, welche heutzutage nicht selbstverständlich ist. Es gibt immer ein warmes Gefühl von Schutzraum im Arbeitsatelier, wenn man eintritt.
Was interessiert Dich besonders an der Zusammenarbeit mit AuditivVokal Dresden? AuditivVokal Dresden ist mittlerweile ein musikalisches Zuhause für mich geworden. Es ist zugleich ein Labor, wo das Experimentieren und die Kenntnis der Tradition
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Wissenschaft und Forschung
Wissenschaftliche Reflexion und Interdisziplinarität spielt schon seit einigen Jahren eine bedeutende Rolle in der Arbeit von AuditivVokal Dresden: Wissenschaftler*innen erarbeiten heute nicht nur eine Entscheidungsbasis von gesellschaftlicher Tragweite, sondern auch Bauteile zu differenzierteren Weltanschauungen. Gemeinsames Wissen ist auch Grundlage einer Kultur des wachsamen Vertrauens, wie sie für eine offene Gesellschaft wichtig ist und heute besonders gefährdet ist. Hier setzt für AuditivVokal Dresden das Gespräch mit Kulturwissenschaft und Forschung an, das erhellende Begleitreflexionen ermöglicht und nicht zuletzt auch künstlerischen Konzepten zuarbeitet, in denen auch etwas von solchen tiefen Erfahrungen, die Wissenschaftler*innen prägen, für Laien erlebbar werden kann. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Neue Musik der Hochschule für Musik Dresden und dessen Leiter Prof. Dr. Jörn Peter Hiekel wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Formate mit Komponisten wie Heinz Holliger, Mathias Spahlinger oder Hans-Joachim Hespos realisiert.
Bis heute wurden noch nicht alle technischen Ansprüche der Neuen Musik beschrieben. Ziel ist es daher, die physiologische Beschreibung der Vorgänge im Kehlkopf voranzubringen sowie aus den gewonnenen Erkenntnissen eine praxisnahe Vermittlung herzuleiten. Seit mehreren Jahren wirkt AuditivVokal Dresden zusammen mit der Sächsischen Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) am Dokumentationszentrum Neue Dresdner Vokalschule. Es wird das Noten-, Werbe-, Bild- und Tonmaterial zeitgenössischer Vokalkunst professionell archiviert und sowohl für die Gegenwart als auch für die Nachwelt zugänglich gemacht. Im vergangenen Jahr begannen AuditivVokal Dresden und der Komponist Prof. Michael Edward Edgerton von der Malmö Academy of Music/Lund University Schweden, im Rahmen einer virtuellen Partnerresidenz des GoetheInstituts an den Extremen der Stimme im 21. Jahrhundert zu forschen.
Das Ensemble trägt zur wissenschaftlichen Erschließung der Stimme des 21. Jahrhunderts bei, indem Ensemble-Mitglieder im Studio für Stimmforschung der Hochschule für Musik Dresden an der wissenschaftlichen Betrachtung zeitgenössischer Stimmtechniken teilnehmen. Unter Federführung und in Zusammenarbeit mit Prof. Hartmut Zabel (HfM Dresden), Prof. Dr. Dirk Mürbe (Charité Berlin) und Prof. Dr. Friedemann Papst (Klinikum Dresden-Friedrichstadt) werden stimmliche Anforderungen der zeitgenössischen Sänger*innen fassbar gemacht.
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SLUB – Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
Neue Dresdner Vokalschule
Auslöser für die „Gründung“ der Neuen Dresdner Vokalschule (nachfolgend NDVS) war das gleichnamige Konzert im Juli 2013, das mit einem Workshop- und Vermittlungsprojekt für Sänger*innen und Komponist*innen gekoppelt war, welches Olaf Katzer und seine Auditiven mit der Sopranistin und ausgewiesenen Expertin für zeitgenössische Vokalkunst, Sarah Maria Sun, im Leonhardi-Museum Dresden und an der Hochschule für Musik Dresden durchführten. Die damaligen, aber auch nachhaltigen Erfolge dieses Projektes veranlassten Team und Ensemble gleichermaßen, die Möglichkeiten einer in Dresden zentrierten „Schule der zeitgenössischen Vokalkunst“ weiter zu verfolgen, hin zu einer Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert. In ihr soll weniger ein Aus- und Weiterbildungszentrum gesehen werden, als vielmehr ein Forum metadisziplinären Umgangs mit Gesang & Musik, und Kunst & Kultur im Allgemeinen. Die Neue Dresdner Vokalschule soll sich aus der Zusammensetzung verschiedenster (Vokal)Musiker*innen, (Ton)Künstler*innen und (Musik)Wissenschaftler*innen, denen gemeinsam daran gelegen ist, jene Ensemblekunst für das 21. Jahrhundert zu definieren und voranzubringen.
Durch den großen Zuwachs an Noten-, Werbe-, Bild- und Tonmaterial freut sich AuditivVokal Dresden sehr, mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden eine handlungs- und wirkmächtige Kooperations- und Dokumentationspartnerin gefunden zu haben, die uns hilft, das bereits vorhandene und stetig sich erweiternde Material professionell zu archivieren und sowohl für die Jetzt- als auch Nachwelt zugänglich zu machen. Ziel ist die Etablierung eines Dokumentationszentrums zur gegenwärtigen Vokalmusik und deren Ausübung, wie sie sich beispielhaft in den Aktivitäten von AuditivVokal Dresden niederschlägt. Das Dokumentationszentrum soll dabei nicht nur jene Werke und Produktionen enthalten, die sich der NDVS zuordnen lassen, sondern auch darüber hinausreichen. Die Quellen werden vom Dokumentationszentrum Neue Dresdner Vokalschule archiviert und Interessierten vor Ort zugänglich gemacht. Grundsätzlich sollen die Materialien zudem digital und online, d. h. zeit- und ortsunabhängig, verfügbar sein. Das Dokumentationszentrum will vor allem Dirigent*innen, Sänger*innen und Komponist*innen ansprechen, die sich über ein bestimmtes Werk oder AuditivVokal Dresden informieren wollen oder auf der Suche nach Inspiration sind. Gleichzeitig sollen aber auch Wissenschaftler*innen jeder Couleur und Disziplin erreicht werden, die zur zeitgenössischen Vokalmusik, Ensemblekunst und dergleichen arbeiten wollen.
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AuditivForum – Freundeskreis
Spenden und Unterstützung
Spenden und Unterstützen Auch in Zukunft sind wir für unsere künstlerische Arbeit auf private Spenden angewiesen. Ob es ein kleiner Beitrag ist, oder ob Sie eine Patenschaft für eine Uraufführung übernehmen möchten – Ihre finanzielle Unterstützung fließt direkt in unsere Projekte ein und ermöglicht es, unsere künstlerische Arbeit auch in schwierigen Zeiten innovativ fortzuführen. Eine Spendenbescheinigung erhalten Sie ab 50 Euro, unter 50 Euro gilt der Kontoauszug als Spendenquittung. Gern nennen wir Sie auf Wunsch namentlich in unseren neuen Publikationen. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Spendenkonto KunstAuditiv Dresden e. V. Betreff: Spende2022 Ostsächsische Sparkasse Dresden IBAN: DE33 8505 0300 3200 0550 21 BIC: OSDDDE81 Paypal: management@auditivvokal.de https://www.paypal.com/paypalme/auditivvokal
AuditivForum – Der Freundeskreis von AuditivVokal Dresden Wenn Sie Mitglied unseres Freundeskreises werden möchten, kontaktieren Sie uns bitte über freundeskreis@auditivvokal.de Als Freundeskreis-Mitglied erhalten Sie vier Mal jährlich einen besonderen Einblick in die Arbeit von AuditivVokal Dresden mittels Probenbesuchen (physisch und digital), Gesprächen mit Sänger*innenn sowie der künstlerischen Leitung und spezielle Werkeinführungen. Die Mitgliedschaft ist derzeit kostenfrei.
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Digitales
CD-Diskographie
Sonos Transcribenda Firmamento estelar II Ramón Gorigoitia Da Vinci Classics, 2020 Ramón Gorigoitia Released on: 2020-12-11 Auditivvokal Dresden Ensemble Iberoamericano Conductor: Olaf Katzer Composer: Ramón Gorigoitia
Distant Song Reiko Füting: distant song, 2018 New Focus Recordings Released on: 2018-12-14 Art d‘Echo AuditivVokal Dresden Conductor: Olaf Katzer Composer: Reiko Füting
Annäherung an Petrarca Gerald Eckert: Absence, 2020 Mode, Records Released on: 2020-04-03 AuditivVokal Dresden ensemble reflexion K Conductor: Olaf Katzer Composer: Gerald Eckert
Contemporary Chamber Music 2 Contemporary Collection, Vol. 11, 2020 RMN Music Recording Released on: 2020-03-25 Featuring works by Will Healy, Hao Zou, Will Frampton, Demian Rudel Rey, Chin Ting Chan, Antonio Fraioli, and Richard Heller
Kammermusik II (2014 – 2016) „Sprachlos“ (2016) Livemittschnitt Palais im Großen Garten Dresden 2016 Tonmeister: Max Pauls AuditivVokal Dresden Conductor: Olaf Katzer Composer: Andreas F. Staffel
KUNST kammermusik | text-klangkompositionen | elektronische musik Producer: Dave Maler © + by kreuzberg records, 2012 Verlag Neue Musik, Berlin AuditivVokal Dresden Conductor: Olaf Katzer Composer: Susanne Stelzenbach
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Impressum © Herausgeber: AuditivVokal Dresden KunstAuditiv Dresden e.V. Könneritzstraße 19 01067 Dresden Bildnachweise: Camille Blake: Umschlagseite, S. 55 Oliver Look: S. 2, 3 Doc Winkler: S. 8, 65, Volker Metzler: S. 12, 15, Stephan Floss: S. 17 Jana Mila Lippitz: S. 23 Christian Hostettler: S. 27, 32, 36, 39, 45, 53, 57, 60 Alexander Bischoff: S. 35 Sebastian Hoppe: S. 42, 43 Klaus Gigga: S. 48, 49, 51 Jens Freudenberg: S. 63 Michael Sommermeier: S. 67 Redaktion: Dr. Friedrich Hausen, Olaf Katzer, Nicole Meier Gestaltung: Thomas Pegel, sachenwerk Druck: SAXOPRINT GmbH www.auditivvokal.de Stand: Januar 2022 Änderungen vorbehalten!
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Partner Förderer Netzwerk
Wir danken unseren Förderern und Partnern!
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gefördert durch das Amt für Kultur und Denkmalschutz
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Team Kontakt
AuditivVokal Dresden Probenatelier und Büro im Musikerviertel Könneritzstraße 19 01067 Dresden www.auditivvokal.de Künstlerische Leitung Olaf Katzer Y katzer@auditivvokal.de B Büro +49 (0)351 40 760 493
Social Media Marie Bieber Katharina Salden Philipp Schreyer
Management & Organisation Nicole Meier Y meier@auditivvokal.de B +49 (0)170 31 898 33
Website Christian Hostettler Philipp Schreyer
Geschäftsführung Ben Uhle Y uhle@auditivvokal.de B +49 (0)177 75 965 69 Projektdramaturgie Dr. Tobias Schick Y dramaturgie@auditivvokal.de Philosophie Dr. Friedrich Hausen Y philosophie@auditivvokal.de
Stimmforschung Marie Bieber Jan Heinke Philipp Schreyer Angela Wingerath Y stimmforschung@auditivvokal.de Technische Produktionsassistenz Cornelius Uhle Y produktion@auditivvokal.de Vorstand des Vereins KunstAuditiv Dresden e. V. Olaf Katzer, Vorsitzender Y katzer@auditivvokal.de Stefan Kunath, Stellvertretender Vorsitzender Y kunath@auditivvokal.de Schatzmeister Alexander Bischoff Y bischoff@auditivvokal.de Archiv Stefan Kunath Y kunath@auditivvokal.de
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