Fight Back 04 - Antifa-Recherche Berlin / Brandenburg - 2009

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Entwicklungen in Marzahn/Hellersdorf ANB-Nachwuchs und KV4 Aktionsgruppe Marzahn-Hellersdorf / Aktivisten Marzahn-Hellersdorf Eine Gruppierung mit dem Namen Aktionsgruppe Marzahn-Hellersdorf (AG M-H) trat zum ersten Mal im März 2008 öffentlich in Erscheinung. In diesem Zeitraum tauchten vermehrt Aufkleber und Plakate mit neonazistischen Inhalten unter diesem Label in den Stadtteilen Marzahn-Süd und Hellersdorf-Ost sowie in Lichtenberg auf. Wie der Name bereits erahnen lässt, handelt es sich bei der Aktionsgruppe Marzahn-Hellersdorf (AG M-H) mitnichten um eine feste Kameradschaftsstruktur. Die AG M-H ist vielmehr das Label einer neonazistischen aktionsorientierten jugendlichen Hellersdorfer Schläger- und Trinkerclique, die seit Jahren für neonazistische Propaganda, Bedrohungen und Angriffe, vorwiegend in Hellersdorf, verantwortlich ist. Bevorzugtes Angriffsziel der Gruppe ist seit jeher das autonome Jugendzentrum Kita im Stadtteil Hellersdorf-Ost. Im März 2005 griffen Personen aus dem Kreis der AG M-H und ihrem Umfeld zum ersten Mal das AJZ Kita an. Zu den Angreifern gehörten u.a. Stefan Drahs, Matthias Hirsch, Sally-Nancy Wolter und Jennifer Nowara. In anschließenden Polizeivernehmungen wurde Drahs von seinen KameradInnen als Anführer bezeichnet. Nach einer längeren Phase der Inaktivität traten die damaligen Nachwuchsneonazis im Sommer 2006 wieder in Erscheinung. Nachdem erst Stefan Drahs am Morgen des 18. Juni 2006 versuchte einen Praktikanten der Bezirklichen Koordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus, den er aufgrund seines Outfits als Punk identifizierte, am U-Bhf. Hellersdorf anzugreifen, unternahmen er und vier weitere Personen am 28. Juni 2006 den Versuch eine Infoveranstaltung zu völkischer Ideologie im interkulturellen Zentrum Haus Babylon zu stören. Im Zuge des Wahlkampfs der NPD zu den Berliner Abgeordnetenhauswahlen 2006 engagierte sich Drahs ebenfalls als Wahlhelfer für die neonazistische Partei. So brachte er u.a. zusammen mit Robert Scheffler (NPD & Vereinigte Nationalisten Nordost - VNNO) und jugendlichen Marzahner Neoaziskins am 13. August 2006 NPD-Plakate an. Kurz nach den Wahlen beteiligte Drahs sich auch für kurze Zeit als Begleitschutz des NPD-Fraktionsmitglieds Matthias Wichmann. Darüber hinaus gehört er der BFC Ultra-Gruppe Semnonen BFC an und pflegt gute Kontakte zur Lichtenberger Dynamo-Crew und der Fraktion-H (Ultra-Gruppierung aus Hellersdorf). Für den Kampf auf der Straße lässt sich Drahs in der Kampfsportschule Satori und im Wettkampf- und Trainingszentrum des SC Eintracht Berlin ausbilden. Neben Stefan Drahs zeichnet sich aus dem Kreis der Aktionsgruppe Marzahn-Hellersdorf vor allem Andreas Thomä durch Bedrohungen und Gewalttaten aus. In der Nacht zum 22. April 2007 überfielen er und fünf

weitere Neonazis aus Lichtenberg, u.a. Alexander Basil, David Jäckel und Lars Wünsche, drei alternativ gekleidete Jugendliche am Bhf. Lichtenberg. Als die Bahn in den S-Bahnhof Lichtenberg einfuhr, begannen die Neonazis auf ihre Opfer einzutreten. Bevor sie flohen, besprühte Thomä die Opfer mit Reizgas. Die Angegriffenen erlitten Verletzungen im Gesicht und mussten in ein Krankenhaus gebracht werden. Erste propagandistische Tätigkeiten unternahm Thomä bereits im April 2005, als er Flugblätter, die sich mit einem eventuellen EU-Beitritt der Türkei auseinandersetzen und eine ethnische Destabilisierung herbeihalluzinierten, in die Briefkästen seines Wohngebiets steckte. In der Folgezeit versuchte Thomä verstärkt Anschluss an die Lichtenberger Kameradschaftsszene zu finden. So tauchte er am 16. Mai 2007 mit den Lichtenberger Neonazis Stephan Detlef Alex, Alexander Basil, Phillip Bornemann, David Gudra und Lars Wünsche bei einer Podiumsdiskussion zur Rückbenennung von Straßen in Mahlsdorf und Kaulsdorf, welche aufgrund ihrer jüdischen Namenspatronen im Zuge der Shoa umbenannt wurden, im Alten Marzahner Rathaus auf, um anwesende Gäste zu bedrohen und zu fotografieren. Neben umfangreichen Propaganda-Aktivitäten anlässlich der Todestage des SA-Sturmführers Horst Wessel und des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß, an denen sich neben Thomä maßgeblich Robert Bindel, Matthias Hirsch und Steven Küster beteiligten, richtete sich die Aufmerksamkeit der Hellersdorfer Neonazis im Sommer 2007 wiederholt auf das AJZ Kita. Nach diversen vorangehenden Bedrohungen von BesucherInnen der, im AJZ beheimateten, Kneipe La Casa, provozierte Andreas Thomä Gäste eines antifaschistischen Konzerts, das auf dem Gelände des autonomen Jugendzentrums stattfand, bevor u.a. sein Kamerad Stefan Drahs mit zwei weiteren Personen in der Nacht zum 24. Juni 2007 BesucherInnen des Festivals am U-Bhf. Louis-Lewin-Str. zunächst verbal bedrohte und kurz darauf unvermittelt angriff. Ein Jugendlicher wurde dabei von Drahs mit einem Teleskop-Schlagstock attackiert und erlitt dabei eine Platzwunde. Nachdem ein weiterer Jugendlicher aus der Gruppe von einem der Neonazis niedergeschlagen wurde, traten sie auf die am Boden liegenden Opfer ein. Im Frühjahr 2008 verstärkten die Hellersdorfer Neonazis, allen voran Andreas Thomä, ihre Bemühungen den gesamten Bezirk kontinuierlich mit Nazipropaganda zu überziehen. Passend dazu erfanden sie das Label Aktionsgruppe Marzahn-Hellersdorf. Über die Erstellung diverser Aufkleber, T-Shirts, Plakate und eines Videoclips, der zwischenzeitlich auf dem Video-Portal YouTube zu sehen war, kam die Gruppe jedoch nicht hinaus. Im April 2008 intensivierten diese ihre „Anti-Antifa“-Aktivitäten.

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