fight.back Nr.4 - 2009
Erst WJ, dann HDJ: Eric Kaden
Der Ex-Berliner HDJ-Funktionär Ragnar Dam führte die HDJ-Einheit Mecklenburg/Pommern
Dr. Joachim Nothdurft (DSU) aus Dessau und Laurens Nothdurft (Ex-HDJ-Bundesvorstand)
Das Osterlager der Leitstelle Mitte fand 2006 in „Pommern“ statt. Außerdem fand eine Tagesfahrt nach Dresden in Uniform und mit HDJ-Fahne statt. Der FFK Berlin und Brandenburg verstaltete am 8. Juli 2006 ein Grillfest in der Nähe von Berlin und am 24. September 2006 besuchte die Einheit Preussen die umstrittene Arno-Breker-Ausstellung in Schwerin. Ende 2006 mieteten Laurens Nothdurft und Dennis Schauer die Burg Hohenberg im Landkreis Wunsiedel für ein HDJ-Treffen mit 90 TeilnehmerInnen. Ein anderes HDJ-Lager soll im brandenburgischen Großzerlang bei Rheinsberg stattgefunden haben. Am 9. Juni 2007 marschierten neun HDJ-Anhänger der Einheit Preußen (u.a. Björn Wild, Markus Schmidt und Paul Ochotzky) in voller Kluft durch die Stralsunder Straße in Oranienburg. Im Auftrag der Neuruppiner Staatsanwaltschaft folgten daraufhin Hausdurchsuchungen bei drei Objekten in Oranienburg, sechs in Berlin sowie einer Wohnung eines ehemaligen Berliners in Dresden. Im Rahmen der Ermittlungen seien Uniformen der Heimattreuen Deutschen Jugend sichergestellt worden. Bei den Betroffenen soll es sich nach Behördenangaben um Anhänger der im März 2005 verbotenen Kameradschaft Tor aus Berlin handeln, die sich heute im Umfeld der HDJ tummeln. Im Januar 2008 besichtigte die Einheit Preußen den Flughafen Tempelhof und fuhr nach Mecklenburg-Vorpommern zum Einheitswochenende. Es folgten Einheitstreffen für die Jüngeren, ein Liederabend für die Älteren, ein Vortrag und ein 80 km Leistungsmarsch durch Mecklenburg-Vorpommern. Fazit Mit der Heimattreuen Deutschen Jugend verfügte die deutsche NeonaziSzene über eine Struktur, die einige der Lücken auszufüllen vermochte, welche das Verbot der Wiking Jugend hinterlassen hatte. Die Wiking Jugend stand für eine kontinuierliche politische Erziehung von Kindern und Jugendlichen im Geiste der verbotenen Hitler Jugend (HJ). Die WJ wurde 1994 verboten, da sie in Programm, Vorstellungswelt und Gesamtstil eine Wesensverwandtschaft mit der frühen NSDAP und ihrer Teilorganisation Hitlerjugend aufwies. Mit der HDJ gab es bis März 2009 mehr als zehn Jahre später wieder ein fraktionsübergreifendes Angebot innerhalb der Neonazi-Szene, um Kindern und Jugendlichen eine HJ/WJ-ähnliche politische Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Bei der HDJ wurden, wie bei der HJ und der WJ, kulturelle Erlebnisse, sportliche Freizeitgestaltung und Lagerfeuerromantik mit völkischer Ideologievermittlung und politischen Schulungen verknüpft. Diese Form der kontinuierlichen Schulungen, verbunden mit dem auf Fahrten vermittelten Gemeinschaftserlebnis, führten zu einer Heranbildung von ideologisch gefestigten, zukünftigen Kadern. Die nazistisch ideologische Festigung im Kindesalter über das Vehikel der Brauchtumspflege in der HDJ ist einmalig. Auch wenn sich die HDJ mit direkten programmatischen Bezügen zur HJ und WJ zurückhält, eine Wesensverwandtschaft zwischen der HDJ, WJ und HJ drängt sich BeobachterInnen der Szene geradezu auf. Der Gefahr eines Verbotes schien sich die HDJ durchaus bewusst zu sein und so vermied sie die Propagierung von nationalsozialistischem Rassismus und Antisemitismus in ihren Publikationen. Deutlicher wird die Wesensver-
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Der Ex-Berliner Neonazikader Lutz Giesen (links) zusammen mit den HDJ-Kadern Holle Böhm (mitte) und Dennis Schauer (rechts).
wandtschaft der HDJ zur HJ und zur WJ allerdings schon bei der Orientierung am nationalsozialistischen Sprachgebrauch. Beim WJ-Verbot wurde hierzu u.a. die Ähnlichkeit zwischen dem „HJ-Reichsführer“ und dem „WJ –Bundesführer“ und die Bezeichnung „Gaue“ als Beleg angeführt. Nicht nur, dass die Bezeichnung „Bundesführer“ heute noch bei der HDJ Verwendung fand und in einer internen Einladung von „Gauen“ die Rede war, auf einem HDJ-Lager im August 2006 fand sich gar ein Schild „Führerbunker“ an einem Zelt. Noch deutlicher tritt die Wesensverwandtschaft bei der Form des äußeren Erscheinungsbildes auf. Genau wie bei der HJ und bei der WJ prägen uniformähnliche Bekleidung, Marschkolonnen, Fahnenträger und Spielmannszüge mit Trommeln und Fanfaren die Lageratmosphäre. Auch an Bekenntnissen zu Repräsentanten des Nationalsozialismus wie z.B. dem „tapferen deutschen Soldaten“ Hans Ulrich Rudel, der BDM-Reichsreferentin Jutta Rüdiger und das „leuchtende Vorbild“ Kurt Eggers mangelt es bei der HDJ nicht. Durch eine Reihe von Übergriffen auf JournalistInnen stellte die HDJ im Jahr 2008 auch eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung in der Tradition der WJ zur Schau. Dass diese sich zumindest auch verbal gegen die „bestehende verfassungsmäßige Ordnung“ richtet, zeigt ein Zitat aus der Rede von Ralph Tegethoff auf dem „5. Märkischen Kulturtag“ der HDJ: „(...) dieses System ist ein Fehler und wir sind angetreten, um dieses System abzuschaffen und durch einen freien deutschen Volksstaat zu ersetzen.“ Ein vorhersehbares Verbot Auf ein Verbot konnten sich auch die Berlin / Brandenburger HDJ-AktivistInnen einstellen. Von den Vorab-Durchsuchungen gegen die HDJ waren allein 15 Objekte in Berlin betroffen. Für Jörg Hähnel wurde die NPD-Bundeszentrale in Berlin-Köpenick durchsucht. Außerdem standen Laurens und Hildegard Nothdurft in Berlin-Zehlendorf, Eric Kaden in Berlin-Schöneberg und Björn Wild in Berlin-Lichtenberg im Visier der Fahnder. Eric Kaden aus Dresden gehörte zum „Gau“ der Wiking Jugend in Sachsen und ist bis heute in diversen neonazistischen Strukturen eingebunden. Er betrieb in Dresden zusammen mit Sebastian Räbiger den Buchdienst Kaden. In Brandenburg traf es insgesamt 14 Objekte. Betroffen waren Jörg und Stella Hähnel (Am Mellensee), Matthias Ridderskamp (Blankenfelde), Wolfram Nahrath, (Birkenwerder), Holle Böhm (Hohen Neuendorf), Sebastian Räbiger (Reichenwalde), Gesine und Sascha Stein (Hohen Neuendorf, Berge), Markus Schmidt (Oranienburg) und Sebastian Richter (Hohen Neuendorf). Eine abgebrochene Durchsuchung fand bei dem Studenten Sebastian Frenzel statt. Das Mitglied der FDP war durch einen ehemaligen Kommilitonen in das Raster geraten. Ausblick Das Verbot der HDJ dürfte die Arbeitsbedingungen für völkische Jugendarbeit erstmal erschwert haben. Bleibt abzuwarten ob in Berlin von dem politischen Vakuum nicht letztendlich die NPD - Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) profitiert. Viele AktivistInnen aus den verbotenen Kameradschaften Tor und BASO haben sich hier bereits eine zweite verbotsresistente politische Heimat geschaffen. Und führende HDJ-Aktivisten wie Jörg Hähnel, Björn Wild und Andrew Stelter waren jahrelang in der JN politisch aktiv gewesen.