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Alexander von Humboldt Seine Reisen zählen zu den berühmtesten Expeditionen der Menschheitsgeschichte. Aufgrund seines unstillbaren Wissensdurst und seiner Experimentierfreude begab er sich und seine Begleiter des Öfteren in Lebensgefahr. Bei der Erstellung seines Lebenswerks, dem »Kosmos« stand für ihn die unmittelbare, materielle Begegnung mit dem ihm Umgebenden und die körperliche Erfahrung als Basis für seine Forschung im Vordergrund. Sein »Entwurf einer physischen Weltbeschreibung« wie der Untertitel des Kosmos lautet betrachtet auch die potenzielle Unendlichkeit des Flusses der Natur mitdenken. Das heutige Lesen über seine Forschungen ist nicht nur von wissenschaftlicher Relevanz, sondern hat spannende literarische, künstlerische und auch methodische Qualitäten. Angstlosigkeit Durch eine Quantifizierung der Welt, die der Natur mathematische Regeln und Mechanismen, nach der diese funktioniert, auferlegt, entzaubert die Welt. Das führt einerseits zu einer Befreiung von Angst, lässt auch ein neues Verständnis der bereits bekannten Zusammenhänge zu. Eine Infektion mit dem Toxoplasma gondii führt zu dieser Angstlosigkeit. Antibiotika Das Markenzeichen der modernen Medizin schlechthin. Im ursprünglichen Sinn bezeichnet ein Antibiotika ein Stoffwechselprodukt eines Mikroorganismus, das andere Mikroorganismen vom eigenen Wachstum abhält oder abtötet. Im landläufigen Sprachgebrauch wird unter Antibiotikum jedoch eine (teil-)synthetische oder gentechnisch hergestellte Substanz zur Bekämpfung von pathogenen Bakterien verstanden. Ein viel diskutiertes Thema sind daher Antibiotikaresistenzen, die tatsächlich hauptsächlich durch den übermäßigen Gebrauch und Einsatz von Antibiotika entstanden sind. Resistente Stämme entwickeln sich, wenn einzelne Bakterien vom zugeführten Antibiotika nicht abgetötet werden. Besonders kritisch zu betrachten ist zudem der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Steigerung von Wachstum und Leistung des Tieres. Vor Allem durch Gülle wird Antibiotika daher in die Umwelt gegeben und von hier gelangt es im Umkehrschluss zurück zu Mensch, Tier und Pflanze. Grundsätzlich soll die Nutzung von Antibiotika kritisch betrachtet werden, aber von einem kompletten Verzicht abgesehen werden, da die Wirksamkeit – in vielen Fällen lebensrettend ist — und daher bei richtigem Einsatz außer Frage steht. Anwesenheit im Raum Schlichtes Da-Sein, körperlich und auch räumlich hat von sich aus erst einmal keine Eigenschaften. In Interaktionen zwischen Lebewesen entsteht durch die gemeinsame Anwesenheit im räumlichen Kontext eine besondere Beziehung. Bei Begegnung in einem virtuellen Raum können emotionale und inhaltliche Verhältnisse zwar ebenso wahrgenommen werden, jedoch ist dies eine andere Begegnung als im realen Raum, in dem sich der Körper dem Raum fügt. Die Anwesenheit ist zunächst einmal die Wahrnehmbarkeit einer Sache oder eines Wesens und lediglich räumlich gegenwärtig, dabei bedingt die Wahrnehmbarkeit zwar die Anwesenheit, aber nicht vice versa. Somit ist sie bloßer Zu- oder Umstand und für sich selbst unbestimmt. Erst durch Folgen, die sich beispielsweise aus einer Dichte von Anwesenheiten ergeben entstehen Wahrnehmungen, Vermittlungen und Interaktionen. Als solch abstraktes Konstrukt in dem Lebewesen die


Gegenwart nicht gestalten, sondern sich und Leben in den Raum bringen. Im Bezug auf das Mikrobiom erweckt die bloße Anwesenheit die Frage eines Hinterlassens. Was passiert in einem Raum, wie nehmen wir als Mensch ihn ein und wie machen wir ihn uns zu eigen? Der Wissenschaftler James Meadow hat die Freisetzung von Mikroben aus einer den Menschen umgebenden mikrobiellen Wolke untersucht. Dabei wurden einzelne Personen eine gereinigte Klimakammer gesetzt. Nach 2-4 Stunden konnte man in vorher ausgelegten Petrischalen, als auch in den angebrachten Luftfiltern analysiert. Dabei stellten sie fest, dass sich nicht nur eine Vielzahl der Mikroben aus der Wolke in den Testbehältnissen befand, also eine Anwesenheit nachweisbar wurde, sondern dass die Wolken individuell sind und die Testpersonen durch sie identifiziert werden können. Apotheke Dem altgriechischem Wortursprung apothéke nach bedeutet das Wort nichts anderes als ein Aufbewahrungsort für Vorräte. Historisch betrachtet finden sich daher Apotheken als Bibliotheken, Weinlager, Gewürzläden oder auch Heilkräuterlager. Der vor Allem im englischsprachigen Raum genutzte Begriff der Pharmazie als Apothekenraum, steht etymologisch dagegen für den Gebrauch von Heilmitteln, Giften und auch Zaubermitteln (altgriechisch pharmakeia). Die Apotheke als Lager von ver- und entzauberten Produkten. Archäogenetik Die Grenzwissenschaft der Archäogenetik untersucht Genmaterial von Organismen um Erkenntnisse über die Evolutionsgeschichte zu erhalten. So kann verstanden werden, wie sich beispielsweise die Landwirtschaft entwickelt und verbreitet hat, aber auch um genauer nachvollziehen zu können, wann sich einzelne Arten voneinander getrennt haben. Auch Interaktionen und Co-Evolutionen zwischen Wirt und Symbiont können so über einen langen Zeitraum untersucht werden um beispielsweise konkrete Belege für die Entwicklung von Infektionskrankheiten und die Entwicklung der im Wirt vorhandenen immunrelevanten Informationen zu verstehen. Wissenschaftler der Universität Zürich konnten von einem mittelalterlichen Gebiss mikrobielle DNA aus Zahnstein (der wie ein versteinerter Speicher für das Mundmikrobiom wirkt) sequenzieren, die neben bereits bekannten Organismen auch Genkombinationen für eine Antibiotikaresistenz besaßen, lange vor dem ersten Einsatz von Antibiotika. Auch Transformationen in der Umwelt durch menschliche Selektion und Domestizierung, die Informationen zu Transformation und Aufbau von Gesellschaften, Familien und Kultur bereithalten, können mithilfe alter DNA untersucht werden und somit Wissenslücken geschlossen werden. Archäologie Wie ist etwas erlebbar, was es sowieso nicht mehr gibt? Als Wissenschaft untersucht die Archäologie die kulturelle Entwicklung und Evolution der Menschheit. Dies funktioniert durch die Suche und Analyse von materiellen Hinterlassenschaften, wie Gebäuden, Werkzeugen und Kunst. Anhand von Funden können verbunden mit anderen Wissenschaften wie der Anthropologie, der Geologie oder der Biologie weitreichende Spekulationen und Schlüsse gezogen werden. Bei der genauen Betrachtung von Keramik kann man zwischen verschiedenen Mustern wie Linienband- , Schnur-, oder Tiefstichkeramik und verschiedenen Formen unter-


scheiden. Ein auf diesem Wissen basierenden Fund wurde in Schweden untersucht: Vor 4.800 Jahren lebten in Mitteleuropa Ackerbauern, die Gefäße in Linienbandkeramik herstellten. Relativ plötzlich änderte sich diese Form zu Keramik in Schnurform, bekannt von Halbnomaden aus dem Osten. Bei der Analyse von DNA-Sequenzen die auf den Gebissüberresten von Europäern und Asiaten fanden sich Pesterreger. Die Spekulation also: Es handelte sich um die erste große bakterielle Epidemie der Menschheit, die die europäischen Ackerbauern vertrieben oder getötet hatte. Archiv Dem Menschen inne wohnt ein Drang Wissen zu ordnen, zu katalogisieren, und Informationen zu sichern und aufzubewahren. Neben Akten, Geschichten und Wissen wird auch Leben mittlerweile archiviert. Das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl das Samenarchiv auf Spitzbergen. Basierend auf dieser Idee wird derzeit geprüft ob ein Archiv für Mikroben möglich wäre, um die Vielfalt der Mikroben zu sichern. Dabei stellen sich Fragen nach der besten Konservierung und dem Ort des Archivs. Dominguez Bello und ihr Mann Martin Blaser, beides Mikrobiologen, stellen aber auch ethische Fragen, beispielsweise nach dem Eigentum: »Wenn wir Exkremente von einem Menschen aus irgendeinem Land haben, wem gehören diese Exkremente dann?« Diese Fragen müssen vor der Erstellung des Archivs geklärt werden, da wenn in Zukunft bereits verschwundene Mikroben Krankheiten heilen können, werden sie in ihrem Wert extrem steigen. Den Beginn für eine andere Art der Archivierung begründete der Biologe Nick Goldman zusammen mit UNICEF im November 2019. Er codierte die UN-Konvention für Kinderrechte (CRC) in einem synthetischen DNA-Strang, der sich nun ebenfalls im Permafrost des Arctic World Archivs in Norwegen befindet. Auf diese Weise könnten sowohl Mikroben, als auch andere Kulturen für die Ewigkeit gesichert werden. Austausch Transpositionen sind Austausch zwischen Arten und Körpern, von Beziehungen im Wandel. Nach der Idee von Deleuze und Guattari gehen beim Aufeinandertreffen Körper einen Partikelaustausch ein, der ihre Ausgangszusammensetzung ändert. Die Körper werden so zu anderen Wesen, als sie es zuvor waren. Mit der Austauschtheorie von John W. Thibaut und Harold H. Kelley in »The social psychology of groups« wird versucht zu verstehen wie soziale Beziehungen und Verhalten auf Basis von Belohnung und Kosten in einer Interaktion entstehen. Autopoiesis Der Begriff Autopoiesis wurde vom Neurobiologen Maturana geprägt. Er versucht damit einen Begriff zu finden, der die Selbsterschaffung und Selbsterhaltung in einem lebenden System beschreibt. Ein autopoetisches System ist daher bestimmt, durch die eigene, selbstbezügliche Organisation und Struktur. Das Produkt dieses Systems ist damit auch das System selbst. Spannend an diesem Ansatz ist die Betrachtung eines Lebewesens als Prozess und nicht als Sammlung von Charaktereigenschaften. Solch ein System besteht immer aus mehreren Komponenten, die in Wechselwirkung und Interaktion treten. Niklas Luhmann überträgt diese biologische Idee in die Soziologie und behauptet, dass soziale Systeme nicht durch ihr Individuen entstehen, sondern allein durch den Fakt, dass kommuniziert wird. Ist der Mensch als Ökosystem oder Holobiont autopoetisch?


Ästhetik Man sagt, die Schönheit liege im Auge des Betrachters. Ästhetik ist also die Bemühung sinnliche Wahrnehmung und der daraus sich ergebenden Empfindung zu ergründen. In der Zeit nach Hegel sind in der Ästhetik nicht nur Harmonie und Wohlgestaltung zu untersuchen, sondern auch das Gegenteil davon, da beide Extreme eine Faszination inne haben. Das Hässliche kunstvoll dargestellt kann als ästhetisch ansprechend bzw. künstlerisch schön beurteilt werden. In diesem Sinne umfasst der Begriff der Ästhetik die Wahrnehmungslehre und thematisiert die Frage warum Objekte schön oder hässlich konnotiert sind und ob ein Objekt auf- bzw. erklären kann und welche Macht ein Werk oder Objekt hat. Bakterien Bakterien sind einzellige Mikroorganismen ohne echten Zellkern und bilden die dritte Domäne im Reich der Lebewesen, neben Archäen und Eukaryoten. Nach ihrer Fortpflanzung durch Teilung verbleiben sie als selbstständige Individuen in Zellverbänden mit anderen Bakterien. Allgemein werden sie daher als Prokaryoten bezeichnet. Oft ist im Namen der Bakterien ein Hinweis auf ihre Form (Kugel, Stäbchen, gekrümmter Zylinder) gegeben. Bei Zellverbänden entstehen daher bei kugelförmigen Bakterien oft Zellhaufen, bei stäbchenförmigen Zellen Ketten. Eine Bakterienzelle besteht zumeist aus einer Zellwand und einer Membran, die das Zytoplasma umhüllen. Im Zytoplasma liegt der Nucleoid, bestehend aus häufig nur einem DNAStrang frei. Von den Bakterien, die in ihrer Vielfalt unübertrefflich sind, gibt es geschätzt Bakterien 5 · 1030 Lebewesen, die in jedem Biotop und in jeder Situation zu finden sind. Beziehung Wie können Menschen in idealer Partnerschaft mit Mikroben leben? Um die Beziehung zwischen Organismen zu beschrieben wird in der Biologie der Begriff der Symbiose genutzt, der immer zum Tragen kommt, wenn zwei oder mehr Organismen in enger Beziehung zueinander (oft auf oder ineinander) leben. Die Allgemeinheit denkt bei Mikroben-Mensch Interaktionen an Parasitismus, bei dem ein Partner profitiert und der andere verletzt wird. Hierbei führt die Mikroben, weithin dann als Pathogen bezeichnet, zur Erkrankung. Die korrekte Definition im weiteren biologischen Sinne für ein Pathogen ist jedoch zuerst einmal der einer Mikrobe, die der Abwehr widerstehen und anatomische Grenzen überschreiten kann. Tatsächlich machen gutartige und nützliche Beziehungen jedoch die Interaktion zwischen Mensch und Mikrobe aus, beispielsweise im Darm. Bakterien extrahieren hier die Nährstoffe unserer Nahrung und produzieren wichtige Vitamine. Mit diesen Beziehungen haben wir uns als Mensch entwickelt, sodass wir die Mikroben durchaus als »significant other« verstehen können. Biohacking Biohacking, auch oft als DIY-Biologie bezeichnet, ist ein rasant größer werdende Bewegung zur menschlichen Selbstoptimierung. Dabei geht es den meisten Biohackern darum, sich die Errungenschaften der Biologie, mit dem fast philosophischen Konzept des Hackings zu Nutze zu machen um die eigene Leistung zu optimieren. Je nach Definition kann dabei auch schon das biochemische Verständnis des Organismus und eine darauf eingestellte Ernährung und Lebensweise als Hacking bezeichnet werden. Dieser Bereich ähnelt der »Quantified Self«- Bewegung, bei der so Fitness-, Schlaf- und andere Tracker eingesetzt, Nahrungsergänzungsmittel geschluckt und andere Gadgets (Neu-


rofeedbackgeräte, Blaulichtfilterbrillen, Gehrinwellenmesser u.ä.) genutzt werden. Auch die Veränderung der eigenen DNA ist Teil der DIY-Bewegung. Durch die CRISPR/Cas-Technologie ist es heute auch im »Heimlabor« möglich mit etwas Wissen über die Epigenetik Gene zu manipulieren. Sogenannte »Grinder« identifizieren sich mit einer transhumanistischen Ideologie und versuchen ihren eigenen Körper mithilfe von technischer und elektronischer Hardware oder Biochemie zu verändern. Cheese nun Mutter Noella Marcellino beschäftigte sich in ihrer Doktorarbeit der Mikrobiologie mit den positiven Effekten von Verfall und Fäulnis, sowie Geruchs- und Geschmacksnoten auf französischen Käse. Sie sammelte und untersuchte residente Pilzstämme aus traditionell geführten Käsehöhlen um die Besonderheiten des Ökosystems Käse genauer zu analysieren. Co-Evolution Co-Evolution bezeichnet generell die wechselseitige Anpassung von interagierenden Arten im Verlauf ihrer Stammesgeschichte. Sie entsteht wenn ein Ökosystem in sich selbst aus Organismen und Populationen besteht, die für andere Organismen als Ökosystem auftreten. So entsteht eine unausweichliche Wechselwirkung. Der Begriff wurde von Paul Ehrlich und Peter Raven 1965 eingeführt, um anhand von Beispielen zu erklären, wie parallel laufende Evolutionsstränge im kleinen Bereich dazu führen, dass nicht nur Entwicklungen von Indivi-duen voneinander abhängen, sondern es im Größeren auch zu einer Progression in großen übergeordneten Systemen kommt. Dies kann durchaus dazu führen, dass die Evolution der »kleinen« Symbionten in andere Richtungen gelenkt wird, was wiederum Veränderungen im großen Ganzen mit sich zieht. Klassischerweise wird der Begriff der Co-Evolution in der Biologie verwendet und beschriebt Paarbeziehungen wie Symbiose (Mutualismus, Kommensalismus bis hin zum Parasitismus). In der Evolutionsforschung wird diese Entwicklung auf mit dem Rote-Königin-Begriff beschrieben. Die Rote Königin aus Lewis Carrols Alice im Wunderland muss permanent in Bewegung sein, um die Welt im Stillstand zu halten, was einem stetiges »aneinander-entwickeln« gleicht. Aber nicht nur in der Biologie kann dieser Begriff benutzt werden um die sich beeinflussende Entwicklung von jeglichen dynamischen Systemen oder Systemkomponenten zu beschreiben. Schon am Beginn der kulturellen Entwicklung des Menschen steht vor Entstehung der klassischen Siedlungsformen die Gruppenlagerstätte. Hier entstehen Tätigkeitsbereiche, die über Menschenansammlungen zu Dörfern und lokalen Zentren führen. Dabei wird Wissen und Tradition gesammelt. Dies bedingt im größeren Rahmen z.B. die Entwicklung von Schrift, dadurch entstehen Freiheit und Abhängigkeitsmodelle etc. In jedem System haben Kommunikation, Information und Wissen und die sich daraus ergebenden Wechselwirkungen wesentliche Bedeutung. DNA Barcoding Das DNA-Barcoding ist eine Methode zur Artenbestimmung anhand von kurzen DNA-Sequenzen. Analog zum Strichcode wird die Abfolge der Basenpaare als Kennzeichnung für eine Art verwendet. Zur schnellen und zuverlässigen genetischen Artidentifizierung von ist diese Methode globaler Standard, da sie molekulare und morphologische Daten er- und darstellt. Das Ziel ist der Aufbau einer Referenzdatenbank, die das Leben auf der Welt katalogisiert.


Darm Man könnte sagen, dass die Forschung am menschlichen Mikrobiom in ihrer Anfangszeit auf den Darm gestürzt hat und der sich daraus entwickelte Hype schon seit einiger Zeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Das kommt sicherlich nicht von ungefähr, da der Darm die wohl am reichsten besiedelteste Region des menschlichen Körpers ist. Schon vor der Forschung des Mikrobioms (das Darmbiom wurde hier noch fälschlicherweise als Flora bezeichnet) wurde darmfördernde Probiotik vermarktet und über die Qualität von Sauerteigbrot, Brottrunk und ähnlichem gesprochen. Doch erst seit der Forschung am Mikrobiom wird langsam der Sinn dahinter ergründet. Aber auch die neueren Erkenntnisse stehen oft vor dem Problem, dass nicht klar ist, ob ein Zustand im Darm Ursache oder Auswirkungen für einen anderen Körperzustand ist. Daher kann man bisher nur mit Sicherheit sagen, dass der Darm mit ziemlich jedem anderen Teil des Körpers verknüpft ist. Darm-Hirn-Achse Immer mehr Studien behaupten, dass Mikroorganismen aus dem Darm nicht nur unsere Verdauung und unseren Stoffwechsel beeinflussen, sondern auch unsere Psyche und Verhalten und im Weiteren sogar Physiologie und Neurochemie des Gehirns verändern können. Dabei sollen die Mikroorganismen Nervenbahnen und Signalsysteme des Zentralnervensystems aktivieren können. Die Ergebnisse der Studien fußen momentan noch mehr auf Spekulationen, handfeste Beweise gibt es, obwohl die Achse bisweilen große Bekanntheit erlangt hat noch nicht. Die Verbindung vom Mikrobiom mit Krankheiten wie Depression, Schizophrenie oder Autismus beruht auf dem Feststellen von Korrelationen. Wie oft in der Mikrobiomforschung kann die Frage der Kausalität noch nicht beantwortet werde: Ist die Erkrankung entstanden durch das Mikrobiom oder vice versa? Nichtsdestotrotz schießen Gesundheitsprodukte auf den Markt, die mit Probiotika für psychischen Wohlbefinden werben. Spannende Forschungen auf dem Weg zur Lösung dieser Fragen werden beispielsweise vom Gastroenterologen Premysl Bercik durchgeführt um herauszufinden, ob psychische Symptome durch Entzündungen oder ein aus dem Gleichgewicht geratenes Mikrobiom angetrieben werden. In einem Mausversuch fand er beispielsweise heraus, dass schüchterne Mäuse neugieriger werden, wenn sie das Mikrobiom von abenteuerlustigen Artgenossen erhalten. Bei dieses Versuchen muss man allein wegen der für die Versuche misshandelten/genutzten Mäuse Skepsis walten lassen, beim Blick in die Zukunft warten hier jedoch spannende Erkenntnisse auf, die entdeckt werden wollen. Datenbank Für die Verarbeitung von Daten aus einer Datenbank ist eine gewisse Qualität und Vollständigkeit wichtig. Eine Datenbank, spiegelt dann gewisse interessante Aspekte wieder und schafft aus diesen Daten ein Modell der Welt. Allerdings kann eine Datenbank nie vollkommen vollständig sein und daher nie komplett mit der realen Welt übereinstimmen. Im Gegensatz zum Archiv, das systematisch Einzelteile erfasst und eingliedert, beinhaltet eine Datenbank in meinem Sinne eine große Menge an Daten, die in ihrer Gesamtheit Aussagen über Bedingungen und Auswirkungen machen können.


De- & Reterritoritalisierung Deterritorialisierung beschreibt eine Störung oder Verschiebung von bestehenden Grenzen oder Beziehungen zwischen Materie. Reterritorialisierung ist eine Umstrukturierung dieser Grenzen, fließend und unsichtbar. Es passiert ständig: Eine Berührung, ein Atemzug, ein Löffel und Teile von mir werden zu Teilen eines Anderen. Wir sind nicht mehr autonom, wir gehören zusammen. Denken Denken ist eine individuelle Einstellung, die sich durch eine zielgerichtete geistige Tätigkeit manifestiert hat. In seiner Regierungserklärung in Jahr 1963 meint Bundeskanzler Erhard, dass »[d]as Handeln anderen Gesetzen […] als das Denken [entspringt]; aber gleichwohl sind beide aufeinander angewiesen.« Im Alltag schreiben wir Emotionen sehr weitgehenden Einfluss auf unser Denken zu, aber sind diese wirklich Gegenspieler von Rationalität und dem »vernunftbasierten« Denken sind. Emotionen liefern uns Hinweise über die Außenwelt und richten sich auf Werte. Emotionen sind daher oft Ausgangspunkte und Inputs als Zugang zum Denkmodell. Allerdings können Emotionen dieses Denkmodell auch manipulieren und kognitive Fähigkeiten, wie das Denken abhängig von ihrer Richtung (positiver oder negativer Emotion) aufgrund ihrer Affektivität verändern. Neuere Studien wie beispielsweise die Untersuchung von Emily Pronin und Elana Jacobs »Thought Speed, Mood and the Experience of Mental Motion« zeigen jedoch, dass Emotionen nicht unbedingt das Denken beeinflussen, sondern dass dieser Prozess in umgekehrter Richtung ebenso viel Sinn macht. Bei ihrer Studie induzierten sie eine Veränderung von kognitiven Parameter und untersuchten anschließend die Veränderung der Emotion, dabei stellten sie fest, dass Emotionen als Denkweisen bezeichnet werden können, die sich zum Beispiel durch Denkgeschwindigkeit, Denkinhalte und deren Variabilität und Fokus kennzeichnen lassen. Aus dem Wortstamm des »Denkens« heraus entstehen Folgebegriffe wie Wunschdenken (die Wirklichkeit vernachlässigendes Denken), Anspruchsdenken (als Zielsetzung und Erwartungshaltung), Stammesdenken (in der Orientierung auf den gemeinsamen Hintergrund). Durch den Denkprozess können wir die uns umgebende Realität wahrnehmen, verstehen und einschätzen und uns über diese Wirklichkeit ein Urteil bilden. Depression & Serotonin Die Frage, wie der mikrobielle Metabolismus mit der psychischen Gesundheit zusammenhängt ist in der aktuellen Forschung ein kontrovers diskutiertes, aber anziehendes Feld. Die Untersuchungen zeigen bisher, das Änderungen am Mikrobiom mit Änderungen der Lebensqualität und Psyche des Wirts einhergehen. Die noch sehr am Anfang stehenden Forschungen zeigen, dass bei Menschen mit Depression die Anwesenheit von Faecalibakterien und Corpokokken dezimiert ist, auch nach einer Gabe von Antidepressiva. Ob dies jedoch zu Depression führt oder von dieser kommt, ist nicht geklärt. Fakt ist aber, dass Bakterien die Produktion von Serotonin anregen. Neben vielen anderen Funktionen spielt das Serotonin, das zu 90% im Darm gebildet wird und von dort aus ins zentrale Nervensystem gesendet wird, eine große Rolle bei der Emotionsregulation. Basierend auf ihrer Studie von 2015 stellten Elaine Hsiao und Thomas Fung an der UCLA die Frage, warum Bakterien Serotonin von Darmzellen anfordern. Dabei fanden sie heraus, dass das bisher kaum bekannte Turicibacter sanguinis Serotonin in Darmzellen transportieren kann. Bei Einnahme von


Antidepressiva (vor Allem selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern) wird diese Fähigkeit gehemmt. Die Menge an Serotonin im Darm beeinflusst im Umkehrschluss auch die Anwesenheit vom oben genannten Bakterium. Traditionell wurde diese Art von Kommunikation als Neurotransmitter beschrieben, jetzt ist klar, dass es sich hier um bakterielle Kommunikation handelt. Die Geburt der Klinik Nachdem sich zum Ende des 18.Jahrhunderts das Wesen des Krankenhauses radikal ändert und das entsteht was wir heute als Klinik verstehen, wird Krankheit viel rationaler wahrgenommen. Krankheit führt nicht mehr unablässig zum Tod, sondern ist eine Sammlung von Symptomen, die von Ärzten bekämpft werden. Zum ersten Mal in der Geschichte rückt die Medizin in das Zentrum der Humanwissenschaften. Im Blick von Foucault führt dies zusammen mit der Entstehung der pathologischen Anatomie zu einem neuen, entzauberten menschlichen Selbstbild. Einerseits wird dem Menschen der Körperinnenraum bewusst und der Schleier von unserem Inneren wird entfernt, andererseits entstehen neue Verschleierungen durch die Einführung von neuen, für den Laien unverständlichen Fachsprachen. Distanz & Transport Für die Betrachtung des Menschen als Holobionten ist sowohl der Distanzbegriff im räumlichen, im sozialen, als auch im genetischen Kontext interessant. Im sozialen Feld ist hier vor Allem die Proxemik zu betrachten, bei der das Raumverhalten von Individuen bei Interaktionen als nonverbale Kommunikation untersucht wird. Bei Interaktionen zwischen Menschen werden nach E.T. Hall vier Zonen definiert, die Inhalt der Interaktion und Beziehung der Menschen definieren. Je näher sich Personen stehen, desto näher dringen sie in ihren gegenseitigen Raum ein und desto mehr Konfrontation gibt es mit den eigenen Mikrobiomen. Da das menschliche Mikrobiom sich wie eine Wolke um den Körper ausbreitet, vermischen sich bei Interaktionen und Treffen zweier sich nahestehender Menschen die Wolken zu einer. Je nach Verwandtschaftsgrad der Arten und den daraus ausgehenden genetischen Unterschieden wird zwischen eigener Familie, sozialer Gruppe und Gruppenfremden unterschieden. Von der genetischen Distanz ausgehend entstand das Konzept des DNA Barcodings, da hierbei davon ausgegangen wird, dass zwei Lebewesen mit bestimmten genetischen Unterschieden unterschiedlichen Arten zugehören. Bei Betrachtung eines Artenstammbaums zeigt die genetische Distanz die zeitliche Dauer seit der Trennung der Arten. Die Übertragung von Genen kann jedoch nicht nur entlang der Abstammungslinie, sondern auch horizontal von Organismus zu einem anderen bereits existenten Organismus entstehen. Der sogenannte horizontale Gentransfer ist damit nicht an einen Fortpflanzungsvorgang gebunden. Ähnlich wie Genabschnitte wird auch Wissen zwischen Individuen sowohl horizontal, als auch vertikal (entlang einer Abstammungslinie) transferiert. So kann Wissen in der Kommunikation von Experten zu Laien transferiert werden. Donna Haraway Als Biologin und Wissenschaftshistorikerin befasst sich Donna Haraway mit Beziehungen von menschlichen und nicht-menschlichen Wesen im Anthropozän. Sie versucht ein Verständnis dafür zu schaffen, dass wir als Menschen auf die Lebensumstände aller Arten genauso achten müssen, wie auf unsere eigenen Kinder.


Eigentum In der Philosophie gibt es extreme Unterschiede wie Eigentum definiert werden kann. Ethisch, sozial und legal unterscheiden sich die Fragen wem etwas gehört. Die einfachste Sicht ist wohl das Betrachten von »Privatbesitz« als fundamentales Grundgesetz (GG Art. 14). Dies kann aber auch las rein soziales Konstrukt gesehen werden, das festlegt was Privat- und was Gemeingut ist. Je nachdem welche Richtung gewählt wird, kann dies weitreichende Einflüsse auf die Zukunft der Mikrobiomforschung haben. Als aktuell Diskussion sein hier die Frage nach dem Eigentum von genetischen Proben in Datenbanken. Wenn das Mikrobiom ein Teil des Individuums ist, haben wir dann auch in der Datenbank unsere Rechte daran? Ist das Mikrobiom im weiteren Sinne sogar unser Produkt? Da in einigen Fällen staatliche Eingriffe und Nutzen von und in unseren Körper rechtens sind, könnte es von staatlicher Seite bestimmt werden, dass wir Proben unseres Mikrobioms für die Forschung bereitstellen. Wenn diese Proben in weiteren Schritte aber von wirtschaftlichen Wert sind, wer profitiert dann davon? Die viel diskutierte Frage : »Wem gehört was« ist daher auch in diesem Kontext interessant. Einheitskäse Die frische Milch wird pasteurisiert, alle Mikroben in ihr, die ganz alleine den Käse herstellen könnten, sterben ab. Dazu kommt jetzt eine Mikrobenfertigmischung (vom Großkonzern geliefert), die jeglichen Charakter verloren hat. Nach was schmeckt solche ein Käse? Ja, nach nichts. Ernten & Sammeln Das Ernten und Sammeln um an Nahrungsmittel zu kommen ist so alt wie die Menschheit selbst. Heute deckt der Begriffs des Sammelns einen viel weiteren Rahmen und bezeichnet Suche, Beschaffung und Bewahrung von materiellen oder immateriellen Objekten. Und steht somit als ideelle Beschäftigung im Gegensatz zum Anhäufen. Als erste Sammlungen um des Sammelns Willen sind wohl die heutigen Wunderkammern, Kuriositäten- und Naturalienkabinett im Mittelalter zu verzeichnen. Auch Mikroben werden von ihrem Ursprungsort »geerntet« um sie in Datenbanken zu sammeln, für Kulturpflanzen befindet sich mit 65 000 verschiedene Bakterien-, Viren- oder Pilzarten in Braunschweig die größte europäische Mikrobensammlung DSMZ. Essbare Begleiter Das französische Wort »compaignon« beschriebt diesen Umstand auf wunderbare Weise. Es basiert auf dem lateinischen com – zusammen mit und panis – Brot. Ein Begleiter ist also im französischen als auch englischen Sprachgebrauch per se essbar. Das Brechen des Brot ist ein Akt, der mit anderen gemacht werden soll. Ethik Durch die Aufmerksamkeit für die unvermeidliche Verwebung wird es möglich sein, eine Ethik des guten Zusammenlebens mit nichtmenschlichen Anderen zu entwickeln. Ethnobiologie Im Vordergrund der Ethnobiologie liegt die Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen dem Menschen und seiner Umgebung im Bezug auf eine kulturelle Entwicklung und kulturgeschichtlichen Prozesse. Darunter fällt die Verwendung und das zu Nutze machen von Pflanzen und Tieren und die sich daraus ergebenden Werte und Ideen. Damit befindet sich die Ethno-


biologie in einem Grenzgebiet zwischen Soziologie, Archäologie, Biologie aber auch Ökonomie und Medizin. Dabei ist die Wissenschaft der Ethnobiologie ein kleines interdisziplinäres Feld, das sowohl mit kulturals auch naturwissenschaftlichen Methodiken arbeitet. Evolution Aus vermeintlich einfachen Elementen hat sich in einer für uns gänzlich unfassbaren Zeit eine Lebensvielfalt entwickelt. Fühlen wir, das wir als Teil eines so großen Zusammenhangs existieren? Der Begriff der Evolution (lat. ab- oder entwickeln) ist primär in der Biologie geprägt worden. Bereits im 6. Jhdt vor Christus geht der Philosoph Thales von Mielt davon aus, dass das Leben aus dem Wasser stammt. Den Durchbruch in der Evolutionstheorie gelingt Charles Darwin, der in ihr eine Wechselspiel aus Mutation (der fortwährenden Veränderung über Generationen durch Abweichungen in der Vererbung) und Selektion (Verstärkung oder Abschwächung in der Merkmalsvererbung über die Fortpflanzung) versteht und dieses belegen kann. Vertreter der Moderne sind Gould und Dawkins. Gould sieht Evolution und Fortschritt als Dichotomie, Dawkins sieht das Gen als Triebfeder der Selektion und Weiterentwicklung alles Lebens. Er sagt, dass ein Gen über Generationen bestehen bleibt und den Körper als »Überlebensmaschine« benutzt. Hierbei weitet er die Evolution auch in die Soziobiologie aus und begreift die Evolution als Replikator der Kultur, das Gen spielt hier die Rolle einer Meme (Idee, Schlagwort usw.). Dieser Bereich seiner Forschung ist jedoch umstritten. Damit wird jedoch klar, dass die Evolution ein abstraktes Prinzip sein kann, dass sich bei Umschreibung der Basis von »Organismen« in »dissipative Systeme« (Systeme, die ihren Energiedurchsatz selbst in Gang halten) in viele andere Bereiche übertragen lassen kann. Extrem Der Begriff des »Extrems« wird vom lateinischen Wort extremus abgeleitet, dem Superlativ von außen (exterus), laut Stowasser übersetzbar als das Äußerste, das Entfernteste oder das Ärgste. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden Mikroorganismen, die unter Extrembedingungen leben. Deinococcus radiodurans kann beispielsweise 1000mal höhere radioaktive Strahlung aushalten als der Mensch. Experiment Im Allgemeinen ist ein Experiment ein künstlich herbeigeführtes Ereignis oder Zustand um eine Hypothese zu überprüfen. Damit können Theorien oder Hypothesen (neu) formuliert werden. Die Vielfalt experimenteller Verfahren, Gegebenheiten zu probieren wurde schon früh als Konzept der Wissensgeschichte zentral. Zuerst primär im (natur-) wissenschaftlichen Kontext genutzt wird es darauffolgend im technologischen und künstlerischen Feld zunehmend verbreiteter. Dabei ist der Akt des Experimentierens die Vorbereitung und der gezielte Start eines Vorgang oder der gezielte Eingriff in einen laufenden Vorgang. Fermentation Rein wissenschaftlich ist Fermentation ist die transformative Wirkung von Mikroorganismen zur Haltbarmachung, Veredelung und bietet Zugang zu sinnlichem Experimentieren und Erforschen einer unsichtbaren makrobiotischen Welt. Die Praxis der Fermentation ist eines unserer ältesten immateriellen Kulturgüter. Als soziale Metapher kann man von sozialer Gärung sprechen, über Prozesse die brodeln und Blasenbildung.


Zum Beispiel als aufsteigende Blasen der Begeisterung, als positive Emotion, die geteilt werden will. So sind Menschen die Starterkulturen in der sozialen Fermentation. Welche philosophischen Komponenten sind beteiligt in der sozialen Fermentation und wer ist Gast? Der salzige Hauch von Kimchi, das freudige Sprudeln des Kombucha oder das sahnige Zergehen von Camembert sind überall zu sehen und können nur durch ein wundersames Zusammenarbeiten und Stoffwechselprozessen von Mikroorganismen entstehen. Firma Das Mikrobiom kann durchaus einer Fabrik oder Firma gleichen, die bioaktive Verbindungen produziert. Abteilungen dieser Firma handeln als Einheit, die das geteilte Eigentum an dieser Firma haben. Die Mikroben als Mitarbeiter vollbringen die Funktionen des Organismus. In diesem Sinne können Fragen nach Produktivitätssteigerung in einer Kultur, die Effizienz und Multitasking erwartet, gestellt werden. Forensik Im Feld zwischen Naturwissenschaft und Recht wird spekuliert, ob das individuelle menschliche Mikrobiom zukünftig bei der Aufklärung von Verbrechen helfen könnte. Schon heute kann man aufgrund von sich entwickelnden Bakterien, dem »Nekrobiom« ähnlich wie durch größere Organismen Informationen wie Todeszeitpunkt bestimmen. Aber die Idee geht soweit das vom Menschen hinterlassenen Mikrobiom als Spur zu nutzen, die Mikroben, die ein Mensch auf Oberflächen und Objekten zurücklässt zu bewerten um den dazu passenden Wirt zu finden. Die Sinnigkeit dieses Vorhabens ist zumindest zum heutigen Zeitpunkt noch sehr fragwürdig, da einerseits das Mikrobiom der Haut (insbesondere der Hände) am wandelbarsten ist und auf Oberflächen nur für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum verbleibt. Abgesehen, dass es bisher noch keine DNA-Datenbank in diesem Sinne gibt, ist die Analyse noch sehr teuer und mühsam, sodass sie nur in den wenigsten Einzelfällen in den nächsten Jahren in Frage kommen kann. Geschmack Der Sinneseindruck Geschmack ist wie der Geruch ein chemischer Sinn, der über Geschmacksknospen mit chemisch empfindsamen Zellen auf der Zunge wahrgenommen werden. Der Eindruck wird in Form des Aktivierungsmusters von den Geschmackszellen zum Hirn führenden Neuronen repräsentiert. Der Geruch und das damit zusammenhängende Aroma wird oft mit dem Geschmack verwechselt. Gerüche werden durch das limbische System im Hirn wahrgenommen, der ebenso bei Emotionen, Verhalten und Motivation angesteuert wird. Daher ist es naheliegend, dass Gerüche Erinnerungen auslösen können. Ein Lebensmittel wird im Mund sowohl durch ihren Geruch (Aroma) als auch durch den Geschmack wahrgenommen. Dabei lassen sich die 5 Geschmäcker: süß, sauer, salzig, bitter und umami unterscheiden. Für das Zusammenkommen von Geschmack und Aroma wird im englischsprachigen Raum der Begriff »Flavor« (im Unterschied zum reinen Geschmack, dem »taste«) genutzt. Das Gesamterlebnis »Flavor« besteht neben den Aromen und dem Geschmack zudem aus der Textur des Lebensmittels und dem sich daraus ergebenden Mundgefühl. Bei fermentierten Lebensmitteln sind die Geschmackskomponenten salzig, sauer und umami, die Aromen sind aber je nach Gemüse gänzlich unterschiedlich.


Gilles Deleuze Zwei seiner Schlüsselwerke, die beiden Bände von Kapitalismus und Schizophrenie , verfasst er gemeinsam mit dem Psychoanalytiker Felix Guattari. Eines der bekanntesten Konzepte aus diesem Werk ist das »Rhizom«, in seinem Begriff abgeleitet von Wurzelgeflechten in der Botanik. Es beschreibt, eine Weltbeschreibung, die ohne hierarchische Strukturen, im Gegensatz zum vorher vorherrschenden Baum-Modell auskommt. Glitzerndes Weiß Übersetzt bedeutet Candida albicans »glitzerndes Weiss«. Der etymologische Hintergrund der Hefe besteht aus dem lateinischen candida/candidus für ein klares, glitzerndes weiß und albicans ist das Partizip Präsenz vom lateinischen albico, das weiß werden bedeutet. Das macht Candida albicans zu einem tautologischen Begriff. Der Hefepilz Candida albicans findet sich bei etwa 75% der Menschen als kommensaler Begleiter auf den Schleimhäuten von Mund, Rachen und Genitalbereich, sowie im Darm wieder. Goldene Beere Goldene Beere ist die Übersetzung von Staphylococcus aureus. Benannt wurde die Mikrobe von Ogston, der das Cluster von Mikrokokken »Staphylococci« benannte, angelehnt an das griechische Wort Staphyle: einige Trauben. 1884 isolierte Anton J. Rosenbach einen Staphylokokken-Strang, den er aufgrund der Färbung des beinhalteten Pigments Staphylococcus aureus benannte, lateinischen aurum für gold. Das charakteristische Gold wird durch das carotenoide Pigment Staphyloxanthin hervorgerufen. Staphylococcus aureus ist eine übliche auf der menschlichen Haut vorkommende Mikrobe, die sich in einigen Fällen pathogen entwickelt. Grenze Unser Körper hört nicht mit der »Grenze« unserer Haut auf, sondern kann sich in den Raum ausbreiten. Die Beziehung zwischen unserem Körper und dem Mikrobiom stellt das Fehlen einer definierten Grenze zwischen Körper und Umwelt sehr gut dar. Innerhalb der Grenze unseres Körpers. Unser biologischen Selbst muss um sich selbst zu schützen jedoch irgendwo eine Grenze ziehen. Guerre du camembert Ein Käse verliert seinen Charakter und spaltet die Gesellschaft. Die Industrie gewinnt den Krieg, aus dem »klassischen« Camembert wird nun ein Luxusprodukt, nur weil es billiger, einfacher und schneller geht. Es wird ja weiterhin Rohmilch-Camembert geben – allerdings dann zu deutlich höheren Preisen. Gut Buddies Jamie Lorimer untersucht mit seiner Arbeit die Wiedereinführung von parasitärer Würmern – als Freunde. Basierend auf den Konzept vom Superorganismus Mensch, legt er den Schwerpunkt auf die Helminthentherapie zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Er entwirft das Bild der Verstrickungen, Entwirrungen und erneuten Verstrickungen zwischen Mensch und Helminth im Laufe der Zeit und versucht zu verstehen, wie durch probiotischen Charakteristiken von Helminthen als Therapeutika neue Denkweisen entstehen können. Geselligkeit, Gastfreundschaft und eine neue Lebensethik sind Themen, die er in einer Gemeinsamkeit mit Helminthen sieht.


Handwerk Aus technischer Sichtweise bezeichnet das Hand-Werk eine manuelle Fertigung durch Handarbeit. Das Handwerk ist seit dem Mittelalter wichtiger Teil des Wirtschaftssystems und befindet sich an der Schwelle zwischen Sach- und Dienstleistung. Die mentalen und sozialen Grundprinzipien des Handwerks und auch viele Techniken und Arbeitsweisen sind seit vielen Jahrzehnten teilweise unverändert und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Das Besondere am Handwerk ist, dass es vorwiegend spezialisierte, auf individuelle Wünsche oder Bedürfnisse eingehende Leistungen vollbringt. Mit industrieller Massenproduktion kann diese Flexibilität nicht erreicht werden. Als Metapher ist das Handwerk etwas, was nicht einfach da ist oder existiert, sondern was erarbeitet werden muss. Im weiteren Sinne können (Kultur- oder Geistes-)Wissenschaften ebenso als Handwerk bezeichnet werden: als Menge von gedanklichem Hand-werkszeug (wie Methoden) und kann so als Art Denk-Handwerk bezeichnet werden, das mit Analyse und Denkprozessen beginnt und in beispielsweise Studien endet. Es entsteht ein Wechselspiel zwischen Analyse und Produktion und erstellt Produkte für Erkenntnis. Haut Unser Haut ist ein Konduktor zwischen Körpern, Objekten und Organismen. Bei Berührung und Interaktion verlassen Elemente unsere Haut und neue kommen dazu. Unsere Haut verbindet sich und kollidiert mit anderen Objekten und erlaubt uns auf andere einzuwirken und Einwirkungen zuzulassen. Die Beziehung zwischen Haut, als durchlässige Barriere und dem »Außen« beinhaltet im wahrsten Sinne des Wortes einen Austausch von Zellen und Molekülen. Außen und Innen beeinflussen sich gegenseitig und reterritorialisieren sich ständig. Die Haut ist die Mitte zwischen Natur und Kultur, Subjekt und Objekt, Körper und Geist. Im sprachlichen Kontext kann die Haut des Weiteren vielfältige Bedeutungen tragen: 1. Beschriebene Haut: Bestimmung und Zukunft des Menschen (z.B. Notizen auf der Hand als Erinnerung) 2. Tätowierte Haut: Schmückt, zeigt Zugehörigkeit und ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Natur. 3. Verräterische Haut: Der Fingerabdruck macht Identität nachweisbar 4. Kosmetisch behandelte oder geschmückte Haut 5. Soziale Haut: Durch Hautfarbe werden Individuen zugeordnet, ausgegrenzt und in Rangfolge eingeordnet 6. Haut als Mauer: symbolisch für die Vorstellungen des »Wohnens« und »Gefangenseins« im eigenen Körper. Heather Paxson Wie kann man Foucaults Idee weiter denken und warum ist Rohmilchkäse ein so spannender Transporteur für dieses Wissen? Sie wirft durch die Untersuchung des Käses ein ganz neues Licht darauf, wie sorgfältig handwerklich arbeitende Käser ihre mikrobiellen Freunde aussuchen. Ihr Anliegen ist es, geeignete menschliche Verhaltensweisen zu finden, basierend auf unsere Verwobenheit mit Mikroben, die an jeglichen Prozessen des Lebens beteiligt sind.


Heliobacter pylori Der Organismus Heliobacter pylori ist in der Allgemeinheit meist nur als Erreger von Magengeschwüren und Gastritis bekannt. Tatsächlich hilft eine Gabe von Antibiotika gegen diese Krankheiten. Doch welche Rolle Heliobacter pylori wirklich spielt, war lange Zeit ungeklärt, obwohl Martin Blaser, Professor für innere Medizin und Mikrobiologie an der Universität New York, bereits 1998 beweisen konnte, dass Helicobacter pylori die Säureproduktion im Magen regulier, indem er ein Protein herstellt, das die Produktion drosselt. Je höher der Säuregehalt im Magen, desto mehr vermehrt sich Heliobacter um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Im negativen Nebeneffekt kann das hergestellte Protein, aber die zuvor erwähnten Krankheiten verursachen. Daher muss schon im Vorhinein mit passender Ernährung angesetzt werden. Im positiven Fall für Heliobacter wurde bewiesen, dass er vor Speiseröhrenkrebs und die Produktion des appetitanregenden Hormons Ghrelin drosselt. Nach Gabe von Antibiotika fehlt solch eine Drosselung, was sich in Studien durch einen steigenden Body-Mass-Index manifestiert (Blaser, M. J. et al.: Lepthin and Ghrelin in Relation to Helicobacter pylori Status in Adult Males. (2008)) Das Bakterium Heliobacter pylori, dass seit tausenden von Jahren mit uns zusammen lebt, wird durch die Gabe von Antibiotika mittlerweile stark verdrängt und verschwindet zunehmends aus unserem Körper. Holobiont Rein biologisch gesehen bedeutet dieses Konzept, dass Wirt und Mikroben ein System bilden, dass sich zusammen in Koevolution entwickelt hat, dabei eine Art gemeinsames Genom, das Homogenom, entwickelt hat, mit dem Hintergrund, dass die Bildung einer Einheit ihre »Fitness« im Sinne Darwins erhöht. Dieser Theorie liegt die Metapher der Mikroben als Symbiosen zugrunde. Diese Theorie beruht auf vier Prinzipien: 1. Tiere und Pflanzen führen immer symbiotischen Beziehungen mit Mikroorganismen 2. symbiotischen Mikroorganismen übertragen sich von Generation zu Generation 3. die Fitness des Holobionten wird durch die Interaktion zwischen Wirt und Mikroben beeinflusst 4. die Variation im Hologenom ist die Summe der genetischen, eher statischen Informationen des Wirtes und der dynamischen Informationen der Symbionten, was kurzfristige Transformationen im Hologenom ermöglicht. Der Vorteil dieses Systems ist sicherlich, dass es keine klaren Trennungen und Grenzen zwischen dem menschlichen Körper und den Mikroben gibt und damit das Bild des Selbst aufgeweicht und poröser ist. Homo faber Der Begriff des Homo Fabers, als der schaffende Mensch, der kreativ denken und handeln kann wurde vor Allem von Hannah Arendt, Karl Marx und Max Frisch in ihren Arbeiten verwendet. Vor Allem in der Philosophie ist das Spiel in der Sprache um den Menschen nicht selten, so gibt es ebenfalls den Homo ludens (den Spielenden), den Homo Amans (den Liebenden) , Homo natura (der Mensch als Natur) , den Homo gubernatus (der gesteuerte) und unzählige mehr, die den Mensch ins Zentrum setzen und seine Besonderheit betonen, ohne den »Urbegriff« des Homo sapiens aufzugeben. Homo microbis Das Bild des Homo microbis zeigt den Menschen als Superorganismus, der sich mit anderen Tieren und


Bakterien in einer Reihe von Multispeziesökonomien verstrickt. Die grundlegende Abhängigkeit unserer körperlichen Grundsysteme von Symbionten ist wesentlicher Bestandteil des Bildes. Dorion Sagan beschreibt unser Zustandekommen als Abstammung von einem bunt gemischten Haufen. Wir stammen von Lebensgefährten und Krankheitserregern, die sich gegenseitig verzehrt, infiziert, getötet und Zusammenschlüsse gebildet haben. Diese Organismen umschwärmen uns, unser Inneres und Äußeres und machen uns zu einem brodelnden Mikrobenzoo. Homo sapiens Vom lateinischen Wort sapiens ergibt sich die Übersetzung zum vernunftbegabten Menschen. Aber was heißt das in der heutigen Zeit, in der Kritik am unserer Lebensweise an vorderster Front steht. Der Name wurde von Carl von Linné in der Systema Naturae geprägt. Um der Frage nach einer Klassifikationen der Lebewesen zu erstellen zeigte der Naturforscher im 18. Jahrhundert, dass es eine Einheit des Typs gibt– die heutige »Art«. Hierzu entwickelt er die bis heute genutzte taxonomische Hierarchie. Der Mensch wird demnach so eingeordnet: Phylum Chordata, Klasse Säugetiere , Ordnung Primaten, Unterordnung Haplorhini, Familie Hominidae (Menschenaffen), Unterfamilie Homininae, Tribus Hominini, Gattung Homo, Spezies Homo sapiens. Ob die Beschreibung des vernunftbegabten, wissenden Menschen noch »zeitgemäß« ist, wird beispielsweise vom populären Historiker Yuval Harari bezweifelt, der bemerkt, dass die Menschheit, sich Fähigkeiten aneignet und bereits angeeignet hat, die in den religiösen Mythen den Göttern zugeschrieben wurden. Mit der Fähigkeit selbst Leben zu erschaffen, machen wir uns unseren »Göttern« ähnlicher. Hygiene Die klassische Hygienekleidung: kniehohe Gummistiefel, weiße Plastikschürze & Op-Handschuhe – eine Uniform… Im biologischen Sinne ist etwas komplett hygienisch wenn es steril ist. Das ist der Zustand einer Substanz frei von allen lebenden Organismen. Beeinflusst von Pasteur entwickelte der Chirurg Joseph Lister antiseptische Methoden um Wunden und Instrumente bei chirurgische Eingriffe steril zu halten. Hülle Eine Hülle schafft eine flächige Grenze zwischen Innen und Außen und schützt das innen liegende Objekt, hält es zusammen und markiert diesen Raum als abgegrenzten Bereich. Auch verbirgt eine Hülle ihren Inhalt. Im körperlichen Sinne gibt es neben der fassbaren Hülle der Haut weitere chemische und biologische Hüllen, die uns als Exposom mit der Umwelt in Kontakt treten lassen. Diese Wolken um uns verändern ihre Konstitution und Zusammensetzung je nachdem wo und mit wem wir uns aufhalten, unsere Hülle ist so im stetigen Wandel begriffen. Im Objektsinne kann eine Hülle auch ein Gefäß beschreiben und damit ebenfalls für Zusammenhalt und Schutz, aber noch viel mehr für Haltbarkeit und Transport zuständig sein. Gefäße sind daher Artefakte mit Hüll-Charakter. Ebenfalls diesen Hüll-Charakter haben Kleidungsstücke für den menschlichen Körper oder die Architektur als Hülle für einen Raum. Lakoff und Johson beschreiben 1980 in »Metaphors we live by« (S.29f.) den Körper als Container/Behälter: »We are physical beings, bound and set off from the rest of the world by the surface of our skin, and when we experience the rest of the world as outside us. Each of us is a container, with a bounding surface and an inout orientation. We project our own in-out orientation


onto physical objects that are bounded by surfaces. Thus we view them as containers with an inside and an outside.« Identität Im 19. Jhdt im Idealismus dreht sich alles um Ich, dem Bewusstsein des Menschen. In der Philosophie von Fichte, Hegel ist das Ich die Quelle der Realität aus dem alles entsteht. Das Problem der Identität besteht darin, dass ein Objekt das gleiche bleibt, obwohl es sich im Laufe der Zeit ändert. An der Schwelle zum Materialismus wird Identität als Gegenstand der Analyse von George W. Mead beschrieben als Identität als Interaktion zwischen Mensch und Mensch bzw. Umwelt. Identität gelingt nur, wenn es dem Individuum gelingt die Perspektiven und Rollen von anderen Individuen zu verstehen und einnehmen zu können. Eine Identität kann nur errichtet werden im Verständnis wie andere Individuen mich und selbst die Welt sehen. Gesellschaft ist daher wichtig für die Frage nach dem Ich in der Welt. Gleichzeitig braucht es Kommunikation und Interaktion damit sich Identität entwickeln kann. Je mehr das Individuum von seiner Umwelt versteht, wie sehen mich andere und wie sehe ich die Welt, macht Identität komplex. Im philosophischen sind zwei Gegenstände niemals identisch, allerdings kann mit mehreren Beschreibungen ein einziger Gegenstand bezeichnet werden. In der Entwicklungspsychologie werden verschiedene Aspekte der Identität je nach Rolle unterschieden (z.B. beruflich, intellektuell, politisch, religiös, sexuell, kulturell, physisch usw.). Solange der Körper als Teil einer biologischen Einheit betrachtet wird, überlebt ein Individuum und behält seine Identität. Beispielsweise bleibt die Identität eines Menschen bestehen, wenn ihm oder ihr ein Körperteil chirurgisch entfernt wird. Die Frage ist daher ob dem Kriterium des Körpers das Mikrobiom eingeschrieben wird und das Überleben eines Individuum damit auch von der Beständigkeit des Bioms abhängig gemacht wird. Für meine Arbeit ist der vormals einfach definierbare Begriff des »Ichs« daher nicht mehr ganz simpel. Er bezieht sich auf die moralische Instanz und ist das Subjekt meines Bewusstseins, ist mein Phänotyp, mein Genotyp und mein Mikrobiom, das aus Individuen besteht, die nicht »Ich« sind. Bei Krankheiten ist mein Körper meine Identität während mein Mikrobiom gleichzeitig Ich als auch Wurzel dieser Krankheit sein kann. Das »Ich« wird so mehr und mehr zu einem Netzwerk und auch der Begriff der Normalität und der Persönlichkeit wandelt sich mit dem Wandel der Identität. Persönlichkeit wird in Form von wesentlichen und unterscheidenden Merkmalen definiert. Wenn das eigene Mikrobiom uns als Mensch in Anfälligkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und dem Ansprechen auf Behandlung unterscheidet, muss es also Teil der Identität sein. Können wir das Mikrobiom also in unsere Selbstdefinition einbeziehen und als Bestandteil unserer Persönlichkeit betrachten? Immunität Das moderne biomedizinische Konzept der Immunität stützt sich auch heute noch auf zweifelhafte, kriegerische Metaphern mit denen das »Immunsystem« versucht, ein stabiles, individuelles menschliches Selbst vor fremden, eindringende Andere zu schützen. Historiker führen dieses Verständnis auf die Entstehung der Immunologie am Ende des 19. Jahrhunderts zurück, eine Zeit, die durch den Kampf gegen Infektionen gekennzeichnet ist und in der die Keimtheorie der Krankheit entstand. Auf dieser Grundlage entstehen heutige Gesetze und Regelungen wie beispielsweise


der pasteursche Ansatz zur öffentlichen Gesundheit. Neuere symbiotische Vorstellungen von Immunität erzeugen demgegenüber ein Immunsystem, das nicht nur andere Organismen verträgt, sondern sich mit der aktiven »Rekrutierung« wünschenswerter Mikroorganismen beschäftigt. Das Immunsystem ist daher neben der bekannten Armee ein regulatorisches Netzwerk, das Organismen, die dem Körper helfen erkennt und einlädt. Generell kann bei Immunität zwischen spezifischer und angeborener Immunität unterschieden werden. Die angeborene Immunität, die bei allen Mitgliedern einer Spezies gleich ist, besteht aus Immunzellen, die die Anwesenheit von Fremdkörpern bemerken und diese vertreiben. Die Spezifische Immunität, als einzigartiges Set von Antikörpern in Individuum, kooperieren Zellen in dem sie spezifische Antikörper produzieren. Teilweise können diese Verteidigungszellen den Wirt im Gegenzug attackieren und zu Autoimmunkrankheiten führen. Industrie Im industriellen Denken sind alle Lebewesen Biomasse und damit Rohstoff für die Produktion. Sie werden lediglich nach ökonomischem Gewinn und Wachstumspotenzial geordnet. Jamie Lorimer Jamie Lorimer hat eine Professur für »Human Geography« an der Oxford Universität. Er beschäftigt sich in seinen Forschungen mit geografischen Fragen, die Sozial- , Umweltwissenschaften und menschliche Kultur verbinden. Auf Basis der Forschung über die Verbindung von Natur und Gesellschaft entsteht der Essay über Gut Buddies und im folgenden die ersten Arbeiten über das menschliche Mikrobiom. Joshua Lederberg In der Wissenschaft ist der Mythos, dass der Begriff und das Konzept des menschlichen Mikrobioms, als ökologische Gemeinschaft von Mensch und kommensalen, symbiotischen und pathogenen Mikroorganismen, von Joshua Lederberg 2001 geprägt wurde. Allerdings gibt es schon 1988 eine umfassende Definition von Alan C. Logan. Daher ist Lederberg ein Paradebeispiel für Problematiken die mit »wissenschaftlichen Mythen«, die Politik und Praxis beeinflussen, zusammenhängen. Wenn einem Forscher etwas fehlerhaft zugeschrieben wird, bleibt der legitime Verfasser im wissenschaftlichen Schatten. Kartografie & Zonierung Als Vermittlung von raumbezogenen Informationen ist die Kartografie ein Kulturgut des zivilisierten Menschen und zeigt im historischen Verlauf Wandel von Gesellschaft und die Eroberung der Natur sowohl am klassischen Karteninhalt, über Form der Karte bishin zur Ästhetik und Nutzung. Auch steht die Karte sinnbildlich für das Bedürfnis des Menschen die Welt zu verstehen und zu lesen, sie zu ordnen, in jeder Hinsicht zu vermessen und ihr eine codierte Zeichensprache aufzuerlegen. Der Kartograf versucht die Welt aus seiner Sicht zu (be-)schreiben und schafft eine Repräsentation aufgrund von politischen, ästhetischen oder anderen Motivationen. »Es grenzt schier ans Wunderbare, wie sich alles Sichtbare auf dem Erdball, selbst die verschiedensten geistigen Phänomene der kartografischen Darstellung und Beherrschung beugen.« (Eckert. Kartenwissenschaft 1921, S. 7) Keramik Jedes keramische Produkt besteht zu allererst aus einem mineralhaltiger Rohstoff. Beim handwerklichen


Umgang mit Keramik entsteht so die Verbindung und Verschmelzung des Menschen mit der »Erde« über die Arbeit mit den Händen. Bei der fertigen Keramik im Ofen schmelzen im Moment des Sinterns die Atome zusammen, die die Verbindung stark und das Endprodukt stabil machen. Eher esoterisch angehauchte Experimente arbeiten mit Ton, der mit sogenannten effektiven Mikroorganismen, kommerzielle Mischungen von universell vorkommenden Organismen, mehrere Monate fermentiert wird. Beim Brennen werden Stoffwechselprodukte im Ton gespeichert. Das Endprodukt (meist kleine »pipes«) werden ins Wasser gegeben und verändern hier beispielsweise die Oberflächenspannung. Wie ernst zu nehmend diese Ideen sind, ist allerdings fraglich. Kommunikation & Quorum Sensing Kommunikation ist zu Allererst die Übertragung von Information zwischen Instanzen, die diese Information verarbeiten können. In der menschlichen Kommunikation ist die Art und Weise der Informationsübertragung wichtig. Ein Symbolsystem das für die Art bzw. Gruppe verständlich ist. Durch das Nutzen von intentionaler Kommunikation kann Gefühl und Vorhaben geteilt werden und Verständnis geschaffen werden. Kommunikation geht von (körperlichen) Gesten bis zum Nutzen von Sprache. Als Quorum Sensing wird die bakterielle Zellkommunikation bezeichnet, die durch die Abgabe von Signalmolekülen entstehen kann. Mithilfe dieser Kommunikation können Verhaltensweisen und Fähigkeiten einer Gruppe reguliert und koordiniert werden. Die von den Bakterien ausgestoßenen Moleküle nehmen bei steigender Population zu, ab dem Erreichen eines individuellen Schwellenwerts werden Antwortgene aktiviert. Spannend dabei ist, dass mit dieser Art von Kommunikation das koordinier te Verhalten der Gemeinschaft und nicht der individuellen Zelle bezweckt wird. Kontakt & Begegnung Können die sich bei Kontakt und Begegnung von Individuen vermischende Mikroben Zuneigung signalisieren oder als Tauschritual verstanden werden? Die Wirkung eines jeden Rituals ist die Veränderung der eigenen Person und das annähern bzw. austauschen mit dem Gegenüber. Bei ritualisierten Alltagshandlungen zwischen Menschen wie dem Überreichen einer Visitenkarte oder dem Trikottausch nach einem Fußballspiel werden bereits Mikroben ausgetauscht, nur was passiert wenn dieser Kontakt bewusst geschieht? Auch stellt sich die Frage ob das Mikrobiom und das Exposom eine Rolle beim knüpfen von Kontakten spielt und Begegnungen beeinflusst oder manipulieren kann. Konzept & Selbstkonzept Konzeptionell rücken wir dem Sichtbarmachen von Unsichtbarem näher und sind eigentlich schon dabei, Bakterien zu nutzen um unsere eigene Identität in Frage zu stellen. Während die Identität einer Person die gleiche bleibt, auch wenn sie sich im Laufe der Zeit ändert, ist das Selbstkonzept und die Selbstwahrnehmung nicht beständig. Während man über die Identität im reinen Denkprozess Kriterien aufsetzen kann, kann das Selbstkonzept nur mit individuell als wichtig erachteten Merkmalen definiert werden. Unser Hintergrund sind erlebte Geschichten und die Kontrolle darüber welche Geschichten an die Außenwelt gelangen, über Werte, Glauben und Charakter.


Das Wissen, dass unser eigenes Mikrobiom einzigartig ist, könnte den Menschen dazu bringen sich mit seinem Mikrobiom mehr zu identifizieren und unsere eigene »Marke« ähnlich wie den Fingerabdruck zu sehen und unsere Wahrnehmung von uns in Beziehung zur Umwelt bezeichnen. Krankheit Die überwiegende Mehrheit denkt primär an Bakterien, wenn sie krank sind. Diese Auffassung von Bakterien wurde erschüttert, als sich herausstellte, dass genauso viele Bakterien wie »menschliche« Zellen unseren Körper ausmachen. Dennoch ist unverrückbar, dass ein kleiner, aber wichtiger Bestandteil der Welt der Bakterien für den Menschen pathogen ist. Kraut for Thought Die Fermentation wird von einer Vielzahl von Parametern beeinflusst, darunter physikalische, chemische und physikalisch-chemische Parameter (pH-Wert, Wasser, Sauerstoff, Temperatur usw.), die das Wachstum von Mikroorganismen beeinflussen, aber auch wirtschaftliche, soziale und ökologische Parameter (Engagement, Zeit, Geduld, Kreativität, finanzielle Ressourcen, Qualität der Ausrüstung und Bedingung des Umfeldes), die den Menschen in den Prozess mit einbeziehen. Eine soziale Gemeinschaft und vom Mensch in einer Organismengemeinschaft verursachte Transformation als sozialer Prozess kann ebenso Fermentation sein. Um hierzu Versuche anzustellen und Menschen in meinem Umfeld an Mikroben in Lebensmitteln heranzuführen habe ich das Experiment »Kraut for Thought« gestartet. Kulinarik Der durch Essen geschulte Geschmack ist die Koevolution und Symbiose in sich. Kulinarik ist damit politisch und unpolitisch zugleich. Essen transformiert sich nachhaltig auf zeitlicher, räumlicher und geschmacklicher Ebenen, vergleichbar mit dem sozialen Raum in dem wir leben. Lebensmittel sind Kommunikationsmittel. Was wir essen oder was nicht, dient uns als Ausdruck unserer Identität. Das gemeinsame Essen - unabhängig davon, welche Nahrung gegessen wird - schafft Raum für uns mit dem anderen zu kommunizieren. Kultur Aus jeder Zeit und jedem Ort entstehen eigene Erzählungen, manche werden weiterentwickelt, transportiert oder vergessen und später wiederentdeckt. Wissen entsteht aus diesen kulturellen und geschichtlichen Momenten. Kultur ist ein Netzwerk von Praxis und Wissen und soziale Fermentation. Bei der Herstellung von Lebensmitteln mithilfe von Mikroben ist es mehr als ein schnöder Kalauer von Kultur zu sprechen: es geht hier um die mikrobielle Kultur, aber auch unsere menschliche Tradition. Schlimm also, wenn ein Alutütchen mit großindustrieller Starterkultur nun über das Produkt von Generationen gewinnt. Im biologischen Sinne beschreibt der Begriff Kultur die Kultivierung von Zellen unter Laborbedingungen. Diese Kultivierung kann zeigen, ob ein Organismus auf einem Medium wachsen und sich vermehren kann und können so als Identifikation für verschiedene Spezies genutzt werden. Kulturgut Das Kulturgut fungiert als (materielles oder immaterielles) Objekt der Kultur. Es hat einen kulturellen Wert und wird daher für die Nachwelt bewahrt. In diesem Sinne stellt es einen Gegensatz zum Überrest dar. Im immateriellen Sinne kann Kulturgut Tradition, Ritual,


Sprache, Kenntnisse und Brauch sein. Sie prägen die Gesellschaft und das Zusammenleben von Organismen. Häufig kann als Synonym auch das »Erbe« genutzt werden, das erneute Brücken zur Genetik schlagen lässt. Kunst Um große Denkkonstrukte und komplexe Sprache aus ihrer Form zu lösen und emotional nahbar zu machen, können in Kunst und Design mit dem Material und Umgang der Dinge und Stoffe Metaphern und Allegorien geschaffen werden, die den Menschen berührt und ein ganz neues Verstehen erzeugen können. Ein Wissen entsteht, das durch Intuition und Einfühlungsvermögen die Realität auf ihre eigene Weise deutet. Da die Kunst nicht auf Aufrechterhaltung von Leben zielt und dadurch viele Freiheiten und Möglichkeiten entwickelt und können Modelle sein, die die verschiedenen Weltarten erlebbar machen. Marshall McLuhan schriebt in Understanding Media, dass Kunst ein »Frühwarnsystem« ist, dass uns auf die Zukunft und ihre Entwicklungen aufmerksam macht und so zur »unverzichtbaren Wahrnehmungsschulung« werden kann. Käse Die Lebensmittelsicherheitsbehörden sehen Rohmilchkäse als von Keimen verseuchte, potenzielle biologische Gefahr. Dabei sind sie ein traditionelles Lebensmittel, das erst entstehen kann durch die Einwirkung von Mikroorganismen auf die in der Milch vorhandenen Proteine. Käse kann die Triebfeder für eine Debatte zwischen kulinarischem Wert, Gesundheit und den Grenzen von Lebensmittelsicherheit sein. Körper Wissen wir etwas von einem Körper, bevor wir verstanden haben wie er beeinflusst wird oder wie er andere Körper beeinflusst? Im Verständnis von Deleuze gehen Körper beim Aufeinandertreffen einen Austausch ein, bei dem durch sie Partikelaustausch ihre Ausgangszusammensetzung ändern. Die Körper werden so zu anderen Wesen, als sie es zuvor waren. Mein Körper ist nicht immer genug alles was ich ausdrücken will, auszudrücken. Körperoberfläche Unsere Körperoberfläche besteht selbstverständlich nicht nur aus der äußerlich sichtbaren Haut. Diese allein hat zwar schon eine Fläche von 2qm. Dazu kommt noch 1qm der Röhren vom Mund bis in den Magen, 2qm Fläche nimmt der Dickdarm ein und von Dünndarm bis After beherbergen wir noch mal die Fläche von einem Ein-Zimmer-Appartement mit an die 40qm. Labor Nach der Kreation von künstlichen Räumen, versucht der Mensch sich in diesen zu bewegen und Lösungen zur Entfaltung von Ideen zu finden. Das Labor als Raum kann daher einerseits ein strenges Geflecht von Regularien, Sicherheitsvorkehrungen und Verboten sein, aber gleichzeitig auch ein Platz zum Experimentieren, Ausloten, Verbinden und Verwerfen und Entdecken. Lactobacillus Lactobazillen gehören zu den Milchsäurebakterien und sind damit sowohl für die Lebensmittelindustrie, zur Herstellung von Molkereiprodukten und jeglichen Fermenten als auch als erheblicher Teil des Mikrobioms (vor Allem im Vaginal und Darmbereich) von Bedeutung. Bei der Fermentation verstoffwechseln sie


Kohlenhydrate zu Milchsäure. Unterschieden wird bei den Laktobazillen hier zwischen homofermentativen Arten, die ausschließlich Milchsäure produzieren und heterofermentativen Arten (die auch andere Endprodukte erzeugen, z.B. Essigsäure). Da die Laktobazillen uns von Geburt an begleiten, in unserer täglichen Nahrung zu finden und unsere Verdauung und Immunsystem stärken wurde die Gattung von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie zur Mikrobe des Jahres 2018 gewählt. Landwirtschaft Der Evolutionsbiologe Jared Diamond sieht die Entwicklung der Landwirtschaft als Glück für Mikroorganismen, da sie die Grundlage für einige Epidemien war, die Teile der Menschheit wieder auslöschten. Als Beispiel und Beweis kann hier auch die Keramik in Mitteleuropa herhalten. Die vor 4.800 Jahren in Mitteleuropa ansässigen Ackerbauern hatten ein homogenes Genom und archäologische Funde zeigen vorwiegend Linienbandkeramiken. Plötzlich werden diese Ackerbauern ersetzt durch andere Besiedler – bewiesen durch Funde von Schnurkeramik. Durch Analyse von sich auf Zähnen befindlicher DNA konnten schwedische Genetiker schließlich Nachweisen, dass diesem Bevölkerungswechsel eine Pestepidemie zugrunde liegt – die wahrscheinlich erste große bakterielle Epidemie in der Menschheitsgeschichte. Auch in der heutigen Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung können Bakterien große Veränderungen anstoßen. Als aktuelles Beispiel lässt sich der »guerre du camembert« nennen, der einen Konflikt zwischen David gegen Goliath, zwischen Kleinbetrieb und Tradition gegen scheinbar übermächtige Lebensmittelriesen. Lebensmittel Im Laufe der Menschheit haben wir die Leistung von Mikroorganismen zur Lebensmittel- und Alkoholproduktion stetig mehr genutzt. Der Mensch nutzt die Organismen selbst, z.B. die Hefe, als einzelligen Pilz, um Brot gehen zu lassen oder auch die von Mikroben produzierten Enzyme, sowie die Stoffwechselendprodukte. Sowohl die Milchsäure-Fermentation von Nahrungsmitteln, wie Milchprodukten und Gemüse und die alkoholische Fermentation zur Wein- und Bierproduktion sind solche Prinzipien. Louis Pasteur Aufgrund seiner Forschung kommt er zu dem Schluss: Mikroben legitimieren und erfordern staatliche Interventionen für Hygiene. Anhänger seiner Ideen sind die »Pasteurianer«, vom Gegenpol wurde die Post-Pasteursche Zeit einberufen, unter der Heather Paxson die Mikrobiopolitik begründet. »Vor Pasteur haben Europäer gedacht, dass Metzger nur Fleisch verkauft, danach entdeckten sie, dass dieses Salmonellen im Gepäck trägt.« Pasteurisierung bedeutet das Erhitzen eines Lebensmittels für 15s auf 72°C oder für 30Min auf 63°C. Abseits von Gesetzen und Temperaturen hat Pasteur den Prozess der Fermentation wahrscheinlich auf die poetischste Art definiert: »c’est la vie sans l’air« also‚ Fermentation ist das Leben ohne Luft. Manifest für Gefährten Hunde als »companion species« sind für sie »weder eine Projektion, noch die Realisierung einer Absicht, noch das Ziel von irgendetwas. Sie sind […] eine Spezies in obligatorischer, konstitutiver, wandelbarer Beziehung mit menschlichen Wesen. […] Ich möchte lernen, wie ich diese gemeinsame Geschichte erzählen kann und wie ich das Erbe der Koevolution, der gemeinsamen Gewordenheit, in der Naturkultur annehmen


kann.« (Manifest für Gefährten, S. 18). In unserem durch Andersartigkeit, aber auch Gleichheit verknüpften Leben können Gefährt*innen nicht nur Hunde, sondern auch andere Organismen sein, mit denen wir eine gemeinsame historische Beziehung führen, oder in Zukunft eine enge Beziehung aufbauen können. Mein Manifest stellt daher die Mikroben als »companions« in den Mittelpunkt. Maschine Durch die Beobachtung und mathematische Beschreibung wiederkehrender Wirkmechanismen wurde die Welt zu einer Art deutbaren Maschine. Das neue Ziel wurde die Entschlüsselung des Codes – vom Verständnis von einfachen Abläufen über das menschliche Genom, bis hin zum Human Microbiome Project. Mit dem Konzept der Wunschmaschine von Deleuze und Guattari bezeichnen sie unbewusste Vorgänge, die nicht durch einen Algorithmus bestimmt werden können. »Überall sind es Maschinen im wahrsten Sinne des Wortes: Maschinen von Maschinen, mit ihren Kupplungen und Schaltungen. Angeschlossen eine Organmaschine an eine Quellmaschine: Der Strom, von dieser hervorgebracht, wird von jener unterbrochen. Die Brust ist eine Maschine zur Herstellung von Milch, und mit ihr verkoppelt die Mundmaschine. Der Mund des Appetitlosen hält die Schwebe zwischen einer Eßmaschine, einer Analmaschine, einer Sprechmaschine, einer Atmungsmaschine (Asthma-Anfall). In diesem Sinne ist jeder Bastler; einem jeden seine kleinen Maschinen.« (Deleuze und Guattari: Anti-Ödipus: Kapitalismus und Schizophrenie, S. 7) »Gegenwärtig konkurriert die Maschine mit dem Menschen. Unter richtigen Verhältnissen wird sie dem Menschen dienen.« Oscar Wilde Medizin & Behandlung Die Möglichkeit für Medizin aufgrund des Mikrobioms sind extrem umfassend und sind noch nicht im Ansatz ergründet. Bisherige Behandlungen mit gezielt ausgewählten, lebenden Bakterien (z.B. Probiotika), den Transfer von Darmmikrobiota von Spendern oder ähnliche Methoden stellen daher erst den Anfang dar. Neben der stetigen weiteren Forschung muss um dieses Ziel zu erreichen, aber auch weiter und intensiver an der Akzeptanz und dem Verständnis in der Gesellschaft gearbeitet werden, damit diese Behandlungen an weitreichender Akzeptanz gewinnen können. Wenn man den menschlichen Körper als Metaorganismus sieht, liegt auf der Hand, dass auch jede Krankheit vom Mikrobiom beeinflusst wird und dieses beeinflusst. Da auch Mikroben aussterben, können heute konservierte Mikroben möglicherweise in Zukunft Krankheiten heilen. Die Mikrobiomdiagnostik und darauf folgende Therapie steuern auf eine Personalisierung in der Behandlung hin. Mensch - Tier Die lange und durchaus voller Wechsel steckende Beziehung zwischen Mensch und Tier ist so alt wie die Menschheit selbst. Durch die Domestikation wird das einst freie Lebewesen das erste Mal vom Menschen kontrolliert und wird vom Menschen Untertan gemacht. Das Tier wird in Folge dessen Nahrungsquelle, Forschungs-, Status- und Sammelobjekt, aber auch Gefährte in enger Bindung mit dem Menschen. Stets jedoch in eine dem Menschen untergeordnete Rolle gepresst in einem Netz zwischen Liebe und Dominanz. Die Überschreitung dieser Speziesgrenzen thematisiert Donna Haraway in ihrem Manifest für Gefährten. Metaphorisch kann die Dichotomie zwischen Tierliebe und Massentierhaltung auch auf andere Spezies übertragen werden Und da Tiere – als Stellvertreter für jede


Spezies – bereits Teil unserer Gesellschaft sind, müssen Strategien entwickelt werden diese Gefährten weiter zu inkludieren. Hier stellt sich die Frage, wie Rücksicht nehmen auf andere Spezies funktionieren kann, wenn wir deren Haltung (noch) nicht verstehen. Und was bedeutet dies für die Entstehung von MenschTier-Mischwesen; Tiere in die aus Forschungszwecken menschliches Genmaterial oder Gewebe übertragen wurde, das im Anschluss weitervererbbar wird (»transgene Tiere«, »Chimären«, » Zytoplasmische Hybride«). Damit verschwimmt die klare Grenze zwischen Mensch und Tier. Mensch als Ökosystem Ein Ökosystem beschreibt ganz generell eine Gemeinschaft von Organismen, die in einer (meist nicht-lebenden) Umwelt interagieren. Man geht davon aus, dass ein Ökosystem über eigene Funktionen und Dienstleistungen verfügt. Die Verworrenheit, Zusammenhänge und sich bedingende Prozesse von einzelnen Existenzen und deren Schicksale mit dem Großen und Ganzen, können auch auf ein lebendes System, hier also dem Mensch, übertragen werden. Als offenes System würde man daher für den Menschen annehmen, dass 1. Ein- und Auswanderung in diesem System möglich sind, 2. Variationen in der Zusammensetzung möglich und wichtig sind und 3. die Zusammensetzung im Laufe der Zeit variiert. Mit dieser Sichtweise kann man vor Allem eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht, und die zyklische Veränderungen, wie beispielsweise beim Mikrobiom der Vaginalregion, besser verstehen. Das Bild des Ökosystems Mensch sieht den Körper nicht als das Schlachtfeld vom Antibiotikakrieg, sondern als zu verstehender und zu organisierender Lebensraum. Ähnlich wie andere Ökosysteme muss auch der Mensch als System restauriert, einheimischer Arten gefördert, invasive Arten vor dem Aussterben gerettet und eine Diversität gewahrt werden. Kann also durch »Sähen« in der äußeren Umgebung und der Gestaltung eines »Reservoirs« das Mikrobiom positiv beeinflusst werden? Kann man vielleicht durch Aufenthalt in der Nähe einer anderen Person von ihrem Mikrobiom profitieren? Kann man Mikrobiom-Clubs gründen und einzelne Menschen zu einer Mitgliedschaft einladen? Mensch werden Wenn durch Austausch von Materie die Mikroben der Mensch auf eine Art und Weise zur Mikrobe wird, wird im Umkehrschluss die Mikrobe oder das Mikrobiom im Ganzen auch zum Menschen. Wie im Konzept des Werdens von Deleuze und Guattari gehen bei einem Aufeinandertreffen Körper einen Partikelaustausch ein, der ihre Ausgangszusammensetzung ändert und sie in Richtung des anderen Körpers hin verändert. Sozusagen wird beim Aufeinandertreffen und Kontakt von Mensch und Mikrobe, der Mensch ebensoweit Mikrobe und hinterlässt seine Menschlichkeit wie die Mikrobe in diesem Sinne menschlicher wird. Als Gedankenexperiment lassen sich hier Ideen und Fragen generieren, was passiert wenn eine Mikrobe Eigenschaften und Fähigkeiten bekommt, die als typisch menschlich betrachtet werden, wie beispielsweise die Nutzung von Sprache. Michel Foucault Foucault beschreibt in seiner Biopolitik, wie Nationen versuchen, die Gesundheit ihrer Bevölkerung durch


Maßnahmen zu erhalten und bestimmte Traditionen zu fördern - zum Beispiel durch Programme für Hygiene oder Impfungen - und andere sterben zu lassen. Microbial Terroir Das der mikrobielle Fingerabdruck eines Menschen einzigartig ist, ist bereits bekannt. Das Konzept des »microbial Terroir« stellt eine ähnliche Theorie für Lebensmittel und deren Geschmacksentwicklung auf. Da Mikroorganismen in verschiedenen Klimazonen sehr unterschiedlich sind, können sie den Geschmack fermentierter Lebensmittel unterschiedlich beeinflussen. Das Mikrobielle Terroir stellt demnach einen eindeutigen biogeografischen Fingerabdruck dar, der auf Art und Menge der vorherrschenden Mikroorganismen beruht. Ein fermentiertes Lebensmittel beinhaltet daher einen einzigartigen biologischen Indikator für Herkunftsort und teilweise sogar Herstellungszeit. Vor den Erforschungen des mikrobiellen Terroirs dachte man beispielsweise, dass die Bodenart für entscheidende regionale Unterschiede im Wein verantwortlich ist. Die neuen Theorien eröffnen nun neue Möglichkeiten zur Beantwortung der Frage des Terroirs im Wein. Aber auch in anderen fermentierten Lebensmitteln eröffnet das mikrobielle Terroir neue Experimentierfelder. Besonders spannende Ansätze finden sich im Restaurant momofuku unter der Obhut von David Chang. microbi|ome Als Wortspiel im Bezug auf das Genome beschreibt das »Mikrobielle Genom« die zusätzliche Sammlung von Genen, die der Wirt durch die ihm zugehörigen Mikroben, als »zweites Genom« erhält. Somit steht diese Metapher für ein Verständnis der Mikroben als Organ oder Immunsystem. micro|biome Bei dieser Begriffskombination wird die Definition des Bioms als eine ökologischen Nische mit definierten Lebensraum und bestimmten physikalisch-chemischen Eigenschaften, mit Mikroben in Verbindung gebracht. Als »mikrobielles Biom« wird somit ein Bezug auf die Sammlung von Mikroben, die mit dem menschlichen Körper in Verbindung stehen, hergestellt. Die Idee des »Mensch-als-Ökosystems« liegt hier nahe. Mikrobe werden Wie erforscht man eine Beziehung zwischen Mensch und Mikrobe, wenn Mikroben ihre Veränderungen und ihre Eindrücke nicht kommunizieren können, da sie, zumindest im menschlichen Verständnis sprachlos sind? Mikroben Auch wenn bei der Betrachtung des Mikrobioms und dem Sprechen über Mikroben häufig nur die Bakterien betrachtet sind, ist der Begriff der Mikrobe synonym zu den Mikroorganismen, die neben Baktrien auch Pilze und Hefen, Viren, einige Algen und Protozoen beinhaltet. Jee nach Definition werden Viren ein- oder ausgeschlossen, weil sie eigentlich keine Lebewesen sind, die ursprüngliche Definition der Mikroorganismen jedoch von »Lebewesen«, die mit bloßem Auge nicht sichtbar sind ausgeht. Der Hauptunterschied zwischen Mikroben und Pflanzen und Tieren ist, dass sie nur im Verband mit einem mehrzelligen Organismus leben können. Als Entdecker der Mikroben gilt Antoni van Leeuwenhoek der mit Einlinsenmikroskope in Pfützen und trüben Teichen kleine Lebewesen entdeckte, die er »Animacula« nannte. Am einfachsten kann man eine Mikroorganismus wohl beschreiben, als jeden Organismus, den man nicht mit bloßen Auge sehen kann, sondern dazu ein Licht- oder Elektronenmikroskop


benötigt. Meist sind diese Organismen Einzeller und bilden kleine Zellverbände. Das Wort Mikroorganismen wird synonym verwendet. Mikroben sind Bakterien, Archäen, Algen, Protozoen, Viren und einige Pilze. In der Mikrobiologie werden diese Organismen erforscht. Mikroben leben selten als Individuen oder in Gruppen der gleichen Spezies, sondern existieren meist in Gemeinschaften in denen sie mit anderen Mikroorganismen und größeren Organismen (Pflanzen, Tiere usw.) Interagieren. In diesen Mikroökosystemen gehen sie daher diverse Beziehungen ein. Mikroben als Organ Einige Biologen schlagen vor, das Mikrobiom als ein weiteres menschliches Organ zu betrachten. Rein anatomisch wird ein Organ definiert als ein aus mehreren Geweben bestehender, abgegrenzter Teil eines Körpers, der spezielle Aufgaben erfüllt. Sowohl in seiner Größe, in seinen verschiedenen Funktionen, seiner Stoffwechselrate als auch in der Komposition aus verschiedenen Materialien scheint diese Definition stimmig. Allerdings würde diese Sichtweise bedeuten, dass beispielsweise das Darmmikrobiom ein geschlossenes System mit spezifischen In- und Outputs ist. Eine Infektion die somit zum Organversagen führt, könnte demnach mit Organtransplantation geheilt werden. Tatsächlich ist dies genau das was heutzutage mit einer Stuhltransplantation versucht wird. Allerdings – im Gegensatz zu anderen Organen– verändert sich das Mikrobiom in seiner Komposition, ist somit nicht statisch. Mikrobenbank Der Mikrobenbank, als Sammlung von konservierten Mikroorganismenkulturen, wird in ihrer Selbstdarstellung zum Modell selbst. Wie verhält sich dieses »Modell« zur konkreter Sammlungstätigkeit und zur Frage des »Erhalten«? Indem die Sammlung und ihr Inhalt sowohl räumlich als auch zeitlich immer größer wird, wird die Mikrobenbank schlussendlich zur »Universalbibliothek« des Lebens. Mikrobiologie Können wir unser Mikrobiom im Alltag wertschätzen – oder bleibt es ein abstraktes Objekt von biologischer Neugier? Mikrobiom Ist ein Lebensraum, einschließlich seiner Mikroorganismen, also Bakterien, Archäen, niederen und höheren Eukaryonten und Viren, ihrer Genome d.h. ihrer genetischen Information und die Umgebungsbedingungen in diesem Lebensraum. Mikrobiom als Immunsystem Als funktionelles System zielt das Immunsystem darauf ab, zwischen Innen und Außen zu differenzieren und für dieses in sich geschlossene System einen Abwehrmechanismus bereit zu stellen. Dass Mikroben an der Definition der Grenze zwischen Selbst und NichtSelbst beteiligt sind und als Teil des breit definierten »Immunsystems« fungieren, ist definitiv bestätigt. Diese Konzept beruht auf dem Wissen, dass Mitglieder des Mikrobioms einerseits die Ansiedlung von Krankheitserregern verhindern und sie, durch Stimulation des Immunsystems, ausgrenzen. Auch betont dieses Konzept, wie wichtig es ist, schon im frühsten Lebensstadium ein funktionierendes Mikrobiom aufzubauen und unterstreichen damit die Idee des »Vaginal Seedings«. Allerdings kann auch dieses Konzept die verschiedenen Beziehungen zwischen Wirt und Mikrobiom nicht vollends erklären, da es nicht alle Leistungen betrachtet, die das Mikrobiom für uns bereithält, die Stoffwechselfunktion wird hier beispielsweise nicht


beachtet. Wenn man Immunität als Schutzmechanismus betrachtet, kann eine Trennung zwischen Selbst/ Nicht-Selbst nicht auf der Ebene der Bakterienstämme geschehen. Darüber hinaus sind Interaktionen zwischen Mensch und Mikrobe oft kontextabhängig, da beispielsweise Staphylococcus aureus in 66% der Fälle als kommunale Mikrobe auftritt und nur in den restlichen 33% pathogen wirkt. Anders gesagt: Durch diese Komplexität kann nur schwer eine Regel gefunden werden, die einheitliche zwischen Selbst- und NichtSelbst trennt. Mikrobiopolitik Wie sollten die Menschen miteinander interagieren, kulturell und in ihrer Gesellschaftsform bei einer Weltanschauung, die verstanden hat, dass mikrobielle Interaktionen von Natur aus stattfinden? Die Aufmerksamkeit liegt darauf, wie Menschen und Staaten mit Mikroben leben, ganz gleich ob sie gegenseitige Gefahren oder Alliierte sind. Wie können wir uns angemessen verhalten in unserer Beziehung zu und mit mikroskopischen Lebewesen? Mikrobiota Ist die Ansammlung aller Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren usw.) bezieht, die in einem Mikrobiom mit anderen Mikroorganismen und Makroorganismen (Pflanzen, Tiere) interagieren. In diesem Mikroökosystem entwickeln Mikroorganismen eine Vielzahl von Beziehungen. Wenn ein Wirt (z.B. der Mensch) als Umgebung betrachtet wird, bezeichnen Mikrobiota und Mikrobiom das Gleiche. Mikroskop Und zum Schluss ist es der kurze Blick auf einen mikroskopisch kleinen Organismus, der den eigenen Körper, wie er uns bewusst war, vollkommen transformiert. In Mikrobiologielaboren wird heute häufig nicht mehr mit Petrischale und Mikroskop gearbeitet, sondern zur Untersuchung der vorhandenen Lebewesen auf und in einer Probe die Methode der DNA Sequenzialisierung angewendet. Mischgebiet Wie Mitteleuropa als Mischgebiet auf dem Erdball, gibt es auch Stellen auf der menschlichen Haut, die als Mischgebiete kartografiert werden können. Diese schwanken zwischen der trockenen Wüste und den feuchten Tropen und sind teilweise mal talgreicher und mal talgärmer. Besonders talgige Bereiche befinden sich beispielsweise im Dekolleté und Gesicht. Vorherrschend sind hier Stämme von Actinobakterien (Propionibakterien (spp.) und Corynebakterien (spp.)) zu finden. Multispeziesumweltgeisteswissenschaften Wie wird die menschliche Existenz zu einem Plural, wenn die menschlichen Beziehungen durch und mit Mikroben endlich mit einbezogen werden? Aus diesem Wissensgebiet kommt der Begriff des Homo microbis. Fermentierte Lebensmittel und Körper können Ökosysteme sein, die von vielen Organismen gemeinsam genutzt werden können. Natureculture Wenn wir die Bedeutung von Haut und Körper neu denken, können wir die dann die menschgemachte Grenze zwischen Natur und Kultur aufweichen? Wenn wir den Körper nicht nur als Ort, der von Kultur geformt wurde sehen, sondern als Schwelle an der sich Natur und Kultur auflösen, ein rhizomatischer Ort, an dem verzweifelte Entfernungen durch elementare Beziehungen verbunden werden.


Neokulturelle Ökologie Wie können Menschen in idealer Partnerschaft mit Mikroben leben? Die neokulturelle Ökologie sieht die Wechselbeziehung zwischen Landschaft, dem menschlichen Körper und Mikroorganismen, die von Kulturpraktiken geformt werden. Es entsteht eine sich wiederholende Schleife. Neologismen Wie Individuen und Organismen sich im Laufe der Evolution verändern, verändert sich auch die Sprache. Neue Gebräuche, neue Kulturen und neue Ideen verlangen daher nach sprachlichen Neuprägungen. Dabei sind Neologismen immer zeitbezüglich. In den geisteswissenschaftliche Untersuchungen zum Anthropozän und dem Posthumanismus werden scheinbar täglich neue Begriffe geprägt um eine sich wandelnde Weltsicht zu beschreiben. Parasiten & Helminthen Der Mensch lebt seit jeher in körperlicher Gemeinschaft mit der »Wurmwelt«. Über 300 Arten Helminthen (mehrzellige endoparasitäre Organismen, meist Würmer genannt) wurden von Parasitologen bisher dokumentiert, die im Menschen ein Habitat finden, 90 Arten davon sind häufig anzutreffende Gäste. Helminthen finden verschiedenste Arten und mit anderen Organismen zu verbinden, die neue Möglichkeiten schaffen, wie wir mit unserer Mikrobiota ent- oder verbunden sind. Generell haben die Würmer drei Stufen im Lebenszyklus: Ei, Larve und adulter Wurm; wovon nur die Larve sich Zugang zum Menschen verschafft, die dann den Menschen als Wirt nutzt um ihre Nachkommenschaft zu sichern. In einigen Studien werden Helminthen als Schlüsselfaktor verstanden, die ganze Körperökosysteme gestalten und damit das Mikrobiom des Wirts verändern können (sowohl zu als auch entgegen unseren Gunsten). Dies hat Auswirkungen auf die Vorstellungen von Handlungsfähigkeit und Autonomie. Philosophie Philosophie ist für mich ein Staunen über die Ordnung der Dinge, der Welt und über das Leben in ihr. Karl Popper schreibt in »Alle Menschen sind Philosophen«, »dass jeder Mensch gewisse Einstellungen dem Leben gegenüber, dem Tod gegenüber entwickelt. Und das sind bereits philosophische Einstellungen – wenn auch gewöhnlich unkritische –, gute oder weniger gute Philosophien.« Im Unterschied zu den Naturwissenschaften werden keine (formale) Experimente und Beobachtungen im herkömmlichen Sinn gemacht, sondern die Erkenntnis und Antwort auf allgemeine Fragen entsteht in einem Denkprozess. Dabei besteht die Arbeit aus argumentieren, analysieren, aufdecken von Widersprüchen und definieren. Die Aussage von Karl Marx, dass »Philosophen die Welt nur verschieden interpretiert [haben], es kömmt drauf an sie zu verändern« (Marx, Karl: Thesen über Feuerbach, 1845) trifft meines Erachtens sehr gut auf den aktuellen Stand der Forschung des Mikrobioms zu, in der neue Ideen und Studien hinterfragt werden und Widersprüche aufgedeckt und interveniert werden muss. Zentrale philosophische Fragen die das Mikrobiom betreffen, können daher auf die Integration vom Mikrobiom in unser Konzept des »Menschseins« abzielen und tarieren wie die Relation von Änderungen am Mikrobiom zu darauffolgenden Änderungen am Menschen sind. Darüber steht natürlich die große Frage, wie man eine Person definiert.


Phylogenetik Als Fachrichtung an der Schwelle zwischen Genetik und Bioinformatik , beschäftigt sie sich mit der Erforschung von Abstammungen. Basiert im Grunde auf Aristoteles Scala naturae. Über das Wissen, wie sich DNA-Sequenzen entwickelt haben entstehen Prinzipien, die Vorhersage über zukünftige Entwicklungen zulassen. Pigmente Nicht nur mineralische Stoffe und Pflanzen können färbende Substanzen erzeugen, sondern auch Bakterien. Einige dieser Pigmente werden bereits zur Färbung von Textilien genutzt, aber die Zahl der ungenutzten Pigmente ist immens hoch. In der Medizin ist das Pigment Anthracyclin, als Antitumormittel bekannt, das nebenbei das Bakterium Streptomyces orangerot färbt oder die sogenannten gelb pigmentierten Arylpolyene die Bakterien, beispielsweise im Darm vor angreifenden, freien Radikalen schützen. Die Anwendung von Pigmenten mit denen natürliche Farbstoffe hergestellt werden können, wird derweil von Forschern untersucht, aber verspricht jetzt schon großes Potenzial. Die Produktion solcher Pigmente ist unabhängig von Jahreszeit und Geografie, der Ertrag ist vorhersehbar und da die Pigmente auch aus Abfallstoffen hergestellt werden können, macht sie zu eine sehr umweltfreundlichen Alternative. Das Bakterium Staphylococcus aureus, das sich resident auf der menschlichen Haut befindet, verfügt über ein gelbes Pigment, das Zeaxanthin, das neben eine färbenden Wirkung auch als E 161h als Zusatzstoff genutzt wird. Privatsphäre Die Grenzen der Privatsphäre können die Grenzen des Körpers oder Objekts sein, aber auch als persönliche Räume (mein Körper, mein Heim, meine Gedanken) selbst gesteckt sein. Als menschliches Wesen erlauben wir im Normalfall keinen Eintritt in diesen Bereich ohne vorherige Erlaubnis. Im Gegensatz zur Privatsphäre steht im medizinischen, sozialen und rechtlichen Bereich die Diskretion. Sie ist ein künstliche geschaffener Raum in dem Sicherheit besteht und aus dem Informationen nicht austreten (sollen/dürfen). In der Medizin erwarten Patienten, dass die sie betreffenden Informationen nur an andere Ärzte, die diese Information zur weiteren Behandlung benötigen, herausgegeben werden. Die Grenzen der Diskretion folgen daherkünstlichen Linien bestimmter Berufe. Bei Betrachtung des Mikrobioms ist die Unterscheidung dieser Grenze wichtig, aber zunehmends schwieriger. In der Forschung zum Mikrobiom kann nicht mehr eindeutig zwischen diesen unterschieden werden und es stellt sich zunehmends mehr die Frage, welche Information geschützt wird. Gehören Bakterien in Datenbanken in den relativ engen Bereich der Privatsphäre oder dürfen sie im Rahmen der Verschwiegenheit mit anderen Forschern in diesem gebiet geteilt werden. Um diese Frage noch weiter zu treiben, stellt sich auch die Frage wer Zugriff beispielsweise auf Daten aus Exkrementen hat, die zu 95% aus mikrobiellen Bestandteilen bestehen und daher nicht nur über den Menschen selbst, sondern auch auf Kontakt zu anderen, Aufenthaltsort und Gewohnheiten Auskunft geben und so weitaus mehr Information beinhalten als eine übliche DNA-Probe. Probiotik & Prebiotik Probiotika sind Kulturen, die lebendige Mikroorganismen (vor allem Laktobazillen und Bifidobakterien) die fähig sind, aufgrund von Säureresistenzen bei oraler Einnahme bis in den Dickdarm zu gelangen und sich dort anzusiedeln. Hier sollen sie das Biom positiv be-


einflussen. Die Forschung hat hier bereits einige Wirkungen (wie die Behandlung von verschiedenen Durchfallerkrankungen nachgewiesen und führen ständige neue Studien durch). Im allgemeinen Sprachgebrauch werden häufig primär Lebensmittel als Probiotika bezeichnet Probiotika bestehen aus bestimmten Ballastoffen und Stärken, die im Dickdarm als Substrat für das Wachstum von Bakterien dienen. Viele Firmen bieten um die positiven Eigenschaften zu verstärken daher Mischprodukte an, die als Synbiotika bezeichnet werden. Eine aktuelle Studie am EMBL untersucht beispielsweise, ob die Gabe von Probiotika einen positiven Entwicklungseffekt auf Frühgeborene hat. Auch hier zeigt sich, obwohl die ersten Forschungen zu Probiotika in den 70er Jahren begannen, die Allgemeinheit noch wenig Wissen und daher Scheu vor diesem Experiment hat. Präparation Als Präparation im Gemeinsinne versteht man entweder die Herstellung einer Substanz oder die Konservierung eines Organismus für einen meist wissenschaftlichen oder medizinischen Zweck. Aber auch das generelle Vorbereiten wird gemeinhin mit präparieren bezeichnet (lateinisch praeparare, aus: prae vor(her) und parare bereiten). Durch Scheibenplastinate oder Feuchtpräparate in Formalin können deutlich mehr Details als mithilfe von ursprünglichen Diagnoseverfahren (Computertomografie, Kernspintomografie, Ultraschall) behalten und gezeigt werden, da das Problem der Überlagerungen entfällt. Durch das Auseinanderdividieren von Strukturen,kann ein Objekt in jeder Art von Schauraum dreidimensional dargestellt werden. Das Konservieren von freigelegtem, stillgelegtem oder aus sonstigen Gründen meist nicht betrachtbaren Objekten führt dazu das Besonderheiten der Welt für die Allgemeinheit sichtbar werden können, aber durch den Schleier der Präparation wird gleichzeitig eine gewisse Distanz bewahrt. Als verbildlichendes Beispiel kann hier die Plastination, als Präparation von verweslichen Organismen gelten, durch die das Innen des menschlichen Körpers in all seinen Facetten zwischen Gesundheit und Krankheit, normal und unnormal, anhand jeglichen Gewebes und Alters vermittelbar wird. Mithilfe der Techniken der Präparation kann Wissen und Erkenntnisse über Gestalt, Form und Innerlichkeit von Organismen vermittelt werden. das andernfalls in den Wissenschaften und in der Abgeschiedenheit der Labore verbleibt. Natürlich gibt es auch hier ethische Gegenargumente, vor Allem das der Entzauberung der Welt. Dabei muss allerdings streng unterschieden werden zwischen einem »Zur Schau stellen« von menschlichen Körpern, wie bei der polarisierenden Arbeit des Anatomieprofessors von Hagens und medizinhistorischen Ausstellungen wie beispielsweise in der Berliner Charité, die allein durch die Ausstellungsatmosphäre andere Botschaften und andere didaktische Ziele senden und verfolgen. Raum Der Raum kann als abstraktes, mathematisches Konzept eines Gebildes oder aber in seiner subjektiven, anschaulichen Qualität betrachtet werden. Die Raumkonzeptualisierung wird bereits sehr früh in der Philosophie mit verschiedensten Ansätzen. Nach Kants Ansätzen der transzendentalen Ästhetik wird beispielsweise nicht der Raum erfasst, sondern nur der Inhalt – Raumgebilde und Raumverhältnisse– sinnlich wahrgenommen. Daher steht bei der Definition und dem Verständnis des Raums immer ein Subjekt in sei-


nem Verhältnis. Räume können aber auch soziale Produkte sein, Mensch und Raum stehen in einer ständigen Wechselwirkung, sei es durch die Interaktion mit Innenräumen in der Architektur oder mit dem veränderten Verhalten von Menschen in bekannten oder fremden Räumen. Recht der ersten Besetzung Die Theorie der ersten Besetzung nach John Locke besagt, dass sich der erste Nutzer einer natürlichen Ressource - zum Beispiel eines Grundstücks - von allen anderen dadurch unterscheidet, dass er niemanden verdrängen muss, um in Besitz zu nehmen und als Eigentümer zu handeln, ohne andere zu enteignen. Im Leben eines Menschen beginnt die erste Besetzung oder Besiedelung während der Geburt. Ist der Mensch im Mutterleib noch keimfrei, beginnt die Besiedelung des Darms gleich in den ersten Momenten außerhalb der Hülle der Mutter. Bei einer natürlichen Geburt siedeln sich somit zuerst Milchsäurebakterien der Gruppen Bacilli an. Die Besiedelung funktioniert hier in einer bestimmten, immer gleichen Reihenfolge. Möglicherweise bereiten die Pioniere der ersten Besetzung den Boden für nachfolgende Arten vor. Reinigung Im Unterschied zur Desinfektion und Sterilisation werden im klinischen Umfeld bei einer Reinigung nur 5080% der Mikroben abgetötet, daher ist sie für diesen Anwendungsfall nicht nutzbar, da nicht die Entfernung von Mikroorganismen, sondern nur die visuelle Sauberkeit im Vordergrund steht. Im häuslichen Bereich gibt es dagegen Ansätze auf chemische Reiniger zu verzichten und »reinigende« Bakterien zur Beseitigung von unerwünschten Substanzen zu nutzen. Vor Allem bei organischen Verschmutzungen (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate) sind Bakterien gut einsetzbar, da diese von bakteriellen Enzymen verstoffwechselt werden können. Reinigen im weiteren Sinn hat hat stets etwas mit Trennen, Aufteilen und Unterscheiden zu tun, daher kann der Begriff der Reinigung über die rein technische Form auch weiter ausgelegt werden. Bruno Latour definiert die Moderne in einem Wechselspiel von Übersetzung und Reinigung definieren. In der modernen Welt ist »die Repräsentation der Dinge durch die Vermittlung des Labors für immer von der Repräsentation der Bürger durch die Vermittlung des Gesellschaftsvertrags geschieden« (Latour 2008, S.40) und trennt damit Subjekt vom Objekt und den Menschen vom Nichtmensch trennt, ist für Latour die »Reinigung«. Sie hält also die Dichotomie aufrecht und schafft »zwei vollkommen getrennte ontologische Zonen, die der Menschen einerseits, die der nicht-menschlichen Wesen andererseits« (Latour 2008, S.19). Vernetzungen und Verwicklungen schaffen durch den Prozess der »Übersetzung« Mischwesen. Die Arbeit der Reinigung ist dabei gleichzeitig die Triebfeder für die Übersetzung. Mary Douglas (Reinheit und Gefährdung: Eine Studie zu Vorstellungen von Verunreinigung und Tabu, 1985) sieht in der Reinigung eine positiv konnotierte Handlung Umwelt zu organisieren und der »Schmutz« ist dabei das Element, das gegen ebendiese Ordnung verstößt. Beim Reinigen geht es also nicht nur um blanke Oberflächen, sondern auch um Kategorien, Differenzen und das Verschwinden von diesen. Resistenz Resistenz ist in erster Linie der Kampf gegen einen Angriff oder die Weigerung, eine Sache zu akzeptieren oder im Gegensatz betrachtet eine Kraft, die den Fortschritt von etwas zu stoppt oder verlangsamt. Wenn Design nicht mehr als »Formen von Alltagsdingen« ge-


sehen wurd, sondern als kritisches Denkinstrument kann es wie Kunst frei und ästhetisch agieren und damit auch als als Resistenz und Widerstand gegen die regelgerecht gehorchende Disziplin, die Design einst war. Daher darf nicht weiter der Weg des geringsten Widerstandes gewählt werden um ist der Resistenz aus dem Weg zu gehen. Resistenz in der Biologie und Medizin beschreibt Resistenz relativ analog, als den Widerstand eines Organismus gegen schädliche Einflüsse. Dabei kann eine im Laufe des Lebens erworbene Resistenz auch als Immunität bezeichnet werden. Rhizom Ein Rhizom beschreibt nicht ein Ding, sondern vielmehr einen Prozess. Im Gegensatz zum wissenschaftlichen Baummodell, das Taxonomien, Klassifikationen und Bibliotheken organisiert und damit hierarchisch und dichotomisch geordnet ist, funktioniert das Rhizom ohne diese nicht aufzubrechende Ordnung. Beim Rhizom gibt es Querverbindungen, die Elemente verbinden, Kreuzungen, Überschneidungen und keine definierten Hierarchieebenen. Damit ist das Rhizom offen für Transformationen und Veränderungen, die sich aus Paradigmenwechseln ergeben können. Auf Basis von Pflanzenstrukturen, vielwurzeligen in sich verwobene Systeme, die sich nicht in Dichotomien ordnen lassen, entsteht das Prinzip des Rhizom. »Ein Rhizom kann an jeder beliebigen Stelle gebrochen und zerstört werden, es wuchert entlang seiner eigenen oder anderen Linien weiter.« (Deleuze, Gilles: Rhizom 1977, S. 16) Sauerteig Das heute wieder populär werdenden Sauerteigbrot funktioniert durch einen Gärungsprozess von Milchsäurebakterien und Hefen im sogenannten Anstellgut. Das Pflegen eines Sauerteigs ist oft mit der Pflege eines Lebewesens zu vergleichen– er braucht Aufmerksamkeit, regelmäßige Pflege und beste Zutaten. Aber auch dann kann er zickig sein und nachtragend, aber genauso auch unwiderstehlich. Zum Ansatz des Sauerteigs werden lediglich Mehl, Wasser, Wärme (24-28°C) und etwas Zeit benötigt. Im Gemisch sind aktive Milchsäurebakterien und Hefen die die durch mehleigene Enzyme gespaltene MehlStärke in Milch- und Essigsäure, Kohlendioxid, Alkohol und natürlich Geschmack transformieren. Diese Komponenten sorgen für die besondere Backfähigkeiten des Sauerteiges (hier im speziellen die Milchsäure und das Kohlendioxid) und für den typischen Geschmack. Scala Naturae Im philosophischen Weltbild der Antike wird die Natur als Stufenmodell dargestellt. Der Mensch ist hier das Bindeglied zwischen dem schöpferischen Göttlichen und dem Kreatürlichen. Aristoteles ordnete Lebewesen nach ihrer »Perfektion«, also von primitiven zu höher entwickelten Lebewesen, mit dem Menschen auf der höchsten Stufen, hierarchisch also allem überlegen. selbst-nichtselbst Das was als »Ich« bezeichnet wird, ist nur ein augenblicklicher Schnappschuss. Wir sind ein selbst erhaltendes Muster ohne klare Grenze, das zu einem Zeitpunkt ein Selbstbewusstsein entwickelt hat und nun über das Selbst in Raum und Zeit nachdenken kann, aber tatsächlich nur in genau in diesem Moment so existiert. In der Immunologie wird diese Dichotomie genutzt um die Fähigkeit des Immunsystems zu beschrieben, das zwischen körpereigenen Zellen (selbst) und fremder


Materie (nichtselbst) unterscheiden kann. Bei Anwesenheit von »nichtselbst« reagiert der Körper mit einer Immunantwort, in dem Versuch das eindringende Fremde zu eliminieren. Allerdings ist diese Unterscheidung nicht immer treffend, da die Schwelle zwischen selbst und nichtselbst nicht absolut definierbar ist. Eine Schwelle die sich stark vom Durchschnitt unterscheidet führt häufig dazu, dass das Eigene als Fremde verstanden wird (Autoimmunreaktion). Mit dem Wissen über das Mikrobiom wurde dieser Theorie das »erweiterte Selbst« hinzugefügt, da sich mikrobielle Zellen von humanen Körperzellen unterscheiden. Dabei wurde festgestellt, dass beide Zelltypen über molekularen Muster verfügen die dem Immunsystem Entwarnung geben (Pattern Recognition Receptors). Selbstoptimierung Im neurowissenschaftlichen Sinne definiert die Selbstoptimierung zuerst einmal das Erzielen der bestmöglichen Funktion im Nervensystem über Rückkopplungsschleifen zu erzielen. Dabei wird der aktuelle Stand in Abständen nach Fort- oder Rückschritt kontrolliert und dementsprechend angepasst. Wo fängt die Optimierung des Selbst an, wo sollte sie aufhören? Von »functional food« und Tracking, über Neuroenhancements bis hin zum »genetic engineering« lässt sich dieser Begriff in der Gegenwart einsetzen. Sicherlich wird der Trend in Richtung Transhumanismus gehen, aber lässt sich nicht auch aus dem bereits vorhandenen Lebensumständen und -möglichkeiten, vorhandenen oder einst vorhandenen Symbionten eine Selbstoptimierung generieren? Sicherlich ist die Medizin und ihr allgemeines Verständnis hierbei ein wichtiger Part, deren Wirkung nun nicht mehr nur kurativ behandelnde, sondern auch wunscherfüllende Dienstleistung wird. Als Trend der Selbstoptimierung gilt auch das Biohacking. Neben Hackern, die sich Implantate unter die Haut setzen oder Gene manipulieren, kann in einer »leichteren« Form auch das Ziel darin bestehen die körperlichen Funktionen optimal auszunutzen. Selbstportrait Ein Selbstportrait ist immer ein Einblick in das Innere und das Selbstbild des Erschaffenden. Dabei wird je nach Gemüts- und Lebenszustand sowohl Schönheit, als auch Verfall und Zweifel gezeigt. Der Schaffer eines solchen Portraits geht stets der Frage nach, wer er selbst ist. Im Zeitalter des Selfies hat das Selbstportrait zwar einen ganz andere Verbreitung und Stellenwert erhalten als beispielsweise in der Renaissance, dennoch geht es um das Einfangen und Konservieren eines Augenblicks. Die Materialität mit der ein Selbstportrait geschaffen wird mag im gängigen Sinne ein Pinsel oder Fotoapparat sein, jedoch auch im mikrobiellen Sinne können durchaus Selbstportraits geschaffen werden. Um ihr Selbstportrait zu vervollständigen arbeiten die Künstlerinnen Melissa Fisher, Sonja Bäumel und Ani Liu arbeiten mit den Millionen von Bakterien ihres Hautmikrobioms und lassen diese das Bild erstellen. Edgar Lissel nutzt lichtempfindliche Bakterien zur analogen Filmbelichtung. In seiner Arbeit » Bakterium – Selbstzeugnisse « projiziert er mikroskopische Bilder einer einzelnen Bakterienzelle auf eine Population derselben Bakterien. Die Population belichtet somit das Porträt dieser einzelnen Bakterie – ebenfalls eine Art des Selbstportraits im übertragenen Sinne. Selbstverzehrer Für den Ourobourus, der Schlange, die sich selbst beißt, hin zu der Autophagie, dem Selbst-Kannibalismus ei-


ner Zelle zur Selbsterneuerung und der Herstellung eines Gleichgewichts mit der Produktion neuer Bestandteile, steht die Metapher Selbstverzehrens. Sequenzierbibliothek Diese Bibliothek, auch Genbibliothek genannt, enthält das Genom eines Organismus in DNA-Teilstücken. Durch die enzymatische Verdauung von genomischer DNA zuerst Teile des Genoms hergestellt, der dann in einem einzelligen Organismus gespeichert wird. Durch Zellteilung vervielfältigt der Einzeller dieses DNA-Fragment. Im Labor werden dementsprechend so viele Kolonien erzeugt, bis das gesamte Organismusgenom versorgt ist. Die Nukleotidfolge des extrahierte DNAFragment wird mithilfe unterschiedlicher Techniken (bspw. je nach Länge des Fragments mit Primer Walking oder Shotgun sequencing) ausgelesen und damit sequenziert. Die Herausgefundene Sequenz muss um für die Forschung Bedeutung zu bekommen analysiert werden. Die analysierten DNA-Sequenzen (aber auch RNA- und Proteinsequenzen) werden auf Servern gespeichert und verwaltet. Hierbei entstehen riesige Datenbanken, die aber in ihrer Qualität stark schwanken. Die bekannteste Datenbank für DNA-Sequenzen ist die GenBank. sichtbar-unsichtbar Wie kann das Unsichtbare sichtbar und fühlbar werden (und kann im Gegenzug einmal sichtbar Gemachtes wieder unsichtbar werden)? Wie können Werkzeuge entwickelt werden um etwas sichtbar zu machen und wie kann Wissen erforscht werden, das nicht (oder noch nicht) greifbar ist? Eine visuelle Form kann Gespräche und Reflexionen anregen und Bewusstsein bilden und verändern. In gewisser Weise kann Alexander von Humboldt hier auch als Pionier gesehen werden, der überzeugt davon war, dass seine Erlebnisse und Erkenntnisse in Bildern erfasst werden müssen um fremde Welten zu erfassen. Dabei hielt er sich meist nicht an den kleinen Details auf, sondern versuchte oft skizzenhaft größere Zusammenhänge sichtbar zu machen. Speciesism Ist die systematische Diskriminierung von etwas was anders ist, lediglich basierend auf austauschbaren Charakteristiken. Sprache Entscheidend für das Werden eines gesellschaftlichen Wesens ist das Lernen von Sprache. Sprache, als allgemein gültiges Symbolsystem, ist das Medium um Bedürfe, Perspektiven und Emotion austauschen. Durch das Nutzen von Sprache wird die Welt weniger komplex. Medium Sprache wird genutzt um die Welt zu beschreiben und zu erschließen. Es ist das menschliche Medium der Interaktion um nicht nur Gegenwart zu beschreiben, sondern vor Allem um Gedanken auszudrücken und um Dinge in die Zukunft zu imaginieren. Mit Sprache verstehen wir unser Verhältnis zur Welt, zu den Dingen und zu dem, was wir als real betrachten. Stacy Alaimo Die Professorin an der University of Oregon verbindet mit ihrem Konzept der Transcorporeality das (feministische) materialistische Leben im Posthumanismus und die Begegnungen von Ästhetik in Kunst und Wissenschaft. Dabei liegen ihre Schwerpunkte auf Feminismus und den Ozeanen, lassen sich aber auch auf andere Gebiete übertragen.


Starterkultur Eine Starterkultur ist eine meist in der Industrie verwendete Auswahl von besonders vermehrungsfähigen Mikroorganismen (meist Lactobazillen und Hefen) in Rein- oder Mischkulturen, die bei Lebensmitteln einen Veränderungsvorgang starten. Die Reifung und Gärung vieler Lebensmittel kann oft ohne Starterkulturen vonstatten gehen, werden aber in der Industrie aufgrund von Hygienevorschriften eingesetzt. So wird für industriell hergestellten Käse Milch erst pasteurisiert und somit von lebenden Mikroorganismen befreit um ihr im Folgenden über die überwachte Starterkultur nur ganz spezielle Bakterien- und Hefestämme zuzufügen. Auch bei Fleisch- und Bierherstellung wird ähnlich vorgegangen. Die Endprodukte werden durch diesen Vorgang in sensorischer Hinsicht kalkulierbar, aber daher auch oft langweilig. Stress Stress (vom lateinischen stringere anspannen) als Phänomen hat aufgrund der Beanspruchung und Belastung auf den Menschen eine enge Verbindung zur Entstehung von psychischen Krankheiten. Durch äußere Reize (sogenannte Stressoren) entstehen körperliche und psychische Reaktionen im Organismus oder System, die sich positiv (sogenannter »Eustress«) oder negativ (sogenannter »Disstress«) auswirken können. Stress als Begriff wird je nach Wissenschaft und Konzept jedoch sehr unterschiedlich definiert, die Einigung auf eine einheitliche Definition ist bis heute nicht geschehen. Die sinnlichen Wahrnehmung von Stress bzw. eines Stressors verursacht im biochemischen Sinne eine Reizweiterleitung inklusive der Ausschüttung von Stresshormonen, wie beispielsweise Adrenalin, Noradrenalin oder Serotonin. Als biologischer Faktor kann Stress auch Triebfeder der Evolution sein durch die Entstehung einer Stresstoleranz, die Belastungen tolerierbar oder neutral wahrnehmbar werden lässt. Somit kann Stress als Selektions- und Adaptionsvehikel gesehen werden, dass Artbildung und die Weitergabe von genetischen Merkmalen beeinflusst. Struktur & Macht Wie können strukturelle Mächte , wie beispielsweise Gesetze, Handwerksmärkte oder auch exzessive Nutzungen beeinflussen welcher Mensch mit welcher Mikrobe Partnerschaften eingeht? Nach Talcott Parsons kann man Gesellschaft wie lebende Organismen verstehen. Bei der Betrachtung eines Einzellers sieht man eine Außengrenze, die das Innen umhüllt. Dieses enthält Organe und Teilsysteme, die spezifische Funktionen übernehmen, die das Überleben sichern. Gesellschaft ist dementsprechend die Summe von lebenden Organismen mit Überlebenstrieb. Sobald Gesellschaften entstehen, entwickeln sie Systeme, die sich nach außen abgrenzen und nach innen Strukturen definieren. Bei einer Änderung muss die Gesellschaft sich neu strukturieren, da der Ausfall von Funktionen direkt im System spürbar sind. Das Grundsystem aller Gesellschaften: Funktionen stabilisieren die Struktur. Nach Niklas Luhmann wurden Strukturen – im Gegensatz zu Prozessen und der Autopoiesis– früher als dauerhaft und beständig betrachtet und bestehen nicht aus Elementen. Allerdings stellen sie sich erst dann ein, wenn ein System zu operieren beginnt, da Operationen im System diese voraussetzen. Während die Organisation eines Systems daher dauerhaft ist, können sich Strukturen verändern. Macht ist die Fähigkeit eines Organismus andere Organismen zu beeinflussen. In


der Systemtheorie kann Macht als Medium der Kommunikation verstanden werden. Stuhltransplantation Als Ausweg bei hartnäckigen Darmerkrankungen empfehlen Ärzte - vor Allem in den USA- eine Stuhltransplantation. Auch wenn die Erfolge phänomenal sind, sollten Studien und bisherige Erfahrungen kritisch betrachtet werden. Bei solch einer Behandlung wird der filtrierte Darminhalt und mit ihm das Mikrobiom eines gesunden Menschen in einen kranken Darm verpflanzt. Diese Methode wird eingesetzt wenn auch nach verschiedenen Medikamententherapien sich die Symptome nicht verbessern. Spannend ist, dass die Methode in den letzten 5 Jahren einen immensen Boom verzeichnet, obwohl eine fast gleiche Methode bereits in den 50er Jahren an der University of Colorado unter Leitung von Dr. Eisemann bei 20 Patienten erfolgreich angewendet wurde und sogar schon im alten China zu finden war (»Gelbe Suppe« als Medizin für Durchfall und Lebensmittelvergiftung). Seither erscheint die Stuhltransplantation immer wieder in der Sachliteratur, jedoch gibt es bis heute keine breit aufgestellten klinischen Studien, die einerseits die Wirksamkeit beweisen oder die Vorgänge im Darm nach einer Transplantation erklären können. In den letzten Jahren konnte man jedoch zeigen, dass eine Stuhltransplantation nicht nur für Darmerkrankungen, sondern auch für andere mit dem Mikrobiom assoziierte und stoffwechselbasierte Krankheiten. Durch den Hype um die Stuhltransplantation, aber den damit verbundenen hohen Kosten entstand auch hier eine – kritisch zu betrachtende– Biohacking Szene von Kranken, die –oft aus Verzweiflung – fremde Fäkalien konsumieren. Super- & Metaorganismus Ein Superorganismus ist eine Sammlung von mehreren Organismen, die eng miteinander interagieren und durch diese Interaktionen Möglichkeiten entstehen, die die individuellen Organismen alleine nicht möglich wären. Wheeler beschreibt den Superorganismus 1911 am Beispiel der Ameisenkolonie und stellt 4 Bedingung auf: Die Gruppe von Organismen muss sich wie ein einheitliches Ganzes verhalten. Der Superorganismus muss Eigenschaften in Verhalten, Größe und Struktur aufweisen, die sowohl für die Gruppen als auch für die Art spezifisch sind. Es muss ein anpassungsfähiger Zyklus von Wachstum und Fortpflanzung durchlaufen werden. Und schließlich muss es in diesem Organismus unterschiedliche Arten von Individuen geben, als Beispiel nennt er hier Arbeiter und Königin in einer Insektenkolonie. Diese enge biologische Verbindung und die positiven Wechselwirkungen zwischen Wirt und Mikrobiom deutet definitiv auf eine Koevolution von uns und anderen Spezies hin. Allerdings hat auch dieses Modell seine Schwachstelle, wenn man es mit dem von Darwin geprägten Begriff der »Fitness«, die Leistung, die ein Individuum zum Genbestand der Folgegeneration leistet, betrachtet. Die Fitness verlangt weiterhin, dass alle Individuen in der Gruppe gleich »fit« sind und dass Variationen genetisch vererbbar sind. Kann sich durch natürliche Selektion ein Merkmal ausbilden, das nützlich für die Gruppe aber risikoreich für den Einzelorganismus ist? Symbiose Wenn sich zwei Organismen zu einer Gesellschaft zusammenfinden, die in der Regel für beide Seiten von Nutzen ist, spricht man von einer Symbiose. Im biolo-


gischen Sinne steht diese Symbiose meist im Zusammenhang mit Schutz, Stoffwechsel, Ernährung und Verbreitung. Dabei kann die Symbiose von einer lockeren Partnerschaft bis zu einer lebensnotwendigen Beziehung führen. In vielen Fällen passen sich die Partner im Laufe der Zeit aneinander an. Auch im zwischenmenschlichen Sinn kann es zu Symbiosen kommen, die allerdings meist negativ konnotiert sind. In der Psychoanalyse wurde der Begriff von Erich Fromm eingeführt, der hiermit eine schädigende Form der Beziehung beschriebt als »Vereinigung eines individuellen Selbst mit einem anderen Selbst (oder mit irgendeiner anderen Macht außerhalb des eigenen Selbst) und zwar auf solche Weise, dass jeder dabei die Integrität seines Selbst verliert und beide in eine völlige Abhängigkeit voneinander geraten.« (The Escape from Freedom, 1941). Andere Analytiker bezeichnen auch die klassische Mutter-Kind-Beziehung als Symbiose. System Wir brauchen ein neues systemisches Verständnis des Menschen als Teil des evolutionären Prozesses. Geschichten und Traditionen werden zu gesellschaftlichen Normen, die wiederum Regeln setzen unsere Auffassung von Realität bilden. Unser Wissen ist ein System von sich ständig erneuernden Rückkopplungsschleifen, aus dem ständig aktualisierte Zwischenergebnisse herausgezogen werden können. Territorium Der nach geografischen, staatlichen oder ökonomischen Kriterien abgegrenzte Grund und Boden und kann so im politischen Sinne beispielsweise das Herrschaftsgebiet eines Landes oder im biologischen Sinne ein Gebiet sein, dass ein Verhältnis zu seinen Bewohnern ausdrückt und das meist gegen Eindringlinge verteidigt wird. Lakoff und Johson schreiben 1980 in »Metaphors we live by« (s.29f.): »There are few human instincts more basic than territoriality. And such defining of territority, putting a boundary around it, is an act of quantification.« Das Territorium als Raumkonzept veranschaulicht auch die Konstruktion von Identität der Einzelperson und Gruppe. Sprachlich zeigt sich das in der Nutzung der Formulierung von »ich«, »wir«, »die Anderen« usw. Da um Gruppen zu lokalisieren eine Verortung im Raum naheliegend ist, nimmt das Territorium also für Identitätskonstruktionen eine wichtige Stellung ein. Toxoplasma gondii In der Tierwelt überwiegend als intrazellulärer Parasit bekannt, schürt die menschliche Infektion mit T. gondii Angst. Nach heutigen Wissensstand ist dieses Bakterium zur Toxoplasmose. Nach einer einmaligen Infektion bleibt der Betroffene Träger des Parasiten. Hauptsächliche findet sich der Erreger in warmblütigen Zwischenwirten (z.B. Schweine, andere Schlachttiere und Geflügel), bei denen sich Toxoplasma-Zysten v.a. im Gehirn und in der Muskulatur befinden. Eine Infektion führt zu psychischen und Verhaltensänderungen. Toleranz Der Toleranzbegriff ist sowohl in den Geistes- als auch in den Naturwissenschaften ein viel diskutierter und stets aktueller Begriff von weiter Tragkraft, da sie für jegliche Interaktion zwischen Organismen wesentlicher Faktor ist. Toleranz wird im Allgemeinen gegenüber Haltungen und Verhalten geübt, die weithin als eher problema-


tisch gesehen werden, die aber zu ertragen sind, da es keinen Grund für eine Unterdrückung gibt. Daher befindet sich der Begriff der Toleranz an einer Schwelle zwischen Ablehnung und Anerkennung, zwischen Verschleierung und Duldung und zwischen Wahrheit und Emanzipation. Auf gesellschaftlicher Ebene sind es also Handlungen, die für das Gemeinwohl nicht fördernd sind, aber im rechtlichen Sinne erlaubt, eine bedingte Erlaubnis der Existenz von diesen Handlungen und damit auch von den ausführenden Personen. Im historischen Kontext kann man die Schritte von einer Intoleranz über eine geduldete Toleranz bis zu einer modernen Freiheit am Beispiel der Religion nachvollziehen. Die Toleranz wird im 18. Jahrhundert, in der Zeit der Aufklärung, mit dem Fokus auf Weltanschauung und Religion näher beschrieben. Radikalisiert wird dieser Begriff im 19. Jahrhundert von John Stuart Mill, der ihn auf Gruppen und Einzelne anwendet. In der Gegenwart wird Toleranz oft als Strategie zur Vermeidung von Konflikten eingesetzt bzw. gesehen und ist daher oft eine Art von Zurückhaltung statt einer ausgetragenen Auseinandersetzung. Toleranzprobleme in der Gesellschaft entstehen bisweilen oft dadurch, dass es schwierig ist ein Mittelmaß an Toleranz zu finden. Im heutigen Sprachgebrauch wird die Toleranz, als reines Dulden, oft als »Kampfbegriff« missbraucht. Die mit Toleranz verbundenen gesellschaftlichen Ziele sind erstrebenswert, missverstehen aber den ursprünglichen Toleranzbegriff. Im naturwissenschaftlichen Bereich wird der Toleranzbegriff etwas enger, als Anpassung und Widerstandsfähigkeit eines Organismus an etwas »Schädigendes« oder einer Umweltänderung beschrieben. Toleranz bedeutet hier somit Gewöhnung. Daher ist die Toleranz in diesen Sinne eng mit dem Resistenzbegriff verbunden. Als Resistenz gilt die Eigenschaft eines Bakteriums, durch ein Antibiotikum nicht geschädigt zu werden; Toleranz ist, wenn ein Antibiotikum gegen ein Bakterium keine Wirkung zeigt, obwohl gemäß Antibiogramm keine Resistenz vorliegt. Transcorporeality Nach Stacy Alaimo sind alle Lebewesen sind als Verkörperungen mit der dynamischen, materiellen Welt vermischt. Diese Welt durchdringt und verwandelt sie und wird im Umkehrschluss von ihnen verändert. Sie versucht den menschlichen Exzeptionalismus, der in der westlichen Weltomnipräsent ist, zu durchbrechen. Die Grenzen zwischen dem Mensch und seiner Umwelt lösen sich durch materiellen Transformation des Menschen. Tuberkulose Das Tuberkulose erregende Bakterium wurde von Robert Koch in der Charité entdeckt. Das Mycobacterium tuberculosis verursacht eine der weltweit häufigsten und die häufigste zum Tode führende behandelbare Infektionskrankheit. Die Hauptursache dafür sind stets resistenter werdenden Bakterien. Besonders spannend an der Geschichte der Tuberkulose ist der falsche Glaube, dass Tuberkulose einst von der Kuh auf den Menschen übergesprungen sei. Anhand von Analysen des Genoms stellte sich 2017 jedoch heraus, dass der umgekehrte Infektionsweg der Fall ist. Fakt ist jedoch, dass Tuberkulose sich in seiner heutigen Form durch den engen Kontakt zwischen Nutztier und Züchter entwickelt hat. Umwelt Wechselwirkungen zwischen Organismen und ihrer Umwelt führen zu Interaktionen in Genen und Charakteren. Die Umwelt kann dabei dem Organismus übergeordnet sein, oder aber sich im Organismussystem


befinden (innere Umwelt). Im Allgemeinen Sprachgebrauch wird als Umwelt die Flora und Fauna außerhalb des menschlichen Systems beschrieben. Sie umgibt die Lebewesen und beeinflusst die Lebensbedingung und kann somit sozial, kulturell, technisch oder natürlich sein. Die Umwelt im ökologischen Sinne ist die wohl die am meisten diskutierte bei der sich die Frage nach den relevanten ethischen Werten stellt, wenn es darum geht, dass der Mensch in diese eingreift. Hier geht es oft darum, sich die Umwelt untertan zu machen. Urwald Die Haut lässt sich ähnlich wie der Planet Erde nach verschiedenen Gebieten kartografieren. Die Haut unter den Achseln und zwischen den Zehen ist dabei vergleichbar mit dem tropischen Regenwald. In dieser feuchten und eher dunklen Umgebung fühlen sich daher auch ganz andere Spezies wohl als in der Wüste. Hier befinden sich viele Schweißdrüsen, die den Feuchtigkeitsgehalt der Haut bestimmen. Auch das Vorhandensein von Haarfollikeln unter den Achseln hat eine besondere Bedeutung für die Besiedelung. Die Besiedelung ist an diesen Hautstellen ähnlich lebendig, divers und bunt wie im Urwald bei bis zu 10 Millionen Organismen pro cm2 . Die vorherrschenden Stämme sind hier Corynebakterien (spp.), Staphylokokken und verschiedene Stämme von Proteobakterien. Überreste Als etwas was von einen ursprünglichen Ganzen übrig geblieben ist, kann einerseits sachlich oder abstrakt sein und ist im ersten Schritt von jeglicher Qualität losgelöst. Ein Überrest ist damit etwas Unabsichtliches, das nicht mit dem Zweck der Mitteilung an die Nachwelt weitergegeben wurde und steht damit im Gegensatz zur Tradition und einem Kulturgut. Jedoch kann solch eine Einteilung über die weitere Nutzung entscheidet, ohne dies kritisch zu hinterfragen. Ein Überrest kann im Gegensatz zu der Tradition, die für die Nach- oder Mitwelt entstand deutlich objektiver sein. Übersetzung Glitzerndes Weiss und goldene Beere klingen doch visuell viel ansprechender und so ungefährlich gegenüber ihrer lateinischen Übersetzung: Candida albicans und Staphylococcus aureus. Aber auch mit diesem Namen sind es eine ganz üblicherweise auf der menschlichen Haut vorkommende Organismen. Vaginal Seeding Ein noch umstrittener Trend bei Kaiserschnittbabys ist die Anwendung des »Vaginal Seedings«. Einige Studien haben gezeigt, dass Kaiserschnittbabys zumindest in der ersten Lebenszeit ein schlechteres Immunsystem haben, als auf natürlichem Wege geborene Kinder. Daher besteht die verbreitete Vermutung, dass den Babys vor Allem die Laktobazillen aus dem Vaginalbereich der Mutter fehlen, die sich bei einer natürlichen Geburt auf den Schleimhäuten des Neugeborenen ansiedeln. Daher werden gezielt Bakterien des Vaginalbioms der Mutter auf das Neugeborene gebracht, um dessen Biom zu beeinflussen. Allerdings sind Studien hierzu bisher weder auf Langzeiterfolge angelegt, noch haben sie eine wirklich repräsentative Teilnehmerzahl. Fest steht jedoch, dass die ersten Bakterien, mit denen eine Neugeborenes in Kontakt kommt nicht Bakterien aus der Krankenhausumgebung, sondern Bakterien aus dem Mikrobiom der Mutter sein sollten, vor Allem da Krankenhausorganismen bereits resistente Keime sein können. Aber auch die bei Organismen aus dem


Biom der Mutter besteht keine Sicherheit, dass sich nur kommensale Bakterien auf dem Neugeborenen ansiedeln. Vergleiche Vergleiche können eine Art sein Dinge verständlich zu machen. Wenn man davon spricht, dass die Bakterienmasse unseres Mikrobioms bis zu 2 Kilogramm wiegt, ist das nicht so eingängig wie der Vergleich, dass unser Mikrobiom damit mehr Masse einnimmt, als unsere Leber. Wenn wir die Zellen des Holobionten Mensch vergleichen sind die Mikroben den menschlichen Zellen um den Faktor 1,3:1 überlegen. Spannend wird es wenn man die Gene betrachtet: die rein humanen Gene zweier Menschen sind sich ähnlicher als die Mikrobiome. Da der Holobiont aus 22,000 humane Gene und fast 10x so viele mikrobielle Gene (2,000,000) ist unsere Individualität tatsächlich unserem Mikrobiom zu verdanken. Mit diesen bis zu 100 Trillionen Individuen haben wir mehr Mikroben in uns, als es Sterne in der Milchstraße gibt. Verhalten Entsprechend der Wortbedeutung von Verhalten geht es hierbei um ein Handeln, Reagieren und Haltung zeigen bzw. vom althochdeutschen farhaltan um das Zurückhalten und Hemmen, wobei sich alle diese Verhaltensweisen als (Re-)Aktionen auf eingetroffene Reize verstehen und von Außen wahrnehmbar sind (dabei muss dies nicht hör- oder sichtbar sein, sondern kann auch andere Elemente enthalten). Bei Organismen im Allgemeinen kann zwischen unbewusstem, routinierten, aber nur unterbewusst gesteuertem oder bewusstem Verhalten unterschieden werden, wobei Verhalten eine Eigenleistung voraussetzt. In der Evolutionsbiologie wird zudem die evolutionäre Anpassung eines Organismus als Verhalten verstanden. Für ein System kann Verhalten daher als Transformation verstanden werden und analog wie zur Reaktion auf einen Reiz, kann der Output nach einem Input verstanden werden. Vibrant Matter »Vital materialism […] reminds humans of the very radical character of the (fractious) kinship between the human and the nonhuman. My ‘own’ body is material, and yet this materiality is not fully or exclusively human. […] In a world of vibrant matter, it is thus not enough to say that we are ‘embodied.’ We are, rather, an array of bodies, many different kinds of them in a nested set of microbiomes.« (Bennett, Jane: Vibrant Matter, 2010; S. 112-113) Jane Bennett beschäftigt sich mit dem Auflösen eines Dualismus zwischen Subjekt- Objekt, Mensch-Nichtmensch und dass wenn Körper miteinander in Interaktion treten eine »Assemblage« unterschiedlicher Akteure entsteht. Diese Assemblage ist nicht dauerhaft und kann sich im steten Wandel befindet, ihre Handlungsmacht entsteht aber nur im Kollektiv. Werden Die Verworrenheit mit Mikroben beschreibt eine Welt, die noch nie modern, menschlich oder von Individuen bevölkert war. Stattdessen werden Menschen, Tiere und andere Nicht-Menschen als Komponenten dynamischer, nicht linearer Zusammenstellungen in ständigen Prozessen des gegenseitigen Werdens betrachtet. Wertschätzung Wertschätzung bezeichnet eine inner positive Haltung gegenüber einem Lebewesen. Das Schätzen des hohen Werts eines Anderen gilt als sehr menschliche Eigenschaft, wobei man die Folgen wie Bedingungslo-


sigkeit, Respekt, Anerkennung auch bei Haustieren erkennen kann . Aus der Beziehung zwischen Haustier und Mensch entsteht daher oft eine harmonische, sich beachtende Bindung. Ähnliche Wertschätzung haben auch andere nicht-menschliche Spezies verdient. Denn der Teilbegriff »Wert« schreibt bereits vor, dass es einen »Mehrwert« gibt, der sich aus einer Eigenschaft oder einer Fähigkeit ergibt und der von einem Wesen »geschätzt«, also entweder nicht genau gemessen oder abstammend vom »Schatz« für sehr gut befunden, wird. Wüste Ähnlich wie eine Wüste ist die Haut am Unterarm und Unterschenkel sehr trocken und stellt somit einen Ort dar an dem wenig Sebum und Talg gebildet wird. Auch die Besiedelung ist an diesen trockenen Hautstellen ähnlich wie in der Wüste schwach bei etwa 100 Organismen pro cm2 . Die vorherrschenden Stämme sind hier Proteobakterien, Bacteroides und Corynebakterien (spp.).

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Anthea Oestreicher WS 2020 MADFM – Hochschule Pforzheim