Annenpost Lendwirbel-Ausgabe 2015

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GESCHICHTEN AUS DEM VIERTEL

LENDWIRBEL 2015 • KOSTENLOS

Abdrücken und gewinnen S. 6

Protestieren und bleiben S. 4-5

Wie geht eigentlich Abwertung? Ein Student hat das Leben zwischen Mur und Hauptbahnhof jahrelang inhaliert GASTKOMMENTAR von Lukas Matzinger Ich hasse das Tribeka. Ich hab den Laden immer schon gehasst. Ba­ gels und Beerensmoothies nach Selbstbedienung – wer kommt auf sowas? 2010 kam ich ins Annenviertel. Ein Zahnarzt hätte vorher in un­ serer Wohnung ordiniert, der hät­ te sich aber aufgehängt. Das hat überhaupt nie gestimmt, in Wirk­ lichkeit ist er nur weggezogen. Seitdem haben wir eine neue Fassade bekommen und der liebe Manfred van den Berg hat einen schicken Gewürzladen unten auf­ gesperrt und irgendwann musste das ganze Haus mehr Miete zah­ len. Gentrifizierung ist die Ent­ mischung von Gegenden. Junge Gstudierte kriegen helle Dachbo­ denausbauten am Südtiroler Platz und alte Dosige kommen mit dem Mietzins nicht mehr nach. Graz ist nicht so gut in Stadtentwick­ lung. #asozialerwohnbau. Der Mariahilferplatz ist der coolste Fleck im Land. Makava ist schuld und Bürogemeinschaften auch und wo kommen überhaupt die ganzen Deutschen her? Fortsetzung S. 3

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Mehr Viertelgeschichten auf

annenpost.at /annenpost

Verdrängung ist oft unsichtbar, aber nicht unspürbar. Besonders hart trifft sie Menschen. Menschen, die sich die Miete nicht mehr leisten können, weil ihr Stadtteil plötzlich „aufgewertet“ werden soll. Und was passiert? Man schaut weg. Man verdrängt. Illustration: Daniel Kindler

Aufpassen Alleine durch den Park gehen. Wenn es finster ist und man eine Frau ist, ist das wahr­ scheinlich eine blöde Idee. Andererseits, hatte sie es eilig. Andererseits, wollte sie sich nicht verrückt machen lassen. Ja, es liegen Spritzen herum in diesem Park, aber von keiner Freundin hatte sie je gehört, dass sie hier attackiert worden wäre. Aber wahrscheinlich wa­ ren ihre Freundinnen einfach nicht so deppert wie sie und durchquerten den Volksgarten nicht in der Nacht allein. Die Schritte hinter ihr machten sie nervös. Es waren Männerstimmen, die sich mur­

melnd unterhielten, zwei, nein drei. Die Sprache konnte sie nicht verstehen. Wenn sie lang­ samer ging, gingen sie langsa­ mer. Ging sie schneller, wurden sie schneller. Als sie schon fast bei der Volksgartenstraße war, drehte sie sich um und blickte in die Gesichter dreier junger Männer. „Was wollt’s?!“, rief sie. „Aufpassen“, sagte einer in ge­ brochenem Deutsch. „Hinten war ein Typ, hat dich beobach­ tet. Es nicht gut als Frau allein im Park.“ Da schämte sie sich ein bisschen und lächelte. Colette M. Schmidt ist Redak­teurin beim STANDARD.

INHALT Was die Annenpost ausmacht, ist der Blick fürs Detail. Wir suchen nach Geschichten, die unter der Oberfläche schweben. Geschich­ ten, die das Viertel bewegen. Mehr über uns auf Seite 6.

Ist zwar ein Wortspiel, aber ein ernstes Thema: „Was bleibt im Lendeffekt?“ lautet das Motto des diesjährigen Lendwirbels. Auch wir haben diese Frage gestellt. Zu lesen auf Seite 2.

Gentrifizierung steht für einen Prozess, den man auch im An­ nenviertel beobachten kann: Ein benachteiligter Stadtteil wird auf­ gewertet, Mieten steigen, ärmere Bevölkerungsgruppen werden verdrängt. Für die einen (Monats­ mietenzuspätzahler) ist sie das Problem, für die anderen (Immo­ bilienhaie) die Lösung. Seite 4.


THEMA:

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Ein

Belebt und pulsierend, hip aber sympathisch

Woran sich Gentrifizierung

Was bleibt im Lendeffekt? Was hat sich im Viertel in den letzten Jahrzehnten verändert? BewohnerInnen des Annenviertels geben Auskunft

„Ein Viertel mit Dorfcharakter“

„Ein deutliches Wir­-Gefühl“

„Der Lend hat sich zu einem hip­ pen, aber auch sehr sympathi­ schen Viertel mit Dorfcharakter entwickelt. Dass der Mariahilfer­ platz einmal als Parkplatz genutzt wurde und sich Prostituierte an­ geboten haben, kann man sich kaum mehr vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass alle, die hier gerne wohnen, blei­ ben können. Es besteht die Gefahr von Verdrängungsprozessen, aber es fehlt an umfassenden Studien. Eingreifen seitens der Politik wäre gefragt, aber es braucht auch die Selbstorganisation der Menschen vor Ort.“

„In den letzten zehn Jahren hat sich in unserem Viertel mehr ge­ tan, als man vielleicht auf den ersten Blick sieht. Es hat sich ein deutliches Wir-Gefühl entwickelt. Rund um die St. Andrä-Kirche ha­ ben wir dazu einen Beitrag geleis­ tet und ein positives Miteinander unterschiedlichster Kulturen und Religionen verstärkt. Im Andräviertel wurden vie­ le alte Baulücken geschlossen. Dass sich dadurch aber auch der übliche Verdrängungseffekt ein­ stellt, ist bedauerlich – das Woh­ nen wird dadurch für viele uner­ schwinglich.“

Eva Meran, Projektleiterin beim Kunstverein <rotor>

Hermann Glettler, „Kunstpfarrer“ der Pfarre St. Andrä

von Sara Noémie Plassnig

„Mehr Aktionismus und Initiativen“

„Es passiert viel Unsichtbares“

„Das Annenviertel ist seit den „In den letzten Jahren gab es fast Flohmärkten und dem Lendwir­ gleichzeitig zwei Arten der Ver­ bel belebter und pulsierender. änderung im Lend. Einerseits die Diese Entwick­ bauliche, die für Protokolle: Katrin Rathmayr, lung wird sich jeden sichtbar Niklas Sieger, Sara Plassnig mit den neuen ist. Gleichzeitig Wohnungen im passiert aber viel Styria-Center noch verstärken. Unsichtbares, das man zwar nicht Dem Viertel würde ich noch mehr sehen, aber sehr wohl spüren Aktionismus und Initiativen wün­ kann. Es gibt nämlich ganz viel schen. Die Gegend ist sehr dicht Kommunikation über das Annen­ und bunt besiedelt und bis jetzt viertel, sei es am Lendwirbel oder hat alles, was man hier gemacht auch zwischen Geschäftsleuten hat, gefruchtet. Unser Verein legt und Anrainern. Was bleibt, ist den Fokus auf den Volksgarten­ also ein begonnener Gesprächs­ park, wo seit vier Jahren unser austausch, den ich wahnsinnig Parkfest stattfindet.“ spannend finde.“ Martina Weixler, RosaLila PantherInnen, Viertelaktivistin

Nana Pötsch, Sozialarbeiterin, Viertelaktivistin

E

s ist ein sonnig warmer Frühlingstag in der „Hips­ ter-Neighbourhood“ auf der rechten Murseite (Zitat Useit-Map). Auf der Terrasse des Kunsthaus-Cafés brät man in der Sonne und schlürft eine Limona­ de aus dem Marmeladeglas. Drehen wir die Zeit zurück: Oktober 2014. Das Café als „lukul­ lisches Juwel“ (Zitat „We Are Star­ dust“-Blog) gab es damals noch nicht. Treffpunkt für den Gen­ trification-Walk war vergange­ nen Herbst trotzdem bereits das Kunsthaus. Denn hier hat dieses ganze „Gentrifidingsbums“ näm­ lich begonnen, so der Initiator Leo Kühberger. Seit der Eröffnung im Jahr 2003 wird das Grätzel an­ ders wahrgenommen: kreativ, dy­ namisch und jung.

Lend wird zum Trend Verwandelt sich das Annenviertel zunehmend in eine dauergeöff­ nete Kunstausstellung? Wo blei­ ben dabei die alteingesessenen BewohnerInnen? Und noch viel

wichtiger: Passiert hier etwa Ver­ drängung? Eine Teilnehmerin am Gen­ tri-Walk erzählt. Ihre ehemalige Wohnung sei mit „Trend im Lend“ beworben gewesen, in der Reali­ tät handelte es sich um eine über­ teuerte Schimmelbude. Ihr blieb nur der Auszug aus dem Viertel. Das neue Image nutzen also auch Investoren. Ihr Ziel? Teure Immobilien vermieten oder neue Anlegerwohnungen am Markt platzieren. Dafür hat der Histo­ riker Kühberger beim nächsten Stopp des Rundgangs ein Beispiel parat: die Luxuswohnungen im „The Elephant“. In der ehemali­ gen, von Domenig & Wallner um­ gebauten, Zentrale des Österrei­ chischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) verheißen die Bauherrn „urban chic living“. In der Nie­ senbergergasse lässt mittlerweile C&P, der größte private Anleger­ wohnungsanbieter der Steier­ mark, bauen (Interview S. 5). „Es müssen unbedingt Zahlen zu Mieterhöhungen im Annen­ viertel eruiert werden, um fest­ zustellen, ob tatsächlich Verdrän­


GENTRIFIZIERUNG

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Stadtteil in der Hipster-Falle? festmachen lässt, veranschaulichte ein Viertelspaziergang

Links: Das Gebäude, in dem sich heute das Centraal befindet, war früher einmal ein Bordell. Rechts: Das ehemalige Szenelokal „Exil“ in der Wienergasse. Fotos: P. Krisai gung passiert“, meinen in diesem Zusammenhang die Teilnehmer Christoph Laimer und Elke Rauth. Die beiden geben gemeinsam das Stadtforschungsmagazin „Dérive“ heraus. Klassische Anzeichen für den Prozess der Gentrifizierung sind für Laimer mit dem Lendwir­ bel und dem Kunsthaus jedenfalls gegeben.

oft auf das verbindende Thema der meisten BewohnerInnen, die steigenden Mietpreise“, so Küh­ berger. Letzte Station: Lendplatz. Leo Kühberger erzählt vom Trödler „Fast Neu Hasiba“, der vor einigen Jahren der Cocktailbar „Pierre’s“ weichen musste. „Nun kostet hier ein Cocktail gleich viel wie einst ein Radio“, vermutet der Viertel­ Identitätsverlust bewohner. „Mit diesem Image verliert das An­ Die entsprechende Antwort nenviertel seine historische Iden­ darauf ? In Hamburg gingen Akti­ tität“, so Leo Kühberger. Denn das vistInnen von Tür zu Tür, um ein rechte Murufer stehe auch für die Stimmungsbild von Betroffenen ArbeiterInnen­ zu bekommen. Erschienen: 21.10.2014 bewegung, für Und dann? Auf bit.ly/aufwertung den Widerstand mögliche Aktio­ gegen den Austrofaschismus und nen geben die Recht-auf-Stadt-In­ den Nationalsozialismus. Dar­ itiativen in Hamburg einige Hin­ über erzählen nur mehr wenige weise. In Graz gab es ebenso das Straßennamen, der Standort der Projekt „Recht auf Stadt“ und Arbeiterkammer und der ehema­ aktuell fragt der Lendwirbel in lige Sitz des ÖGB. KünstlerInnen seiner ambivalenten Rolle: „Was und AktivistInnen nehmen hier bleibt im Lendeffekt? Wie grieselt aber nicht nur durch den Identi­ der Gries?“ Diese Fragen wurden tätsverlust des Viertels eine ambi­ am „Gentrifi-Dingsbums-Spa­ valente Rolle ein. „Sie wollen sich ziergang“ nicht beantwortet. Das für eine Öffnung des Stadtraums müssen die AnnenviertlerInnen einsetzen, vergessen dabei aber gemeinsam tun.

Wie geht eigentlich Abwertung? Fortsetzung von Seite 1

Das blendend ist mit Herrn Marko groß geworden und hat Yogi Tee aus Marmeladegläsern serviert. Der Herr Marko ist nicht blöd. Die Hipster werden dann mal Bobos, die mit ihren Babys vorne draufgebunden durch die Ma­ riahilfer Straße übers Pflaster radeln und beim Annenstraßen­ flohmarkt weiße Tische für ihre Wohnküchen suchen und am Lendplatz-Bauernmarkt Pastrami kaufen. Weil sie kochen können. Wer das Wort Gentrifizierung kennt, ist schon Teil des Prob­ lems. Als nächstes ist der Gries­ platz dran. In der Annenstraße wär auch wieder viel leer. Ver­ dammt viel leer. Wie geht eigent­ lich Abwertung? Streich einfach das „Pop Up-“ davor weg. So, zum Schluss gibt’s noch einen klugen Satz für alle zum

Selbstzusammenbauen: warum, Segregation, kaufen, Boheme, gegen, Aufwertung, Leerstände, Stadtplanung, ohne, ziehen, Sub­ kultur, Rent-Gap, Zwischennut­ zung, Kreative, verdrängen, Im­ mobilienhaie. Lukas Matzinger studiert Journalismus und Public Relations und schreibt für die Wiener Stadtzeitung FALTER. matzinger@falter.at

Leerstand.

Foto: Kerstin Quast


THEMA:

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Familie Lerch will nicht Das betagte Geschwisterpaar Lerch hätte aus seiner Wohnung am Entenplatz delogiert werden sollen. Das wurde gerade noch verhindert. Die Räumungsklage ist das Resultat eines erbitterten Streits mit dem Vermieter. Doch auch diese Geschichte hat zwei Seiten. von Eva Walisch

E

s herrscht nervöse Betrieb­ samkeit in der Wohnung am Entenplatz. Die Habse­ ligkeiten von Ernst und Hermine Lerch liegen verstreut in den Zim­ mern, Aufbruchsstimmung in der Luft. Die Nichte der beiden, Ulrike Lerch, ist zur Unterstützung ge­ kommen. „Entschuldigen Sie das Chaos, aber wir haben damit ge­ rechnet, heute aus der Wohnung herausgeworfen zu werden“, er­ klärt sie. Hinnehmen wollte das Ge­ schwisterpaar die gerichtliche Entscheidung, dass sie die Woh­ nung räumen müssen, jedoch nicht. „Tee, Jause und Sitzpolster mitnehmen – wir sehen uns auf der Straße“, so wurde von Sym­ pathisanten der Familie Lerch via Facebook zur Verhinderung der Räumung aufgerufen. Unerwartet kam es doch noch zu einer Wen­ dung in der Geschichte. „Weil sich ein Anwalt bereit erklärt hat, sich die Sachen noch einmal anzuse­ hen “, erzählt Ulrike Lerch aufge­ regt.

Jahrelanger Streit Aber wahrscheinlich wird auch der vorläufige Triumph für die Pensionisten nur zu einer Verzö­ gerung der Räumung führen. Bis zum Obersten Gerichtshof ging der Fall Lerch bereits, schon vor einem Jahr wurde die Räumung gerichtlich angeordnet. Doch bis jetzt wurde sie immer wieder er­ folgreich verhindert. Seit mittler­ weile sieben Jahren liefert sich die Familie einen erbitterten Streit mit dem Vermieter der Wohnung, dem Grazer Rechtsanwalt Peter

Ernst und Hermine Lerch in ihrer Wohnung: „Na, den Arm legst sicher net um mich, sonst denken die noch Benda. Und beide Seiten sehen recht was gewusst“, erklärt Herr sich im Recht. Lerch. Die Lerchs hielten das Seit mittlerweile 70 Jahren le­ Haus in Stand – auch während ben Ernst und Hermine Lerch in des Krieges. Als eine Bombe im dem roten Haus am Entenplatz. Nachbarhaus einschlug, wurde Während des zweiten Weltkrieges auch ihr Zuhause durch die Ex­ war die Hitlerjugend im Gebäude plosion zur Hälfte niedergerissen. untergebracht. Wie damals üb­ Eigenhändig begannen die Eltern lich, wurde Leuten, deren Häuser damals das Haus wieder aufzu­ ausgebombt wur­ bauen. Als der den, neue Bleiben vorbei Erschienen: 18.3.2015 Krieg zugeteilt: So muss­ war, begannen bit.ly/familielerch ten die Jungnazis bessere Zeiten ausziehen und Ernst und Hermi­ für die Familie. Die Großmutter ne Lerch zogen mit ihren Eltern und ein paar Katzen zogen ein, und den vier Geschwistern in das vor dem Haus begann es im Gar­ Haus, das sie seitdem nicht mehr ten zu blühen, die Kinder pflück­ verlassen haben. ten Äpfel, Zwetschgen und Bir­ Die Familie hatte vorerst das nen. „I hab schon g‘scheat zum ganze Parterre für sich alleine. reden ang´fangen, weil‘s so schön „Der Hausherr, hat‘s geheißen, da war“, lacht der 80-jährige Ernst ist in Übersee. Da hat niemand so Lerch.

Doch nun fühlen sich die bei­ den Rentner bedroht, aus dem Haus, gefüllt mit Erinnerungen, geworfen zu werden. Angeblich soll der neue Besitzer des Gebäu­ des versucht haben, die letzten Mieter durch fragwürdige Me­ thoden zu vertreiben. Laut den beiden Rentnern hätte er neue Mieter in das Haus geholt, die systematische Lärmbelästigung betrieben und das Haus ver­ schmutzt hätten. Außerdem soll er mehrmals die Wasserversor­ gung abgedreht haben. Ganz so unschuldig sollen die Rentner an der Räumungsklage laut dem Anwalt des Vermieters, Franz Unterasinger, aber dann doch nicht sein. Erst durch „Fehl­ verhalten der Mieter“ sei es zur Kündigung gekommen. „Unleid­


GENTRIFIZIERUNG

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gehen

„Wem es zu teuer wird, der kann jederzeit ausziehen“ Immer mehr Immobilienentwickler zieht es ins Annenviertel. Marketingleiter Matthias Gregoritsch hat im Namen von Vorstandsvorsitzenden Markus Ritter von C&P Immobilien mit Sara Noemié Plassnig über das neueste Wohnprojekt in der Niesenbergergasse gesprochen. Annenpost: Auf Ihrer Homepage

beschreiben Sie die Bezirke Lend und Gries als „aufstrebend“ und das Annenviertel als „aufgewerteten“ Stadtteil. Was macht das Annenviertel für Immobilienentwickler so attraktiv? C&P: Die Nähe zur Innenstadt und zum Hauptbahnhof sowie die sehr guten Verkehrsanbindungen. Die Annenstraße ist zwar nicht mehr „die Einkaufsstraße“ in Graz, aber die Umgestaltung des Esperanto­ platzes, die Eröffnung vom Mer­ kur und der neue Hauptbahnhof stellen eine Bewegung zu mehr Lebensqualität dar. Außerdem sind Grundstücke hier günstiger als zum Beispiel in Geidorf. Zu­ sätzlich hat man im Bezirk Lend den stärksten Zuwachs. Das neue Wohnprojekt in der Niesenberger­ gasse entsteht daher auch an der Grenze zwischen Gries und Lend.

h, wir sind ein Ehepaar“ liches Verhalten“ sei in diesem Fall ein zutreffender Kündigungs­ grund, der auch in drei Instanzen bestätigt wurde. Acht Mal wurden die Geschwister Lerch mittlerwei­ le vom Vermieter angezeigt. Konkret gehe es dabei unter anderem um Beschimpfung und Verbarrikadieren der Eingangstü­ re. In einem Fall der Beschimp­ fung wurde Herr Lerch bereits verurteilt. Auch anonyme Briefe mit wüsten Beschimpfungen sol­ len an Peter Benda sowie seinen Anwalt gesendet worden sein. Problematisch sei es heute ebenfalls, dass es damals üblich war, den ausgebombten Familien Wohnungen zuzuteilen: Die Fa­ milie habe nun laut Unterasinger keinen schriftlichen Mietvertrag. Doch die Lerchs bestehen auf ihr

Foto: Eva Walisch „lebenslanges Wohnrecht“. „Ich will keine unmenschlichen Töne anschlagen, und ich verstehe, dass so eine Räumung besonders im hohen Alter eine schwierige Sache ist. Aber mein Mandant ist nicht versorgungspflichtig für die Mieter“, sagt Franz Unterasinger. Müde sehen die beiden Ge­ schwister aus. Ihren weiteren Le­ bensabend werden sie wohl nicht am Entenplatz verbringen. Vor­ raussichtlich wird die Räumung in spätestens zwei Monaten voll­ zogen. „Wir haben schon so viel mitgemacht. Ich weiß nicht, wa­ rum das jetzt noch sein muss“, seufzt Frau Lerch. Das Angebot, in eine zur Verfügung gestellte Ersatzwohnung zu ziehen, haben die Geschwister abgelehnt. Denn Familie Lerch will nicht gehen.

Für wen werden hier Wohnungen gebaut? Auch für die türkische Großfamilie? Grob gesagt für Menschen, die in der Umgebung arbeiten und studieren und den Vorteil der Innenstadtlage haben möchten. Für Großfamilien sind die Woh­ nungen zu klein, weil sie maximal zwei Schlafzimmer haben. Eine Differenzierung aufgrund von Herkunft passiert bei uns nicht. Ein wichtiges Kriterium ist für uns die Zahlungsfähigkeit vom Mieter, die wir prüfen. …die Zahlungsfähigkeit prüfen? Was kann man sich darunter vorstellen? Beim Bonitätscheck kann der Mieter ein Mietanbot abgeben. Für die Auswertung ist eine Software für gro­

ße Hausverwalter und Vermieter zuständig. Verdient jemand 1.200 Euro und will eine Wohnung um 800 Euro mieten, kann es zu Pro­ blemen mit der Leistbarkeit kom­ men. Apropos Leistbarkeit: Steigen die Mietpreise in den Bezirken Lend und Gries überproportional? Die Mieten steigen konstant, weil immer mehr Menschen nach Graz strömen. Also muss Wohn­ raum geschaffen werden. Ein Neubau ist beim Erstbezug zwar teurer, aber dafür gibt es für den Mieter bezüglich Betriebskosten kein böses Erwachen, weil ener­ gieeffizienter gebaut wird. …und das rechtfertigt einen Quadratmeterpreis, der 10 Euro übersteigt? Die Wohnungsausstattung recht­ fertigt den Preis. Wir bauen Wohnräume mit 35 Quadrat­ metern, aber auch Zwei-Zim­ mer-Wohnungen, zum Teil mit einem 14 Quadratmeter großen Balkon. Preislich zahlt der Mie­ ter dasselbe wie für eine große Gebrauchtwohnung, aber dafür hat er einen neuen Lift und eine Terrasse.

Stichwort Mietpreisobergrenze, was halten Sie davon? Als Bauträger wäre das ein dra­ matischer Eingriff in unser Ge­ schäftsmodell. Der Mietmarkt ist ein freier Markt, wo Angebot und Nachfra­ ge bestimmen. Jeder Mietwohnungsanbie­ ter erfährt am Markt, ob seine Miete gerecht­ fertigt ist. Der Mieter kann jederzeit wieder ausziehen, wenn es M. Ritter Foto: C&P ihm zu teuer wird.


GEWIRBELT

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Objektiv betrachtet

WETTER

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Zückt eure Kameras, Handys oder Pinsel und macht euch auf ins Annenviertel. Beim großen Annenpost-Fotowettbewerb gibt‘s einiges zu gewinnen.

So bunt wie der Lendwirbel wird auch das Wetter am Wochenende. Pünktlich zum Start werden die sonnigen Phasen aber länger. Der Freitag wird der unbeständigs­ te Tag des Wochenendes. Dichte Wolken bestimmen das Himmelsbild, speziell am Vormittag ist auch noch etwas Regen da­ bei. Am Nachmittag wird der Niederschlag weniger, es gibt nur noch einzelne Schauer, auflockern wird es aber vorerst kaum. Mit Höchstwerten um 13°C bleibt es unter der Wolkendecke auch noch ziemlich kühl. Am Wochenende wird es freundlicher. Sonne und Wolken wechseln, bis auf ein­ zelne Tropfen bleibt es trocken und mit Höchstwerten um 16°C wird es bereits am Samstag eine Spur wärmer. Am Sonntag liegen die Spitzen mit 18°C im T-Shirt-taug­ lichen Bereich. Niklas Sieger

So vielfältig wie das Viertel: Den besten Beiträgen winken feine Preise. 1. Foto knipsen und dann di­

rekt mit Ortsangabe auf die Facebook-Pinnwand der An­ nenpost posten – so einfach könnt ihr teilnehmen. 2. Wir erstellen einen Ord­ ner mit euren Fotos, dort wird dann gevotet – das Bild mit den meisten Likes ge­ winnt, auf die sieben besten Fotograf­Innen warten Preise. 3. Los geht’s am 2. Mai, der Wettbewerb läuft bis 9. Mai.

PREISE 1. Platz 3D-Selfie von Layer Lab 2. Platz 22-Zoll-Bildschirm von Compuritas 3. Platz Olympus-Rucksack von digital camera graz 4. Platz Tasche von tag.werk 5. Platz T-Shirt von Zerum 6. Platz Überraschung von Kwirl 7. Platz Handytasche von heidenspass

Fotos: Instagram

Teilnahmeberechtigt sind alle Beiträge, die im Annen­ viertel entstanden sind. Der Beitrag muss per Mail, Face­ book oder Instagram an die Annenpost-Redaktion ge­ sendet werden. Angehörige des Studiengangs JPR (FH JOANNEUM) sind nicht teil­ nahmeberechtigt. Eine Bar­ ablöse des Gewinns ist nicht möglich. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. (versa)

Gestatten, Annenpost Was wir tun, wer wir sind, was das hier ist – ein hyperlokaler Communityblog erklärt sich Laut Eigendefinition sind wir fast noch mehr Gesprächsstoff ein „hyperlokaler Community­ als vorher. Der Lend entwickelt blog“. Unter annenpost.at sind sich in der Kunsthausgegend wir eine ganz normale Zeitung, immer mehr zum Aushängebe­ nur eben im Internet und nur zirk. Der Gries und sein Gries­ zu besonderen Anlässen auf platz sind in ewigem Verruf. Papier. 27 Köpfe hat die Redak­ Lokaljournalismus kann tion, allesamt Studierende des mehr sein als das, was man in Studiengangs Journalismus & Graz sonst vor der Haustüre Public Relations an der Fach­ abgelegt bekommt. Wir wol­ hochschule JOANNEUM. len Geschichten erzählen, bei Unser selbst gewählter Auf­ denen man näher hinschauen trag ist es, die Gegend zwischen Immer im Viertel unterwegs: die Annenpost-Redaktion. Foto: P. Bernhard muss – wie beim Cover dieser Hauptbahnhof und Mur mit Ausgabe. ansprechenden, frisch getippten Nachrichten teil, inoffiziell Annenviertel getauft, hat es in Hoffentlich ist uns das in diesem Heft gelun­ und Geschichten zu versorgen. Dieser Stadt­ sich: Die Annenstraße bietet seit ihrem Umbau gen. Feedback an redaktion@annenpost.at.

IMPRESSUM. Herausgeber Studiengang „Journalismus & Public Relations (PR)“, vertreten durch FH-Prof. Dr. Heinz M. Fischer (Studiengangsleiter) Anschrift Alte Poststraße 152, 8020 Graz Tel. +43 (0) 316 5453-0 E-Mail redaktion@annenpost.at Offenlegung gem. §25 Med.G. Printausgabe der „Annenpost“ des Studien­ gangs „Journalismus und Public Relations (PR)“ der FH JOANNEUM anlässlich des Lendwirbels Für den Inhalt verantwortlich Mag. Thomas Wolkinger Chefredaktion Paul Krisai, Sarah Seifzenecker Redaktion Sara N. Plassnig, Eva Walisch, Veronika Sattlecker, Niklas Sieger, Stefanie Burger, Katrin Rathmayr Fotos Redaktion Layout und Satz Daniel Kindler, Paul Krisai Auflage 500 Stück Druck Medienfabrik Graz


ZUM AUSSCHNEIDEN

Illustration: Stefanie Burger

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PROGRAMM

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Was tun in der Lendwirbelwoche? Von 2. bis 10. Mai wird diskutiert, musiziert, gesungen und getanzt. Wir sagen euch wo von Sarah Seifzenecker MusikerInnen, KünstlerInnen und Lendwirbel-Begeisterte fül­ len in dieser Woche wieder die Bezirke Lend und Gries mit ihren Ideen, Projekten und Gesprächen. 2008 haben einige BewohnerIn­ nen des Bezirks den Lendwirbel ins Leben gerufen – heuer findet das bunte Miteinander bereits zum achten Mal statt. Ziel war es, ein Fest zu veranstalten, das möglichst kreativ, unbürokratisch und gemeinschaftlich ist. Seitdem wurde das kleine Straßenfest zum jährlichen Fixtermin für ein gro­ ßes Publikum. Hier ein paar Ver­ anstaltungstipps:

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Zur Eröffnung der Lend­ wirbel-Woche findet der Annenviertel-Flohmarkt statt. Für einen Tag ver­ wandelt sich die Annenstraße in den größten Marktplatz von Graz. AnnenviertlerInnen können nicht nur Platz für Neues in ihren Schränken und Kellern machen, sondern bei gemütlicher Atmo­ sphäre zusammenkommen. Beim verkaufen, tauschen und trat­ schen stören auch keine Autos: Der Verkehr, ausgenommen Stra­ ßenbahn und Radfahrer, ist für den Flohmarkt gesperrt. Im An­ schluss daran geht es gleich wei­ ter zum Schlagergarten Gloria. Samstag, 2. Mai, 9-16 Uhr, Annenstraße (Roseggerhaus bis Bahnhofsgürtel)

2

Ein weiterer Programm­ punkt ist die Kurznach­ richtenzentrale. Besu­ cherInnen können den Austausch von SMS abschreiben und an eine Wand pinnen. Nach dem Lendwirbel kommen die Auszüge in die von Eva Tropper kuratierte Ausstellung „Social Media 1900“ im GrazMuseum. Ausgehend vom 19. Jahrhun­ dert – damals wurde es erstmals möglich, über Postkarten mittels

Beim Annenviertel-Flohmarkt wird getauscht, getratscht und gefeilscht. Bildern zu kommunizieren – the­ matisiert die Austellung die Ver­ änderung, die Soziale Medien im Umgang mit Öffentlichkeit und Privatsphäre hervorgerufen ha­ ben. Samstag, 9. Mai 12-18 Uhr, Maria­ hilferplatz

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Außerdem gibt es Pro­ jekte von ehemaligen und aktuellen Annen­ post-Redakteuren. René Jo. Laglstorfer lädt zu einer au­ dio-visuellen Buchpräsentation. In „Heimweh nach der Welt“ be­ richtet er über seine siebenmo­ natige Reise rund um den Globus anlässlich des 20. Geburtstags des Auslandszivildienstes. „Heimweh nach der Welt“: Dienstag, 5. Mai, 20 Uhr, Lendhaus

Bei „Komm erzähl mir (d)eine Ge­ schichte“ kann jeder Passant ne­ ben Maximilian M. Tonsern Platz nehmen und ihm ein (persönli­ ches) Erlebnis erzählen. Die bes­ ten Geschichten veröffentlicht er auf seinem Blog feuilletonsern.at. „Komm erzähl mir (d)eine Ge-

schichte“: Samstag, 2. Mai 15-17 Uhr & Samstag, 9. Mai, ab 14.30 Uhr, Mariahilferplatz; Freitag, 8. Mai, 14.30-17 Uhr, Lendplatz

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Styria Swing gibt es am 9. Mai im oder vorm Kunstund Keramikstudio „Da Loam“ zu hören. Das Trio von „SteirerHuat“ gibt Musik aus den 1920er, 1930er und 1940er Jahren im Maccaferri- bzw. Sel­ mer-Stil zum Besten. Samstag, 9. Mai, 14 Uhr, „Da Loam“ (Mariahilfer Straße 11)

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„Jugend am Werk“ ver­ anstaltet verschiedene Workshops. Am Lend­ platz wird eine Boc­ cia-Bahn aufgebaut. Außerdem kann man bei „Cake Pops“ Ku­ chen verzieren oder Filzen aus­ probieren. Boccia-Bahn: Montag, 4. Mai bis Freitag, 8. Mai, jeweils 10-18 Uhr Cake Pops: Mittwoch, 6. Mai, 9-12 Uhr Filzen: Donnerstag, 7. Mai, 8.3011.30 Uhr, Lendplatz

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Foto: Lupi Spuma

Der Annentalk, das Dis­ kussionsformat von An­ nenpost und Annenvier­ tel-Verein, geht in die nächste Runde. „Wer muss weg?“ – Moderatorin Anna-Magdale­ na Druško geht mit ihren Gästen der Frage auf den Grund, wie sich Bevölkerungsstruktur und Wohn­ verhältnisse verändert haben. Es diskutieren unter anderem Archi­ tekt Klaus Jeschek, Historiker Leo Kühberger und Sozialarbeiterin Nana Pötsch. Mittwoch, 6. Mai, 18 Uhr, Lendplatz (am Markt)

Die Frage „Wo wollen wir hin?“ steht beim zweiten Annentalk im Mittelpunt. Vor der St. Andrä-Kir­ che sprechen Christian Sprung (Büro der Nachbarschaft), Kha­ tera Sadr (SOMM), Johann Hai­ dinger (Bezirksvorsteher Gries) und andere über die Zukunft des Annenviertels. Samstag, 9. Mai, 18 Uhr, Platz vor der St. Andrä-Kirche

Das ganze Programm: lendwirbel.at


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