BROT
Führt Brot zu Alzheimer?
Ein Sauerteighotel in Schweden. Gut Brot will Weile haben. In Kairo riskiert man sein Leben für Brot. Brot aus 40 Jahre alter Hefe
Ich erkläre meine Unabhängigkeit von schlechtem Brot.
Könnte Brot den Syrienkrieg entscheiden?
Russischer Brotwein als Ursprung des Wodkas.
INHALT Gut Brot will Weile haben Taste the Shit BäckerHandwerk Brot 2050 In Tunesien Brot und Alzheimer? How to –Enten füttern Durch Brot verbinden In Kairo my independence from bad bread Russischer Brotwein Bernd das Brot Burned Bread 06 30 50 56 10 34 38 60 40 46 16 18 22
Alphabet
B
ICH BRAUCHE BROT
I declare my independence from bad bread
Und das nicht bloß, weil es melodramatisch klingt.
Traurigerweise habe ich erst in den letzten paar Jahren damit angefangen, wirklich aufzupassen, mich zu informieren und dann auch selbst Brot zu backen. Vieles, was ich dabei gelernt habe, tun viele Leute aus der Gastronomie schnell als hochkompliziert oder nerdig ab, aber das stimmt gar nicht.
Eigentlich ist es ganz einfach: Gutes Brot stammt eben von einem echten Bäcker und nicht aus einer Maschine. Gutes Brot entsteht dann, wenn man den althergebrachten Weg wählt und frisch gemahlenes Mehl verwendet.
Glaubt mir, es besteht ein großer Unterschied zwischen dem, was man mit Leidenschaft von Hand fertigt, und dem, was man maschinell anfertigen lässt.
Gutes Brot setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen: dem Geschmack, aber auch dem Nährwert, dem Getreideanbau, der Haltbarkeit, der Verfügbarkeit von Vollkorn und natürlich dem Geschick bzw. der Expertise des Bäckers.
Um alle diese Eigenschaften noch weiter zu verbessern, müssen wir uns hier in neue Gefilde der Le-
bensmittelherstellung begeben — wo die Bäcker ihr Mehl noch selbst mahlen, natürlich fermentieren und das Vollkorn verwenden, das uns als Spezies so lange begleitet.
So verrückt ist diese Vorstellung gar nicht. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind Bio und Nachhaltigkeit im Mainstream angekommen. Warum sollten also nicht auch Brot und alle anderen auf Mehl basierenden Backwaren gesund sein können?
Es ist unser Recht und unsere Pflicht, schlechtes Brot zu ignorieren und stattdessen das gute, das echte Zeug zu kaufen.
Im Laufe meines Lebens habe ich schon viel Brot konsumiert. Dabei glaubte ich immer zu wissen, was gutes Brot ist — egal ob Peanutbutter-Jelly-Toast, den berühmten Avocado-Bagels oder kusprigem Brot aus der Backstube.
— Damit lag ich falsch.
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@Matthew Zuras
Hier kommt es jedoch auf den Verbraucher an. Wenn der Markt von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, dann muss der Konsument das Durchschnittsbrot und selbst das überteuerte Laib Zwölfkorn-Dinkelbrot aus dem Bioladen links liegen lassen, um die Grundlage zu schaffen, auf der man die Welt in einen leckereren Ort verwandeln kann.
Leider lässt man hier aber lieber Vorsicht walten und das bedeutet, dass sich der etablierte Markt nicht so leicht verändern lässt. Deshalb wird es wohl auch noch lange dauern, bis alle Supermärkte, Pizzerias, Sandwich-Buden, Restaurants und Foodtrucks ihr überproduziertes
Weißbrot auf den Kompost werfen und stattdessen Brot mit frisch gemahlenem Mehl zum Standard machen.
Diese Zeit ist nun gekommen. Ich erkläre hiermit, mich gastronomisch gesehen von allen Backwaren loszusagen, bei deren Herstellung minderwertiges Mehl zum Einsatz kommt.
In einer Industrie, die von groß angelegter Landwirtschaft, Allerweltsmehl, Brot mit Zusatzstoffen und den diese Produkte vertreibenden Geschäften und Restaurants bestimmt wird, ist es unser Recht und unsere Pflicht, schlechtes Brot zu ignorieren und stattdessen das gute, das echte Zeug zu kaufen.
Ich glaube wirklich daran, dass wir den Brotmarkt verändern können. In der Geschichte von Brot sind alle Länder und Leute vertreten. Wenn man darüber redet, die Qualität von Brot zu verbessern, dann redet man gleichzeitig auch darüber, die Qualität unserer Essenskultur zu verbessern.
Es gibt immer mehr Menschen mit Gluten-Unverträglichkeiten, Magenproblemen und verkümmerten Geschmacksnerven, die auf schlecht hergestelltes Brot zurückzuführen sind. Aus diesem Grund bitte ich alle, denen dieses Thema am Herzen liegt, sich diese persönliche Lossagung auf die Fahne zu schreiben.
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GUT BROT WILL WEILE HABEN
Während seine Freunde in absolute Milleniumspanik ausgebrochen sind, hat sich Zachary Golper auf eine Farm in Oregon zurückgezogen und dort die Kunst des langsam gebackenen Brotes entdeckt.
BROTHABEN
Zachary Golper leitet in Brookly das Bien Cuit [frz. „durchgegart"], ein Schlaraffenland für Freunde des langsam gegärten Brotes. Das Besondere: Das Brot wird bei ungewöhnlich niedrigen Temperaturen ziemlich lange gebacken. Und das Ergebnis: Eine dunkle, mahagonifarbene Kruste mit einem unglaublich intensivem Geschmack. Das stellt jedes normale Baguette in den Schatten.
Im letzten Herbst haben Zachary Golper und Peter Kaminsky Bien Cuit: The Art of Bread veröffentlicht. In dem Buch erzählt Zachary, wie er die „dunkle Seite des Brots" für sich entdeckt hat, und zeigt uns Rezepte, die auch jeder Normalsterbliche ohne Großofen in der Wohnung hinbekommt.
Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mich mit Zachary über die wissenschaftliche Seite des Backens, Millenium-Panikschieberund das Leben als Bäcker in Las Vegas unterhalten.
Hi Zachary! Du hast mal erzählt, dass, bevor du Bäcker wurdest, deine meisten Freunde total besessen waren von einem möglichen Weltuntergang und dem Millenium-Bug.
Ja, bei solchen Themen wollte ich mich einfach nur klammheimlich verdrücken. Vielleicht hing ich wegen meines niedrigen Einkommens mit so komischen Typen rum. Die waren alle überzeugt, dass die Welt untergehen würde. Manche haben ihre komplette Einstellung geändert, das war teilweise schon erschreckend. Sie haben Menschen auf einmal ganz anders behandelt.
Das war alles überhaupt nicht mein Ding. Diese Einstellung konnte ich nicht gebrauchen. Nur weil die Welt sich irgendwie verändern könnte und Geld möglicherweise keine Rolle mehr spielt, sind einige richtig ekelerregend geworden. Damals hab ich mir selbst gesagt: „Das ist nicht meins. Die Welt wird sich höchstwahrscheinlich nicht verändern und ich muss auf jeden Fall von diesen Verrückten weg."
Und so bist du auf einer Farm in Oregon gelandet?
Ja, weil mich das Thema Ernährungssicherheit extrem interessiert hat. Außerdem waren die Leute dort echt gechillt und wollten niemandem etwas Böses tun. Ich hatte eine echt tolle Zeit, ich habe nichts gemacht, nur gekocht, bin Fahrrad gefahren und habe Musik gehört. Ich konnte mich einfach ausprobieren und irgendwie herausfinden, was ich mit meiner Zeit auf diesem Planeten anfangen will. So konnte ich mich endlich auf mich selbst konzentrieren und die Natur besser verstehen, die Jahreszeiten, Pflanzen und Bäume. Und vor allem lernen, wie der Bio-Anbau funktioniert.
Damals hast du auch deinen ersten „Brot-Mentor“ getroffen?
Ja, jeden Morgen um 2 Uhr zog dieser unglaubliche Geruch in mein Zimmer. Warst du schon mal in einer Bäckerei, wo gerade Brot gemacht wird? Der Geruch hier war noch tausend Mal besser. Der Ofen stand draußen, also hat sich alles mit dem Duft nach Wald vermischt, sodass ein einzigartiges Aroma entstand.
Ich hatte keine Chance. Ich bin davon aufgewacht und war mir schnell sicher, dass ich unbedingt wissen musste, wie man das Zeug macht. Als ich ihn fragte, ob ich beim Backen zugucken darf, war er nicht sonderlich erfreut. Er hat mich einfach nur angesehen und gemeint: „Nein.“ Mehr nicht.
Er war ein absoluter Technikfeind, so ein Mensch, der kein Geld hat und keine Schlüssel oder so. Als Bäcker war er begnadet und er konnte auch tischlern und machte Stühle und Schränke und so weiter.
Irgendwann fragte ich ihn dann, ob ich ihm helfen darf und er zeigte mir, wie man auf die alte Art Brot bäckt. Ich versuchte einfach, genau das zu machen, was er machte—ich hatte ja keine Ahnung, wann ein Brot durch ist oder so, denn ich fing ja gerade erst an, backen zu lernen. Er machte das Brot noch nach traditioneller Methode, wie man noch vor tausend Jahren Brot gebacken hat, so überhaupt nicht fortschrittlich. Wir haben nur auf Stein gemahlenes Mehl verwendet, das Getreide dafür bauten wir selbst an.Sein Brot war auf Sauerteigbasis, damit es auch schön aufging. Dann hat er nur noch Salz und Wasser hinzugefügt. Weil es so kalt war, mussten wir das Brot sehr langsam gehen lassen, so wie das oft auch in Nord- und Westeuropa gemacht wird. Dadurch konnte ich perfekt lernen, wie man Brot langsam gärt. Damals wusste ich noch nicht, wie wertvoll dieses Wissen sein würde.
Ein gutes Steak sollte "medium rare" sein. Geht es nach Zachary Groper, ist "gut durch" die bessere Wahl.
Beim Brot versteht sich.
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Das war also der Grundstein für deine Brotkunst. Und was kam danach? Ich habe mich ganz auf Brot und Kuchen konzentriert und nichts anderes gemacht. Manchmal habe ich 19 Stunden am Stück gearbeitet, nur um meine Fähigkeiten weiter zu verbessern und um bei den Besten des Handwerks lernen zu können. Später bekam ich ein Angebot für die Bäckerei eines Casinos in Las Vegas zu arbeiten—zusammen mit Jean-Claude Canestrier, ein Meilleur Ouvrier de France undein Konditor-Weltmeister.
Bei ihm konnte ich unglaublich viel über das Backen lernen. Aber mehr noch: Das Hotel stellte viel Geld für die Bäckerei zur Verfügung, sodass ich unendlich viel Mehl und Zutaten kaufen konnte. In den Lebensmittelkammern konnte man die Temperatur und die Luftfeuchte regulieren. Ich hatte eine Umkehrosmoseanlage, um das Wasser zu filtern und zu neutralisieren, und ich konnte das Wasser entsäuern, also den pH-Wert beliebig verändern. Wenn ich ein typisch äthiopisches Brot, injera, backen wollte, nahm ich einfach etwas Teffmehl und passte den pH-Wert des Wassers entsprechend an. So lernte ich die unterschiedlichen Aromen verschiedener Brotsorten kennen.
Wenn man mit regionalen Zutaten, also Hefen und Bakterien, arbeitet, muss man immer daran denken, dass die Umgebung perfekt auf sie abgestimmt ist, deshalb sind sie ja regional. Wir haben herausgefunden, dass wir mit Mehl aus der Region—also damals aus Kalifornien—und Wasser mit einem pH-Wert von 7,2 das beste Brot backen können. Und das Leitungswasser in Las Vegas hatte genau einen pH-Wert von 7,2.
Wann hast du angefangen, dein Brot bien cuit zu backen, also „gut durch“?
Die dunklere Kruste habe ich für mich entdeckt, als ich mit Zucker experimentiert habe. Langsam habe ich verstanden, was beim Karamellisieren passiert und dass es bei der Millard-Reaktion eigentlich darum geht, dass Eiweiße in gewissem Sinne karamellisiert werden. Und Brot enthält viele Proteine. Wenn ich die Maillard-Reaktion also verstärken könnte, würde die Kruste meines Brotes viel intensiver schmecken.
Dann erinnerte ich mich auch an meine Zeit in Frankreich. Ich hatte damals kein Geld und lebte größtenteils von Brot und billigem Ziegenkäse. In der Bäckerei habe ich immer nach Brot gefragt, das plus obscur ist, also etwas dunkler. Dann habe ich gehört, wie andere Kunden genau dasselbe wollten, aber sie nannten das bien cuit, durchgebacken. Geschmack und Textur des Brotes waren einfach perfekt.
In Vegas habe ich das Brot besonders langsam gehen lassen und geguckt, wie weit ich damit gehen könnte. Wenn man das Brot bei niedrigen Temperaturen gären lässt und es dann bei geringer Temperatur als üblich länger bäckt, dann entstehen viel mehr Aromen, als bei den anderen Methoden, die ich bisher kannte. Irgendwann fügte sich dann alles zusammen, aber bis dahin habe ich extrem viel herumprobiert, gerade auch während meiner Zeit in Vegas. Ich finde die Stadt schrecklich, ich wüsste nicht, was man da Besseres machen könnte, als die ganze Zeit in einer Bäckerei zu verbringen, um herauszufinden, wie verschiedene Mehlsorten gären, bei welcher Temperatur der Geschmack am besten wird und ab wann der der Sauerteig wieder zusammenfällt. Und vor allem, wie der Vollsauerteig mit unterschiedlichen Getreidesorten schmeckt. Säuerlicher? Vielleicht ein bisschen nach Alkohol (was für einen anderen Teig ideal wäre)?
Wo hat dich Forscherdrang danach hingeführt?
Ich bekam einen Job in Philadelphia im Le Bec-Fin, einem der besten Restaurants der USA. Aber als ich ankam, musste ich feststellen, dass das Wasser und die Arbeitsbedingungen dort schrecklich waren. Es gab kein regionales Mehl und mein Budget war mickrig. Trotzdem konnte ich auch hier mein Handwerk weiter perfektionieren, eben weil ich vor so vielen Herausforderungen stand. Ich musste einfach herausfinden, wie ich trotzdem gutes Brot backen konnte, immerhin habe ich damals für Georges Perrier gearbeitet, da musste es also perfekt werden. Ich erinnere mich zwar nicht so gern an diese Zeit zurück, aber ich habe damals viel gelernt, weil ich Brot unter widrigen Umständen backen musste.
Und dann hast du dich entschieden, deine eigene Bäckerei zu eröffnen?
Ich hatte schon so viel gemacht. Als ich dann das Bien Cuit eröffnet habe, wusste ich, was ich wollte, welchen Geschmack ich kreieren wollte, welches Mehl ich verwenden wollte. Obwohl es am Anfang echt schwer war, hatte ich das nötige Wissen in der Tasche, der Teil war also einfach. Ich wusste, wie ich backen muss und dass einige Methoden bei einer großen Stückzahl einfach nicht funktionieren würden. Wir wollten etwas Neues machen und uns auch als kleine Bäckerei mit umfassendem Angebot etablieren.
Wie haben die sonst eher pingeligen Leute aus Brooklyn auf euer durchgebackenes Brot reagiert?
In den kleinen Bäckereien hier verkauft man ja immer noch eher helleres Brot, nicht mit einer so dunklen Kruste wie eures… Sie waren definitiv überrascht. Viele meinten: „Wow, das Brot ist echt dunkel.“ Unsere Mitarbeiter erklären ihnen dann aber, was bien cuit heißt und beruhigen die Kunden ein bisschen, nach dem Motto: „Alles ist in Ordnung. Das Brot wird dir sicher gutschmecken.“
Der Erfolg ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Einige unserer Stammkunden haben ordentlich Mundpropaganda gemacht und so hat sich unsere Kundschaft bis Weihnachten ziemlich vergrößert.
Danke dir für das Gespräch, Zachary.
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@ Matthew Zuras
Ich muss doch abnehmen...
HOW TO
Enten füttern, ohne ein Arsch zu sein
@ Christine Kewitz
Enten füttern ist ein idyllischer Spaß für Groß und Klein—doch leider hat die Tierliebe einen ausgeprägt morbiden Beigeschmack . In Großbritannien werden jährlich sechs Millionen Laib hartes Brot mit guten Absichten in die Seen und Flüsse geworfen, das entspricht zwölf gefüllten Doppeldeckerbussen im Monat.
In Deutschland werden die Zahlen nicht viel anders aussehen. Das vollgestopfte Federvieh vermehrt sich nicht nur fröhlich, auch andere Entenfamilien kommen regelmäßig zu dem Weißbrot-Schlaraffenland geschwommen. In der logischen Konsequenz scheißen die zahlreichen Schwimmvögel dann das Gewässer voll und lassen den Tümpel umkippen. So nett der Futtersnack also auch gemeint sein mag, er führt Enten, Erpel und Küken geradezu in ihr Verderben.
Nun hat sich die altehrwürdige BBC investigativ dem Thema angenommen und herausgefunden, dass die Enten durch die nicht artgerechte Nahrung auch körperliche Deformationen erleiden (also fett werden). Ebenso sinkt unverdautes Brot auf den Grund, verrottet und entwickelt sich zu einer Brutstätte für Bakterien und Algen, wodurch andere Spezies vergiftet und Ratten angelockt werden. Doch nicht nur das, die armen Entchen können sich durch die Schimmelsporen auf dem Brot eine Aspergillose holen, welche in ihre Lungen eindringt und zum Tod führt.
Doch im Leben ist zum Glück nicht alles schwarz oder weiß und darum gibt es eine leckere Alternative, wie die britische Organisation Canal and River Trust nun verkündet. Riesige Mengen an Kohlenhydraten sind einfach, wie ja auch die Trendsetter der Low Carb-Bewegung schon festgestellt haben, nicht die gesündeste Nahrung. Viel besser ist ein schlanker Snack wie zum Beispiel eine Schachtel Tiefkühlerbsen. Die sind billig und aufgetaut eine kalorienarme, grüne Zwischenmahlzeit für die Teichbewohner. Auch Trauben oder Haferflocken schaden den Tieren nicht.
Kleiner Tipp am Rande: Wie in jedem guten Touristenführer gilt auch beim Entenfüttern: Halte dich von den Massen fern und entdecke interessante Orte abseits der ausgetretenen Pfade. Suche dir eine Futterstelle jenseits von Omas und Enkelkindern und hole deine Erbsen in einer ungestörten Atmosphäre mit deiner privaten Enten-Splittergruppe heraus.
Zum Schluss bleibt nur noch die Frage offen: Warum ist nicht schon viel früher jemand auf diese Idee gekommen?!
durch Menschen
Ob es sich um ein Stück Sauerteig-Roggenbrot handelt, das in Helsinki mit Lachssuppe serviert wird, oder um ein mit Falafel gefülltes Fladenbrot in kriegszerrissenem Aleppo; Brot begleitet die meisten Mahlzeiten auf der ganzen Welt - heute, wie auch in der gesamten Geschichte. Brot ist auch ein Teil unserer Feierlichkeiten. Seit unsere Vorfahren gelernt haben, die Geheimnisse des Mahlens von Getreide und des Mischens und Backens von Teig zu beherrschen, hat es uns nicht nur genährt, sondern auch unsere Hoffnungen, Ängste und Hingabe zum Ausdruck gebracht. Der Duft eines Laibs direkt aus dem Ofen bewegt uns alle und erinnert uns an einige unserer schönsten Erinnerungen. Aber diese Erinnerungen - und die Backfähigkeiten, die erforderlich sind, um sie hervorzurufen - verblassen.
Die industrielle Revolution verwandelte Getreide und Mehl in eine Ware und das industrielle Backen entfremdete unsere Gesellschaften von der Brotherstellung. Wir haben den Kontakt mit dem Reichtum seiner Geschichte, Tradition und Bedeutung verloren. Es ist kein Wunder, dass die Verbraucher heutzutage anfällig
Brot ist einzigartig unter unseren Lebensmitteln: so alltäglich mit einer Fülle von Bedeutungen, die weit über die Nährwerte hinausgehen.
dafür sind, Schriftsteller zu fürchten, die behaupten, Weizen zu essen sei ein „Extremsport“, der Eisklettern, Bergsteigen und Bungee-Jumping ähnelt.
Brot backen ist ein Weg, sich zu wehren. Wenn sich Bäcker in ihren Küchen und Handwerksbäckereien die Zeit nehmen, sich über die Menschen zu informieren, die die von ihnen verwendeten Zutaten herstellen, oder über ihren Platz in der langen Reihe der Bäcker nachdenken, nehmen sie an einer friedlichen, aber mächtigen Revolution teil. Eine Revolution, die durch den Wiederaufbau von Verbindungen geschieht, die früher alltäglich waren, aber seitdem verloren gegangen sind: zwischen dem Getreide und dem Brot, dem Bäcker und der Person die das Brot erhält, zwischen den Generationen.
Wenn wir an dieser Revolution teilnehmen, werden wir uns unserer voneinander abhängigen Nahrungsketten bewusst, und wir fragen uns vielleicht: Was gibt es
außer Brot noch in unserem Leben, von dem wir uns externalisiert und getrennt haben? Indem wir uns vom Brot lehren lassen, werden wir Teil einer globalen Bewegung, die nicht nur unser Lieblingsnahrungsmittel, sondern auch unseren Körper und Geist wiedererlangt.
In der heutigen schnelllebigen und informationsreichen Welt sind keine weiteren Reaktionen vor Ort und wütende Social-Media-Beiträge zu aktuellen Ereignissen erforderlich. Stattdessen müssen wir unsere Schulter ans Steuer legen und etwas Brot machen. Wir müssen lernen, still zu sitzen und die Dinge ihren natürlichen Lauf nehmen zu lassen. Wir müssen in die Welt um uns herum eintauchen, lernen und verstehen. Wir müssen erkennen, dass wir einander brauchen, in einer voneinander abhängigen, aber befreiten Gemeinschaft.
Wir müssen uns durch Brot verbinden. Und das können wir nur zusammen tun.
Brot verbinden.
du Idiot
ja, richtig gelesen, total verrückt
Kairo
riskiert man für Brot sein Leben
In
Für die Ägypter bedeutet Brot Leben.
Halsbrecherische Brottransporteure liefern es an die hungrige Metropole.
Aish baladi ist, genauso wie der Nil, eine Quelle des Lebens. Das handgemachte Brot ist in Ägypten ein Grundnahrungsmittel, einst existierten 82 verschiedene Arten. In Kairo bekommt man es überall, dafür sorgen die agalati, die Brotträger, mit ihrem riesigen Netzwerk. Sie liefern das Brot an Restaurants und an die Imbissstände, die ful und andere Köstlichkeiten in der Metropole verkaufen. Weizenkleie und -mehl machen das Brot so rau, dass es Staub und giftige Partikel magnetisch anzieht, trotzdem isst es jeder. Die Kunst der agalati besteht darin, auf ihren Köpfen große Tabletts mit Broten durch die wilden Straßen Kairos mit dem Fahrrad zu manövrieren—wie Verrückte, die geradewegs in einen Sturm hineinrudern.
Regala ist eine Bäckerei in der Innenstadt Kairos. Das einzige Licht spenden ein paar Neonröhren und der laufende Ofen, der Boden ist mit Weizenkleie bedeckt, die fast aussieht wie Sägespäne. Acht Männer arbeiten hier, einige barfuß. Sie ziehen sich gegenseitig auf und werden erst nach einigen Augenblicken auf mich aufmerksam. Andere, Mahmoud zum Beispiel, versuchen dem Gespräch zu folgen, aus ihren Kopfhörern dröhnt in voller Lautstärke shaabi-Musik.
Ihren Teig behandeln sich wie das wertvollste Gut, gleichzeitig geht es hier aber auch so schnell zu wie in einem Fast-Food-Laden. Täglich werden hier 24.000 Brote gebacken aus insgesamt 1,5 Tonnen Mehl. Ali ist 24 und hat eigentlich ein technisches Studium absolviert. Er träumt davon, zu kündigen. Seine langen Wimpern sind mit Mehl bestäubt, als käme er selbst gerade aus dem Ofen. „Ich mag es nicht, die ganze Zeit zu stehen und keine Pausen zu haben", beschwert er sich, sein Kollege kniet gerade für ein schnelles zweiminütiges Gebet nieder.
„Das subventionierte Brot reicht nicht für alle", meint der Besitzer Ahmed. In Ägypten wird weltweit das meiste Brot gegessen und das Land ist der größte Weizenimporteur. Drei Milliarden Dollar gibt die Regierung in Kairo jährlich für das Subventionssystem aus, das seit den 60ern existiert, so sollte das Brot billig bleiben. Heute kostet ein subventioniertes aish baladi fünf Piaster [umgerechnet nicht einmal einen Cent], 50 Millionen Ägypter profitieren davon. Präsident Abd al-Fattah al-Sisi hat 2015 sogenannte Smartcards eingeführt, damit das System nachvollziehbarer wird und es gar nicht erst zu Bestechungen kommt.
„Brot, Freiheit und Gerechtigkeit" ist der Schlachtruf und der Nährboden für alle sozialen Unruhen in Ägypten in den letzten 50 Jahren, vonPresident Sadats Versuch, die Brotsubventionen 1977 zu streichen, bis hin zum Anstiegder Lebensmittelpreise 2007 und 2008 und dem Sturz des ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak. Wenn das Volk kein Brot bekommt, geht es auf die Straße.
Für mehr als 80 Millionen Ägypter
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ist günstiges Brot ein Menschenrecht.
Aish bedeutet nicht nur Brot, sondern auch Leben. Wenn Ägypter gestresst sind, sagen sie akl el aish murr, in etwa: Brot zu essen ist bitter. Eigentlich meint dieses Sprichwort: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Wirtschaft ist schwach, die Korruption blüht, Ehe und Essen sind teuer, der Verkehr ist unerträglich und so weiter. Aber ein Ägypter beschwert sich nicht.
ist immer noch die Grundlage des Lebens in Ägypten. Selbst wenn du kein Geld hast, isst du Brot."
Für Ahmed, der sein Brot zum Marktpreis verkauft, hat es auch einen bitteren Beigeschmack: „Ich mache circa zehn Prozent Gewinn", erzählt er. „Gas und Mehl sind einfach zu teuer." Ein Sack subventioniertes Mehl mit acht Kilo kostet acht Ägyptische Pfund, aber für Ahmed 162. Eine Gasflasche, größer als Ahmeds jüngster Angesteller, der 13-jährige Mustafa, kostet zwischen 80 und 90 Pfund.
Abends um sieben haben die Männer viel zu tun, das Abendgebet ist gerade vorbei, die Nachfrage nach Brot ist hoch, die Kairoer besorgen sich ihr Abendessen. Vor der Bäckerei sammeln sich die Kunden, halten ein Pfund hin und verschwinden dann mit ihren Broten. Ein Taxifahrer hält vor der Bäckerei, zahl 25 Piaster und schnappt sich seine Brote.Der Motor lief die ganze Zeit.
„Man surft durch ein Meer des Todes", meint der 22-jährige Mahmoud, einer der agalati, die den Brothunger der Kairoer stillen. Die Lieferanten transportieren das Brot durch den berühmten Verkehr der Metropole, durch massenweise Fußgänger und durch die engen Straßen der ägyptischen Hauptstadt. Das Tablett ist bis zu 2,5 Meter lang und wiegt zwischen 30 und 35 Kilo. Sie balancieren es auf ihrem Kopf: Ein Arm hält es fest, mit dem anderen lenken sie ihr Fahrrad.
Ohne die Arbeit der agalati läuft nichts: Ohne sie gäbe es nicht überall und and jedem Imbissstand Brot. Sie haben zu kämpfen, das Gleichgewicht zu halten und sich zwischen all den anderen Fahrzeugen zu behaupten. „Autofahrer haben keinen Respekt", erzählt Ahmed, der mit seinen 39 Jahren immer noch Brot ausliefert. Das Risiko, dass sie nie ankommen, schwingt immer mit, aber der Tod ist seine geringste Sorge. Ahmed ist sich sicher, dass die agalati versuchen, vorsichtig zu sein, „weil sie wissen, dass Brot alles ist, was wir haben", wie er mit einem Hauch Selbstzufriedenheit meint.
„Wir gucken anderen beim Fahren zu, so lernen wir es", erklärt er mir. Das trifft auf jeden in der Bäckerei zu, egal als was er arbeitet. „Alles hängt von deinen Augen und deinem Kopf ab", meint er.
Das Ausliefern der Brote ist ein riskantes Geschicklichkeitsspiel. Als ich ihn frage, wie lange man braucht, um das zu lernen, fragt er mich verachtend zurück:„Na was glaubst du, wie lange das dauert?" Schrittweise arbeitet sich ein agalati bis zum „Doppelstock-Tablett" hoch, das 30 Kilo wiegt. Ein schlaksiger Jugendlicher braucht dafür vielleicht ein Jahr—mit unzähligen Stürzen, nach denen er den Staub vom Brot abklopft und es wieder auf das Tablett legt.
Die agalati haben ganz bestimmte Routen und liefern pro Tag durchschnittlich zwischen 50 und 80 Mal Brot aus. Eine Tour dauert zwischen zehn und dreißig Minuten, danach folgt gleich die nächste. „Das Tragen tut schon weh", meint Ahmed und deutet auf einen anderen Arbeiter, Ramadan, um zu zeigen, wie der Schmerz die Wirbelsäule runterläuft. Aber jemand muss es machen.
Für Ahmed und die agalati hat sich seit der Revolution nur wenig verändert. „Wer früher gestohlen hat, stiehlt auch heute noch. Wer sich früher bestechen lassen hat, tut es auch heute noch. Alles beim Alten", meint Ahmed.
@ Lorena Rios
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"Brot
Das Hotel für den Sauerteig
Schweden macht es mal wieder vor:
Charlotta Söör, verrate uns als Besitzerin was ihr hier eigentlich aufgebaut habt?
Wir haben beschlossen, ein Sauerteighotel zu eröffnen, nachdem unsere Stammkunden es vorgeschlagen hatten. Wir hatten das Gefühl, dass es uns sehr viel Aufmerksamkeit bringen könnte und dass es die Leute zu uns zieht. Wir sind aber nicht die erste Bäckerei, die ein Sauerteighotel betreibt. Ich habe von anderen Bäckereien in Stockholm gehört, die ein ähnliches Angebot haben.
Wieso habt ihr das Hotel am Flughafen eröffnet?
Schweden reisen gerne und sie backen gerne mit Sauerteig. Sauerteig kann man aber nicht alleine lassen, wenn man auf Reisen geht. Wenn sich niemand darum kümmert, stirbt er. Er muss gefüttert werden und man muss sich regelmäßig darum kümmern. Wir bieten also die perfekte Lösung für alle, die ihren Sauerteig am Leben halten, aber trotzdem in den Urlaub fahren wollen.
Was passiert, wenn ein Sauerteig stirbt?
Nichts Dramatisches — er verschrumpelt und hört auf zu wachsen. Im Grunde kann man damit kein Brot mehr backen und muss ihn wegschmeißen.
Oh. Und wie funktioniert euer Hotel?
Es ist ganz einfach. Jeder kann seinen Teig 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche einchecken, weil wir zu allen Tages- und Nachtzeiten besetzt sind. Während des Aufenthalts wird der Teig regelmäßig mit einem Biomehl nach Wahl und Wasser, das wir in den Teig mischen, gefüttert. Ich denke, man könnte es als Massage bezeichnen! Wir achten auch darauf, dass der Teig bei der richtigen Temperatur gelagert wird und schmeißen den zusätzlichen Teig, den er während seines Aufenthaltes produziert, weg, damit er die ursprüngliche Größe beibehält.
Wie sieht die typische Person aus, die ihren Teig in eurem Hotel eincheckt?
Wenn ich ein Klischee verwenden darf… würde ich sagen, es ist ein Stockholmer Hipster, dem biologisches und qualitativ hochwertiges Essen wichtig ist und der jemanden braucht, der auf seinen Sauerteig aufpasst, während er einen zweiwöchigen Hipstertrip nach New York City unternimmt.
Wie viel kostet es, einen Sauerteig bei euch zu beherbergen?
100 Schwedische Kronen [10,60 Euro] pro Woche.
Und wie viele Sterne würdest du deinem Hotel geben?
Oh, es ist ganz klar ein Fünf-Sterne-Hotel.
Hattet ihr auch schon menschliche Hotelgäste?
Nein. Aber wir haben eine E-Mail von einer Frau bekommen, die fragte, ob sie mit ihrem Sauerteig auch ihren Mann abgeben kann. Sie fragte uns, ob wir ihn fitter machen könnten. Das war merkwürdig.
Sehr merkwürdig. Wieso, glaubst du, sind die Schweden so verrückt nach ihrem Sauerteig?
Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass es etwas mit der Tatsache zu tun hat, dass die Skandinavier Nahrungsmittel mit einer Säure mögen wie beispielsweise Milch, Joghurt oder Quark. Sauerteigbrot hat etwas, das anderem Brot fehlt; es hat einen komplexeren Geschmack. Die Schweden leben auch gerne gesund und die Milchsäurebakterien im Brot sollen gut für den Magen sein. Außerdem muss man sich vor Augen halten, dass ein Sauerteig Generationen überleben kann, wenn man sich gut um ihn kümmert und das ist ziemlich faszinierend.
Vielen Dank, Charlotta!
FUN FACT
Ab jetzt können Reisende ihren Sauerteig, in einem eigens für Sauerteig eröffneten Hotel, abgeben.
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@Bäckerei RC Chocolat am Flughafen Arlanda in Stockholm
© Charley Lanyon, VICE
Russischer Brotwein
ist der ursprüngliche Wodka
Das soll Wein sein? Nein nein nein...
Polugar, auch als Brotwein oder Wodka bekannt, kommt wieder
in die Geschäfte & auf die Cocktailkarten. Noch nie gehört?
Ihr seid nicht alleine.
Aber laut Rodionov and Sons, einer Familiendestillerie in der Nähe der polnisch-russischen Grenze, war Polugar jahrtausendelang das Lieblingsgetränk der Russen. Die täuschend einfache, schwere und röstige Spirituose wird aus Getreide hergestellt und ist das Getränk der russischen Seele, auch wenn die meisten Russen es nicht kennen. Im Vergleich zu Polugar, sagt man, ist Wodka trinken in Russland nur eine Phase.
Die Geschichte von Wodka und seine Dominanz über die russische Trinkkultur ist fast schon klischeehaft russisch: Es ist eine traurige Geschichte, eine Geschichte von totalitärer Gier und pauschalen Enteignungen, von Propaganda über Generationen und schließlich auch vom Auslöschen der Geschichte.
Auf Russisch ist Wodka – oder „kleines Wasser“ – historisch gesehen ein Sammelbegriff für jeglichen harten Alkohol. Die meisten Russen, die darüber lasen, dass ihre Vorfahren Wodka tranken, gingen davon aus, dass es sich um den Wodka handelte, den wir heute kennen. Nicht einmal annähernd. Das meiste Zeug, das die Russen früher tranken, war viel besser.
Wie kam es, dass Wodka so ins russische Gedächtnis eingebrannt ist? Wie so viele andere Dinge war der Grund, dass ein sehr reicher Mann noch reicher werden wollte.
1884 kauften Zar Alexander III. 300 neue Rektifikationskolonnen aus Deutschland und ließ sie auf seinem Anwesen aufstellen. Dann erklärte er alle Spirituosen außer Wodka für illegal. Da nur der Zar über die Technologie verfügte, um echten Wodka herzustellen, sicherte ihm sein Beschluss das totale Monopol auf den russischen Spirituosenmarkt. Über Nacht fingen alle Russen, die wussten, was gut für sie war, an, den Wodka des Zars zu trinken. Die weit verbreiteten Brennereien in Hinterhöfen, in denen seit Generationen Brotwein hergestellt wurde, waren stillgelegt. „Russland hatte die längsten Getränkekarten für Alkohol auf der Welt“, erklärt Alexey Rodionov, einer der Söhne von Rodionov and Sons, als er durch ein Buch mit historischen russischen Getränkekarten blättert. „Kein anderes Land stellte so viele destillierte Getränke her.“
„In Russland bestehen Mahlzeiten mindestens aus sieben oder acht Gängen und zu jedem Gang gab es einen anderen Brotwein.“ Schweinefleisch wurde mit einem kleinen Glas Knoblauch-Brotwein serviert, Hering mit einem Kümmel-Brotwein, Klöße mit einem kräuterigen Brotwein auf Dillbasis.
Während ihrer Nachforschungen stießen die Rodionovs auf mehr als 300 verschiedene Arten Brotwein, darunter auch ein Brotwein für Nachtwächter und ein Brotwein für Liebespaare. Es war unter Männern ein Trend, in ihrer Hausbar für jeden Buchstaben im Alphabet eine Sorte Brotwein zu haben.
Nachdem er fünf Generationen lang in Vergessenheit geriet, ist Brotwein heute wieder zurück. Rodionov and Sons haben ihn unter dem Markennamen Polugar – Russisch für „halb verbrannt“, als Anspielung auf die traditionelle Art, eine Spirituose auf ihre Reinheit zu überprüfen – herausgebracht.
Wie die meisten Russen glaubte auch der pensionierte Wissenschaftler Boris Rodionov, dass sich ein Fluss von Wodka durch die Geschichte seines Landes zieht, aber dieser Fluss war trockengelegt. Wenn Wodka nicht der Alkohol der Zaren, der russischen Schriftsteller und Staatsmänner war, was dann? In alten Büchern, traditionellen Rezepten und historischen Speisekarten fand er die Antwort – und er versuchte aus Spaß, dieses Getränk selbst herzustellen. Das Ergebnis, der Brotwein, übertraf alle seine Erwartungen.
Brotwein ist eine wunderbare Spirituose – mit fast 40 Volumenprozent Alkohol ist sie nur dem Namen nach ein Wein. Sie ist sauber und weich und der einzigartige Charakter des Getreides schimmert glasklar durch. Der Polugar aus Roggen hat das erdige Aroma von Brotrinde, während der aus Weizen vor einer sanften Süße strotzt. Die Rodionovs stellen ihren Polugar auf traditionelle Art her und destillieren mit den zusätzlichen Zutaten, damit die Aromen komplett aufgenommen werden. Knoblauch-Polugar ist kräftig, aber nicht scharf im Hals. Polugar mit Kümmelsamen ist sehr würzig.
Anfangs glaubten die Leute die Geschichte von Polugar, die die Rodionovs erzählten, nicht. „Sie lachten uns aus“, erinnert sich Alexey. Im ersten Jahr verkauften sie nur 2.000 Flaschen, aber die Russen wurden langsam mit Polugar, ihrem alten Freund, warm und heute verkauft Rodionov and Sons 100.000 Flaschen pro Jahr.
Russlands älteste Spirituose ist Deutschlands neueste. Obwohl die Rodionovs zwar vom Erfolg begeistert sind, bedeutet es ihnen viel mehr, wenn jemand ein Glas Polugar statt Wodka bestellt, als wenn sie eine weitere
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Taste the shit.
Zeig uns dein crazy lieblings Brot!
Die Geschmäcker sind verschieden, sagt man und das scheint wirklich zu zu treffen. Wer sich für verrückt hält, bei einem Käsebrot mit Marmelade hat noch nie von den wirklich verrückten Kombinationen gehört. Eine Brotscheibe ist wie eine Bühne, auf ihr kann alles passieren und ohne befüllt zu werden, bleibt beziehungsweise schmeckt es doch langweilig. Wir wollen euch die wildesten Mischungen nicht vorenthalten und unter (skurrilen) Umständen will man sie am Ende sogar nachmachen.
Für die Feierwütigen empfehlen wir das Tequila Brot mit Pfeffer, Salz, Tabassco und einem Spritzer Zitronensaft. Für den armen Studenten gibt es als Belag Senf und Ziebelringe mit einem Teelöffel gekörnter Brühe. Für die Herzhaft-Süßen wäre das Rosinenbrot mit Käse und einer Scheibe Vollkornbrot mit Mettwurst ein Wohlfühlmoment. Als Abwechslung für Schwangere könnten Brezeln mit Leberwurst und Kaviar oder Gewürzgurken auf Erdnussbutter der reinste Genuss sein. Wer es nicht so kompliziert mag, blättert einmal um.
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Remouladensoße mit kandierter Möre Klassiker Käse-Schnitte mit Nutella
Versuch es doch mal der Einfachheithalber mit Bitterorangenmarmelade und etwas Dijon-Senf, Salami oder Bratwurst mit Nutella, Schafskäse mit Honig und Thunfisch, Zwiebelbrötchen mit Marmelade, Meerettich und Sauerkischmarmelade oder dein Leberwurstbrötchen in Kakao getunkt.
Auch wenn Dir das alles sehr skurril vorkommt, soll es ein Anstubser sein Neues auszuprobieren. Man kann auch klein Anfangen und sich vorsichtig vortasten. Aber was am Wichtigsten ist, kein Lebensmittel ist
es wert verschwendet oder weggeschmissen zu werden. Willst Du einen Brotbelag nachmachen, probier ihn erstmal auf einer kleinen Ecke auf deiner Brotscheibe aus. Wenn es Dir wirklich schmecken sollte, bist Du nicht nur absolut mutig, sondern auch verdammt verrückt.
Für ein Unwohlsein, Bauchgrummeln oder andere Nebenwirkungen übernehmen wir keine Haftung. Aber eine Wärmeflasche und eine Tasse Kamillentee sollten alles wieder richten.
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Zwiebeln auf Butter mit Puderzucker
Rinderzungen-Aufschnitt
Das traditionelle Bäckerhandwerk
ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kultur. Doch die Massenproduktion sowie andere Faktoren stellen die Branche vor ernstzunehmende Herausforderungen. Naht mit der Schließung unabhängiger Bäcker das Ende unserer Brotkultur?
Wer schon einmal längere Zeit im Ausland gelebt hat, weiß das heimische, deutsche Brot zu schätzen. Sogar Bertolt Brecht sehnte sich während seiner Zeit im US-amerikanischen Exil danach.
Heute, mehr als 70 Jahre später, hat sich unsere Liebesbeziehung zu Brot nicht viel verändert. Jeder Deutsche isst jährlich 87 Kilo davon und mit über 300 verschiedene Sorten ist deutsches Brot weltweit für seine große Vielfalt bekannt. Neben Bier und der Pünktlichkeit ist Brot eines der Dinge, die unser Land in den Augen von Ausländern definieren, es ist einer der wichtigsten Kulturexporte. Ja, Brot hat einen so großen Stellenwert, dass die UNESCO die deutsche Brotkultur im letzten Jahr auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt hat.
Trotzdem macht die Bäckerbranche gerade eine maßgeblichen Wandel durch, der zu einem starken Rückgang unabhängiger Bäckereien sowie schwindendem Interesse am Berufsbild des Bäckers geführt hat.
„1955 gab es in Deutschland 55.000 Bäckereien, heute sind es noch 12.500. Jeder Tag schließt irgendwo im Land ein Bäcker, oft nach vielen Generationen“, sagte Bernd Kütscher, Brotexperte und Direktor der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim.
Wiedemann, eine unabhängige Bäckerei in Duisburg, könnte einer dieser Betriebe sein, die endgültig die Türen schließen, wenn ihre Besitzer in Rente gehen. „Es ist sehr schwierig, junge Leute zu finden, die heutzutage Bäcker werden wollen“, sagte Petra Wiedemann, die seit 30 Jahren im Familienbetrieb arbeitet.
„Obwohl wir in der Gegend ein bekanntes und profitables Unternehmen sind, müssen wir wahrscheinlich schließen, wenn wir in Rente gehen, weil es niemanden gibt, der es übernehmen könnte“, erzählte sie.
Das Bäckerhandwerk wird traditionell im Rahmen der Ausbildung von Generation zu Generation weitergegeben. Ökonomen auf der ganzen Welt loben das heimische, duale Ausbildungssystem, das eine wichtige Grundlage für das traditionelle Bäckerhandwerk bildet.
„Der Bäckerberuf ist körperlich anstrengend. Man muss sehr früh aufstehen—normalerweise fängt man um ein oder zwei Uhr nachts an. Für Diskobesuche und andere Dinge, die Jugendliche gerne machen, ist da kein Platz“, erklärte Wiedemann. Aus diesem Grund, unter anderen, ist das Interesse an der Ausbildung zum Bäcker so extrem zurückgegangen. Laut eines Berichts des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Zahl der Azubis um mehr als 40 Prozent von über 36.000 im Jahr 2008 auf gut 20.500 im Jahr 2014 zurückgegangen.
Kütscher ist sich dessen bewusst, obwohl er persönlich das Bäckerhandwerk eine sehr bereichernde Arbeit findet. „Die Jugendlichen wissen nur wenig über den Beruf, außer dass man sehr früh aufstehen muss“, sagte er.
Wie steht es um das deutsche Brot? @ Didem Tali 02.01.16
Eine weitere große Herausforderung, der die unabhängigen und handwerklichen Bäcker gegenüberstehen, ist die Massenproduktion und das Aufkommen von Backabteilungen in Supermärkten.
„Ich glaube, ich stehe mit meinem Kaufverhalten recht repräsentativ für meine Generation“, sagte die 28-jährige Nina Käwel. „Ich würde sehr gerne mein Brot bei einem lokalen, unabhängigen Bäcker kaufen. Ich weiß, dass es viel besser schmeckt. Aber ich habe nicht viel Zeit, deshalb nehme ich Brot meistens beim Einkaufen im Supermarkt mit. Und, ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass da irgendwelche Stoffe im Brot sind, aber das aus dem Supermarkt bleibt viel länger frisch“, stellte Käwel fest.
Trotz des Anstiegs an massenproduzierten Backwaren betont Wiedemann, dass die Verkaufszahlen in den letzten Jahren tendenziell gestiegen sind.
„Unsere Stammklientel ist recht alt. Aber in letzter Zeit haben wir immer mehr jüngere und gesundheitsbewusste Kunden, die unsere Verkaufszahlen in die Höhe treiben“, sagte sie. „Die Betriebe schließen oder wechseln den Besitzer, aber die Nachfrage steigt und deshalb glaube ich nicht, dass die Vielfalt unseres deutschen Brots in Gefahr ist.“ Die Hipster retten also die alte Bäckertradition?
Trotz all der Herausforderung sieht auch Kütscher die Lage der Branche optimistisch und er betrachtet die aktuellen Veränderungen als Paradigmenwechsel.
„Die Zahlen lassen es wie den Untergang eines Handwerks aussehen, aber es ist nichts anderes als eine Anpassung an den Markt und die gibt es in jeder Branche. Manche Bäckereien schließen, gleichzeitig expandieren aber andere und eröffnen ständig neue Filialen. Insgesamt steigt die Zahl der Bäckereien in Deutschland. Momentan sind es etwa 46.000“, erklärte er.
Ganz so schnell wird unsere Liebesgeschichte zu Brot also kein Ende finden. Kütscher jedenfalls lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen, besonders nicht nach der Anerkennung der UNESCO: „Die deutschen handwerklichen Bäcker sind sehr stolz und blicken zuversichtlich in die Zukunft.“
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ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kultur. Doch die Massenproduktion sowie andere Faktoren stellen die Branche vor ernstzunehmende Herausforderungen. Naht mit der Schließung unabhängiger Bäcker das Ende unserer Brotkultur?
Wer schon einmal längere Zeit im Ausland gelebt hat, weiß das heimische, deutsche Brot zu schätzen. Sogar Bertolt Brecht sehnte sich während seiner Zeit im US-amerikanischen Exil danach. Heute, mehr als 70 Jahre später, hat sich unsere Liebesbeziehung zu Brot nicht viel verändert. Jeder Deutsche isst jährlich 87 Kilo davon und mit über 300 verschiedene Sorten ist deutsches Brot weltweit für seine große Vielfalt bekannt. Neben Bier und der Pünktlichkeit ist Brot eines der Dinge, die unser Land in den Augen von Ausländern definieren, es ist einer der wichtigsten Kulturexporte. Ja, Brot hat einen so großen Stellenwert, dass die UNESCO die deutsche Brotkultur im letzten Jahr auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt hat.
Trotzdem macht die Bäckerbranche gerade eine maßgeblichen Wandel durch, der zu einem starken Rückgang unabhängiger Bäckereien sowie schwindendem Interesse am Berufsbild des Bäckers geführt hat.
„1955 gab es in Deutschland 55.000 Bäckereien, heute sind es noch 12.500. Jeder Tag schließt irgendwo im Land ein Bäcker, oft nach vielen Generationen“, sagte Bernd Kütscher, Brotexperte und Direktor der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim.
Wiedemann, eine unabhängige Bäckerei in Duisburg, könnte einer dieser Betriebe sein, die endgültig die Türen schließen, wenn ihre Besitzer in Rente gehen. „Es ist sehr schwierig, junge Leute zu finden, die heutzutage Bäcker werden wollen“, sagte Petra Wiedemann, die seit 30 Jahren im Familienbetrieb arbeitet.
„Obwohl wir in der Gegend ein bekanntes und profitables Unternehmen sind, müssen wir wahrscheinlich schließen, wenn wir in Rente gehen, weil es niemanden gibt, der es übernehmen könnte“, erzählte sie. Das Bäckerhandwerk wird traditionell im Rahmen der Ausbildung von Generation zu Generation weitergegeben. Ökonomen auf der ganzen Welt loben das heimische, duale Ausbildungssystem, das eine wichtige Grundlage für das traditionelle Bäckerhandwerk bildet.
„Der Bäckerberuf ist körperlich anstrengend. Man muss sehr früh aufstehen—normalerweise fängt man um ein oder zwei Uhr nachts an. Für Diskobesuche und andere Dinge, die Jugendliche gerne machen, ist da kein Platz“, erklärte Wiedemann. Aus diesem Grund, unter anderen, ist das Interesse an der Ausbildung zum Bäcker so extrem zurückgegangen. Laut eines Berichts des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Zahl der Azubis um mehr als 40 Prozent von über 36.000 im Jahr 2008 auf gut 20.500 im Jahr 2014 zurückgegangen.
Kütscher ist sich dessen bewusst, obwohl er persönlich das Bäckerhandwerk eine sehr bereichernde Arbeit findet. „Die Jugendlichen wissen nur wenig über den Beruf, außer dass man sehr früh aufstehen muss“, sagte er.
@Didem Tali
Wie steht es um das deutsche Brot?
Eine weitere große Herausforderung, der die unabhängigen und handwerklichen Bäcker gegenüberstehen, ist die Massenproduktion und das Aufkommen von Backabteilungen in Supermärkten.
„Ich glaube, ich stehe mit meinem Kaufverhalten recht repräsentativ für meine Generation“, sagte die 28-jährige Nina Käwel. „Ich würde sehr gerne mein Brot bei einem lokalen, unabhängigen Bäcker kaufen. Ich weiß, dass es viel besser schmeckt. Aber ich habe nicht viel Zeit, deshalb nehme ich Brot meistens beim Einkaufen im Supermarkt mit. Und, ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass da irgendwelche Stoffe im Brot sind, aber das aus dem Supermarkt bleibt viel länger frisch“, stellte Käwel fest.
Trotz des Anstiegs an massenproduzierten Backwaren betont Wiedemann, dass die Verkaufszahlen in den letzten Jahren tendenziell gestiegen sind.
„Unsere Stammklientel ist recht alt. Aber in letzter Zeit haben wir immer mehr jüngere und gesundheitsbewusste Kunden, die unsere Verkaufszahlen in die Höhe treiben“, sagte sie. „Die Betriebe schließen oder wechseln den Besitzer, aber die Nachfrage steigt und deshalb glaube ich nicht, dass die Vielfalt unseres deutschen Brots in Gefahr ist.“ Die Hipster retten also die alte Bäckertradition?
Trotz all der Herausforderung sieht auch Kütscher die Lage der Branche optimistisch und er betrachtet die aktuellen Veränderungen als Paradigmenwechsel.
„Die Zahlen lassen es wie den Untergang eines Handwerks aussehen, aber es ist nichts anderes als eine Anpassung an den Markt und die gibt es in jeder Branche. Manche Bäckereien schließen, gleichzeitig expandieren aber andere und eröffnen ständig neue Filialen. Insgesamt steigt die Zahl der Bäckereien in Deutschland. Momentan sind es etwa 46.000“, erklärte er.
Ganz so schnell wird unsere Liebesgeschichte zu Brot also kein Ende finden. Kütscher jedenfalls lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen, besonders nicht nach der Anerkennung der UNESCO: „Die deutschen handwerklichen Bäcker sind sehr stolz und blicken zuversichtlich in die Zukunft.“
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Hier ist ein Familienbericht
über tunesische Brotsorten
aus der Sicht
einer typischen nordafrikanischen Großfamilie.
Eine tunesischen Familie und ihre Liebe zum Brot
Mein verstorbener Großvater liebte es, von seinen Kindern und Enkeln umgeben zu sein, und legte immer großen Wert auf Familienessen. Während der Schulferien verbrachten meine Cousins, mein Bruder und ich Wochen im Haus unserer Großeltern. Naziha, meine Großmutter - eine Absolventin der internationalen Kochschule „Cordon Bleu“ - bereitete gerne leckere und würzige Gerichte zu und vergaß nie, Khobz (Brot) auf den Tisch zu legen. „Eine der größten Freuden meiner Kindheit als Tunesier“, sagte Yosra, mein älterer Cousin, „war es, ein Stück von dem heißen Brot zu nehmen, das Papa oder Opa gerade in der Bäckerei gekauft hatten, und es zu essen. Es war so lecker und es roch so gut, dass ich mich daran erinnere, ein ganzes Baguette gegessen zu haben, bevor ich nach Hause ging.“
Seit meinem jüngsten Alter erinnere ich mich, wie ich mit meinen Cousins im Haus meiner Großeltern Brot gegessen habe, wann immer wir hungrig waren. Wir aßen so viel Brot, dass wir vor dem Mittagessen oft ein ganzes Baguette auf hatten. Brot war schon immer ein wesentlicher und geschätzter Bestandteil der tunesischen Ernährung. Tunesier haben eine Vielzahl von Saucen wie Mouloukhiya, Bohnensauce oder Chakchouka, die sie mit Brot essen. Tatsächlich hat Brot in Tunesien eine lange Geschichte, die über Tausende von Jahren zurückreicht. Der Anbau von Getreide ermöglichte es Tunesien in der Antike zu einer wohlhabenden und erfolgreichen Mittelmeermacht mit dem Spitznamen „Rom’s Brotkorb“ zu werden. Das tunesische Volk erbte und entwickelte seit der Antike verschiedene Brotsorten: Tabouna, Malawi, Khobz Ghana, Khozb Zitoun und Khobz Abraj.
Der besondere Stellenwert des Brotes in den Ernährungsgewohnheiten der Tunesier, ist auf wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen, insbesondere auf die Armut. Vor der Unabhängigkeit Tunesiens bis heute essen sehr arme Menschen – die weder Fleisch noch Gemüse kaufen können – nur Brot und Harissa (eine scharfe Chilipfefferpaste).
Brotvielfalt auf der ganzen Welt
Tatsächlich war die Familie meiner Mutter arm und mein Großvater hatte Mühe, seine große Familie mit sechs Kindern zu ernähren. Deshalb kaufte er immer eine große Menge Baguette, da Brot sehr billig ist und vom tunesischen Staat subventioniert wird. Außerdem ist es sehr substanziell und bringt ein Gefühl der Fülle. „Als ich ein Kind war, habe ich viel Brot gegessen“, sagte Hayet, meine Mutter, „weil das meistens alles war, was wir essen mussten, und es hat mich dazu gebracht, Mahlzeiten auszulassen, weil ich stundenlang satt war.“
Deshalb geben die meisten tunesischen Mütter ihren Kindern Sandwiches als Snacks, damit sie sich nicht hungrig und schwach fühlen. In unserer Kindheit brachten mein Bruder und ich zwei Sandwiches für die Pause mit zur Schule. „In der Schule war der größte Moment die Pause“, sagte Moucharref, mein jüngerer molliger Bruder. „Mit Freude und anschließendem Gefühl der Völlerei aß ich mein Käse- oder Thunfischsandwich, das meine Mutter liebevoll zubereitet hatte.“
Sogar Erwachsene machen, wenn sie ein bisschen ausgelassen/frech sind, Harissa-Sandwiches, um die Lücken zwischen den Mahlzeiten zu füllen. Die würzige Harissa mit Brot ist eine gute Mischung, um den Hunger zu stillen.
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Tabouna ist das beliebteste und älteste Brot der Tunesier. Es ist die Spezialität meiner Großmutter, die im Morgengrauen aufwacht, um Tabouna für das Frühstück zuzubereiten. Tabouna ist ein traditionelles Brot, das an den Wänden eines traditionellen Terrakottaofens (der selbst Tabouna genannt wird) gebacken wird. Dieses aus Mehl hergestellte Brot hat eine runde Form und ist ziemlich abgeflacht. Tabouna wird hauptsächlich in ländlichen Gebieten Tunesiens konsumiert. Während des heiligen Monats Ramadan ziehen die meisten Tunesier Tabouna dem französischen Baguette vor. Dieses traditionelle Brot stammt aus der karthagischen Zeit. Als Beweis steht ein Stück Terrakotta (welches den Tabouna Ofen repräsentiert) im Museum von Karthago und wird durch eine Terrakotta (die den Tabouna-Ofen darstellt) im Museum von Karthago bewiesen. Tunesier essen gerade Tabouna mit Salaten wie Salata Mishwiyya (gegrillter Salat mit Thunfisch), mit Harissa oder mit gegrilltem Fleisch. Viele traditionelle Fast-Food-Restaurants verwenden Tabouna, um Sandwiches zuzubereiten, die bei Tunesiern sehr beliebt sind. Ilhem, meine Freundin aus Kindertagen, die normalerweise mit ihrer Familie lange Autofahrten in verschiedene tunesische Gebiete unternimmt, kauft immer Tabouna von Verkäufern auf der Straße. „Wenn ich mit meiner Familie auf Reisen gehe, kaufen wir immer Tabouna, wann immer wir hungrig sind, meist von Verkäufern auf der Straße“, sagte Ilhem. „Es ist heiß, lecker und sehr umfangreich.“
Mlawi ist eine köstliche Art von Crêpe oder Galette, die überall in Tunesien zu finden ist. Es ist ein Produkt aus feinem Grieß, Mehl, viel Öl (Oliven oder Sonnenblumen), warmem Wasser und Salz. In jeder Stadt, jedem Dorf oder jeder Nachbarschaft finden Sie viele Malawi-Restaurants. Dieses Brot wurde sehr beliebt unter den Tunesiern weil es wirklich gut riecht, eine feine Textur hat und wunderbar schmeckt (da es viel Öl enthält). Die Leute essen oft heiße Malawi aus dem Ofen und verteilen sie mit Harissa, Käse, Thunfisch oder Merguez. In ländlichen Gebieten essen Tunesier oft Malawi mit Shakshuka. Außerdem ist Malawi das beliebteste Fast Food für Studenten und Jugendliche. „Jeden Tag, wenn der Unterricht beendet war, kauften wir immer Malawi mit Harissa und Thunfisch und aßen es auf dem Heimweg“, sagte Yassine, meine Cousine. „Es ist billig und sehr lecker. In Malawi-Restaurants gibt es im Allgemeinen lange Warteschlangen, insbesondere während des Schuljahres.“
Vom salzigen Brot geht es weiter mit Khobz Abraj (auch Harcha genannt), einem süßen Brot in Form von flambierte Galettes, das aus mittlerem Grieß, Wasser, Olivenöl, Salz, Butter und viel Weißzucker hergestellt wird. Es ist dick, sehr grob und trocken. Dieses rautenförmige Brot wird von Tunesiern sehr geschätzt, die es mit schwarzem Kaffee oder mit Milch trinken. Einige Leute – um es süßer zu machen – füllen es mit Dattelpaste, gemischt mit einer Prise Zimt, etwas Öl und Marmelade. Es ist ein sehr traditionelles Brot, das früher viel konsumiert wurde, heute aufgrund der nun vorhandenen Konditoreien. „In meiner Kindheit war Abraj mein liebstes süßes Gericht und Dessert“, sagt Amel, meine Tante, „da es damals fast das einzige süße Ding war, das man essen konnte.“
Eines der beliebtesten Brote ist Khobz Zitoun, „Olivenbrot“. Khobz zitoun besteht aus grundlegenden Brotzutaten und enthält viele Oliven (grün und schwarz), Zwiebeln und trockene Kräuter. Diese zusätzlichen Zutaten verleihen ihm einen reichen und aromatischen Geschmack. Im Allgemeinen essen die Menschen während des heiligen Monats Ramadan Khobz Zitoun, weil es den Appetit zusammen mit Salaten befeuchtet. Meine Großmutter Naziha empfiehlt immer Khobz Zitoun. „Khobz zitoun sollte immer seinen Platz auf dem Tisch haben“, sagt sie. „Besonders während des Ramadan, wenn wir [Tunesier] verschiedene Salate zubereiten. Kinder lieben auch Khobz Zitoun und essen viel davon.“
Khobz Ghaney ist eines der ältesten tunesischen Brote. Es hat seinen Ursprung in ländlichen Gebieten und ist das Lieblingsbrot der Bauern. Meine Urgroßmutter, eine Bäuerin, kochte immer Khobz Ghaney für ihre Mahlzeiten. "Meine Großmutter hat immer eine einzige Art tunesisches Brot gekocht: Khobz Ghaney“, sagte Hayet, meine Mutter. „Eigentlich essen es alle Bauern zusammen mit Shakshuka zum Essen.“ Khobz Ghaney wird mit feinem Grieß, Öl, Salz, Zucker, Hefe und warmem Wasser zubereitet. Es ist dick, glatt und sehr weich. Es ist leicht zu kauen und zu schlucken was dazu führt, dass die Leute viel davon essen, ohne es zu merken. Khobz Ghaney hat seinen Namen von dem Ofen, in dem es zubereitet wird, der Ghaney genannt wird. Es ist ein Terrakottaofen und Tunesier legen normalerweise kleine Steine auf den Boden.
Mit dem Aufkommen der französischen Kolonialherren im Jahr 1881 wurde das französische Baguette schrittweise in die tunesische Gesellschaft eingeführt. Derzeit konsumieren die Tunesier das vom tunesischen Staat subventionierte französische Baguette mehr als jede andere Brotsorte. Das französische Baguette, das in der Kolonialzeit eingeführt wurde, wurde zu einem sehr wichtigen Bestandteil der Ernährungsgewohnheiten der Tunesier. Heute verkaufen die meisten Bäckereien (wenn nicht alle), Supermärkte und Lebensmittelgeschäfte das französische Baguette.
Es gibt jedoch immer noch eine starke lokale Brotkultur. Tunesier konsumieren immer noch traditionelles Brot, nicht nur gelegentlich, sondern einige von ihnen tun es regelmäßig. Das traditionelles Brot ist nämlich gesünder als das französische Baguette, welches viel Zucker und Salz enthält und viele Krankheiten verursachen kann (wie Diabetes, Bluthochdruck).
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Führt Brot zu
Alzheimer?
Vor drei Jahren bemerkte Max starke kognitive Veränderungen an seiner Mutter.
Die Diagnose lautete Demenz. Dann begann er, die Antworten in der Ernährung zu suchen.
2012 bemerkte der Filmemacher Max Lugavere zum ersten Mal, dass seine Mutter kognitiv Schwierigkeiten hatte. Er konsultierte Top-Neurologen, die Alzheimer diagnostizierten. Aufgrund ihres Befunds wollte Max diese Krankheit, die weltweit 45 Millionen Leute betrifft, besser verstehen.
Um die 1,2 Millionen Deutsche leben zur Zeit mit Alzheimer, der häufigsten Form von Demenz. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, soll sich die Zahl bis zum Jahr 2050 verdoppeln, in den USA gar verdreifachen, wenn in der Zwischenzeit keine bahnbrechenden Medikamente entwickelt werden.
Und Lugavere will etwas dagegen tun. Anstatt einen weiteren bedrückenden Film über die Realität von Demenzkranken zu drehen, beschäftigte sich Lugavere damit, wie die Wissenschaftslabore und Kliniken dazu beitragen, die Zukunft dieser Krankheit positiv zu beeinflussen. Darauf liegt der Fokus seiner Dokumentation Bread Head. Das Bemerkenswerteste an Lugavere ist, dass er fest daran glaubt, dass wir das Schicksal unseres Gehirns durch eine achtsame Ernährung und das richtige Training beeinflussen können.
Auf der nächsten Seite erzählt Max im Interview mit VICE von den Inhalten seiner Dokumentation.
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Woher stammt der Titel der Doku, Bread Head?
Nach dem anfänglichen Trauma wegen Mamas Diagnose — und weil ich schon mein ganzes Leben ein Gesundheitswissenschaftsfanatiker war — war ich plötzlich besessen davon, mich über die neuesten Erkenntnisse und den Einfluss von Ernährung auf die Gesundheit des Gehirns zu informieren, einerseits um ihr zu helfen und andererseits um meine eigenen Gehirngesundheit zu verbessern. Ich konzentrierte mich auf Alzheimer, die häufigste Form von Demenz, und fand heraus, dass die Veränderungen im Gehirn bereits Jahrzehnte vor dem ersten Symptom auftreten können. Ich stolperte auch über die relativ neue Annahme, dass Alzheimer und andere Formen von Demenz möglicherweise vermeidbar sind (laut Lancet Neurology vom August 2014 bei mindestens einem von drei Patienten).
Obwohl das Ziel des Film eigentlich nicht sein soll, Brot zu dämonisieren, wählte ich den Titel Bread Head, weil es das perfekte Beispiel dafür ist, wie ein hochindustriell verarbeitetes Lebensmittel als gesundes Grundnahrungsmittel verschleiert wird. Ein Stück Vollkornbrot aus industrieller Verarbeitung hat einen höheren glykämischen Index (wie schnell ein Kohlenhydrat den Blutzucker in die Höhe treibt) als Haushaltszucker. Und ob du es nun glaubst oder nicht, es ist in den USA unter den Lebensmitteln auch die größte Natriumquelle, laut den Centers for Disease Control, was bei vielen Leuten zu Bluthochdruck führen kann — ein wichtiger Faktor bei vaskulärer Demenz, der zweithäufigsten Form von Demenz. Brot enthält zudem Gluten, was die Darmgesundheit beeinflussen kann. Die Darm-HirnAchse ist wiederum ein faszinierendes und boomendes Interessensgebiet. Brot ist also der perfekte Werbebotschafter, wenn es darum geht, was man vermeiden oder zumindest in Maßen konsumieren sollten, um möglichst gesund zu sein.
Die Epigenetik ist ein interessanter Ansatz, wenn wir darüber diskutieren wollen, was wir mit unserer Gesundheit falsch machen, indem wir unsere Ernährung analysieren. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema? Der Grundgedanke der Epigenetik ist, dass unsere Gene nicht unser Schicksal sind. Ich habe schon zahlreiche E-Mails von Leuten in meinem Alter aus der ganzen Welt bekommen, die Angst vor Alzheimer haben, weil sie es an ihren Eltern oder Großeltern sehen und fälschlicherweise glauben, dass es eine vererbbare Krankheit ist. Ich möchte klar machen, dass wir unsere Genexpression durch unsere Entscheidungen verändern können. Unsere Gene sind wie die Tasten eines Klaviers und wir bestimmen, welches Lied damit gespielt wird. Das ist die Verheißung der Epigenetik und das ist großartig.
Ein Beispiel: der größte genetische Faktor für Alzheimer kann ganz einfach durch Sport ausgeglichen werden, besagt eine Studie.
Hat sich deine Ernährung und dein Lebensstil verändert, seit du mit diesem Projekt angefangen hast? Ich glaubte früher, je mehr Vollkorn ich zu mir nehme, desto gesünder bin ich. Bis ich vom glykämischen Index erfahren und gelernt habe, dass Vollkorn nicht viel besser für mich ist, als anderes Getreide. Und die Vorstellung, dass wir einfach massenhaft Kohlenhydrate zu uns nehmen sollen, egal aus welcher Quelle — Früchte, Vollkorn, was auch immer — ist grotesk, wenn man weiß, was Glykation bedeutet. Wenn man beispielsweise ein Steak auf dem Grill anbräunt, ist dieser Vorgang Glykation. Je mehr Zucker man im Blut hat und je länger, desto mehr passiert dieser Prozess in unserem Körper. Dadurch altert man schneller, es begünstigt Entzündungen. Und chronisch hoher Blutzucker wird mit Insulinresistenz in Verbindung gebracht. Es ist einfach schlecht für dich. Deshalb habe ich meine Ernährung auf weniger Kohlenhydrate und mehr gesundes Fett umgestellt. Übrigens hat Fruktose (z.B. in Früchten) das 10-fache Glykationspotential von Glukose.
Du bist zwar kein Biohacker, aber mich interessieren deine Gedanken zu dieser Bewegung. Können wir irgendetwas von ihr lernen — wie zum Beispiel von diesem Typen mit dem Bulletproof Coffee — um unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zu verbessern?
Ich finde die Bewegung gut, aber ich beschreibe mich selbst nicht als Biohacker. In meinen Augen bedeutet, ein System optimal zum Funktionieren zu bringen nicht Biohacking, sondern einfach Optimierung. Das Butter-/Kaffee-/Kokosnussöl-Rezept ist lecker und durch das Fett wird der Kaffee langsamer absorbiert (wie bei allem, wenn man Fett hinzugibt), was für mich gut ist, weil ich Kaffee oft am Morgen auf den leeren Magen trinke. Ich faste gerne in unregelmäßigen Abständen und obwohl ich nicht oft überprüfe, stell ich mir vor, dass ich mich am Morgen nach dem Aufwachen in einer leichten Ketose (gut für die Gehirngesundheit) befinde und die Tatsache, dass man nur Fett konsumiert, hält dich in diesem Zustand. Außerdem sind mittelkettige Triglyceride, die auch in Kokosöl vorkommen, super. Das gilt auch für Vitamin K2 (das entkalkt die Arterien), das in großen Mengen in Butter aus Weidemilch vorkommt.
Hast du irgendetwas auf dieser Reise gelernt, das du gerne anderen Menschen weitergeben möchtest?
Nehmt eure Gesundheit selbst in die Hand. Habt keine Angst, euch mit euren Genen zu beschäftigen und seid euch bewusst, dass Risiken eben genau das sind und nicht mehr. Achtet auf euer Gehirn, weil, laut Forschung, beginnen die Veränderungen bereits jetzt.
Was ich von Bernd das Brot über das Leben gelernt habe
@Franz Lichtenegger, Vice
Ein depressives Weißbrot mit viel zu kurzen Armen hat mich aufs Erwachsensein vorbereitet.
Wir schreiben das Jahr 2003. Die No Angels geben ihre Trennung bekannt, amerikanische Truppen marschieren in den Irak ein, Christl Stürmer verliert im Finale von Starmania und generell gibt es gerade keinen Grund zum Jubeln. Ungefähr zur selben Zeit beginnt der KiKA mit der Ausstrahlung der Nachtschleife – ein Programm, das die ansonsten sendefreie Zeit des deutschen Fernsehkanals zwischen 21:00 und 6:00 Uhr füllen soll.
Und obwohl nächtliches Fernsehen im deutschsprachigen Raum ein breites Spektrum bedient – von Infomercials für Haushaltsgeräte über Wiederholungen der Golden Girls bis hin zu Kontaktgesuchen reifer Hausfrauen und dem legendären Super RTL-Kaminfeuer –, gab es schon damals eine Handvoll arbeitsloser Stoner und schlecht gelaunter Millennials, die lieber einem depressiven Stück Brot huldigten.
Bernd das Brot hat uns quasi großgezogen. Als unsere Eltern über Nacht weg waren und wir nicht schlafen konnten, hat Bernd uns ein unmotiviertes Lied vorgesungen. Als wir aus Langeweile, Faszination und Befremdlichkeit nicht wegschalten konnten, hat Bernd uns minutenlang angestarrt und gesagt, wir sollen bitte endlich ins Bett gehen.
Als wir später betrunken nachhause kamen und mit einem angeknabberten Block Käse in der Hand vorm Fernseher eingeschlafen sind, hat Bernd auf uns aufgepasst. Bernd war da – ob er nun wollte oder nicht. Und meistens wollte er nicht.
Ein Brotlaib, der alles hasst und einfach nur in Ruhe gelassen werden möchte: Das war neu und irgendwie so viel besser als alles andere, das wir bis dahin vom Fernsehen, geschweige denn einem Kindersender, gewohnt waren. Bernd hatte tiefe Augenringe, einen kastenförmigen, unproportionalen Körper, viel zu kurze
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Arme, schlechten Teint und keine Lust. Bernd war wie wir. Vielleicht haben wir schon damals etwas in ihm gesehen, von dem wir insgeheim wussten, dass wir es eines Tages selbst werden würden.
Zu Beginn jeder Nachtschleife – die in der Regel nur ein paar Minuten andauert und danach, äh, in einer Schleife weiterläuft – wird Bernd meist widerwillig und möglichst unbequem vor einer weißen Wand abgesetzt, bevor er so was wie „Mist“ oder „Mein Leben ist die Hölle“ raunzt. Kommt euch bekannt vor? Willkommen zu jedem Montagmorgen eures Lebens.
Auch der wohl bekannteste Running Gag aus den Nachtschleifen lässt sich heute recht einfach in unser tristes Dasein übersetzen: Jedes Mal, wenn Bernd mal wieder genug von allem hat und einfach aus dem Bildschirm gehen will (und das will er oft), kommt er schnurstracks auf der anderen Seite wieder rein.
Egal, wie sehr er sich auch bemüht, er kommt hier nicht raus. Jeder Fluchtversuch ist zwecklos. Bernd ist gefangen in dieser ewig gleichen Schleife von ewig gleichen Umgebungen und ewig gleichen Abläufen. Wenn das mal keine bitterernste Hamsterrad-Analogie ist, dann weiß ich auch nicht. Hat Bernd das Brot etwa die längste Zeit versucht, uns im Schlaf auf den Ernst des Lebens vorzubereiten?
Der Legende nach hat Tommy Krappweis Bernd einst auf eine Serviette gezeichnet und gemeinsam mit seinem Kollegen Norman Cöster erfunden. Für Krappweis verkörpert die Figur in erster Linie das „Recht auf schlechte Laune“, wie er uns gegenüber erzählt: „Egal ob TV, Werbung oder Social Media: Überall bekommt man mehr oder weniger subtil vermittelt, man möge doch bitte immer glücklich, zufrieden, ausgeglichen und dankbar debil grinsend vor sich hin funktionieren“, so der Brot-Papa. „Aber jeder hat mal einen Scheißtag – unabhängig davon, wie alt man ist. Und wir wissen aus Zuschriften, dass Kinder ihren Eltern dann sagen: ‚Mama, ich fühl mich gerade brotig, aber das geht wieder vorbei.‘ Das heißt, du kannst ‚das Brot in dir‘ erkennen und so die Situation auch ein Stück weit abstrahieren, was immer hilfreich ist – auch bei Erwachsenen.“
Auch für Bernds Zukunft ist laut Tommy Krappweis bestens gesorgt. „Wir haben gerade erst eine neue Nachtschleife produziert und Bernd damit geködert, dass er selbige zum ersten Mal verlassen darf“, sagt Krappweis weiter. „Das war insofern auch für uns spannend, als dass Bernd das Brot ja eigentlich eine Handpuppe ist (Anmerkung: WHAT?!) und als solche unten einen Puppenspieler dranhängen hat. Der musste Bernd nun von hinten spielen, während unten mechanische Brötchenfüße dranbaumeln, die mit einer Art Rückzugsmechanik zum Laufen gebracht werden. Der Effekt ist gleichermaßen erstaunlich wie … naja, verstörend. Auch für Bernd selbst. Außerdem muss Bernd das Brot in der neuen Nachschleife wieder einmal singen und das hasst er ja besonders.“
Berndist g nefuälbA .
gefangen in dieser ewig gleichen Schleife v o n nehcielggiwe negnubegmU nehcielggiwednu
Es gibt übrigens auch Dinge, für die Bernd tatsächlich was übrig hat. So liebt er es zum Beispiel, stundenlang eintönige Raufasertapeten anzustarren und ihre Muster auswendig zu lernen. Das ist einfach langweilig – und somit genau sein Ding. Wenn du also das nächste Mal ein gemütliches Wochenende in den eigenen vier Wänden einer After-Hour-Zechtour vorziehst, dann denk dran, dass das im Grunde genommen nur dein ganz persönliches Äquivalent zum Brot‘schen Raufastertapeten-Starren ist, du kleiner Fadian. Aber das ist immerhin dein gutes Recht.
Auch die ein oder andere Lektion über Freundschaft hat Bernd uns gelehrt. Denn obwohl er es wahrscheinlich gerne wäre, ist er nicht immer allein: Regelmäßig mit von der Partie sind Chili und Briegel – ein hyperaktives Stuntschaf mit roten Zöpfen und eine Busch-Version von Daniel Düsentrieb. Bernds Abneigung gegenüber den beiden hat mir beigebracht, dass ich meine Freunde – auch wenn sie manchmal so, so anstrengend sind – am Ende des Tages so hinnehmen muss, wie sie sind. Von Chili und Briegel habe ich wiederum gelernt, wie Aufmunterung funktioniert und dass ich mich nicht sofort von jemandem abwenden sollte, wenn er oder sie mal mies drauf ist.
Das Lustigste an Bernd ist aber eigentlich die Ernsthaftigkeit, mit der er von allen Seiten behandelt wird. Allein der Wikipedia-Eintrag zu seiner Figur ist lustiger als jeder Text, der jemals auf oe24 erschienen ist. Den vorübergehenden Höhepunkt stellte sein Verschwinden im Februar 2009 dar: Als eine knapp zwei Meter hohe, rund 125 Kilo schwere Bernd-Statue vor dem KiKA-Studio in Erfurt entfernt wird, herrscht plötzlich eine riesige kollektive Aufgeregheit. Nahezu jedes seriöse Medium berichtet über die mysteriöse Entführung von Bernd das Brot, sogar die Polizei lässt nach dem Fund der Statue in einem Kellerabteil in Weimar verlauten, er wäre unverletzt.
An dieser Stelle noch ein guter Tipp für alle meine an Schlaflosigkeit leidenden Kollegen: Vertraut mir, Bernd wird euch wegbeamen. Als ich versuche, mir die Nachtschleifen von früher mit erwachsenen Augen anzusehen, kann ich dabei nicht lange wachbleiben – ich hatte ganz vergessen, wie sehr mein Gehirn offenbar immer noch darauf programmiert ist, beim Klang von Bernds Stimme auf Nachtmodus zu schalten. Ungefähr so wie der Geruch von Kernseife mich sofort an meine Oma denken lässt und traurig macht.
Tommy Krappweis erwähnt eine Studie des KiKA, laut der 90 Prozent der Deutschen Bernd kennen; wiederum 88 Prozent mögen ihn. Zu den restlichen zwei Prozent, die Bernd nicht so gut finden, gehört wohl auch Bibi von BibisBeautyPalace, die in einem Tweet ihr Unverständnis gegenüber der Figur zum Ausdruck brachte. Krappweis nimmt das leicht: „Erstens darf jeder blöd finden, was er will und zweitens findet Bernd die Person bestimmt auch blöd. Mich übrigens auch. Und alle. Aber das soll ja so.“
So amüsant das alles vielleicht klingen mag, Bernd kann tatsächlich auch Wichtiges bewirken. Laut Tommy Krappweis sind das vor allem die erstaunlich häufigen Mitteilungen über Reaktionen von autistischen Kindern auf die Figur: „Es ist einfach etwas ganz besonderes, wenn man liest: ‚Unser Kind hat dank Bernd das Brot zum ersten Mal getanzt. Seitdem tanzt die ganze Familie jeden Abend gemeinsam den Brottanz.‘“
Alle zusammen: Tanzt das Brot.
A
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Es gibt aber auch unmengen Alternativen über die verschiedensten veganen Aufstriche und Aufschnitte
IN DER NOT, SCHMECKT
Gib mal Gummi, statt Wurst! Wurst ist sowas von Vorgestern.
DIE WURST AUCH OHNE BROT.
Krümel sind auch Brot. Also schieb‘ nicht alles auf Andere.
Saatkorn für die Nachwelt, Brot für die Zeitgenossen. Nachhaltige Lanwirtschaft ist Zukunft.
@Sebastian Sonntag Deutschlandfunknova
burnt bread
Überraschend, für was Dinge gut sind, die wir eigentlich wegwerfen: Verbrannter verkohlter Toast etwa. Damit lassen sich Häuser dämmen.
Chinesische Chemiker haben herausgefunden, dass verbranntes Brot sich wunderbar als Dämmstoff für Häuser eignet und veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin American Chemical Society.
Die Idee mag dem Forschungsleiter Ye Yuan möglicherweise beim Frühstück eines europäischen oder auch amerikanischen Toasts gekommen sein, bevor er das Ganze näher mit seinen Kollegen am chinesischen Technologieinstitut der Universität Harbin untersucht hat.
Forschung
Dämmstoff-Rezept
Aus den unten stehenden drei Zutaten haben die Forscher einen Brotteig geknetet und eine Stunde gehen lassen. Die Hefe bildet Luftbläschen im Teig und sorgt für die lockere Struktur. Den Brotlaib haben sie dann bei 180°C 40 Minuten lang gebacken (ob Umluft oder Ober- und Unterhitze wird im Rezept nicht angegeben). Nach der Backzeit wird das Brot noch einmal in den Ofen geschoben: 18 Stunden bei 80°C.
Zutaten
Mehl
Trockenhefe
Deionisiertes Wasser
Gebackener Kohlenstoffschaum
Das ofengetrocknete Brot wird danach in einem speziellen Röhrenofen im Labor mit Argon-Gas verkohlt. Wird die Zusammensetzung der Zutaten beim Backen variiert wird, kann die Porengröße kontrolliert werden. Das Endresultat ist ein Kohlenstoff, der leicht, steif und robust ist. Die Wissenschaftler haben dann in mehreren Versuchsreihen die Rezeptur des Brotes verändert und auch den Verkohlungsvorgang bei verschiedenen Temperaturen durchgeführt. Dabei haben sie festgestellt, dass es ziemlich feuerbeständig ist und, wenn man es mit Alkohol tränkt und anzündet, sogar seine Form behält.
Dieser Kohlenstoffschaum, der durch den Vorgang entsteht, schließt viele kleine Luftbläschen ein und ist von daher ein Dämmmaterial. Er ist feuerfest und schirmt elektromagnetische Strahlung ab. Die Forscher gehen davon aus, dass er sich zum einen gut für die Gebäudedämmung eignet, zum anderen sogar in der Luftfahrt eingesetzt werden kann. Vorteil an dem Material ist: Es lässt sich leicht herstellen, ist kostengünstig und umweltfreundlich.
Ob nun aber unsere Nachkommen ihre Häuser wirklich mit Toastbrot isolieren werden, bleibt abzuwarten.
Forschung 59
Warum unser Brot 2050 anders aussehen wird
Immer wieder werden wir daran erinnert, dass der Klimawandel uns dazu zwingt, neue, nachhaltigere Systeme für die Nahrungsmittelproduktion zu entwicklen. Dazu gehören neue Ansätze für die Fleischproduktion (oder vielleicht eine gänzlich andere Einstellung zum Fleischkonsum?), neue Fischereimethoden, die wichtige Ökosysteme besser schützen, und alternative Anbauformen für Nutzpflanzen von Mais bis Weintrauben.
Weniger Erwähnung findet in der großen Nachhaltigkeitsdiskussion jedoch eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel vieler westlicher Länder: Brot. Das gute alte Brot — die Grundlage für Toast, Bruschetta oder Arme Ritter. Während uns allen klar ist, warum wir keinen Blau-
flossenthun, dessen Bestand extrem geschrumpft ist, essen sollten, oder warum etwas nicht stimmen kann, wenn wir einen Hamburger um einen Euro bestellen, ist es jedoch nicht ganz so offensichtlich, welche Rolle Brot in der Klimadebatte spielt.
Heißt das also, dass es immer schlechter um unser geliebtes Brot steht, während wir die Erde mit unseren Kuhfürzen und unserer Nutella wie in der Mikrowelle erhitzen? Ganz darauf verzichten müssen wir wohl nicht, aber es könnte in Zukunft anders schmecken — diese Hypothese hat zumindest der Sydney Morning Herald im Rahmen einer Serie über die globale Erderwärmung mit dem Titel „Climate for Change“ aufgestellt.
Auf einem Foto sieht man einen harten, krümeligen, unförmigen Brotlaib und daneben einen schön glänzenden, frischen, fluffigen. Nicky Phillips, die Wissenschaftsredakteurin der Zeitung meint dazu: „Das macht die globale Erderwärmung mit eurem Brotlaib.“ Der Brotlaib, der mit normalem Getreide gebacken wurde, wird einem Brotlaib mit Weizen, der in einer Umgebung mit hohen Kohlendioxidwerten angebaut wurde, gegenübergestellt. Die Kohlendioxidwerte entsprachen dabei dem erwarteten Niveau „bis Mitte des Jahrhunderts, wenn Treibhausgase bis dahin nicht bedeutend reduziert werden“.
Für ein Projekt in Kollaboration mit der University of Melbourne und
2020
finanziert von der Grains Research and Development Corporation, backte die Einrichtung Australian Grains Free Air CO₂ Enrichment (AGFACE) die beiden Brote, um zu demonstrieren, wie stark die Auswirkungen des Klimawandels sich auf die Qualität unseres Getreides niederschlagen könnten. Dieses Phänomen würde Weizen, Linsen und andere Grundnahrungsmittel der Ernährungspyramiden auf der ganzen Welt betreffen.
Worin liegt also genau der Unterschied? Wieso sieht das Klimawandel-Brot so beschissen aus?
Glenn Fitzgerald von AGFACE sagt, dass es zu simpel wäre, davon auszugehen, dass mehr Kohlendioxid automatisch schlecht für das
Getreide ist. Viele Pflanzen wachsen nämlich sogar schneller und bringen in Umgebungen mit höheren CO2-Werten größere Erträge. Die geernteten Körner enthalten jedoch weniger Eiweiß. Diese fehlenden Proteine können sich negativ auf die Elastizität sowie das Treiben des Teigs auswirken.
Warum, weiß momentan noch keiner so genau. Wissenschaftler arbeiten aber daran, das Geheimnis hinter dieser Diskrepanz zu lüften und Möglichkeiten zu entwickeln, den Eiweißverlust durch selektive Züchtung und Genetik auszugleichen.
Obwohl das Team sagt, es könnte mehr als zehn Jahre dauern, einem Getreide diese Eigenschaft „einzu-
pflanzen“, könnte das immer noch früh genug sein. Immerhin haben wir noch 35 Jahre, bis unsere armen Brotlaibe aussehen, als hätte Bayern München sie zum Trainingsspiel missbraucht.
Wenn das gelingt, hätte eine Umgebung mit höheren CO2-Werten wegen der größeren Erträge sogar einen Vorteil. Aber all das hängt von den Entwicklungen in den nächsten Jahrzehnten ab.
Wieder einmal wird aufgezeigt, wie dringend es ist, dass wir unser Verhalten und unsere Einstellung grundlegend ändert. Wenn Brot uns nicht dazu bewegen kann, was dann?
2050
Früher war alles besser.
NEXT TIME
In der kommenden Ausgabe haben wir bock auf Reis! Die Assoziationen schwenken wahrscheinlich direkt in die asiatische und afrikanische Küche. Aber Obacht, die Araber brachten das Getreide erstmals nach Westeuropa. Die multikulturelle Geschichte sowie die moderne Verwendung des Korns, fernab der Küche, haben sehr viel zu bieten. Also nicht verpassen.
REIS
Impressum
Layout Design
Lisa Post
Jaqueline John
Anna Pommer
Reisfeldkunst
Multikulterelle Liebe
Essen = Reis
Reis = Essen
Bild-, Artikelresearch & Planung
Anna Pommer
Artikelquellen Übersetzung
vice.com bread-magazine.com
Bildnachweise können bei Anfrage bereitgestellt werden
Lisa Post anna.pommer97@web.de
Druck
Lisa Post Hochschule Düsseldorf
See you soon.