Mensch, Sylt! 2

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Mensch,

HERBST & WINTER 2020 No –2

SYLT!

DIE ELLUSTRIERTE

R ALLERBESTE LESESTOFF EN, H C S N E M R Ü F DIE SYLT LIEBEN

»KEEP COOL!« Stories mit Winter-Surfer Christopher Bünger Skate-Titan Titus Dittmann Weltmeisterin Sonni Hönscheid Anders-Wohnern Jonas & Edda Raspé Holzhäuslebauer Udo Kotzke u.v.m.


Liebe Sylter*innen und Freunde*innen der Insel!

ALLE SAGTEN

„DAS GEHT NICHT!“ Dann kam jemand, der wusste das nicht und hat's einfach gemacht! So war’s auch mit „Mensch, Sylt!“. Wir haben’s einfach gemacht. Ein Magazin mit allen journalistischen Qualitäten eines Printmediums und mit den Tools, die das digitale Publizieren attraktiv machen. Das neue Baby wurde eine „Sylt Ellustrierte“ – zum Hören, Lesen, Angucken und gerne auch zum Fühlen. Denn unsere Geschichten über Inselkinder und deren Werk dürfen auch das Herz erreichen, inspirieren, polarisieren. Die Idee dazu gab’s schon lange, denn Sylt besitzt so viele spannende Akteure. Der Raum loszulegen, kam unerwartet. Im Lockdown des Frühjahrs. Zwei große Projekte, die platzten, und wir machten uns ans Werk.

„WER SIND DENN Eure User?“, bohrten unseren wohlwollenden

Berater in der Entstehungsphase. Antwort: Menschen, denen Sylt am Herzen liegt. Die, die hier leben und die, die zu Besuch kommen. Menschen, die das Herz am richtigen Flecken haben und Authentisches mehr schätzen als Marketingblabla.

Eine Woche nach Erscheinen im Juli hatten 6.000 Menschen

die erste Ausgabe von „Mensch, Sylt!“ angeklickt und offensichtlich auch gelesen.

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DENN DIE Resonanz unserer Leser verscheuchte ein Gros der Zweifel, die auftauchen, wenn man was Neues elaboriert und damit irgendwann das eigene Kämmerlein verlässt. Wir hatten den Eindruck: „Mensch, Sylt!“ ist vom ersten Moment an dort gelandet, wo es hingehört. Bei den Menschen, für die es gemacht ist. Die Glückwünsche und begeisterten Kommentare waren wie Applaus nach einer Bühnenpremiere.

Dass die mehr waren als reine Höflichkeit, zeigte sich, als wir für Ausgabe 2 etliche Anzeigenkunden gewinnen konnten und auch Inselorte, die wir mit ihren aktuellen Themen redaktionell darstellen dürfen. Wenningstedt-Braderup und Kampen waren sofort am Start. List folgt dann in der März-Ausgabe.

Auch von unseren Gesprächspartner*innen und Kolum-

nisten*innen ließ sich keiner mehr als zweimal bitten, wenn wir sie oder ihn um einen Termin oder einen meinungsbildenden Beitrag gebeten haben. Das ehrt uns.

UND SO konnte auch Edition 2 eine herrliche „Mische“

werden, die Leser*innen, äh Verzeihung User*innen, aus nah und fern ein lebendiges (und teilweise bewegtes Bild) davon gibt, wie bunt der Kosmos Sylt ist, was für bemerkenswerte Menschen hier leben und wie diese der wechselvollen Lage des Jahres 2020 trotzen.

„Geht Euch

denn nie der Erzählstoff aus?“ – ist die zweite Frage, die immer wieder auftaucht. Antwort: klares Nö. Wir machen das mit dem Schreiben und Gestalten hier ja schon eine Weile. Mein (Imkes) Volontariat beim SH:Z auf

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Sylt liegt 27 Jahre zurück. Seitdem war es weder menschlich noch journalistisch auch nur einen Tag langweilig. Alles andere vielleicht, aber langweilig nie. Das Meer geht da mit gutem Beispiel voran, ist jeden einzelnen Tag anders. Unvergleichlich. Immer schön.

In diesem Sinne, viel Spaß bei der Lektüre der No. 2 wünschen

Imke Wein & Anja Buchholz

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impressum

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Konzept, Design & Redaktion Imke Wein & Anja Buchholz Tel. 0162 1000 925 post@mensch-sylt.de www.mensch-sylt.de

Fotografen

Autoren

Brian Bojsen Frank Deppe Archiv Dünenwind Media Sven Erberich Marcus Friedrich Maike Hüls-Graening Susan Guetari Nann Nauke Jaschinski Juliane Kiefer Nicole Mai Wolfgang Merkle Ralf Meyer Daniel Oechsler Jens Schmidt Wolfgang Schmidt Simone Steinhardt shutterstock Sylt Connection

Hans Jessel Christa Farwick Frank Deppe Bianca Rehage

Social Media Marketing Nele Wein

Titelfoto Daniel Oechsler

Externe Links Alles, was wir hier extern verlinken, liegt außerhalb unserer Verantwortung.

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SYLT!

Inhalt / CONTENU

IN BEWEGUNG

12 Skate-Titan Titus Dittmann 20 Weltmeisterin Sonni Hönscheid 26 3 Sylter Dienstleister Die Herausforderung 2020 30 Kaltsurfer Christopher Bünger

INSPIRATION

40 Holzhäuslebauer Udo Kotzke 48 Holger Bünte & Suheyla Ferner Ist Aufwachsen auf Sylt ideal? 56 Lauschangriff beim Henner-Krogh Organisator Ron Glauth 62 Petra Stahl Zu jung fürs Lebenswerk?

BESSER LEBEN

72 Edda & Jonas Raspé Die Anderswohner 78 Dieter Jensen Und jetzt? 84 Sarah & Pius Regli Glaube, Liebe, Hoffnung


92 Nina Krainz und das Verwöhnprogramm der SyltKlinik

KAMPEN

106 Mit Gina auf Instagram-Tour 111 Was im Winter so geht?

Wenningstedt-BRADERUP

116 Elke Wenning Kultur in stürmischen Zeiten 119 Desche Behrens Mit „Onkel Johnny“ auf großer Fahrt

DIE GEDANKEN SIND FREI

130 Hans Jessel und der Fahrrad-Frust 133 Bianca Rehage und der Anspruch auf Wohnraum 136 Christa Farwick Ein liebevoller Mahnbrief 139 Frank Deppe Zu viel ist zu viel

WISSE & ERFAHRE

146 Buchtipps Apokalypse, was sonst? 150 Das Mensch, Sylt! A bis Z

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Der Weg zu allem GroĂ&#x;en geht durch die Stille Friedrich Nietzsche


https://brians-hamburg.de


TITUS DITTMANN Egal, wie die Diskussion um den Standort für den Sylter Multisportpark ausgeht: Wir haben uns den deutschen Skate-Titan mal auf der Westerländer Promenade geschnappt und mit ihm über sein bemerkenswertes Lebenswerk geplaudert.

RUBRIK:

IN BEWEGUNG 12 Skate-Titan Titus Dittmann 20 Weltmeisterin Sonni Hönscheid 26 3 Sylter Dienstleister Die Herausforderung 2020 30 Kaltsurfer Christopher Bünger

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SONNI HÖNSCHEID Ihre Welt ist bunt und strahlend. So jedenfalls die Wahrnehmung von außen. Wie die mehrfache Weltmeisterin als Surfprofi und Künstlerin mit den Unwegsamkeiten des Jahres 2020 umgeht? Sonni verrät’s.

CHRISTOPHER BÜNGER Ab aufs Wasser! Keine Ausreden! Wassertemperaturen im einstelligen Bereich und Sport im Meer widersprechen sich nicht – Surfschool-Businessman Christopher Bünger geht selbst mit guten Beispiel voran.

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DIE SKATELEGENDE TITUS DITTMANN ENGAGIERT SICH FÃœR DEN MULTIPARK AUF SYLT

AUF DER Promenade MIT TITUS FOTOS: NICOLE MAI

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{ Man könnte sich

gut eine

schei-

be von ihnen abschneiden. von den radikalen, den

gegen-denStrich-Gebürsteten, den Unbequemen,

Unbeirrbaren. Man bewundert, wenn sich

Ecken und Kanten im

Laufe eines Lebens nicht abschrubbeln an den ganzen

Widerständen, die es so gibt. Sondern

im

Gegenteil. Wenn das Älterwerden einher geht mit einem Wachstum an

Weisheit und Mut. Titus

Dittmann ist ein

Paradebeispiel für solche

Zeitgenossen*innen.

e

in Unternehmer, der auch schon mal wie Phönix wieder aus der Asche gestiegen ist, Uni-Dozent, Weltverbesserer, leidenschaftlicher Pädagoge in einer einzigen Angelegenheit: Die bewegungsorientierte Jugendkultur mit dem Brett und den Rollen voran zu bringen – auf allen Ebenen, in der ganzen Welt. „Für mich war mein Leben irgendwie konsequent, weil ich auch sowas wie Angst bei mir bekämpfe. Ich hätte ja auch als Lehrer ganz locker Beamter bleiben können – aber das wäre ja gelogen“, meint er zu dem Thema bürgerlicher Sicherheit. Er war in den späten 70er Jahren ganz fest im Sattel als Studienrat an einem Gymnasium in

Hamm, als ihn das Skaten, das frisch aus den USA kam, so faszinierte, dass er sein ganzes Leben umkrempelte, diesen Lifestyle auf allen Ebenen kultivierte und zum Business machte. Der Mann mit der Parabolantenne für Wahrnehmungen aller Art hat mit 71 Jahren nicht ein einziges Projekt, sondern viele parallel. Deswegen reist er seit neuestem auch mit einem kleinen Flugzeug selbst von A nach B. Dann ist das Reisen nicht so zeitaufwendig. „Wenn man so viele Autorennen gefahren ist wie ich, ist das jetzt keine Riesenüberforderung mit der Fliegerei“, sagt er zu den Anforderungen an ihn als Piloten.

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r hält Vorträge, bringt in Krisengebieten soziale Skateprojekte voran, macht gerade das Vorhaben „Therapeutisches Skaten“ für traumatisierte oder körperlich gehandicapte Heranwachsende durch ein wissenschaftliches Fundament „krankenkassenkompatibel“, schreibt Bücher, brennt für die pädagogische Komponente des Skatens. Seine Frau und Sohn Julius führen die Unternehmensgruppe inzwischen. „Ein Privileg, so leben zu dürfen“, sagt der Meister und skatet Fotografin Nicole Mai auf der Westerländer Promenade mal eben eine Runde vor – für die authentischen Bilder zur Geschichte. Das Brett nutzt er meistens „zum Brötchen holen“ und sagt selbst über sich: „Also, in Megaform bin ich nun wirklich gerade nicht.“ Ich finde das ziemlich krass, was der Mann hier morgens um 10 Uhr hinlegt, auf dem Brett, körperlich, aber vor allem im Kopf und verbal.

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MU EIN G P

Auf Sylt ist die Sehnsucht der aktiven Skater nach einer großen Sportstätte schon seit Jahrzehnten lebendig. Auf der Insel sind etliche kleine Rampen verteilt, die große, spannende Anlage fehlt. Die Sylter Szene reist bis jetzt für ihren Sport in die deutschen Metropolen oder eben nach Dänemark, wo Multiparks überall zum guten Ton gehören. Der Mangel soll jetzt behoben werden, das meint jedenfalls eine breite Mehrheit auf Sylt. Denn es gibt unter den Sylter Jugendlichen viel SkatePotenzial (nicht zuletzt durch die vielen Surfer).

Aber auch heranwachsende Gäste wären begeistert, außerhalb des Wassers und der „Sylt4Fun“-Halle einen wirklich spannenden Ort für Individualsport ansteuern zu können. Vor vier Jahren gründete dann der Landschaftsfotograf, Skater und leidenschaftliche Sylter Gernot Westendorf mit anderen Aktivisten einen Verein, um die Vision von der Skateanlage endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Die Planung des Sylter Skateparks lief offene Türen ein. Man entschied, den SkateGuru Rune Glifberg und Architekt Ebbe Lykke mit einer konkreten


} in dänemark gehören skateboardanlagen für alle skills und bedürfnisse zum guten ton. rune Glifberg, eine legende dieses sports, plante diese und auch die sylter anlage.

ULTIPARK GENIALES PROJEKT Planung zu beauftragen. Die beiden Dänen haben überall in Europa innovative Rollsport-Anlagen mit Leben gefüllt – darunter auch eine von Syltern angesteuerte Anlage in Kopenhagen. Die Gemeinde Sylt entschied: Skatepark Sylt soll mit seinen 3.000 Quadratmetern Fläche ein Teil des geplanten Sport-Multiparks auf dem Areal des bisherigen Sylt Stadions im Süden der Inselmetropole werden. Für den ersten von zwei Bauabschnitten des Skate-Areals wurden im Haushalt der Gemeinde knapp 800.000 € bereit gestellt. Für den zweiten und größeren Teil werden 1,7 Millionen Euro veranschlagt –

mit einem Crowdfunding hat der Skateboarding e.V. hierfür bereits Dutzende Paten gefunden.

Bei Bürgern und auch der in Politik stieß das Projekt von Anfang an auf breite Zustimmung. In etlichen Workshops im Herbst arbeiteten Kinder und Jugendliche aktiv an der Planung der Profis mit. Der Bauantrag wurde im Juni gestellt. Die Arbeiten könnten jetzt im Herbst theoretisch beginnen. In den letzten Wochen wurde von Seiten einiger Nachbarn und Unternehmer jedoch Kritik am geplanten Standort laut. Bei Gesprächsrunden mit der Öffentlichkeit trat nun

auch Skate-Urvater Titus Dittmann als Pate des Projekts auf den Plan. „Etwas Besseres als eine solche Anlage kann Sylt gar nicht passieren. Für die Locals und auch als Anziehungspunkt für die Gäste. Skateboarding ist schon längst etwas, das zwei, ja fast drei Generationen, begeistert“, sagt der Meister aus Münster.

Mehr Infos

und Spendenoptionen:

www.skateboardingsylt.de

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Skaten ist

viel mehr als ein Lifestyle. Es trainiert den Körper,

die Balance, stellt

komplexe Verknüpfungen im Hirn her, ist niedrigschwellig, fördert

die Kreativität und ist eine wunderbare Form

der Selbsterfahrung im umfänglichen Sinne.

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„I

ch engagiere mich mit meiner Stiftung ja auch dafür, Skaten als Therapie anstelle von Retalin einzusetzen – bei ADHS-Kindern hat sich das super bewährt“, versichert Titus und man ahnt sofort, dass ihn dieser Aspekt der Skate-Wirkung so interessiert, weil er selbst seit Kindheitstagen mit Hyperaktivität zu tun hat. Doch, wenn man ein vermeintliches Defizit richtig zu kanalisieren weiß, wird es zu einer seltenen Qualität. So ist es wohl im Fall von Titus. „Ich bin überzeugt, dass viele besonders krasse Unternehmerpersönlichkeiten ADHS haben… hab‘ schon etliche kennengelernt.

Würde ich gerne mal ein Buch drüber machen“, meint er, wie wir da so am Flutsaum sitzen und man ahnt, dass das entsprechende Buch nicht lange auf sich warten lassen wird. „Gesagt, getan!“ ist in Titus’ Fall keine Kalenderspruchweisheit, sondern Alltagsroutine.

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arum ist er auch sofort und persönlich auf Sylt angereist, um die Angelegenheiten des Skateparks voranzubringen, weil er die Insel mag und auf keinen Fall will, dass das

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„hier ein reines Rentnerparadies wird wie Palm Springs oder so. Das hat Sylt nicht verdient, ist doch so cool hier. Aber da muss man echt was für tun, den Spirit jung zu halten.“

Ein guter Grund für ihn, die Sylter Sache zu unterstützen, ist, weil er es hier mag und sich auch vorstellen könnte, mehr Zeit auf Sylt zu verbringen, obwohl sein Landhaus in MünsterHandorf kaum zu überbieten ist an Idylle. Aber es sind vor allem die Inhalte, die ihn brennen lassen. Kein Projekt ohne Leidenschaft. Für Sylt sieht Titus folgende Argumente, damit der Skatepark auf jeden Fall Wirklichkeit wird:

SYLT

IST COOL, aber man muss echt

was dafür tun, um den

spirit jung zu halten.

„Skaten befördert das selbstbestimmte Lernen, das elementar wichtig ist, um eine starke Persönlichkeit herauszubilden. Skaten ist viel mehr als ein Lifestyle. Es trainiert den Körper, die Balance, stellt komplexe Verknüpfungen im Hirn her, ist niedrigschwellig, fördert die Kreativität und ist eine wunderbare Form der Selbsterfahrung im umfänglichen Sinne. Man kann sich beweisen, überwindet Angst, übt soziales Miteinander. Außerhalb der Einflussnahme der heutzutage oft überbeschützenden Eltern, aber mit dem Potenzial, großartige Eltern-Kind-Erlebnisse auf dem Brett zu ermöglichen“, sagt Titus und ist so in seinem Element, dass man ihm bei seinen Ausführungen stundenlang lauschen könnte. Der Lehrer aus Berufung ist immer dann nicht weit, wenn es um diesen ganzheitlichpädagogischen Aspekt seines Sports geht. Den städtischen Standort in Westerland hält Titus für den Sylter Park für unabdingbar – ein Teil urbaner Kultur, der Westerland gut tut, lebendig hält, für junge Menschen attraktiv macht.

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Die dänischen Planer der Anlage empfindet er als einen Glücksgriff. „Es sind die Besten. Rune ist früher bei mir in Münster bei den Weltmeisterschaften angetreten. Ich freue mich schon, ihn hier wiederzutreffen.“ Titus könnte sich im Zusammenhang mit dem Sylter Projekt so gut wie alles vorstellen: Eine internationale Meisterschaft auszurichten, einfach nur mit Rat und Tat und seinem guten Namen zur Seite zu stehen und natürlich auch einen entsprechen Shop auf der Insel zu eröffnen, vielleicht mit Werkstatt, in der die Jugendlichen selbst Bretter bauen oder vielleicht sogar ein Titus-Hotel mit dem entsprechenden nachhaltigen Lifestyle, den das jüngere Publikum unbedingt sucht und der auf Sylt noch so wenig gelebt wird. Aber das ist jetzt wieder sehr wild visioniert. „Da ist alles drin“, meint der Meister jedenfalls und muss nun auch schnell los, um im Kongresszentrum Anwohner und Interessierte zu begeistern.

Mehr Infos über die Stiftung:

www.skate-aid.org

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© Sven Erberich / Meerlicht Photography

KURZ GESCHNACKT...

mit Sonni Hönsche 20 Mensch, sylt!


eid

Sonni, wo steckst Du gerade? Ich bin gerade in Frankreich, am Mittelmeer. Von hier aus habe ich jetzt auch an einem Rennen teilgenommen. Es war das dritte seit März. Die allermeisten Events weltweit sind natürlich abgesagt bzw. verlegt worden. Um fit zu bleiben, fahre ich jetzt dort mit, wo es sinnvoll und machbar erscheint. Ob sich alles im nächsten Jahr schon wieder normalisieren kann, ist ja jetzt noch gar nicht absehbar.

Ich war auf Fuerteventura. Eine verrückte Zeit. Ich kann von meinen Appartement aus das Meer sehen, konnte meinen Sport aber nicht ausüben. Zum Glück hatte ich so ein Fitness-Fahrrad, das mir ein Freund noch vorbeigebracht hatte, der sein Fitness-Studio schließen musste. So konnte ich wenigstens körperlich in einer guten Verfassung bleiben. Auf dem Wasser war ich während der Wochen aber kein einziges Mal.

Du konntest sicher die Zeit in Spanien Du bist ja normagut nutzen, um zu lerweise immer über- malen, so ganz zuall auf der Welt rückgezogen, oder? tätig, eben da, wo die So viel Muße hast Du großen Contests für ja sonst nie. das Standup-Paddling Verrückt, das haben ganz und das Wellenreiviele vermutet. Aber in ten stattfinden. Wirklichkeit empfand ich Wo hast Du die Zeit die Situation als so skurril teilweise in Spanien des ersten Lockdowns und auch absurd, dass ich verbracht? nicht die Ruhe fand, um zu malen. Ich habe die Pinsel nicht einmal angerührt.

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WAS ICH IM LOCKDOWN

AUF SYLT GENOSSEN HABE?

MIT MEINER

© Thomas Burblies / Mercedes Benz

WIE Hast Du Sylt erlebt in der stillen Zeit und jetzt im Sommer? Ich bin nach dem Lockdown auf Fuerteventura nach Sylt gekommen und musste dort nochmal zwei Wochen in Quarantäne, was eigentlich sehr heilsam war, um die letzten Wochen Revue passieren zu lassen. Als die Insel sich wieder öffnete, ist meine jüngere Schwester Janni auch mit ihrer Familie nach Sylt gekommen – und so war die ganze Familie komplett. Wir haben uns immer nur am Strand getroffen und unvergessliche Tage verbracht. Da wir alle sehr viel unterwegs sind, ist das etwas ganz Besonderes, Zeit miteinander zu verbringen – ein unbe22 Mensch, sylt!

zahlbares Geschenk! Ich habe in dieser Zeit wieder angefangen zu malen und habe auf Sylt mein Training weitergeführt. Auf der Nordsee zu paddeln, ist spannend. Jeder Tag ist anders – eine neue Herausforderung, das motiviert total. Die Insel war durch die ganze Situation natürlich sehr voll, aber ich habe immer eine ruhige Ecke gefunden und auf dem Wasser ja sowieso.

Hast Du ein Beispiel dafür, was IN dieseM Jahr so ganz anders und trotzdem irgendwie perfekt war? Dafür gibt es etliche Beispiele. Ich finde die Erfahrung großartig, mehr im Moment zu leben, jeden Augenblick zu schätzen und nicht so verplant zu

FAMILIE ZEIT AM STRAND ZU VERBRINGEN. DAS WAR DER

GRÖSSTE LUXUS, WEIL WIR SONST ALLE SO VIEL IN

DER WELT

UNTERWEGS SIND!


Während des lockdowns auf fuerteventura

© Fred Balmens

sein. Auf der Ebene der Ereignisse, fand ich das toll: Die Weltmeisterschaft „Molokai2Oahu“. Das findet auf Hawaii statt. Ich habe dort in den letzten drei Jahren gewonnen. 2020 wären dort meine Bilder ganz stark präsentiert worden. Eine Riesenehre. Der Wettbewerb konnte dieses Jahr aber nicht in gewohnter Form stattfinden, darum hat man weltweit Paddler dazu eingeladen, eine etwas kleinere Distanz zu fahren und darüber zu berichten, zu filmen, Fotos zu machen. Das war ein weltumspannendes Ereignis und hat gezeigt, wie verbunden wir in diesem Sport alle sind. Es kamen auch Menschen zum Zuge, für die die 52 offiziellen Kilometer auf offener See einfach zu hart sind. Es ging nicht

ums Gewinnen, sondern darum, dabei zu sein. Ach ja, und meine Kunst ist so auch gewürdigt worden und hat vielleicht ein noch größeres Publikum gefunden. Das war insgesamt ein tolles Erlebnis.

Wasser-Airbag-Produzenten „Res-Tube“ und dem Energy-Drink-Hersteller „Nova Energy“.

Na, das ist ja schon mal nicht ganz blöd. Wie würdest Wie kommst Du finan- Du Deinen Plan für ziell über die Run- die nächste Zeit den, wenn Du gerade beschreiben? gar keine Preisgelder Ich möchte jedem Tag ergattern kannst? Das geht sehr gut, weil ich Sponsoren habe, die auch in dieser Situation zu mir stehen: Das ist vor allem „Mercedes Benz“, von denen ich auch ein so schönes Auto habe, wo ganz viel Ausrüstung und auch das Mal-Equipment locker reinpassen. Ich werde außerdem noch gesponsert von „Starboard“ und von kleineren Firmen wie dem

Schönes abgewinnen, dankbar sein für die Menschen, die man liebt und mit einem guten Spirit anderen Mut machen. Und viel trainieren werde ich natürlich, überall dort bei Rennen mitfahren, wo es geht und auch reichlich malen. Denn nächsten Sommer stelle ich dann zum vierten Mal in Kampen aus. Darauf freue ich mich richtig.

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Glänzende Familystory Hönscheid ist ein klangvoller Name auf Sylt und weit über die Inselgrenzen hinaus. Das Familienoberhaupt, Hannchen Hönscheid, gilt als eine Art Westerländer Legende: Sie zog ihren Sohn Jürgen in den 50er und 60er Jahren alleinerziehend und im Rollstuhl sitzend auf. Eine unglaublich mutige und originelle Frau, was auch in ihrer Malerei zum Ausdruck kam. Jürgen Hönscheid wurde der Impulsgeber des Windsurfens in Deutschland. Er gründete am Brandenburger 24 Mensch, sylt!

Strand seine eigene Surfschule, die es heute immer noch gibt. 1982 wurde er zum ersten Profi-Surfer Deutschlands und prägte fortan mit seinem Lifestyle das Leben von Generationen von Syltern und surfbegeisterten Menschen weltweit. Der Sylter Surfcup wurde nicht zuletzt durch ihn populär. Mit seiner Frau Ute und der immer größer werdenden Familie (Bitsy, Sonni, Janni & Dennis, der nur drei Jahre alt wurde) waren die Hön-

scheids lange Jahre oft da auf der Welt zuhause, wo das Meer die besten Konditionen für den Sport lieferte. In den 90er Jahren wurde die Familie auf Fuerteventura sesshaft und eröffnete im zauberhaften Lajares den Surf-Shop „Northshore“. Jürgen und Ute leben inzwischen wieder vermehrt auf Sylt – Ute unterrichtet auch Wohfühlfitness beim Tourismus Service der Gemeinde Sylt (ISTS), ist Personaltrainerin und tritt damit sozusagen in die Fußstapfen ihrer


© Sven Erberich / Meerlicht Photography

Tochter Bitsy, Mama von vier Kindern und Fitnessmeisterin beim ISTS. Janni ist nicht nur durch ihr Weltklasse-Surfen eine bekannte Erscheinung, sondern auch durch ihre Arbeit als Model und die Verbindung zu Ihrem Mann Peer Kusmagk, die bei einer TV-Soap begann. Schwester Janni lebt in Potsdam und hat inzwischen zwei Kinder. Janni und Sonni traten schon mehrfach gegeneinander bei Wettkämpfen auf dem Wasser

an. Wobei der ganze Clan im „wirklichen“ Leben überhaupt nicht im Wettkampfmodus zueinander steht, sondern – trotz manchmal riesiger geografischer Distanzen – sehr eng miteinander verbunden ist. Sonni Hönscheid ist mehrfache Deutsche Meisterin im Wellenreiten, 7-fache Weltmeisterin im StandupPaddling (SUP) und erfolgreiche Pop-Art-Künstlerin. Zwischen all den Wettkämpfen und Verpflichtungen als Profi-Sportlerin entdeckte sie irgendwann auf Hawaii

die Malerei als Ausgleich zu ihrem Sport. „Beim Paddeln möchte ich immer die schnellste sein, beim Malen kann ich mir Zeit lassen.“ Heute zieren ihre sehr lebensfrohen Werke auch viele Lifestyle-Produkte. „Ich verarbeite darin auch meine Reiseerfahrungen – meine größte Inspiration ist das Meer.“ Es ist wie ein Tagebuch. Die Malerei ist Ausdruck eines Lebensgefühls“, sagt Sonni Hönscheid über ihre fröhlichen, lebendigen Bilder.

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MENSCH, SYLT – DU HAST VIELLEICHT COOLE DIENSTLEISTER

„2020? anspruchsvoll!“ Erst der Lockdown im Frühjahr, dann ein Sommer, in dem den Sylter Dienstleistern wirklich alles abverlangt wurde, dann wieder Einschränkungen im Herbst. Ein Busfahrer, eine Service-Kraft und ein Strandkorbwärter – wir haben drei „Sylter Perlen“ um ein kleines SaisonResümee gebeten.

Diese drei sympaIhr thischen Sylter findet . Die auch im RIEL-MAGAZIN etwas aktuelle Ausgabe des Sylter anderen Katalogs der ndet Vermietagentur 2021 fi Ihr ganz bald hier.

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© Maike Hüls-Graening

Ist ganz schön

Moritz Berlin, Strandkorbwärter am Kampener HaupstranD Über den Winter findet man Moritz Berlin im Betriebshof in den Kampener Dünen. Dort kann der radikale Individualist inmitten seiner handwerklichen Aufgaben auch mal seiner eher wort-

kargen Seite Raum gehen. Als Strandkorbwärter am Kampener Hauptstrand muss er jedenfalls deutlich mehr „sabbeln“ – und das steht dem gelernten Koch und Multihandwerker auch


Der erhöhte Gesprächsbedarf lag einerseits daran, dass viele neue Sylt-Gäste an den Strand kamen, die ursprünglich eigentlich eher Ausland gebucht hatten. Und auch die vielen Stammgäste, für die Moritz oftmals beinahe zur Familie gehört, wollten mehr sprechen als gewohnt. „Oft natürlich über Corona. Das war deutlich das Thema No.1“, versichert der gebürtige Hildesheimer, der über die Jahre friesischer geworden ist als mancher echte Friese. In jedem zweiten Satz blitzt seine Inselliebe hervor. Seine Freude darüber, dass er und seine Töchter auf Sylt leben, inmitten dieser berauschenden, weiten Natur, formuliert er so: „Gerade in diesem Jahr schätze ich mich so glücklich, hier zu leben. Wo alles, auch diese Krise, eben so ganz anders ist.“

Gerade in diesem Jahr schätze ich mich so glücklich, hier zu leben. Wo alles, auch diese Krise, eben so ganz anders ist.

17. März: 1. Lockdown für Sylt beginnt

4. Mai:

Zweitwohnungsbesitzer dürfen wieder auf die Insel reisen

18. Mai:

Sylt darf wieder bereist werden

2.-5. Nov.:

© Maike Hüls-Graening

nicht schlecht. „Ja, stimmt. Unsere Gäste fühlen sich manchmal durch mich sogar ganz gut unterhalten. Im Sommer 2020 war aber auch Zuhören angesagt – der Gesprächsbedarf meiner Gäste war deutlich erhöht“, konstatiert der Herr über die 320 Strandkörbe am Kampener Hauptstrand.

Corona Chronologie Sylt:

für Lockdown 2 müssen alle URLAUBER Sylt verlassen

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Waldemar Werwein SVG-Busfahrer

Waldemar Werwein hat nicht nur einen tollen Namen, er ist auch ein Supertyp. „Als Kind wollte ich immer Fernfahrer werden, wie mein Vater. Ich bin sozusagen im Truck aufgewachsen. Deswegen stand meine Berufswahl schnell fest. International LKWs zu fahren, ist allerdings nicht besonders familienkompatibel. Darum habe ich auf Busse umgeschult und fahre jetzt seit 18 Jahren auf der Insel bei der Sylter Verkehrsgesellschaft“, bringt Waldemar seinen beruflichen Werdegang mal eben auf den Punkt. Zusammen mit seiner Familie kam er als 18-jähriger Spätaussiedler aus Kasachstan nach Sylt. Fernfahrer wurde er in Flensburg. Dann entschied er sich aber für 28 Mensch, sylt!

eine Familie, die Insel und die Linien 1, 2 und 3. Denn mehr Richtungen gibt es nicht auf Sylt. „Na ja, Sonderfahrten wie die Schulbusse - die haben wir ja nun auch noch“, sagt er lächelnd. Es ist schwer, ihn aus der Ruhe zu bringen. Bei Bedarf wendet er sich auch mal über das Mikro an die Busreisenden. „Um den Gästen eine aktuelle Verkehrssituation, einen Stau oder so, zu erläutern“, ergänzt der 40-Jährige. Im Sommer 2020 musste er sich daher häufiger mal an seine Gäste wenden: „Die Situation bei mir im Bus, die war fast immer entspannt. Wir sind prima durch den Sommer 2020 gekommen. Problematisch war der Verkehr auf

Wir sind prima durch den Sommer 2020 gekommen. Trotz vieler Fahrgäste und der Hygiene-bestimmungen. Problematisch war der Verkehr auf den Inselstraßen. Es waren einfach zu viele Autos unterwegs.

den Inselstraßen. Es waren einfach zu viele Autos unterwegs“, meint einer, der es aus der täglichen Anschauung wirklich wissen muss. Waldemar liebt die Schicht von 4.30 Uhr bis 12 Uhr mittags. „Dann ist Sylt so besonders - und ich habe mit dem frühen Arbeiten nachmittags einfach viel Zeit für meine Söhne“, sagt der Vater eines 12- und eines 15-Jährigen. Er glaubt, dass es für die Insel an der Zeit wäre, den Autoverkehr in der Saison einzuschränken oder an die Vernunft der Menschen zu appellieren. Der Westerländer selbst geht mit gutem Beispiel voran: „Ich fahre mit dem Rad zum Betriebshof, dann bin ich schneller und habe zudem reichlich gute Luft getankt!“


Silke Rätzke

SERVICEKRAFT AUS DEM "MANNE PAHL" Es gibt wenige, die so unerschütterlich positiv auf die Menschen und das Weltgeschehen blicken wie Silke Rätzke. Vor über 30 Jahren nahm sie das erste Mal ein Kellnertablett in die Hand – und tut das bis heute, mit Freude.

Es kommt immer darauf an, wie man die Dinge transportiert. Es ist anders, ob ich jemanden freundlich und wohlwollend auf die Regeln hinweise oder ob ich barsch reagiere oder gar meckere. Freundlichkeit gewinnt immer.

„Ich empfinde es als Geschenk, Gästen genussvolle Momente zu bescheren. Dieser Auftrag ist in diesem Jahr natürlich etwas komplizierter einzulösen als sonst. Aber es kam von den Gästen so viel zurück“, meint die Sylterin. Seit zehn Jahren arbeitet Silke im „Manne Pahl“. Zuvor war sie mit ihrem Mann Michi („der beste

Mann der Welt!“) erfolgreich in Westerland selbstständig. Aus der Zeit davor kennen viele Sylter sie noch aus den „Sylter Bürgerstuben“ in Westerland. Die Geburt ihrer Zwillinge und das Handicap ihrer Tochter brachte Silke und ihren Mann vor 15 Jahren dazu, das eigene Restaurant aufzugeben. Zugunsten der Familie. Anouk brauchte und braucht die intensive Fürsorge ihrer Eltern - Tag und Nacht. Die Rätzkes kümmern sich aufopferungsvoll um das Wohl ihrer beiden Mädchen. „Für mich ist die Arbeit auch ein Ausgleich. Ich tanke Kraft aus meinen beiden großen Aufgaben. Nicht zuletzt, weil sie sich abwechseln“, versichert Silke, die über ein unerschöpfliches Energiereservoir zu verfügen scheint. Ihr Prinzip, das auch durch die bewegten Monate des Sommers 2020 getragen hat: „Es kommt immer darauf an, wie man die Dinge transportiert. Es ist anders, ob ich jemanden freundlich und wohlwollend auf die Regeln hinweise oder ob ich barsch reagiere oder gar meckere. Freundlichkeit gewinnt immer“, heißt ihr Credo.

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EIN INTERVIEW MIT CHRISTOPHER BÜNGER, CHEF VON SÜDKAP-SURFING

ZU KALT SURFEN? NÖ, NIE! FOTO: DANIEL OECHSLER

AA 30 Mensch, sylt!


FÜRS ?

AAAAAAAAAAAAA AAAA

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K

lischees zu Surf- und Skilehrern gibt’s ähnlich viele wie für Künstler, DJs und Rettungsschwimmer. In der Optik entspricht Christopher Bünger auf den ersten Blick 1:1 dem, was man landläufig vom Berufsstand erwarten würde. Wenn er den Mund aufmacht, sprengt der smarte Wahl-Sylter aus Brandenburg den Surfer-Boy-Rahmen dann aber schon nach wenigen Worten. Nebenbei bemerkt: Er hat in den letzten acht Jahren ein respektables Business auf Sylt aufgebaut – mit an die 30 Mitarbeiter im Sommer, zwei Schulungsspots in Wenningstedt und in Hörnum, WassersportRundum-Angebote, inklusive Segeln als Disziplin, Retreats, einem Shop in Hörnum mit eigener Textil-Kollektion sowie einem unerschöpflichen Pool an neuen Ideen. Mit „Mensch, Sylt!“ sprach er über seine Quarantäne-Zeit, den Zauber von kaltem Wasser, großen Wellen und warmem Kakao…

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Du warst als Jugendlicher in Brandenburg Leistungsschwimmer und hast Dich beruflich für die soziale Schiene entschieden, bist Kinder- und Familienpfleger geworden. Wie hast Du denn die Surferei für Dich entdeckt?

Und schon war es um Dich als anständiger Sozialarbeiter geschehen? CB: Die Freude am Um-

gang mit Menschen kommt meinen Schülern heute natürlich auch noch zugute. Aber klar: Ich habe dann viele Jahre lang dort gelebt und gearbeitet, wo man super surfen und Christopher Bünger: überhaupt Wasser sporten Ich habe mich immer sehr kann. In der Surfschule in fürs Rettungsschwimmen Westerland habe ich Erfahrungen gesammelt, im Roauf Wettkampfebene bebinson Club auf Fuertevengeistert und für den Wastura auch. Eine besonders sersport sowieso. Segeln, Wellenreiten und Windsur- tolle Zeit war es, im Club fen – habe ich alles gelernt auf Naxos das Sportteam und später auch einen Aus- zu leiten. Bei Robinson habe ich sehr viel lernen bilderschein bekommen. dürfen über QualitätsNa ja, und um ordentlich sicherung, Strategie und Wellenreiten zu können, Management von Wassermuss man natürlich auch sportschulen. zu den entsprechenden Surfspots reisen.

AAAAAAAAAAAAAA


Du bist ein guter Planer. Alles, was Du für die Saison 2020 vorbereitet hattest, musstest Du dann aber erst einmal knicken, ohne zu wissen, wie es weitergeht. Wie waren für Dich die zwei Monate ohne Gäste im Sylter Lockdown? CB: Na ja, am Anfang

kamen Corona und der Lockdown natürlich schon etwas bedrohlich daher. Es gab wahnsinnig viel zu organisieren – gerade auch wegen meiner drei festen Mitarbeiter, die dann Kurzarbeit antraten, aber auch die Saisonkräfte mussten natürlich erst einmal in den Stand by-Modus gehen. Die waren überall auf der Welt verstreut im Frühjahr. Wir haben dann regelmäßig geskypt und uns auf dem Laufenden gehalten. Mit meiner

A AAAA

Freundin Lena habe ich diese unglaubliche Stille und die mächtige Natur hier auf Sylt aber auch zutiefst genossen. Ich war viel auf dem Wasser – die Bedingungen waren oft exzellent. Eine spannende Zeit, in der klar wurde, dass man im Leben längst nicht alles planen kann. Man konnte seine Krisenfähigkeit erproben. Ich glaube, ich kann das ganz gut.

Du hattest alternative Pläne gefasst für den Fall der Fälle, dass hier über längere Zeit gar nichts mehr geht? CB: Ich hab ja mal „was

Ordentliches“ gelernt – und ich habe mich im Frühjahr tatsächlich auch in meinem Beruf beworben – bei der „Lebenshilfe“ und bei den Johannitern. Die brauchten mich aber nicht.

Und ein Konzept habe ich auch entwickelt für Wassersport mit gehandicapten Menschen. Das liegt jetzt in der Schublade, aber ganz bestimmt findet es später irgendwann seine Umsetzung. Bis zum Oktober war dann so viel, dass wir froh waren, das Tagesgeschäft zu bewältigen. Und, ach ja, einen Onlineshop für die Textilien haben wir natürlich auch entwickelt.

Mensch, sylt!

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Draußenaktivitäten, speziell Sport in der weiten Natur, sind natürlich in Coronatimes genau das, was funktioniert. Ging es denn gleich von 0 auf 100 los Mitte Mai in der Surfschule, als Sylt die Pforten öffnete? CB: Ja, aber wie. Das Tele-

fon stand nicht still. Die Leute waren gleich Mitte Mai in Hörnum und in Wenningstedt vor Ort und wollten aufs Wasser. Meine Mitarbeiterin im Office hat sich um alle Online-Umbuchungen gekümmert, denn die Hälfte unserer Plätze werden inzwischen im Voraus gebucht. Wir haben dann viel mehr Material angeschafft – Bretter, um der steigenden Nachfrage gewachsen zu sein und auch viele Neos, um den Corona-Hygienestandards Rechnung tragen zu können. Wir haben uns immer bemüht, auch die Bedürfnisse und Schulungswünsche von spontanen Gästen zu berücksichtigen. Das Feedback war superpositiv und irgendwie ging es auch alles locker von der Hand. Eine echt besondere Zeit, aber in der Herausforderung steckt ja auch etwas sehr Spannendes.

Die NeoprenAusrüstungen sind echt so gut, dass man die Kälte nicht so richtig als Ausrede nehmen kann, um nicht auch im Winter zu surfen. Ansprüchen genügt?

ins Wasser zu gehen.

Super-Coach für mein Team. Wahrscheinlich den Besten. Otto Oldenburg aus Flensburg ist Surfaktivist und Dozent für Surfschulungen an der Uni Flensburg.

[In der Zeit unseres Interviews, springen immer wieder Surfer*innen auf die Balustrade des Holzpodests hinter der Düne und überzeugen sich von den aktuellen Bedingungen.] CB: Als Service poste ich auch täglich den Swell, also die Dünung der Wellen in Ufernähe, mit einem Rundum-Panorama-Filmchen, damit Interessierte wissen, ob die Bedingungen für sie passen und sie sich auf den Weg machen sollen!

CB: Ich habe da echt einen

Hätte mich jetzt auch gewundert, Du hättest das nicht geregelt. Wo Du keinen Einfluss drauf hast, sind die Bedingungen, die Mutter Natur für den Wassersport so stellt. Wie war das denn diese Saison?

Eigentlich sind die Sylter Da war für alle BedürfSurfer ab dem Herbst, nisse, Talente und alle sobald es Schule oder Wassersport-Disziplinen Job zulassen, auf dem viel Schönes im Angebot. Weg dorthin, wo das Abgesehen davon hatten Wasser warm und die Wellen hoch sind. Das Deine Mitarbeiter kom- wir hier in Wenningstedt men von überall her. Wie direkt am Strandübergang ist diesen Winter kaum möglich. Wie geht es Dir gewährleistest Du einen unter der Surfschule eine Roten Faden, also einen wunderbare Sandbank und damit? die allerbesten Wellen, um CB: Ich glaube, Sonne habe Qualitätsstandard der Schulungen, der Deinen zu schulen und als Könner ich für dieses Leben schon 34 Mensch, sylt!

CB: (strahlt) Sagenhaft.


reichlich an meine Haut gelassen. Ich mag das Surfen und Kiten in kaltem Wasser sowieso. Außer auf Sylt surfe ich auch gerne in Dänemark, vor allem die Bedingungen in Klitmøller, oben in Nordjütland, sind grandios – das gilt dort als das „Cold Hawaii“. Die Neopren-Ausrüstungen sind echt so gut, dass man die Kälte nicht so richtig als Ausrede nehmen kann, um nicht auch im Winter zu surfen. Ein wenig sehr rustikal ist eigentlich nur der Januar und Februar hier bei uns.

Heißt also, rein ins Wasser! Die Bretter und das ganze Zeugs können Sylter ja sogar hier bei Dir in der Surfschule parken – für einen kleinen Betrag, dafür hat sich ja damals der Tourismus-Service als Verpächter des Standorts, stark gemacht. Was kostet denn jetzt so eine total neue „Ich-friereauch-bei-0-Grad-nichtAusrüstung?“

CB: Für 300 bis 400 Euro

ist man allerbestens versorgt – vom Kopf, über die Hände, bis einschließlich zu den Füßen.

die zweite Pause. Was machst Du jetzt so?

CB: Es gibt noch jede Men-

ge Nacharbeit, Feedbackgespräche mit den Mitarbeitern und neue Konzepte Und was empfiehlst Du, zu entwickeln fürs nächste Jahr. Es muss auch handwie man am besten an werklich über den Winter den Strand kommt im Winter, das An- und Aus- einiges passieren – und es gibt viel Zeit zum Surfen. strüpppen bei kleinen

Temperaturen, stelle ich mir ziemlich ätzend vor? CB: Einfach direkt schon

im Neo von zuhause losfahren… viele schwingen sich auch aufs Rad – mit Gepäckträger fürs Brett. Warme Duschen am

Die Sylter kommen auch jetzt immer ran an ihre Ausrüstung? CB: Aber klar.

Strand wären für uns natürlich ein Luxus-Traum – und für Surfen und Baden extrem saisonverlängernd. Sonst zuhause warm duschen und unbedingt heißen Kakao trinken, das hilft immer.

Deine Saison ging bis tief in den Herbst hinein, jetzt im November

Alles über Christophers Business: www.suedkap-surfing.de

Mensch, sylt!

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Leben birgt Umwege. Die Kunst besteht darin, unterwegs die Landschaft zu bewundern.


https://brians-hamburg.de


Udo kotzke redet nicht nur über Nachhaltigkeit. Er lebt sie und baut in Westerland ein Holzhaus, das revolutionärer nicht sein könnte.

RUBRIK:

INSPIRATION 40 Holzhäuslebauer Udo Kotzke 48 Holger Bünte & Suheyla Ferner Ist Aufwachsen auf Sylt ideal? 56 Lauschangriff beim Henner-Krogh Organisator Ron Glauth 62 Petra Stahl Zu jung fürs Lebenswerk?

38 Mensch, sylt!


Holger Bünte & Suheyla Ferner – zwei, die mit ihren Projekten für die Sylter Jugend begeistern. Wie ist denn nun eigentlich auf Sylt aufzuwachsen? Bullerbü oder Alptraum? Eine Annäherung an ein spannendes Thema.

RON GLAUTH macht selbst in unterschiedlichen Projekten Musik. Warum Sylt in Zukunft einen noch fruchtbareren Nährboden für junge Musiker bietet, erfahrt Ihr auf Seite 56.

PETRA STAHL die Listerin ist gerade mal 45 Jahre alt und wurde von höchster Instanz schon für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Warum dat denn? Hier steht’s.

Mensch, sylt!

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BAUVORHABEN BASTIAN 26

ENDLICH AUF DEM HOLZWEG!

In dieser Story geht’s um ein Haus. Nicht ungewöhnlich für Sylt. Es geht auf der Insel der Begehrlichkeiten und des begrenzten Raumes überdurchschnittlich oft um Häuser. Deren Anzahl, deren Nutzung, deren Preis. In diesem Fall geht’s aber um mehr: Es geht darum, wie jemand eine Vision auf den Boden bekommt. Es geht um das bisher nachhaltigste Haus der Insel. Eines, das nahezu ohne Chemie und ohne klassische Heizung auskommt. Es geht um wirklich gesundes Wohnen und um die große Hoffnung, es mit dieser Erde nicht ganz zu versauen. Es geht ums Unkonventionelle und ums Umdenken. Ein Beispiel, das inspiriert, mit alten Mustern aufzuräumen, den Mainstream zu verlassen und vielleicht ähnlich mutige Entscheidungen zu treffen. 40 Mensch, sylt!


B

austellen zu besuchen, löst Dutzende Fantasien aus. Sich vorzustellen, wer hier später so lebt und vor allen Dingen wie, ist besser als Kino. Im Geiste einzurichten – den Spirit zu spüren. Baustellen sind auf jeden Fall die allerfeinste Kulisse für Träume von Zukunft und Ankommen. Ob der „Lanserhof“ in List in seiner brachialen Monumentalität oder die unzähligen Schlumpfhausen-Doppelhäuser unter Reet überall – derzeit gibt es auf Sylt kaum Baustellen, die für Begeisterung sorgen. Lichtblick: die in der Bastianstraße 26.

Das kleine Wunderwerk, um das es sich hier dreht, liegt mitten in Westerland, versteckt in zweiter Reihe. Dieser „Rohbau“ (schon der Begriff passt so gar nicht) erfreut das Herz des aufmerksamen Passanten wegen seiner schlichten Formen, des Duftes nach Wald und Natürlichkeit, wenn man durch die noch nicht vorhandenen Südfenster eintritt. Man gibt bei der Begehung immer der Versuchung nach, über diese massiven breiten Holzaußenwände (ca. 30 cm stark sind die Wände) zu streicheln und ihre Wärme zu spüren, obwohl es draußen vielleicht saukalt

„Machen ist eben wie wollen, nur krasser.“

Fotos: Nicole Mai Visualisierungen: Architekturbüro Volquardsen

Mensch, sylt!

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und nass ist. Man spürt, wie man tief durchatmet und sich irgendwie geborgen fühlt. All das, so wird man später erfahren, ist auch wissenschaftlich untermauert. Der menschliche Organismus reagiert augenblicklich mit besseren Vitalfunktionen und einem beruhigten Puls auf das Wohnen in einem naturbelassenen Holzhaus. Vergeblich wird man auf dieser Baustelle nach viel Plastikmüll oder hochbedenklichen Dämmstoffen suchen. Trotzdem wird das Gebäude Meister in Wärmedämmung sein, die Betriebskosten minimieren und ökologisch glänzend dastehen. Oft werden Häuser dieses Bauprinzips auch verputzt oder verklinkert – das widerspricht nicht mit Cradle-to-Cradle-Prinzip*. Es gibt hier keinen Keller („Der Keller steht im Feng Shui für die Vergangenheit. Außerdem ist es auf einer Insel wirklich keine gute Idee, an die Substanz zu gehen“, meint der Bauherr.) Man erblickt auch keine Heizungsrohre, denn die wird es im klassischen Sinne nicht geben. Aber dafür viel Fensterfront nach Süd, auch nach West und Ost, so gut wie keine nach Nord. Eine 42 Mensch, sylt!

Frage der Demut vor den natürlichen Licht- und Wärmequellen. Es ist ein puristisch-schöner Ort, eine kleine Oase, in der man sich leicht vorstellen kann, wie gut es den Menschen gehen wird, die hier später wohnen dürfen. Abgefahren, oder? Wer traut sich denn sowas? Bauherr ist Udo Kotzke, der etliche spannende Angebote für sein Grundstück in den Wind schlug, um sich zu entscheiden, hier selbst das erste Haus auf Sylt zu bauen, das sehr radikal an die Widerstandsfähigkeit, die Dämmqualitäten und die hohe Materialintelligenz

„Entweder wir finden einen Weg oder wir machen einen.” Hannibal

von Holz glaubt.* „Ein Freund aus München erzählte mir von den Projekten und der patentierten Technologie von Erwin Thoma. Ich habe mich eingehend mit dieser Bauweise beschäftigt und dann gab es plötzlich keine Alternative mehr für dieses Grundstück“, versichert der umtriebige Wahl-Sylter, der selbst schon lange auf eine achtsame Lebensweise umgestellt hat. Kein Fleisch, kaum Alkohol, sich lieber selbst bewegen als bewegt zu werden – weniger ist mehr für ihn in fast allen Lebensbelangen. Er praktiziert also diesen Lifestyle, der so leicht geht, sich so gut anfühlt und den hoffentlich immer mehr Menschen für sich entdecken. Übertragen auf die Baustelle: Hier hat man den Mut und das Vertrauen, auf Synthetisches und Bedenkliches zu verzichten und sich und der Umwelt damit Gutes zu tun. Gelebt wird in der Bastianstraße 26 wahrscheinlich ab dem frühen Sommer 2021, mit Sauna und Nutzgarten, im Einklang mit den Tages- und Jahreszeiten, und warm wird es drinnen auch sein – durch Infraroterwärmung, gespeist mit solarer Ener-


gie. Das klingt fast etwas märchenhaft, aber das Haus in der Bastianstraße hat keinerlei experimentelle Note. Das Bauprinzip nach Erwin Thoma ist auf der Welt schon 2.200-fach bewährt, es sind damit sogar schone riesige Hotels, Verwaltungsgebäude und ein Krankenhaus ent-

standen, ohne Schimmel oder irgendwelche anderen Mängel. Mit Garantie. Das Prinzip baut auf jahrhundertaltes Wissen vom Bauen mit Holz. Denn naturbelassenes Massivholz ist wie eine Gratis-Klimaanlage und bindet zudem CO2.

Es ist schwer, den Haken an der Sache zu finden, selbst nach eingehender Betrachtung. Und das Ganze wird nicht mal ein Gebäude mit übertriebenem Ökocharme. Im Gegenteil. Dafür steht schon Architektin Birte Volquardsen.

Mensch, sylt!

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Denn bauen kann man nach diesem Prinzip in jeder erdenklichen Stilrichtung. Dazu kommt noch ein Aspekt für den Spirit des Ganzen: Bastian 26 wurde mit Feng-Shui-Meister Reinhold Andresen geplant, der die asiatische Lehre vom Leben in Einklang mit den natürlichen Kräften der westlichen Lebensweise angepasst hat und in der Bastianstraße dafür Sorge trägt, dass der Mensch hier reichlich Harmonie spüren wird. Ach ja, fast vergessen, das Formale: Es entstehen hier drei Wohneinheiten auf zwei Ebenen. Generalunternehmer ist die Firma Mojen aus Bönningstedt. Ab Frühsommer wird der Bauherr selbst in der Bastianstraße wohnen. Zwei Einheiten, eine davon geeignet für Menschen mit Handicap, vermietet die Agentur von Moritz Bals 44 Mensch, sylt!

an Feriengäste. Gäste, die auf einer Insel mit viel Natur auch natürlich wohnen wollen – als eine charmante, neue Form von Sylt-Exklusivität. Dass die Idee wirtschaftlich aufgehen wird, auch wenn der Bau eines solchen Hauses 15 Prozent mehr kostet als konventionelles Bauen, ist eigentlich jetzt schon klar. Denn die extrem niedrigen Betriebskosten lassen sich bestimmt prima gegenrechnen. Das vielleicht Kühnste an diesem Bauvorhaben war die Einladung von Udo Kotzke an Sylter Entscheidungsträger und Andersdenker ins Lister Naturgewaltenzentrum im September. In perfekter Talkshow-Kulisse hat er dort das Prinzip seines neuen Hauses vorgestellt – untermauert von Expertenmeinungen, mit reichlich Anschau-

ungs- und Anfühlmaterial, lecker Essen und Zeit für Austausch. Eine außergewöhnliche Veranstaltung. Da spricht jemand in großer Runde über seinen Hausbau. „Warum macht er das eigentlich?“, war die häufigst gestellte Frage des Abends. Das beantwortete Udo Kotzke ein paar Tage später auf der Baustelle ganz entspannt so: „Im Verhältnis zu den Baukosten war die Einladung ja nicht so dramatisch. Es war mir einfach eine Herzensange-


„Wäre doch schön, man könnte andere mit diesem Haus inspirieren, wirklich nachhaltig zu bauen.” legenheit, interessierten Insulanern eine gleichsam traditionelle wie zukunftsweisende Form des Bauens näher zu bringen. Als Denkanstoß oder hoffentlich auch als Inspiration für eigene Projekte“, meint der Mann, den Stillstand mehr schreckt als Neues.

Unbedingt anschauen: den Vortrag von Erwin Thoma: www.youtube.com/ watch?v=gBD8SnNHhgw

Und noch ein Link: www.bastian26.de

Und der Wunsch, diesen Anstoß zu geben, hat sich offenbar erfüllt. Bastian 26 hat begeistert und schon manchen Insulaner träumen lassen vom eigenen Thoma-Haus. Mal schauen, wer sich als nächstes traut. Wenn es doch bloß bezahlbare Grundstücke gäbe. Ein anderes Thema...

Mensch, sylt!

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STICHWORTE

FÜR MENSCHEN, DIE MEHR WISSEN WOLLEN:

ING. DR. ERWIN THOMA ist ein österreichischer Visionär, Ingenieur und Erfinder des „Holz100-Systems“. Er wuchs in der Natur auf, war schon als Kind ungeheuer fasziniert von Bäumen. Mit seinem Vorhaben, Förster werden zu wollen, setzte er sich mit traditionellen Schreinern, mit Geigenbauern und Holzknechten auseinander und begeisterte sich für die unzähligen Fähigkeiten von natürlichen Holz und den menschlichen Umgang damit. Auch sein Großvater ließ ihn teilhaben an dem Wissen von der Intelligenz des Holzes. Thoma gelang es, ein Prinzip zu entwickeln, mit dem massive Holzhäuser

gebaut werden, ohne die Verwendung von Leimen oder chemischer Bearbeitung. Denn als Verbindungsmaterial dienen ausschließlich Dübel. In der ökologischen Forstwirtschaft ist es zudem so, dass mehr Bäume gepflanzt als geerntet werden. Also ein Baumaterial, das wirklich nachhaltig ist.

und Erdbeben-sicher und meistens auch annähernd komplett energieautark. Udo Kotzke geht davon aus, dass er einen ungefähren Autarkie-Grad von 97% erreicht und während der lichtstarken Zeiten überschüssigen Strom anderen Nutzern zur Verfügung stellt.

Thoma ist ein brillanter Dozent Mit dem patentierten Holz100- und hat mehrere Bücher zu seiVerfahren sind in allen Klimanem Lebensthema geschrieben. zonen der Welt unterschiedlich Thomas Unternehmen liefert große Gebäude entstanden, u.a. das Baumaterial – auch für das ein Krankenhaus. Das spricht Sylter Projekt – maßgeschneifür sich. Diese Häuser sind dert nach den Plänen des/r immer allerbestens wärmege- Architekten*in, in diesem Fall dämmt, Brandschutz-geprüft Birte Volquardsen.

CRADLE TO CRADLE (C2C) Wenn man sich mit den Thoma-Häusern beschäftigt, taucht der Begriff häufig auf. Er ist ein Prinzip, um absolute Nachhaltigkeit zu gewährleisten. Alle Produkte eines Kreislaufes können nach der Benutzung in diesem Kontext einfach wieder in einen neuen gestellt werden. Für die Thoma-Häuser heißt das, dass sowohl das Holz, als auch das möglicherweise verwendete Metall oder der Stein in Jahrzehnten oder Jahrhunderten einfach wieder in einen neuen Zusammenhang gebracht werden können. 46 Mensch, sylt!

MONDHOLZ

Man kann in Thoma-Häusern in Deutschland übrigens auch Probewohnen. Eine Karte mit Adressen für Hotels und Ferienwohnungen: www.thoma.at

Rhythmus und Veränderung ist die Konstante, in allem, was lebendig ist. In der ökologischen Landwirtschaft ist der Anbau in bestimmten Zyklen lange etabliert und basiert auf uralten Traditionen, die oft sogar wissenschaftlich untermauert sind. Das Gleiche gilt in der Holzwirtschaft. So wurde erwiesen, dass Holz, welches bei abnehmendem Mond geerntet wird, haltbarer und geschützter ist. Thoma verwendet ausschließlich Mondholz.


ALSO:

Schottland, der Bretagne und Italien (gilt übrigens exakt für Sylt!) von einer Delta AG aufgekauft und zur Bebauung an einen Planungsstab aus Spitzenarchitekten, Bürgermeistern, Unternehmensberatern, Ingenieuren und Philosophen übergeben. Sie sollen nun diese Insel, Arbeitstitel „Republik Vineta“, zu einem Ort gestalten, in dem sich all das vereint, was Menschen für die Zukunft zum Leben brauchen.

Insulaner trifft auf Hanseat.

Auf Sylt wurde ich im Grunde noch mal erfunden, und wenn es einen Flecken Erde auf der Welt gibt, den ich küssen würde, dann ist es nicht das gelobte Land, nicht die Toscana oder Copacabana, sondern der Westellenbogen. So!

Dass es also inmitten der feindli- Und falls, so der Plan, es wirklich chen Wasserwüste plötzlich die- keine Gegen-Entwürfe, Utopien sen Bogen mit Land gab, mach- oder pathetischen Menschheitste für mich Inseln zu Wundern. Ideen mehr gebe, dann gibt es in Überall Wasser, aber plötzlich der Republik Vineta wenigstens diese aus dem diffusen, wilden noch einen „Themenpark der Blau aufsteigende Verheißung, untergegangenen Träume“: Leso als hebe die alte Dame Erde nin, ein Geschenk der Stadt Mosein Tablett in die Höhe. kau,bieten ist bereits direkt seinem “Wir Ihnen eine aus professionelle Mausoleum auf einem Schiff in Expertise, exklusive Kontakte und Richtung Marktkenntnisse.” Bottnischen Meerbulangjährige sen unterwegs; eine Guillotine aus der Französischen Revolution auch, dazu noch eine sowjetiDirekt am Ortseingang von Keitum, in Mithilfe unseres umfassenden Netzwerkes sche Rakete ausInvestoren Kuba, imund Kalten einem historischen Friesenhaus von 1831, aus Bauträgern, Architekten war siewir gerichtet aufsdieWeihat von es mit dieser glück- Krieg befindetVielleicht sich das Büro Mogck & Eberle garantieren jederzeit passende Immobilien. sind ein dynamisches Beratung. Gleichwohl, soll ob Sie Haus. Außerdem aufeinen der Kauf, lichenWir Sylt-Landung zu tun, aber ße Team, alle welches höchsten die Verkauf oderWelt-Akademie eine Projektentwicklung Insel eine ent- auf meine Stücke Wert habe auf ich entpersönliche Betreuung jedes einzelnen Sylt realisieren möchten. in der Wissenschaftler, weder auf Inseln zu Ende ge- stehen, Kunden legt. Insbesondere der diskrete @mogckundeberle und Schriftsteller aus oder gleichImmobilien auf einer Politiker Umgangschrieben mit den uns anvertrauten Welt & ein JahrImmobilien leben dürfen, lassen, denn wel- allerMogck ist für Insel uns spielen eine Selbstverständlichkeit. Eberle GmbH cher Ort eignet sich besser, die um in Ruhe endlich mal darüber Welt in einem etwas kleineren nachzudenken, wie wir denn in Maßstab nachzuzeichnen oder Zukunft eigentlich weiterleben könnten... Ich meine also: Wenn neu zu planen? man an Inseln denkt, oder im In „Republik Vineta“ wird eine Geiste Inseln plant, dann denkt leere, unbewohnte Insel im Bott- man ans Ganze. nischen Meerbusen – die aussieht wie eine Mischung aus

Ja, ein Tablett mit einer

Verheißung!

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47 Mensch, sylt!


AUF EIN KÄFFCHEN MIT HOLGER BÜNTE (INSELJUGENDPFLEGER) UND SUHEYLA FERWER (TÄNZERIN, CHOREOGRAFIN, PÄDAGOGIN)

IM EINSATZ FÜR

DIE SYLTER

JUGEND

48 Mensch, sylt!


Bauzaun gestalten an der Wilhelmine in Westerland: Generationsübergreifend und mit echtem Statement!

S

E

her gruselig oder „Bullerbü“ oder von beidem ein wenig? Auf Sylt aufwachsen: Mit Distanz geraten Menschen gerne ins romantische Schwärmen: „Muss ja traumhaft sein – so unbeschwert, immer in der Natur.“ Das stimmt. Aber nur bedingt.

ucht, Mobbing, psychische Probleme, Gewalt, Armut und soziale Ausgrenzung sind auch auf der Insel keine unbekannten Größen. Kein Vergleich mit Hamburg Billstedt, aber Sylt ist eben durchaus nicht nur heile Welt. Allerdings ist das Netzwerk für Hilfestellung und präventive Arbeit für einen kleinen Inselknust mit 16.000 Einwohnern recht engmaschig: Neben Sportvereinen, Surf Club, Musikschule und ein paar Orten der Begegnung, gibt es auch ein interdisziplinäres Beratungs- und Behandlungszentrum für Familien, das Holzhaus für soziales Lernen in der Schule und etliche niedrigschwellige Projekte, die Kreativität und soziale Kompetenz schulen und die Selbstfindung ermöglichen.

D

ie Schnittstelle in der Jugendarbeit auf Sylt: Pädagoge und Coach Holger Bünte. Mit ihm und Suheyla Ferwer, die seit 15 Jahren auf Sylt das Sommer-Tanzprojekt „Gezeiten Tanz Company“ mit Leben füllt, haben wir über beispielhafte Projekte und das Heranwachsen auf Sylt gesprochen.

Mensch, sylt!

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S 50 Mensch, sylt!

Viel mehr als ein Sommerferienprojekt: die „Gezeiten Tanz Company“ ist für viele heranwachsende Sylter ein prägendes Lebensereignis. uheyla, ein Riesenkompliment für Eure Darbietung im August 2020 in der Arena. Das war großes „Kino“, also eben nicht Kino, sondern ein grandioses Kulturerlebnis und das nicht nur, weil man in Coronazeiten so hungrig war nach Live-Bühnengeschehen. Die Sylter Kinder und Jugendlichen haben sich in Bewegung und Gesang so eindringlich mit den Konsequenzen von Corona auseinandergesetzt. Mit Isolation, Verzweiflung, Angst, mit dem Auf-sich-selbst-zurückgeworfen-sein, mit zarten und neuen Formen von Begegnung. Das hat mich sehr beeindruckt. Wie erlebst Du Sylter Kinder und Jugendliche? Suheyla: Als ausgesprochen offen, begeisterungsfähig und null aggressiv. Das kenne ich auch ganz anders aus anderen Pro-

jekten. Wenn bei den Syltern erst ein Funke übergesprungen ist, wenn die Idee für jeden Einzelnen stimmt, saugen sie den Input, den sie durch uns bekommen, förmlich in sich auf. Sie besitzen auch ein großes Durchhaltevermögen, viele eigene Ideen. Sie proben, bis das Ergebnis wirklich stimmt. Sowieso kommen die allermeisten jedes Jahr wieder. Einige tanzen auch das ganze Jahr über – bei den beiden Tanzpädagoginnen auf der Insel, Jeanne Dreessen und Sandra Andresen. Was entsteht durch solch ein Projekt für Kinder und Jugendliche? Suheyla: Ich bin immer wieder von dem künstlerischen Potenzial begeistert – schon mehrfach in den letzten 15 Jahren waren Kinder bei der „Gezeiten Tanz Company“ dabei,


Die „Betroffenen“ selbst (es gibt auf Sylt so 120 Kinder je Jahrgang, wir sprechen also von etwa 2.400 jungen Insel-Menschen) finden es in den heranwachsenden Jahren trotz allem oft eher „öde“ auf ihrer Heimatinsel. Je unabhängiger die Meinung im Laufe der Pubertät wird, desto mehr wächst bei den allermeisten die Sehnsucht, sich unbedingt außerhalb des Sandknustes zu bewähren. Für immer oder zumindest für eine ganze Weile. Denn eine Insel ist eben ein beschränkter Raum mit beschränkten Erfahrungsräumen – bei allem Bemühen der Akteure!

die das Zeug hätten, professionell zu tanzen. Das pädagogische Ziel dieses Projekts ist aber natürlich nicht, Profi-Talente zu formen, das entsteht vielleicht nebenbei, aber ich nutze in einem solchen Fall natürlich gern mein Netzwerk, damit die Jugendlichen vielleicht ihr ganzes Potenzial in einem anderen Rahmen entfalten können. Für alle bedeutet das Projekt auf jeden Fall einen Wachstumsschub, eine Selbsterfahrung. Es geht darum, neue Formen des Ausdrucks von Gefühl zu finden, gemeinsam eine Idee in eine Darbietung zu verwandeln, schöpferisch tätig zu sein, eine Position in einer Gruppe zu finden, Zuschauer zu begeistern, über sich hinauszuwachsen und wirklich ein Stück Kultur zu schaffen. Das macht stark. Im April, so Corona will, treten die Sylter Tänzer in Köln auf, auf großer Bühne – auch das ist natürlich eine Form von Herausforderung und auch Anerkennung, die Jugendliche stärkt. Du hast ein positives Menschenbild, das ist sicherlich eine Voraussetzung für den Erfolg Deiner Arbeit. Erlebst Du Sylter Kinder denn anders als die in Deinen Kölner Projekten?

Suheyla: Oh ja, schon. Du musst wissen, dass meine Projekte sonst natürlich oft in sozialen Brennpunkten stattfinden. Eines meiner Tanzprojekte realisierten wir im Gefängnis. Da geht es oft darum, die Grundregeln des respektvollen Umgangs miteinander zu erarbeiten – das erlebe ich auf Sylt überhaupt nicht so. Ich liebe das Projekt auf der Insel, für mich und meinen Assistenten ist die Arbeit hier wunderbar. Nun ist es natürlich auch so, dass die Sylter Tänzer „freiwillig“ kommen, in ihren Ferien, mit der Ambition zu tanzen. Das schafft eine gute, aufgeräumte Basis für die gemeinsame Arbeit. Auch von Seiten der Menschen und Institutionen, die vor Ort mitorganisieren, herrscht große Wertschätzung für unsere Arbeit und sie helfen mit riesigem Einsatz, dass das hier möglich ist. Es sind Freundschaften entstanden – zu Menschen wie Holger und zur Insel. Holger, Du hast ja die ganze Jugend auf Sylt im Blick. Wie würdest Du die Qualität des Inselbodens für das Wachstum von Menschenkindern beschreiben? HOLGER: Sylt ist bestimmt nicht „Bullerbü“ für jedes Kind. Die Sylter StandardFamilie gibt es natürlich

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Das Ergebnis des Filmstudios 2020 der Sylter Jugend zum Thema „Walfang“ findet Ihr hier.

nicht – genauso wenig wie woanders. Was man aber bei aller Individualität der Familien häufig beobachtet, dass Sylter Kinder und Jugendliche hier selten überbehütet werden. Eltern, gerade auch viele alleinerziehende Elternteile, sind durch die touristische Struktur und hohe Lebenshaltungskosten oft extrem beschäftigt und Kinder sind überdurchschnittlich oft auf sich gestellt.

Diese Freiheit kann auch ein großes Geschenk für die Betroffenen sein, wenn der Rahmen für das 52 Mensch, sylt!

Kind steht, verlässlich ist, und das Fundament sicher ist. Dann entsteht haufenweise Möglichkeit an kreativem Tun, Abenteuer und Selbsterfahrung. Das formt unter Umständen sehr starke und krisenfeste Persönlichkeiten. Oft wird

– gerade auf Sylt – der Mangel der Eltern an Zeit für die Kinder allerdings durch Materielles kompensiert. Kann es sein, dass Eltern, nicht nur auf Sylt,

das Handwerkszeug zur Erziehung fehlt? Ist eine Elternschule nicht eine grandiose Möglichkeit, um Eltern über pädagogische Themen ins Gespräch zu bringen? Sie in die Lage zu versetzen, die Herausforderung des Elternauftrags mit Freude und Selbstbewusstsein anzunehmen. HOLGER: Ich habe die Elternschule auf Sylt damals mit in die Welt gerufen. Es ist vielleicht inzwischen ein etwas überaltertes Format. Eltern zu stärken, ist sicher eine großartige Aufgabe, da könnte man bestimmte innovative Konzepte entwickeln.


E

s gibt auf Sylt also Raum zur Selbsterfahrung. Das sportliche Angebot ist für so einen kleinen Inselknust alles andere als mickerig. Individualsport im Wasser und Naturerfahrung gibt’s theoretisch vom Feinsten. Die künstlerischen und sozialen Entfaltungsspielräume sind übersichtlich. Aber es gibt sie. In Bezug auf Musik und Skateboarding entsteht gerade Neues. Es hängt also auf Sylt davon ab, was jede Familie aus dem besonderen Standort macht, wie konsequent Eltern vielleicht auch mal vorgeben, gemeinsam ins Kirchenkonzert oder in eines der Museen zu gehen oder eben auch mal zu reisen mit einem wie auch immer formulierten Anspruch. Was ist denn mit den Sylter Schulen, einem anderen wichtigen Nährboden fürs Heranwachsen?

HOLGER: Meine vehemente Kritik richtet sich gegen das staatliche Schulsystem per se, nicht speziell auf Sylt, sondern generell. Viele Strukturen sind irgendwann mal vor 150 Jahren, zu Zeiten der Industrialisierung, entstanden – mit 45 Minuten-Taktung, Frontalunterricht, Fächeraufteilung, einem radikalen Leistungsprinzip. Aber all das ist Schnee von vorgestern. Unsere Gesellschaft stellt ganz andere Anforderungen an einen Schulabgänger. Es gilt, große Themen global anzugehen. Wir brauchen dringend neues Denken, dafür bedarf es Menschen, die anders auf diese Aufgaben vorbereitet sind, die weit denken, kreativ, innovativ, praktisch, ganzheitlich – und diese Fähigkeiten werden in den Schulen, wie sie sich gerade darstellen, nicht wirklich angelegt. Das System ist viel zu eng – und natürlich gibt es trotzdem sensationell gute Pädagogen – auch auf Sylt. Aber die können natürlich nur innerhalb ihrer Grenzen brillant sein. Wir haben auf Sylt ja auch das dänische Schulsystem. Das bietet sicher eine Alternative, aber auch nicht für jedes Kind.

Musische und handwerkliche Ausbildung für alle. Mehr Projektarbeit. Mehr Lebenspraktisches. Mehr draußen in der Natur und in der Gesellschaft lernen, fächerübergreifend Handeln. Eingehende Beurteilung statt Noten. Jedem Jugendlichen jeden Tag eine neuen Start bieten. Individuelle Förderung. Ich sag ja immer, Waldorfschulen sind zwar nicht perfekt, aber eine grandiose Alternative. Da kann man sich so viel abgucken und das ist seit 100 Jahren bewährt. Und die Kinder machen trotzdem alle Abitur, überdurchschnittlich gut sogar. Das akademische Lernen passiert nebenbei quasi. SUHEYLA: Das auf praktische Erfahrung ausgerichtete Lernen finde ich großartig. An einem Kölner Gymnasium haben wir das Fach „Bühnenkunst“ mit sehr viel Erfolg etabliert – das wäre sicher auch für Sylt grandios. Und sowas wie Glückskunde – wo man alles erlernt, was dazu beiträgt, das Leben zu meistern, im Innen wie im Außen. Neue, interdisziplinäre Fächer wären ein Anfang.

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S

chule bedarf einer Reform, da sind wir uns einig und bis dahin gilt es, für Jugendliche weiterhin außerschulische Angebote zu schaffen, in denen sie sich austoben können, aber auch gesellschaftlich relevant tätig sind. Holger, ich finde den Begriff Jugendpfleger ja wunderbar. Pflege ist so eine sanftes Wort, das Vorsicht und Achtsamkeit beinhaltet und nicht das Überstülpen von Konzepten. Was beinhaltet Dein Amt? HOLGER: Ich bin im Auftrag der Gemeinde Sylt im Einsatz. In Kooperation mit der Schulsozialarbeit entstehen kleine und große Projekte, ebenso wie in der Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Ich bin so eine Art zentrale Schnittstelle zum Wohle der Heranwachsenden. Das „Filmstudio“ für Sylter Jugendliche jetzt in den Herbstferien ist ein gutes Beispiel für meine Arbeit: Sylter Jugendliche können in den Ferien eine Woche lang zu54 Mensch, sylt!

sammen mit Profis einen kompletten Spiel- und Dokumentar-Film zu Sylter Themen entwickeln und umsetzen. Dieses Mal ging es um den „Walfang“. Der Film wird dann natürlich auch vorgeführt. Das Projekt „Filmstudio“ wird ermöglicht von den Kooperationspartnern Sölring Museen, VHS Sylt, der Gemeinde Sylt und der Keitumer evangelischen Kirchengemeinde St. Severin. Bei mir laufen alle Fäden zusammen. Das Tanzprojekt mit Suhelya ist auch ein Beispiel für meinen Zuständigkeitsbereich als Jugendpfleger.

quenz und Bedingungslosigkeit. Aber eine ultimative Gebrauchsanleitung für gute Erziehung gibt’s natürlich nicht. Viele Wege führen nach Rom.

Holger, gibt es Garanten dafür, das Erziehung gelingt? HOLGER: Ein paar Faktoren sind sicherlich immer gut – viel Liebe, Gewaltlosigkeit im umfassenden Sinne, Regelmäßigkeit und Rituale, liebevolle Konse-

den Kinder garantiert später selbst genauso angehen. Und es ist wichtig, dass Kinder Raum haben, ihre Leidenschaften zu entdecken und sie zu leben. Materiell ist eigentlich fast immer weniger viel mehr.

Ich glaube aber, dass es total wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche erleben, wie Eltern sich für Dinge, Themen und Ideen begeistern, sich aufreiben für das, was ihnen wichtig ist, alles geben. Auch das Scheitern und der authentische Umgang damit gehört dazu. Das wer-

Was macht Corona mit mir? Die „Gezeiten Tanz Company“ beantwortet diese Frage mit einer schöpferisch hoch ausdrucksvollen Performance.


Holger Bünte ist ein Tau-

Was Holger und Suheyla sonst noch so machen: In Suheyla Ferwers Werk sind unterschiedliche Pfade zu einem Ganzen zusammengelaufen: Sie hat Biologie und Pädagogik auf Lehramt studiert, ist diplomierte Tänzerin, genoss zudem eine künstlerische Tanzausbildung an den renommiertesten Häusern. Sie hat immer mit Leidenschaft getanzt und auch unterrichtet. „Bühnenkunst“ als Schulfach an einem staatlichen Kölner Gymnasium anzubieten und mit Leben zu füllen, war einer der frühen Schritte, die unterschiedlichen Aspekte ihres Könnens zusammenzuführen. Seit vielen Jahren realisiert sie jetzt Tanzprojekte mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen – zumeist mit einem sozialen und integrativen Ansatz. Finanziert wird diese wertvolle Arbeit nicht selten durch Stiftungen.

sendsassa. Neben seinem Amt als Jugendpfleger der Gemeinde Sylt ist er auch NLP-Coach, Mentor, als Dozent im Einsatz, er bildet Lehrer mit aus, entwickelt Konzepte zum Konfliktmanagement an Grundschulen und arbeitet mit bei der Qualitätssicherung an Schulen in Schleswig-Holstein. Zusammen mit der Sylter Dorfmanagerin Gesa Michaelsen hat er auf Sylt die Ehrenamtsmesse „Hand op Hart“ ins Leben gerufen. Es gibt auf Sylt 50 aktive Vereine, die nicht selten Nachwuchs suchen. Aktuell ist er dabei, für das Thema „Ehrenamt auf Sylt“ professionelle Imagefilme zu realisieren.

NÄCHSTER WORKSHOP! Im Sommer 2020 wird die

„Gezeiten Tanz Company“

wie gewohnt in den letzten beiden Ferienwochen eine eigene Produktion kreieren. Dieses Mal ist das Projekt wieder generationsübergeifend angelegt. Wer sich angesprochen fühlt, kann sich als Teilnehmer bei Holger Bünte anmelden: holger-buente@gemeinde-sylt.de

Mensch, sylt!

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WIE GEHT'S Wie geht's jetztJETZT weiter mit WEITER MIT DEN denSYLTER SylterBANDS? Bands? LAUSCHANGRIFF BEI RON GLAUTH

Kinners, wisst Ihr eigentlich, wie gut Eure Chancen stehen, von Sylt aus eine rasante Musikerkarriere hinzulegen? Also, wenn ihr grob zwischen 16 und 50 Jahre alt seid, musikalisch kreativ und den ersten Wohnsitz auf der Insel habt…

56 Mensch, sylt!

Denn Sylt hat seit über Beim Wettbewerb 2020 drei Jahrzehnten den Henner-Krogh-Förderpreis, der nicht nur finanziell super dotiert ist, sondern vor allem die Möglichkeit bietet, musikalisches Talent in professionellem Rahmen und vor ausgesuchten Profis zu zeigen. Um dort vielleicht Geld zu gewinnen, vor allem aber ein Coaching und eine Förderung zu erfahren, die einem den Weg ebnet für mehr.

(vom Ereignis am 1. Februar stammen alle Fotos – das waren noch Zeiten) hat die Singer-Songwriterin Zaynab nicht nur den ersten Platz gewonnen, sondern auch einen von Öger Akgün gesponserten neuen Sonderpreis. „Wir haben eine Weile überlegt, welchen Zweck dieser Preis verfolgen soll. Er wird für den Gewinner eine sehr individuelle Form von Förderung bedeuten. Zynab


wird zum Beispiel in Hamburg ihre ersten eigenen Songs professionell einspielen können“, berichtet Ron Glauth, hauptberuflich Geschäftsführer der „Sylter Unternehmer“, ansonsten aber in beinahe jedem freien Moment engagiert für die Sylter Musikszene. Ron organisiert den Wettbewerb, ist im Vorsitz des Vereins der „Sylter Bands“ und arbeitet gerade an Konzepten, um für junge Sylter mehr An-

preten oder Duos, die sich beworben haben. Die richtig fette Rock- oder Popband gibt es ja gar nicht mehr so – auch nicht unter den erfolgreichen Musikern in Deutschland. Das ist eine Entwicklung, die wir gar nicht umkehren können, aber wir wollen generell die Lust daran wecken, gemeinsame Musikprojekte auf die Beine zu stellen“, meint Ron Glauth.

es also nicht für Insel-Jugendliche. Die Ideen sind zwar noch in den Kinderschuhen, eröffnen aber eine großartige Perspektive für neue musikalische Blüten auf der Insel. Auch die regelmäßigen Konzerte der Sylter Bands, z.B. die „Offenen Bühnen“ oder „Muschelrock“ auf der Westerländer Promenade, werden garantiert wieder für Begeisterung sorgen, sobald die Pandemie es erlaubt.

Fotos: © Sylt Connected

reiz zu schaffen, ein Instrument in die Hand zu nehmen, Bands zu gründen oder auch das technische Know-how zu erwerben, um Musik zu komponieren und aufzunehmen. In Zukunft soll stärker in den Fokus rücken, dass jeder Teilnehmer intensiv beraten und begleitet wird. Die Preisgelder stehen nicht länger im Vordergrund. „In den letzten Jahren waren es zumeist Einzelinter-

Mit Hilfe der segens-

reichen wirtschaftlichen Mittel der Henner-KroghStiftung ist geplant, direkt am Schulzentrum moderne Band-Projekte auf den Weg zu bringen. Zudem soll die voll eingerichtete Musikwerkstatt im Rantumer ADS-Heim intensiver genutzt werden. Eben als eine WahnsinnsMöglichkeit für Insulaner, selbst Musik zu machen.

Im engsten Austausch über den Förderpreis und all die anderen Themen ist Ron Glauth regelmäßig auch mit dem Vorsitzenden des Stiftungs-Kuratoriums, Uwe Tietjen. Aus dem Engagement für die Stiftung und den Wettbewerb ist Freundschaft geworden. Ohne Uwe Tietjen würde es den illustren Wettbewerb auf Sylt nämlich gar nicht geben.

An Optionen mangelt

Mensch, sylt!

57


HINTERGRUNDINFO

1984 verstarb der höchst begabte Folkmusiker Henner Krogh. Seine Eltern riefen in der Folge den Förderpreis ins Leben. Mit dem firmen Wunsch, dass Sylter Jugendliche künftig künstlerisch besser gefördert werden. Nach dem Tode von Frauke Krogh (1994) und Henner Krogh sen. (1998) gründete die damalige Stadt Westerland vereinbarungsgemäß die „Henner-Krogh-Stiftung zur Förderung Sylter Musiker“. Die Essenz des Stiftungskapitals ist das Henner Krogh-Haus in der Friedrichstraße, in dem u.a. die Kneipe des neuen Westerländer „Gosch-Imperiums“ untergebracht ist. Die Mieteinnahmen garantieren das nötige 58 Mensch, sylt!

Bare für den Wettbewerb und die anderen Projekte. Die Eltern Krogh übertrugen es Uwe vor 35 Jahren, den Förderpreis mit Leben zu füllen.

Natürlich

ging und geht es weder den Kroghs, noch Uwe, Ron oder all den heutigen Mitstreitern von Wettbewerb und Förderprojekten darum, Stars zu kreieren oder die richtig fette Karriere auf den Weg zu bringen. Es ist vielmehr die außergewöhnliche Option, dass Inselkinder ihre Begabung oder einfach ihre Lust auf Musik entfalten können und das kreative Tun als etwas für sich entdecken, das im besten Fall ein Leben lang trägt. „Die Problematik unserer Zeit ist, dass die Jugendlichen überflutet sind von so

vielen Reizen. Das ist zum Glück eine Frage der Fülle und nicht des Mangels und trotzdem macht es das den Jugendlichen heute nicht leichter. Wenn man ein Musikprojekt beginnt, braucht man einen langen Atem, Geduld und auch ein wenig Durchhaltevermögen. Es wäre schön, wenn wir dazu beitragen, dass Jugendliche Verbindlichkeit eingehen – in diesem Fall für die Musik.“

Den pädagogischen An-

spruch in allen Ehren, aber die Stiftung kann in den letzten Jahrzehnten durchaus auch auf große Namen verweisen – unter den Wettbewerbsteilnehmern wie in der Jury. Dort saßen schon Hochkaräter wie Till Brönner, Johannes Oerding oder Michy Reincke.


Moira

Servling, „Radau“oder „Bendix“ sind Beispiele für erfolgreiche Musiklebensläufe ehemaliger Henner Krogh-Preisträger. Westerlands Kirchenmusiker Christian Bechmann würde wahrscheinlich auch ohne Henner Krogh fantastisch Orgel und Klavier spielen können. Aber er gewann z.B. mit der Band „Obsäschn“ 2000 den Förderpreis und ist mit seinen Bandmitgliedern bis heute befreundet.

Das schillerndste Bei-

spiel für einen Musik-Karrierestart auf Sylt ist ohne Zweifel Ina Müller, die gerade jetzt im November ihr neues Album lanciert, besser im Geschäft ist denn je und 1994 den Henner-

Krogh-Preis gewann. Ein großer Freund des Wettbewerbs ist Reinhard Mey, der selbst in der Jury saß und einen eigenen Preis für den besten deutschsprachigen Song ausgelobt hat. So jetzt genug mit dem Namedropping.

Spielzeit bleiben den Teilnehmern, um Jury und Publikum im großen Saal des Westerländer Kongresszentrums von ihrem Können zu überzeugen. Nicht mehr, auch nicht weniger.

Sylt freut sich auf den

kann man sich noch bis zum 18. April 2021. Die genauen TeilnahmeBedingungen findet man hier: www.henner-krogh-stiftung.de

nächsten Wettbewerb und eine noch buntere musikalische Zukunft. Wegen der Pandemie wurde der glorreiche Abend vorerst von Anfang Februar 2021 auf den 17. Juli verlegt. Daumen drücken!

Folglich

BEWERBEN

Auch spannend:

www.sylter-bands.de

wäre sogar jetzt noch Zeit, für den Henner-Krogh-Wettbewerb eine Band zu gründen oder ein musikalisches Projekt auf den Weg zu bringen. 10 Minuten

Mensch, sylt!

59


Zur Person:

RON GLAUTH ist hauptberuflich Geschäftsführer des Vereins „Sylter Unternehmer“ organisiert aus Leidenschaft mit einem sehr engagierten Team den Henner-Krogh-Förderpreis ist im Vorstand des Vereins „Sylter Bands“ Ron ist gebürtiger Sylter mit kurzen außerinsularen Stationen. Er beschreibt seine frühe musi-

kalische Förderung als eher mager. „Die Musikschule habe ich damals nie von innen gesehen. Noten kann ich bis heute nicht.“ Seine Hinwendung zu Gitarre und Gesang war zunächst eher sporadisch und ziemlich autodidaktisch. Erst als er von der Sylter Musikerlegende Arno Kraft quasi aushilfsweise als Gitarrist bei der Blues-Rock-Band „Mojo“ angeheuert wurde, kam die Sache mit der Musik ins Rollen und bewegt ihn bis heute. Zudem ist er „musikalisch verheiratet“ mit Jutta Henningsen-Glauth, Tochter des Shanty-Chor-Chefs und selbst mit einer wunderschönen Stimme gesegnet. Ron gehörte dann auch selbst mal zu

den Teilnehmern beim HennerKrogh-Preis („vorletzter Platz“), engagierte sich beim Verein „Sylter Bands“, saß in der HennerKrogh-Jury und wurde schließlich von Uwe Tietjen gefragt, ob er sich vorstellen können, die Wettbewerbs-Orga zu übernehmen. So geschah’s. Mit Arno Kraft und Finn Tietjen macht er bis heute zusammen Musik bei den „Bandless Bastards“. Zusammen mit seiner Frau musiziert er in Jörn Ingwersens Projekt „Jörnsson“. Seine Tochter und seine Frau helfen ihm in allen HennerKrogh-Belangen mit voller Kraft. „Eigentlich sitzt der Förderpreis das ganze Jahr über bei uns am Tisch“, meint Ron schmunzelnd. ANZEIGE


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mit abstand die beste wahl


SELFMADE WOMAN PAR EXCELLENCE: PETRA STAHL

© dünenwind media

AM ANFANG WAR...

DIE AUSZEICHNUNG FÜRS LEBENSWERK 62 Mensch, sylt!


WENN MAN ERST 45 JAHRE ALT IST UND RASANT VIELE PLÄNE HAT, DANN LÖST ES VIELLEICHT AMBIVALENTE GEFÜHLE AUS, WENN MAN VON ALLERHÖCHSTER INSTANZ FÜR SEIN „LEBENSWERK“ AUSGEZEICHNET WURDE. SO GESCHEHEN IM FALL VON PETRA STAHL IN LIST.

D

enn sie ist jetzt mit (Glanz und) „Gloria“ – dem Oscar der Deutschen Kosmetikbranche – ausgezeichnet worden. Gefreut hat sich die Kosmetikerin, Chefin des einzigen privaten Spas auf der Insel und Entwicklerin der Kosmetikmarke „Syltsea“, natürlich wie verrückt. „Na ja, es heißt ja nicht, dass jetzt von mir nichts Neues mehr zu erwarten wäre. Im Gegenteil. Das beflügelt“, meint die Multikreative. Für diese Auszeichnung hatte sie ihr Unternehmen natürlich irgendwann mal ins Rennen geschickt und qualifiziert. Im letzten Herbst tauchten dann tatsächlich inkognito und unabhängig voneinander zwei Testerinnen im Spa

in der Hafenstraße auf – überzeugend getarnt als ganz normale Kundinnen. Sie waren offenbar sehr begeistert vom gesamten Stahlschen Kosmos, von Petras Können und auch von dem der anderen Mitarbeiterinnen. Die erreichte Punktzahl war jedenfalls schwer zu toppen. Der Nominierung in der Kategorie „Lebenswerk“ folgte die Entscheidung der Jury und dann die Preisvergabe, die wegen Corona nicht glamourös in Düsseldorf mit Häppchen und glitzernder Robe stattfand, sondern ganz authentisch am Lister Strand. „JEDENFALLS BIN ICH JETZT FÜRS LEBENSWERK AUSGEZEICHNET, VER-

RÜCKT, ODER?“, meint die strahlende Beauty-Expertin des Nordens inmitten ihres so wunderbar maritim gestalteten Reichs. So ganz verrückt ist das nicht. Eher total verdient. Und das sehen offenbar nicht nur die Berufenen der Branche so. Das Geschäft in List brummt. Sowohl das mit der selbst entwickelten Naturkosmetik („mit viel Meer drin“) und den anderen Produkten im Shop des Hafen-Spas, als auch das mit den individuellen Anwendungen, Massagen, Fuß- und Handpflege-Treatments der Schönheitsfarm (was für ein schönes Wort) in Hafennähe. „Wir sind jetzt zu acht hier im Team. Ich könnte aber ohne weiteres drei weitere Kolleginnen

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© dünenwind media

Im HafenSpa besitzt jede Kabine ihre besondere Note. In der Herren-Zone (oben) weht ein nordisch-rustikaler-Wind.

einstellen, und wir hätten alle zu tun“, sagt die Geschäftsfrau zufrieden. DAS ERFOLGSGEHEIMNIS? Petra Stahl beherrscht die Kunst, die Arbeitsfelder Strategie, Produktentwicklung, Marketing, Handwerk, Weiterbildung und Mitarbeiter-Coaching wunderbar zu organisieren – immer mit ein wenig Puffer dazwischen, gehetzt wirkt sie irgendwie nie und für die Familie hat sie auch noch Luft. Sie verfügt über einen Super-Ins64 Mensch, sylt!

tinkt, diese Mischung aus Erdung und innovativem Streben. Das Fundament ist solide: Ihre Mama vermittelte ihr die Zuversicht, den Glauben an das eigene Können. Der Papa ist Unternehmensberater. Sie selbst sorgte für eine facettenreiche Ausbildung in dem Fachgebiet, das sie liebt. Und jeder, der einmal bei ihr zu einer Massage oder einer „Verschönerungsaktion“ war, weiß, dass sie mehr hat als „ein gutes Händchen“ für das, was sie tut. Sie schenkt den Menschen ein Wohlgefühl, das über das kos-


"

EINE AUSZEICHNUNG FÜRS LEBENSWERK HEIßT JA NICHT, DASS MAN AB SOFORT DIE FÜßE HOCHLEGT.

metische Verschönern weit hinaus geht. Das Attribut „berufen“ passt ganz gut in ihrem Fall. WIE ALLES BEGANN? In den 90er Jahren machte Petra Ferien auf Sylt, verliebte sich in die Insel und blieb. Sie eröffnete 1999 ihr „Schönheitszimmer“ in der eigenen Wohnung. Wie fast alles, was von authentischer Qualität ist, wuchs die Zahl der Fans gerade unter den Sylterinnen blitzschnell. Und wenn Sylter begeis-

tert sind, schicken sie Gäste. Unzählige Fort- und Weiterbildungen und eine messerscharfe Analyse der Bedürfnisse am Standort führte dazu, dass Petra maßgeschneiderte Behandlungen, Massagen, Wohlfühl-Treatments entwickelte.

WIE GING’S WEITER MIT DER KARRIERE? Dreimal zog Petra in den letzten 20 Jahren um mit ihrem Business in List. Der Rahmen wurde immer größer und schicker, gewann aber vor allem an Spektrum. Die Essenz ist heute im Hafen-Spa mit Shop, viel Platz, darunter eine exklusive Herrenkabine oder die „wavebalance“-Anwendung im bewegten 500-Liter Wellenbett, noch genauso überzeugend wie im „Schönheitszimmer“.

SYLTER PRODUKTE DURCH UND DURCH? Hochwertige Naturdüfte und ebensolche Pflegesubstanzen zu mischen, war schon immer Petras Freude. „Was die großen

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© Rohde Fotografie

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ERFOLG? IST FÜR MICH,

66 Mensch, sylt!

Mangos wachsen ja definitiv nicht bei uns und bei den Algen muss ich sicherstellen, dass sie kein Mikroplastik enthalten, deswegen nutzen wir Gezüchtete (mikrobiologische Herstellung) aus dem Labor. Aber wir produzieren sehr achtsam und werden in Zukunft das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Fokus nehmen.“ WAS IST ERFOLG? Die große Anerkennung, wie jetzt durch die „Gloria“, ist natürlich nicht zu verachten. Man glaubt Petra aber aufs Wort, dass sie erfüllter nicht sein könnte, wenn ein*e

WENN UNSERE KUND*INNEN SO GANZ TIEF DURCHATMEN UND DIESEN

"

Hersteller machen, kann ich auch, nur besser“, hieß ihre Devise. In ihrer Küche komponierte sie Mischungen mit Avocado, Algen, und ätherischen Düften oder Sylter Salz mit Mango und Kakaobutter. Jedenfalls alles ganz feine Zutaten. Die Alchemisten-Kreationen fanden reißenden Absatz und tun es bis heute. Petra ließ – auch um die Hygienestandards gewährleisten zu können – die Produkte bald in einer Manufaktur im Norden mischen. Bei all den inzwischen 53 „Syltsea“-Produkten hat sie ein Argusauge auf jeden Produktionsschritt. „Nicht alle Zutaten können von Sylt kommen,

GLOW AUF IHREM GESICHT BEKOMMEN.

Kund*in unter ihren Händen tief durchatmen kann und im Laufe der Behandlung diesen entspannten Glow im Gesicht bekommt, der wirklich schön macht – ganz unabhängig vom Alter. Unternehmerisch freut sie besonders,


wenn Kunden*innen, die im Shop ein Produkt gekauft haben, online nochmal nachbestellen. „Dann habe ich erst wirklich gewonnen“, weiß die Geschäftsfrau. WAS IST SCHÖNHEIT? Petra Stahl mag gepflegte Haut, ist eine Freundin von würdevollem Altern und natürlichen Methoden. Sie arbeitet nach der Maxime: „Es geht nichts über Handarbeit. HighTech-Maschinen kommen mir nicht ins Haus. Wir möchten für ein Strahlen sorgen, das kommt auch

von innen.“ Und wer den Wunsch eines „tiefgreifendes“ Ergebnisses in Sachen Faltenbehandlung hat, für den bietet das „Hafen Spa“ einmal im Monat eine Kooperation mit einer Dermatologin. WAS IST DAS NÄCHSTE GROSSE ZIEL? Die Räumlichkeiten in der Hafenstraße 17 könnten schöner nicht sein, auch weil sie mit Stephan, ihrem heutigen Mann, ein Gegenüber hat, der es liebt, Räumen durch sein handwerkliches Tun zu mehr Seele zu verhelfen.

Tochter Romy ist zwar erst elf, äußert aber jetzt schon Ambitionen, in Mamas Fußstapfen treten zu wollen. Aber da Lebenswerk eben nicht heißt: Füße hoch! – macht Petra Stahl über diesen Winter „nebenbei“ eine Ausbildung zur „Hypnose-Therapeutin“ und folgt damit dem, was andere schon lange in ihr sehen: die Fähigkeit dort zu wirken, wo die Seele Hilfe braucht. „Meine Arbeit hat immer einen Anteil Therapie – jetzt findet das nochmal einen neuen Weg.“ www.syltsea.de ANZEIGE

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EDDA & JONAS RASPÉ Mutter und Sohn leben und arbeiten zusammen in einem Drei-GenerationsModell unter Reet. Eine Postkartenidylle. Aber funktioniert das auch in echt?

RUBRIK:

BESSER LEBEN 72 Edda & Jonas Raspé Die Anderswohner 78 Dieter Jensen Und jetzt? 84 Sarah & Pius Regli Glaube, Liebe, Hoffnung 92 Nina Krainz und das Verwöhnprogramm der SyltKlinik

70 Mensch, sylt!


DIETER JENSEN Egal, welchen Koch-Kollegen man fragt – er gilt einfach als einer der besten seiner Art. Wie der sympathische Mann aus Kampen sich die Leidenschaft für seinen Job bewahrt? Guckst Du hier…

Sarah & Pius Regli Über die gastronomische Exzellenz des kernigen „Manne-Pahl“-Wirts und seine Tochter steht viel geschrieben. Doch wie ticken Vater und Tochter in den essentiellen Lebensthemen? Glaube-Liebe-Hoffnung-Fragen – getrennt voneinander beantwortet.

NIna Krainz & Team: Die SyltKlinik ist eine ehrenwerte Reha-Einrichtung, die krebskranken Kindern und ihren Familien beim Gesundwerden hilft. „Mensch, Sylt!“ hat mal diejenigen besucht, die alles geben, um die kleinen Patienten, Eltern und Geschwister zu verwöhnen.

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WIE WOLLEN WIR IN ZUKUNFT LEBEN?

Jonas, Edda und ihr Garten FOTOS: Nicole Mai

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Mit „Mensch, Sylt“ möchten wir außergewöhnliche Lebenswürfe vorstellen. Aus denen lassen sich vielleicht keine allgemeingültigen Konzepte ableiten. Sie dürfen aber gerne dazu inspirieren, das Leben individueller, mutiger, bewusster – im Einklang mit sich und der Welt – zu gestalten.

Ein sonniger Frühherbstmorgen. Im Vorgarten des ehemaligen Bauernhauses an der Morsumer Landstraße herrscht Hochbetrieb. Die Vertreter von drei Familien bevölkern die Goldschmiede der Raspés. Sie haben gar nicht den Vorsatz, ein Schmuckstück zu erwerben. Zumindest heute nicht. Die Freunde des Hauses wollen vielmehr das neue Familienmitglied der Raspés kennenlernen:

ein schwarzes Fellknäuel mit ziemlich überdimensionierten Pfoten.

tet. Wie sich das im Alltag anfühlt haben uns die Raspés verraten.

Das ist – selbst zu den allerbesten Geschäftszeiten – völlig in Ordnung für Edda und Jonas. Soziale Nähe gehört hier irgendwie zum Lebensmodell. Die Manufaktur und die Familie, Privates und Geschäftliches, der Einsatz für das herrliche Reetdachhaus und den üppigen Nutzgarten lassen sich hier schwer bis gar nicht trennen. „Es ist wunderbar so, wie es ist. Wir haben es uns ja so ausgesucht. Aber es erfordert natürlich auch überdurchschnittlichen Einsatz, Sensibilität und Duldsamkeit miteinander, damit alles geschmeidig ineinander läuft“, lässt Jonas in seiner bedachten Art mal eben die Luft raus, aus zu verklärten Vorstellungen vom ganzheitlichen Leben im Friesenhaus-Paradies. Ohne Zweifel, es ist romantisch hier und erfüllt jedes Klischee vom authentischen Inselleben auf Sylt. Aber die Romantik ist eben auch hart erarbei-

Familienleben à la Raspé Dieses Lebensmodell geht etwa so: Drei Generationen unter einem Dach. Senior-Chefin Edda ist seit einiger Zeit in einer Art „Altersteilzeit“, wie sie es selbst liebevoll mit einem hübsch bürgerlichen Begriff beschreibt. Sie hat diesen Kosmos vor Jahrzehnten geschaffen, das ehemalige Bauernhaus zusammen mit ihrem damaligen Mann Christoph Freier liebevoll und über Jahre restauriert, den Garten angelegt. Dort wirkt die „Seniorchefin“ heute mit Vorliebe, kreiert aber auch noch Schmuck, jedoch eher nach dem Lustprinzip, engagiert sich für Inselthemen, die sie bewegen und verbringt viel Zeit mit den Enkeltöchtern. Jonas leitet die Goldschmiede, sorgt auch für das Marketing (die Fotos vom Schmuck sind grandios), backt sogar das täglich Brot selbst und bestellt den Gemüse- und

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Lustgarten – einschließlich eines akkuraten und Kräfte zehrenden Heckenschnitts. Im gleichen Haus zu leben und zu arbeiten, sei Fluch und Segen zugleich. Denn Sinnvolles zu tun, gibt es irgendwie ununterbrochen. Bewusste Momente außerhalb dieser Gemeinschaft muss man sich freischaufeln. Bei Jonas ist es das Kajaken und Surfen auf möglichst wildem Nordseewasser.

S

chwiegertochter Anna ist Lehrerin am Gymnasium und neben vielem anderen auch dafür zuständig, dass in der familiären Gemeinschaft Konflikte sofort ausgetragen und einem harmonischen Ende zugeführt werden. „Bei Anna wird immer unmittelbar gesprochen und sich auch wieder versöhnt. Da lässt sie niemanden raus. Das bewundere ich sehr“, definiert die Schwiegermutter einen der Aspekte, warum das Drei-Gene74 Mensch, sylt!

rationen-Modell bei den Raspés funktioniert. Die beiden Mädchen sind sieben und neun Jahre alt, besuchen die Dänische Schule und dürfen zuhause vor allem Kind sein – mit viel Freiheit, einem Süßigkeitentag die Woche und wenig elektronischen Medien. Familiäre Rituale geben dem Kinderleben hier einen festen Rahmen, innerhalb dessen man sich wunderbar entwickeln kann. Die beiden bringen sich in dem naturnahen Haushalt ganz von selbst mit ein: Sie haben eigene Projekte im Garten, backen, kochen, handwerken mit und entwickeln ihre Talente so ständig weiter. Noch ein Grund dafür, dass das Modell Großfamilie hier seit bald zehn Jahren so gut läuft? Jonas ist zwar hier aufgewachsen, lebte aber nach dem Abi viele Jahre fern von Sylt, arbeitete unter anderem als Goldschmied in Berlin. Anna und er ließen sich mit Welterfahrung und einer bewussten Entscheidung in Morsum nieder. Mit seinem Vater, Christoph Freier, der eine eigene Goldschmiede in Keitum führt, verbindet ihn, seine Frau und die Kinder eine innige Bezie-


hung. Beruflich ging Jonas aber deutlich seinen eigenen Weg. „Mein Vater tickt anders“, sagt Jonas frank und frei. Einen komplett anderen Weg ging auch Bruder Julian, der Anwaltspartner in der Westerländer Kanzlei „Eis & Wendt“ ist. „Für ihn wäre das hier überhaupt nichts. Er kommt trotzdem gerne vorbei“, meint Jonas augenzwinkernd über seinen Bruder. Der Schmuck Die Preziosen der beiden Kunsthandwerker sind „ein Nischenprodukt für Nischenmenschen“, wie Jonas es so schön beschreibt. Die Essenz des Schmucks à la Raspé besteht darin, Formen und Materialien aus der Sylter Natur in edle Metalle zu fassen und eventuell sogar noch mit den entsprechenden Edelsteinen zu adeln. Wenn’s denn zum Gesamtwerk passt. Oft sind aber Strandsteine die Basis. Es gibt viele Stammkunden – oft auch schon mehrere Generationen in einer Familie. Es sind meistens Menschen, die den Mainstream insgesamt nicht so suchen. Alle drei Schmuckwerkstätten im Inselosten haben einen eigenen, unverkennbaren Stil – sich auf die speziel

Mensch, sylt!

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len Wünsche der Kunden einzulassen, vielleicht sogar alte Stücke umzuarbeiten, gehört natürlich auch bei den Raspés mit zum Portfolio. Wenn die Finger eines Brautpaares vermessen werden, geht man hier immer auf Nummer sicher. „Die Aufregung ist oft so groß, deshalb empfehle ich immer, den Umfang nochmal zuhause und bei kühlem Wetter nachzumessen“, sagt Jonas lächelnd. Im Sommer nach dem Lockdown hatten die Raspés gut zu tun, allerdings auch nicht übertrieben viel. „In unserem Fall macht es keinen Sinn sehr viel zu werben und nachher die Nachfrage gar nicht bedienen zu können. Unsere Kunden möchten ja Schmuck von uns, das ist etwas sehr Persönliches. Wir nehmen so viel an, wie wir selbst schaffen können,“ beschreiben die beiden ein Unternehmensmodell, was nicht auf Wachstum und Reichtum ausgerichtet ist, sondern darauf, so viel zu erwirtschaften, dass es zum Leben reicht. Das geht vielen Menschen so, die an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Kunst arbeiten. Denn sie stehen meistens nicht auf Serienproduktion und lie76 Mensch, sylt!

ben es, selbstbestimmt zu kreieren statt die Arbeit eines Teams als Chef zu verwalten.

S

elbstbestimmtes Arbeiten – das ist doch der wahre Luxus“, meint Edda mit einem frischen Strauß orangener Ringelblumen in der Hand. Und damit sind wir dann auch im Garten. Das Grün Wenn die Zucchini-Ernte in diesem für Sylter Verhältnisse riesigen Gemüsegarten mit dem Teich, den unzähligen Beeten, den wilden Flächen und der herrlich ausgebauten Gypsie-Gartenlaube zu üppig ausgefallen ist, verschenken die Raspés auch gerne etwas von ihrem ökologisch total korrekt angepflanzten Gemüse an Freunde, Kunden und Nachbarn. „Wir verarbeiten unsere Ernte immer frisch, machen nichts ein oder so. Wenn wir dann selbst einer Sorte müde werden, quälen wir uns nicht. Es soll ja ein Genuss bleiben“, meint die Familie einstimmig. Wie

man den lehmig-feuchten Morsumer Boden hinter dem liebevoll restaurierten Haus sinnvoll bestellt, was gut nebeneinander wächst, welche Pflanze eine andere schützt und welche schadet, ist immer wieder ein Experiment. „Die Natur überrascht gerne. Wir entdecken ständig neue Regeln, die sich dann aber vielleicht gar nicht als dauerhaft gültig erweisen“, meint der Gartenmeister, der morgens immer 90 Minuten ins Grün geht (außer es ist


echtes Schiet-Wedder), bevor er sich an die Goldschmiedebank setzt. So haben sich in diesem Sommer die Schnecken über den Kohl hergemacht, der jetzt eher wie ein bizarres Kunstwerk daherkommt als wie nahrhaftes Gemüse. Die Apfelbäume haben letztes Jahr super getragen und brauchen offenbar erst einmal eine Pause. Dafür war die Kürbisernte prächtig – die „dicken Dinger“ lagern im Garten und können auch noch im Winter wunderbar verarbeitet werden. Und auch das Beet mit dem grünen Spargel ist eine Pracht. Diese Schätze der Natur schlicht zu verarbeiten und so ihre Wirkung ent-

falten zu lassen, heißt die Devise bei den Raspés in der Werkstatt und in der Küche: „Unser Gemüse mit den unterschiedlichsten Kräutern aus eigenem Anbau, Knoblauch und allerbestem Olivenöl – mehr geht

nicht“, schwärmt Jonas. Ach ja, Eier von den eigenen Hühnern gibt es zu all dem natürlich auch noch. Selbstversorger sind die Raspés noch nicht ganz – aber der Anteil der Eigenproduktion zur Ernährung der Familie ist nicht unerheblich. Das ganze System hier ist halt maßgeschneidert – man könnte es gar nicht nachahmen. Aber es zeigt, dass Lebens-

glück aus einfachen Komponenten besteht, für die man sich ins Zeug legen muss. Und was pflanzt man so an, wenn man weder viel Platz noch Erfahrung hat, als Gartenneuling

mit mittlerer Ambition? „Obstbäume oder Beerensträucher sind ein toller Anfang. Kartoffeln wachsen auch von selbst und unterschiedliche Kräuter. Das ist ein guter Anfang! Alles andere ergibt sich auch aus der Beschaffenheit des Bodens und mit der Erfahrung“, meinen Edda und Jonas – mit dem Wissen aus unzähligen Gartenexperimenten.

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WIE GEHT’S EIGENTLICH…

JENSI?

78 Mensch, sylt!


Dieter Jensen, besser bekannt als „Jensi“, ist nicht nur ein Pfundskerl, sondern auch einer der besten Köche der Insel. Man gebe ihm ein paar herrlich regionale Zutaten, und er macht – schwuppsdiwupps – etwas daraus, was man einfach immer, immer wieder essen möchte.

© Susan Guetari

F

ür alle, die Jensi noch nicht kennen oder deren Jensi-Spur sich vielleicht schon verlor, als er zusammen mit seiner Frau Bettina die „Tafelfreuden“ (jetzt „Il Ristorante“, früher „Leuchtfeuer“ im Süderweg in Kampen direkt an der Hauptstraße) führte und zu einem Lieblingstreffpunkt im Ort machte, sei verraten, was dann so kam und auf welcher Baustelle er heute für Köstlichkeiten sorgt, der leidenschaftliche Kreativ-Koch und Meister der Neo-Gutbürgerlich-Küche.

Aaaallsooo: Zusammen mit Beate und Muffel schlug er nach den „Tafelfreuden“ im „Kaamp Meren“ im Herzen Kampens auf, entschied sich dann aber, komplett neue Wege zu gehen und sich vorerst von der Selbstständigkeit zu verabschieden. Nach einer kurzen Station im „Easy Living“ (heute: „Synder“) in List, kocht er jetzt seit zwei Jahren im zauberhaften „Alten Gasthof“ und füllt dort zusammen mit Felix Knochenhauer im Service den Begriff von „Friesischer Gastlichkeit de Luxe“ mit Leben. Dort in List wird allerdings über den Winter in aller Form umgebaut. Und was bedeutet das genau für Jensi? All das und noch viel mehr, verrät er uns in einem flotten KurzInterview.

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5 + 5 = 1

Fragen

Antworten

Gesundheit? Im Frühjahr 2020 gab’s einen echten Einschlag. Ich hatte einen Herzinfarkt. Das war gar nicht so witzig. Aber ich habe keinen Moment gedacht, dass ich da nicht wieder rauskomme oder mein Leben vorbei sein könnte. Im Gegenteil. Es war der viel zitierte „Wink mit dem Zaunpfahl“. Ich war vielleicht die Jahrzehnte davor oft auch eher zu rastlos und unachtsam mit mir. Seitdem habe ich mein Leben radikal umgestellt, bin vielleicht noch ein wenig dankbarer für meine Familie, bewege mich viel an frischer Luft, nehme Auszeiten und habe, weil Köche ja selbst oft kein Stück gesund essen, meine Ernährung richtig krass umgestellt, 15 Kilo abgenommen. Fühle mich folglich so leicht wie selten. 80 Mensch, sylt!

Kurz inter view

Geheimnisse? Kein richtiges Geheimnis, aber doch schön schräg: Ich habe einen Teil meiner Ausbildung als Koch im Restaurant „Patocki“ an der Autoverladung Niebüll absolviert. Das hat sicher eine Basis geschaffen, ob jetzt so eine richtig gute, weiß ich zwar nicht, aber in jedem Fall solide und ich bin dann ja im Anschluss andere Wege gegangen. Insofern war das sicher gut mit dem „Patocki“ als Einstieg. Das hat gezeigt, dass ich meinen Beruf wirklich will.

Berufsethos? Nur so lustlos vor mich hinzukochen, als Koch-Söldner quasi, das wäre überhaupt nicht mein Ding. Ich brenne für das, was ich tue. Es gibt für mich wenig, was schöner wäre, als wenn Gäste wiederkommen, weil sie begeistert sind. Beim Kochen gibt es irgendwie keine halben Sachen. Lob von höchster Stelle, wie unlängst die 13 Punkte im „Gault Millau“, freuen mich natürlich. Das Wichtigste ist aber, dass der Gast glücklich ist. Dann bin ich es auch. Sonderwünsche zu erfüllen, ist meine Spezialdisziplin. Wenn ein Gast nicht das auf der Karte findet, was er sucht, versuche ich alles möglich zu machen. Ich selbst ernähre mich jetzt viel bewusster, ich denke, das merkt man meinen Gerichten auch an. Mich ständig weiterzuentwickeln, mit einem tollen Team – das macht halt Spaß. Gute Lebensmittel her


Und noch eine Frage: – und ich bin in meinem Element. Daran hat sich nach 31 Jahren nichts geändert. Wenn ich meine kreative Ader leben kann, geht es mir gut.

Zuhause? Ich lebe seit drei Jahrzehnten auf Sylt. Die Insel ist sowas von mein Zuhause – in jeder Hinsicht. Ich wohne mit meiner Frau und meinem Sohn in einer bezahlbaren Wohnung mit Garten in Kampen. Das ist ein Riesenglück – an einem der schönsten Orte überhaupt zu wohnen, mit einer so intakten dörflichen Gemeinschaft. Da sind wir beschenkt.

Zukunft? Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, nicht in meinem Beruf zu arbeiten. Wenn mich ein Konzept überzeugt, wie jetzt der „Alte Gasthof“ mit seinem Anspruch und seinem Ambiente, fülle ich das mit einem guten Team gerne mit Leben. Bei einer erneuten Selbstständigkeit würde meine Frau wahrscheinlich streiken und das größte Glück, was ich habe, werde ich gewiss nicht in Frage stellen. Aber ich begeistere mich total für neue Restaurantkonzepte. Die nächste Zukunft sieht so aus: Der „Alte Gasthof“ wird diesen Winter umgebaut und ich werde eine Weile im „Hotel Stadt Hamburg“ kochen, was ja auch zur LindtnerGruppe gehört. Und über andere mögliche Veränderungen der ganz weiten Zukunft, kann ich ja nichts sagen. Die Corona-Zeit lehrt uns, ganz im Moment zu sein.

Warum gibt es auf Sylt noch kein einziges vegetarischveganes Restaurant? Wieso es das bisher noch nicht gibt, ist eigentlich wirklich kurios, wenn man überlegt, dass es in bestimmten Stadtteilen Berlins gar nichts mehr mit Fleisch gibt – außer vielleicht in der Dönerbude. Bestimmt war die Nachfrage auf Sylt bisher noch nicht so erheblich, dass kann ich aus dem „Alten Gasthof“ bestätigen, obwohl wir natürlich immer entsprechende Gerichte auf der Karte haben oder ich eben „Spezialanfertigungen“ mache. Das Bedürfnis nach vegetarisch und ökologisch korrekt steigt aber auch auf Sylt und ich würde denken, es ist ist höchste Zeit für ein originelles VeggiRestaurant.

Mensch, sylt!

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Eigentlich

sind „Jensis Königsberger Klopse“ sein Lieblingsessen. Aber die will er jetzt ja nicht mehr so oft essen wegen Ernährungsumstellung und so. Und das Rezept rückt er auch nicht heraus. Dafür hat er sich einen Drink ausgedacht, der selbst die kältesten Spaziergang-am-MeerFüße wieder warm macht, und das ganz ohne Umdrehungen. Zudem ist die Zubereitung absolut keine Überforderung...

Eierpunsch ohne 750 ml Mandelmilch 150g brauner Zucker 1 Orange 1/2 Vanilleschote 1/2 TL Zimt geriebener Ingwer 4 Eigelb

82 Mensch, sylt!

Zutaten einmal aufkochen und abschmecken. Eigelb mit einem Stabmixer in die warme Flüssigkeit einrühren.


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Jensis RestaurantTipps: Der S-Point wegen der Lage hinter der Düne in Westerland, der guten Laune des Teams und der witzigen Bistro-Küche – auch vegetarisch. www.s-point-sylt.de

Ein kleines Hotel mit vielen Qualitäten

Das Gogärtchen, weil das Chef-Trio die TraditionsLocation einfach perfekt bespielt. www.gogaertchen.com

Der Eintopf-KnubbelFoodtruck vor dem EdekaMarkt Gehrke in Westerland, weil Franzi hier so gut kocht und eine gute Suppe am Mittag einfach glücklich macht. www.facebook.com/eintopfsylt/

Das Siam gegenüber vom „Aquarium“, weil gerade Sylter manchmal einfach Lust haben auf ein wenig konventionelle asiatische Exotik – auch zum Mitnehmen. www.siamsylt.de

Ahnenhof GmbH & Co. KG | Kurhausstraße 8 | 25999 Kampen/Sylt Tel. 04651 426 45 | info@ahnenhof.de | www.ahnenhof.de


DER TEST Sarah (Tochter) & Pius (Vater) & die groĂ&#x;en Lebensfragen

Glaube Liebe Hoffnung von Imke Wein

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e

WAS ist für dich ein

genuss moment

s Vater und Tochter. Pius und Sarah. Arbeiten zusammen (im „Manne Pahl“ in Kampen), verstehen sich erstklassig, verbringen sogar liebend gerne ihre freie Zeit miteinander. Aber wie ähnlich ticken Vater und Tochter denn eigentlich? Wie weit fällt der Apfel denn nun vom Birnbaum? Höchste Zeit, das für „Mensch, Sylt!“ herauszubekommen und die beiden mal getrennt voneinander (!!!) zu den großen Themen des Lebens zu befragen…

?

Unreglementierte Zeit zu genießen – allein, mit meinem Hund oder mit meinen Liebsten. Gutes Essen und guter Wein gehören auch dazu. Gutes Essen heißt dabei nicht unbedingt, dass es fancy sein muss. Ich liebe Klassiker – Coq au Vin zum Beispiel von einem glücklichen Huhn, gut gemacht. Dazu: ein Riesling. Genauer gesagt von J.J. Prüm von der Mosel. Steht auch auf unserer Karte…

P

Jetzt, wo die Zielgerade schon etwas näher rückt, kommt ein Genussmoment deutlich anders daher als früher. Beispiel: Toast mit Foie Gras – ist saulecker. Könnte ich aber heute nicht mehr genießen, mit dem Wissen, was die Gans, die arme Kreatur, alles durchstehen musste. Also Genuss ist für mich heute oft deutlich stiller, simpler und dankbarer erlebt als früher. Mein Wein zum Genussmoment: Pinot Noir aus Deutschland.

WIE IST DEIN VERHÄLTNIS ZUM THEMA

DISZIPLIN?

s

?

Ich bin sehr diszipliniert geworden mit der Zeit, liebe aber durchaus das Wilde, vor allem bei anderen. Disziplin darf nicht die Spontanität killen.

Mensch, sylt!

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Da gilt es, Balance zu finden. Wenn eine Freundin spontan mit mir Kaffee trinken möchte, versuche ich das immer möglich zu machen. Was bei mir nicht geht, ist z.B. ein tägliches Feierabendgetränk oder der Wein mit Gästen aus Gewohnheit, da bin ich ziemlich konsequent im NeinSagen.

P

Disziplin und Chaos sind zwei Pole, die ich beide kenne, schätze und ständig ausbalanciere. Zu gutem Chaos gehört viel Disziplin. Zuverlässig bin ich zu 100 Prozent und das ist mir wichtig. Bei den Menschen um mich herum schlägt mein Herz wie wild für Underdogs mit hohem Chaospotenzial.

HAST DU EIN

EMOTIONALES WESEN

s

Da war ich früher viel gelassener als heute. Das überrascht mich selbst

86 Mensch, sylt!

BIST DU KARITATIV UND

EHRENAMTLICH UNTERWEGS

s ?

Leider, oder vielleicht auch besser: zum Glück, ja! Manchmal findet meine Empathie auch sehr erstaunliche Wege. Bei einem Betriebsausflug nach Liverpool musste ich unbedingt aus dem Restaurant raus, in dem wir aßen, und den Obdachlosen vor der Tür mit warmen Essen versorgen. Da kann ich einfach nicht anders, auch wenn das vielleicht nicht wirklich was verändert, aber zumindest war er an dem Abend satt.

P

manchmal. Aber ich kann Ungerechtigkeit immer weniger ab und reagiere dann auch gerne richtig emotional. Da habe ich mich neulich doch wirklich mal vehement mit einem Gast angelegt, wäre mir früher nie passiert oder wenn beispielsweise jemand seinen Autoaschenbecher am Sylter Straßenrand ausleert, könnte ich heute auch schonmal zum H.B.-Männchen werden und ausrasten… dabei habe ich das in den 70er Jahren womöglich selbst gemacht. Ja, ja, das Älterwerden ist überraschend aufregend – mit all seinem Wandel.

?

Ich spende ungern blind. Aber wenn mich jemand anruft aus dem Freundeskreis und sein Projekt erklärt und mich überzeugt, dann helfe ich immer. Vor allem im Tierschutz – das ist halt mein Thema. Auf zukünftige Ehrenämter freue ich mich schon, da kann ich mir ganz viel vorstellen.

P

Ehrenamtlich war ich schon hoch und runter unterwegs. Aber auch für die Zukunft ist da noch einiges drin. Bei karitativen Projekten stehe ich auf Sofortmaßnahmen. Wenn mich der Mensch oder das Vorhaben überzeugt und ich echt helfen kann, kann ich nur schwer „nein“ sagen. (Da hat mir Pius eine coole Geschichten zu erzählt, die wollte er nicht veröffentlich wissen – müsst Ihr ihn mal selbst drauf ansprechen.


Ich glaube immer an das GUTE, vor allem im direkten Umfeld.

Mensch, sylt!

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Ich verstehe was von Menschen und vom Leben. Sonst kann ich ja nix.

88 Mensch, sylt!


Stichwort: „Hamburger Hauptbahnhof“. Dann haut er die Anekdote garantiert raus!)

BIST DU

POLITISCH

s

?

Auf jeden Fall sehr interessiert und mit einer klaren Haltung unterwegs. Allerdings ist mir Parteipolitik oft zu engstirnig, ich werde wahrscheinlich in diesem Leben kein Mitglied in einer Partei.

P

Ich bin total politisch und wahrscheinlich immer gerne auch einen Hauch überinformiert. Bin aber auch glücklich, Schweizer zu sein, ohne Wahlrecht in Deutschland, ich bleib da mal neutral, wüsste auch nicht, wen ich wählen sollte. Es mangelt an tollen Persönlichkeiten. Mit Gregor Gysi habe ich hier mal einen Abend verbracht, der war legendär. Brillante Geister faszinieren mich aber sowieso – egal aus welchem Lebensbereich.

GLAUBST DU AN "AM ENDE WIRD ALLES GUT" BZW. AN DAS

MODELL MENSCH GENERELL?

s

Unbedingt. Ich glaube immer an das Gute, vor allem im direkten Umfeld. Papa und ich ticken da ähnlich. Wir sind immer wieder naiv und lieben das Vertrauen. Obwohl

das Modell Mensch grundsätzlich tatsächlich ganz schön störanfällig ist und unterm Strich viel Mist verzapft. Trotzdem sollte man selbst immer das Beste geben und an das Beste glauben.

P

Puh… ich glaube, der Mensch wird es schon schaffen, sich selbst und die Erde zugrunde zu richten. Ganz gewiss und das, wozu der Mensch in der Lage ist an Wahnsinn und Grausamkeit, das lässt mich alles andere als unberührt. Trotzdem bin ich kein Pessimist. Ich liebe Menschen – mit all ihren Macken und möglichen Abgründen. Deswegen bin ich auch Gastronom. Ich verstehe etwas von Menschen und vom Leben. Sonst kann ich ja nix.

BIST DU

RELIGIÖS

?

s

Nein, ich bin totale Atheistin, ist bei uns auch in der Familie nicht angelegt, das Thema. Ich glaube allerdings an Karma und Gerechtigkeit. Also, Karma im Sinne von: Tue möglichst viel Gutes. Das Böse rächt sich irgendwann. Davon gehe ich jedenfalls aus.

P

Pius (= der Fromme): Der Name trügt. Ich bin zwar katholisch getauft und war Messdiener, wurde dann aber bald entschieden abtrünnig und bin erklärter Atheist.

Mensch, sylt!

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LEBST DU

ÖKOLOGISCH EINWANDFREI

s ?

Ich habe schon eine 180-Grad-Drehung gemacht, aber Sarah ohne Auto und ohne Fernreisen – das geht halt noch nicht. Aber im Lebenswandel versuche ich schon bescheiden zu sein, dankbar und mit viel Respekt vor der Umwelt. Auch im Laden setzen wir immer mehr auf Nachhaltigkeit und auf faire, regionale Produkte. Ein wirklich durch und durch nachhaltiges Gastro-Konzept – das müsste man auf Sylt an einer anderen Stelle machen. Wird höchste Zeit.

P

Klares „Nein“ für etliche Bereiche. Ich bin Schnitzelwirt, was soll ich sagen. Wenn ich jetzt plötzlich auf komplett „vegan“ machen würde, wäre das wenig glaubwürdig an dieser Stelle. Aber ich bin an den Themen dran und versuche sehr bewusst zu leben.

GIBT ES EIN BEDEUTSAMES

ZUKUNFTSPROJEKT?

s

Auf jeden Fall – ich denke drüber nach, auch nochmal was ganz Anderes zu machen. Weit weg von der Gastronomie. Ich mache das hier supergerne zusammen mit meinem Papa, aber ohne ihn, da hätte ich keinen Spaß dran.

Gehaltvolle Vater-Tochter-Momente gibt es bei diesem Duo beruflich wie privat. 90 Mensch, sylt!

P

Habe ich schwer auf dem Zettel, das mit dem Projekt, denn die Zielgerade rückt ja – wie gesagt – näher. Orang Utans retten in Borneo, wahlweise Bären in Rumänien – das wär was. Ohne Scheiß.


LIEBE LEBEN?

GIBT ES DIE FÜRS

s P

Ja, unbedingt und ich könnte das auch leben. Bin mir sicher.

Jein. Es gibt sie in jedem Fall, diese große Liebe. Allerdings verändert sich ja jeder im Laufe eines Leben extrem, durchläuft verschiedene Phasen. Bedürfnisse ändern sich, die Wertvorstellungen, die Schwerpunkte. Da bedarf es entweder übermenschlicher Fähigkeiten oder sehr viel Weisheit, wenn es gelingen sollte, dass die eine große Liebe ein Leben lang trägt. Und zwar für beide und nicht als Zweckgemeinschaft. Das geht, ist aber selten, sehr selten. Beispiel aus eigenem Erleben: Die Beziehung, in der ich jetzt glücklich bin, hätte wahrscheinlich vor 20 Jahren noch nicht funktioniert. Also ein Jein auf diese Frage – ein klares Jein.

DER STELLENWERT VON

GELD?

s

Hat an sich überhaupt keinen Wert. Man lebt nur einmal und sollte großzügig sein. Trotzdem bin ich sehr vernünftig im Umgang mit Geld.

P

Ich war in meinem Leben als junger Mann schon so oft pleite, dass ich sehr demütig bin und anerkenne, dass Geld ein gewisse Freiheit ermöglicht, zu gestalten. Wenn Menschen das gut und auch für andere nutzen, bin ich beeindruckt. Besitzer von viel Geld respektiere ich allerdings null für diese Eigenschaft, sondern dafür, was sie daraus machen.

KENNST DU

ÄNGSTE?

s

Existentiell für mich selbst nicht. Aber weil ich Verantwortung für andere trage, hat mich zum Beispiel Corona anfangs beeindruckt. Ich glaube, empfindsame Menschen kennen alle das Gefühl von Angst, das lässt sich ja auch positiv nutzen. Es gilt halt damit umzugehen.

P

Alle möglichen Ängste. Aber auf keinen Fall vor dem Tod, der ist mein Freund. Dadurch, dass das Leben vergänglich ist, bekommt es seine Qualität. Und ich genieße wirklich jeden Tag.

FAZIT:

Geht doch. Kein Wunder, dass die beiden sich so gut vertragen. Sie sind halt durch und durch aus dem gleichen Holz geschnitzt und lassen dem/ DER anderen trotzdem seine/IHRE Eigenarten.

Mensch, sylt!

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Das ist Nina Krainz. Sie arbeitet seit 25 Jahren in der SyltKlinik, begann als Köchin und ist heute die Bereichsleiterin für den Service und die Technik im Hause.

» ZU GAST IN DER SYLTKLINIK

KOCHEN MIT

SINN 92 Mensch, sylt!


Die SyltKlinik ist ein dankbarer Kosmos, um über den Umgang mit Schicksalsschlägen zu berichten, über ein geniales Reha-Konzept, über sinnvolle Arbeit, hingebungsvolle Profis. Geschichten aus der Syltklinik sind ein Garant für LeserInteresse. Denn in dem kleinen Klinikdorf zwischen Wenningstedter Friesenkapelle und Campingplatz werden krebskranke Kinder inklusive ihrer Familien behandelt. Im Fokus der Reha-Maßnahme steht jedes einzelne Familienmitglied – mit seinen medizinischen und seelischen Bedürfnissen – aber auch die Paarbeziehung der Eltern, die Geschwisterkinder sowie die Familie als Ganzes.

S

pektakulär ist das Therapiekonzept in der kleinen Klinik hinter der Düne, ebenso die Erfolge, die auch jeder wissenschaftlichen Betrachtung standhalten. Über das Therapeutische wird intensiv berichtet, über die Spenden, die dieses Haus erreicht, über die medizinische und psychologische Arbeit. Selten im Mittelpunkt steht das Küchen- und Serviceteam der Klinik, obwohl dieser Bereich zum Gesunden der Familie ganz erheblich beiträgt.

„Das größte Lob für uns? Wenn Gäste viel reisen oder SELBST in der Gastronomie arbeiten und sagen: „So wie wir hier verwöhnt werden, da kommt so schnell kein gutes Hotel mit“, berichtet die immer strahlende Nina Krainz, während um sie herum der Speisesaal für das Mittagessen vorbereitet wird. Die gelernte Köchin brennt seit

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Kinderarzt Stefan Werner interessiert sich sehr für den medizinischen Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit. Und links: Das Küchen- und ServiceTeam der SyltKlinik

25 Jahren für ihren Job in der SyltKlinik. „Ich muss mich an keinem Tag fragen, ob es sinnvoll ist, was ich tue“, meint sie dazu. Nina Krainz leitet den Hausund Technikbereich der Klinik mit 25 Kollegen*innen – vom Hausmeister, über die Ökotrophologin bis hin zum Kochazubi. Zudem sind die Bauprojekte im Haus eines ihrer beruflichen Steckenpferde.

bwohl sie seit vielen Jahren nicht mehr auf Sylt lebt, täglich aus Büttjebüll in Nordfriesland anreist 94 Mensch, sylt!

und oft weit mehr als zwölf Stunden im Auftrag der Arbeit unterwegs ist, stellt sie ihren Job selten bis nie in Frage: „Die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Therapie, Medizin, Verwaltung, Psychologie macht das Ganze so spannend. Und ganz ehrlich: Was gibt es Schöneres als Menschen zu verwöhnen, die gerade neue Kraft tanken müssen?“, meint Nina und die Antwort muss man nicht lange suchen. Gutes Essen heißt in der Sylt-Klinik: So viel frische Kost wie möglich, leckere Smoothies mit viel „Zong“, Wasser mit Obst oder Kräutern „gepimpt“, selbstgebackene Brötchen in Bio-Qualität, Mittagsgerichte nach Wahl, weniger Fleisch, mehr Gemüse, mehr Frisches als aus der Konserve, mehr Bio, weniger Konventionelles und auch mal handgebackene Kuchen. „Oft haben unsere Gäste in der akuten Zeit der Erkrankung vor lauter Stress ihre Ernährungsgewohnheiten aus den Augen verloren. Das wieder zu erlernen oder auch ganz neue Impulse mitzunehmen, ist ein Ziel des Aufenthaltes hier“, meint Nina. Gewichtszuoder -abnahmen, Stress,


Angst, unausgewogenes Essen, zu viel Zucker und schlechte Fette – all das ist die Regel, wenn eine Familie um ein Kind mit Krebs bangt.

arum bietet die Klinik auch regelmäßig Kochkurse für Kinder und die Familie an, um umzudenken, sich neu zu kalibrieren. Allerdings sind die Kochkurse erst wieder aktuell, wenn die Pandemie ausgestanden ist oder zumindest wieder mehr Begegnung auf dem Klinikgelände möglich ist. Spezielle Ernährungsbedürfnisse oder Unverträglichkeiten bei den Gästen werden vom Küchen- und Serviceteam natürlich berücksichtigt. „In einer Reha haben wir mal gar keine einzige Nuss mehr verarbeitet, weil einfach zu viele Gäste Allergien hatten – wir wollten nichts riskieren“, benennt Koch André Kipke in seinem Büro ein Beispiel für Allergien und Unverträglichkeiten.

Die Familienmitglieder werden vor Antritt der Reha und bei den ersten Untersuchungen eingehend nach ihren Bedürfnissen befragt. Und das gesamte Klinik-Team entwickelt einen Plan für jeden einzelnen – da gehört der Bereich der Ernährung natürlich unbedingt dazu. Für den ganzheitlichen Erfolg. „Wenn eines der krebskranken Kinder durch die Therapie spezielle Anforderungen an das Essen hat, keinen Appetit verspürt oder die Geschmacksknospen nur eingeschränkt funktionieren, gibt es einen kleins-

„Beim Mittagessen sind wir mit im Speisesaal – zur Essensausgabe. Das genieße ich besonders. Es kommt so viel zurück. Unsere Gäste sind so dankbar.“ (ANDRÉ KIPKE) Matthes Ewaldsen kommt aus dem À-la-Carte-Geschäft und mag vor allem die Sinnhaftigkeit seiner Arbeit.

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Wieder mehr Bewusstsein in das Thema Essen zu bringen, das ist unser Ziel. Denn das ist die Basis für Gesundheit“

96 Mensch, sylt!

ten gemeinsamen Nenner bei allen Kindern: Nudeln mit oder ohne Tomatensauce, gehen eigentlich immer“, weiß Ninas Vertreterin Cindy Diekmann aus langjähriger Erfahrung.

Abstimmung steht. Wenn ein Junge oder ein Mädchen mit echten Essstörungen auffällig wird, kommt natürlich das Psychologenteam ins Spiel. „Oft wird ein gestörtes Essverhalten von Geschwistern erst hier offenbar, weil erst dann die Zeit ist, um sich wieder wahrzunehmen. Dann kann hier darauf eingegangen werden, um später zuhause therapeutisch weiter zu machen“, berichtet Viola.

ie Cindy mag auch Ökotrophologin (Ernährungswissenschaftlerin) Viola Trost ihre Arbeit dafür, wirklich etwas bewegen zu können. In Violas Aufgabenbereich fällt es, in Einzelberatungen zu erfahren, dass eine Familie Ernährungsgewohnheiten komplett umstellen möchte. „Dabei helfen wir natürlich auch, wenn es ein echtes Anliegen ist. Wieder mehr Bewusstsein in das Thema Essen zu bringen, das ist unser Ziel. Denn das ist die Basis für Gesundheit“, versichert Viola, die mit der Küche, aber auch mit den Medizinern und Psychologen im Haus in

Im ärztlichen Bereich kann die Klinik auch auf jemanden verweisen, der sich intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit befasst: Kinderarzt Stefan Werner ist gerade auf dem Weg, die Zusatzqualifikation zum Ernährungsmediziner zu erwerben. „Diese Arbeit hier in der Klinik entspricht mir total, weil sie so facettenreich ist. Bei Geschwistern und den Eltern sehen wir natürlich auch die verschiedensten Krankheitsbilder, bei denen man helfen kann. Und was die krebskranken Kinder anbelangt, so ist es so wohltuend zu wissen, dass gerade die jüngeren Patienten, die häufig an einer Form von Blutkrebs erkrankt sind, in 92 Prozent der Fälle geheilt sein werden. Bei den Heranwachsenden ist das manchmal anders. Knochenkrebs hat


eine andere Prognose – und da gibt es natürlich auch hier schwere Momente. Manchmal kommen Familien nach ein paar Jahren nochmal wieder, weil es einen Rückfall gegeben hat oder die Behandlung langwierig ist. Und natürlich: ein- bis zweimal im Jahr erfahren wir auch von Kindern, die es nicht geschafft haben. Aber in den drei Wochen der Reha gelingt hier viel für die Familien. Ich wüsste nicht, wo ich lieber arbeiten wollte“, meint der Doc.

mer mit oben im Speisesaal – zur Essensausgabe. Das genieße ich besonders. Es kommt so viel zurück“, versichert Koch André, der seinem alten Berufsleben in einem À-la-Carte-Restaurant kein Stück hinterher trauert. „Hier kann man sich entfalten, Ideen einbringen – ich mag meinen Job“, versichert der Koch.

"in den vier Wochen der Reha gelingt hier viel für die Familien. Ich wüsste nicht, wo ich lieber arbeiten wollte!"

Sein Kollege Matthes Ewaldsen hat erst vor kurzem in der Klinikküche angefangen, vermisst nur ganz manchmal den Kick, der im normalen GastroGeschäft eigentlich ständig durch Zeitdruck entsteht, wenn etliche Bons gleichzeitig am Pass hängen. „Wir können hier na-

Fenja Jörgensen macht ihre Ausbildung zur Hauswirtschafterin in der SyltKlinik. Nina Krainz vor einem der Geschenke der Eltern, die das ganze Klinikgelände zieren.

ormen, sich innerlich abzugrenzen von den familiären Schicksalen, haben die Kollegen in allen Bereichen der Klinik gelernt. „Das bedeutet natürlich nicht, dass man stumpf wird. Aber der Umgang mit Krebs ist bei uns Alltag. Bei jeder Reha entstehen ganz wunderbare Kontakte. Menschliche Wärme gehört hier einfach mit zu den Anforderungen an den Job – auch in Zeiten der Corona-Distanz. „Beim Mittagessen sind wir ja im

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Auch das Surfen gehört zum therapeutischen Angebot der Klinik: Wellenreiten hat viel tolle Nebeneffekte für die Seele und das Selbstbewusstsein.

türlich alles extrem gut vorbereiten. Das ist beruhigend und gut für die eigene Gesundheit“, meint er und legt an die drei Gerichte für das Mittagsmahl die letzte Hand an. Jede Woche gibt es einen neuen Essensplan. Die Gäste bestellen vor, was ihnen am besten schmecken wird.

uf das tägliche Dessert haben wir aus Kaloriengründen vor einiger Zeit verzichtet. Darüber beschweren sich vor allem die Kollegen, die unsere Nachspeise so lieben“, sagt Nina Krainz mit Augenzwinkern, denn sie liebt es als Gastgeberin 98 Mensch, sylt!

auch mit gesundem Süßen zu verwöhnen. Das gibt es jetzt immer noch – an Spezialtagen. Wenn man die überzeugte Vegetarierin und Ökoköchin fragt, was sie sich für ihrem Arbeitsplatz so richtig wünschen würde, dann zögert sie nicht lange mit der Antwort: „Wenn ein Spender monatlich den Betrag übernehmen würde, der nötig ist, um alle Zutaten in der Klinikküche auf allerbeste Bioware umstellen zu können, das wäre herrlich!“ Na, wäre ja gelacht, wenn sich da niemand findet… Spendenkonto Sylt Klinik Nord-Ostsee Sparkasse IBAN: DE32 2175 0000 0030 0141 61 BIC: NOLADE21NOS

„Wenn ein Spender monatlich den Betrag übernehmen würde, der nötig wäre, um alle Zutaten in der Klinikküche, wirklich alle, auf allerbeste Bioware umstellen zu können, das wäre das Tüpfelchen auf dem i!“ www.syltklinik.de


COVID-19 UND DER KLINIKALLTAG

„Endlich sind wir nicht mehr die einzigen, die Masken tragen!“ Im Lockdown des Frühjahrs schloss die Syltklinik für über vier Monate ihre Pforten. Das Team arbeitete in der Zwischenzeit an einem detaillierten Konzept, um einen extrem hohen Hygienestandard für alle Gäste gewährleisten zu können. Das Konzept der Klinik wird in den regelmäßigen Leitungsrunden der unterschiedlichen Klinikbereiche immer weiter entwickelt und angepasst. Bis auf weiteres werden in der Klinik nur 24 Familien aufgenommen. Gegessen wird zu allen Mahlzeiten in zwei Gruppen. Dazu kommen viele kleine Konzeptänderungen, die den Kontakt der Familien auf dem Gelände einschränken. „Wir arbeiten hier ja immer mit immunsupprimierten Kindern. Wir wissen, wie Hygiene geht. Unser Konzept ist wirklich gut. Ich denke, wir müssen nicht wieder schließen“, meint der medizinische Leiter der Klinik, Dr. Uwe Steffen, auch angesichts des zweiten Lockdowns im November. Ein neues Verfahren mit Schnelltests wird zudem ermöglichen, dass alle Gäste unmittelbar nach der Anreise auf Covid-19 blitzschnell untersucht werden können. Bislang war es so, dass die Familie nach der Anreise

ihre erste Mahlzeit in ihrem Appartement einnahm und dort warten musste, bis die Testergebnisse da waren. Die Schnelltest verschaffen logistisch eine enorme Erleichterung. Eine Infektion gab es in der Klinik noch nicht. Die Angst der Familien vor einer Corona-Ansteckung ist generell nicht so hoch, wie man annehmen könnte. Absagen für die von Kranken- und Rentenversicherern finanzierte Reha-Maßnahmen gibt es nur selten. Auch dem herzenswarmen Umgang auf dem Gelände können die Distanzregeln wenig Abbruch tun. „Klar, die Formen von Nähe haben sich geändert. Was nicht heißt, dass es sie nicht mehr gibt. Die meisten Gäste sind so dankbar, dass sie hier bei uns und am Meer sein können – und das lassen sie uns auch wissen“, weiß Nina Krainz. Eine entzückende Anmerkung zum Thema Corona kommt aus dem Physiotherapeuten-Team. Krankengymnastin Anja Schmidts berichtet: „Mit dem Maskenthema haben unsere Kinder gar kein Problem. Sie sagen: ,Endlich sind wir nicht mehr die einzigen auf der Welt, die Masken tragen müssen.’“

Mensch, sylt!

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GUT ZU WISSEN Haus des guten Spirits! Das Gelände der Syltklinik war früher eine Segelflugschule. Da, wo heute das zitronengelbe Haupthaus das Herzstück des dorfähnlichen Klinik-Areals bildet, wurde früher das Personal der Schule untergebracht. Zwei Jahrzehnte nach Kriegsende wurde das Gebäude schon in eine Klinik umgewidmet. Mandel-OPs und später auch gesichtschirurgische Eingriffe fanden in der Miniklinik statt. 1986 erwarb der AWO-Bezirksverband Hannover das Anwesen und richtete im Haus eine ambulante Dialyse-Station für SyltGäste ein. Um das Haus auch im Winter auszulasten, verfolgte Prof. Hansjörg Riem von der medizinischen Hochschule in Hannover die Idee, hier Familien mit einem krebskranken Kind die Möglichkeit zu bieten, sich auf Sylt von den Strapazen der intensivmedizinischen Behandlung zu erholen. Damit die ganze Familie körperlich und seelisch gestärkt wird, um dann zuhause wieder einen neuen Alltag etablieren zu können. Im April 1987 reisten die ersten beiden Familien in Wenningstedt an. Der langjährige Klinik-Chef, Jörg-Eric Zarth, entwickelte mit seinem Team das Haus konzeptionell und baulich ständig

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weiter. Ein Prozess, der sich auch in Zukunft fortsetzen wird. Pläne gibt es reichlich. Unlängst entstand eine Erweiterung des Wohnangebotes, ein neues Spielhaus wurde eingeweiht, ein Anbau an das Haupthaus schafft mehr Platz für die Küche und den Essensbereich, ein neuer Konferenzraum wird geschaffen. Alle vorhandenen Familien-Appartements nach und nach zu renovieren – das ist als Nächstes dran. Die Bauprojekte der Klinik werden zu nicht unerheblichen Teilen aus Spenden und Förderungen von Stiftungen finanziert. Seit den Ursprüngen wurde die ganzheitliche und interdisziplinäre Philosophie des Hauses immer weiterentwickelt. Psychologen, Mediziner, Naturheilkundler, Physiotherapeuten, Sporttherapeuten, Sozialpädagogen, Ökotrophologen, ein Beratungs- und das Verwaltungsteam kümmern sich heute in 13 Reha-Maßnahmen pro Jahr um aktuell 24 Familien. Besonders außenwirksam sind natürlich Therapieangebote wie das Surfprogramm an der Klinik, das therapeutische Reiten oder auch regelmäßige Singer-Songwriter-Workshops. Das Team der Syltklinik umfasst aktuell 85 Kräfte – einschließlich zweier Auszubildender.


AN DIESER STELLE EIN GROßes

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DANKE!

Danke an Brian Bojsen für seine Sylt-Impressionen, Hans Jessel für den 1a-Text und die ebenso 1a-Bilder, Nicole Mai für ihre zauberhafte Art, Reportagen fotografisch zu begleiten, Christa Farwick und Bianca Rehage für ihre klugen Kolumnen, Jörg Höfs für seine unvergleichlich schlauen Buchtipps, Sebastian Buchholz für die technische Unterstützung, Frank Deppe für seine freundschaftliche Unterstützung, allen Anzeigenkunden für ihr Vertrauen und natürlich den Interviewpartnern für ihre Offenheit und die schönen Momente im gemeinsamen Gespräch. ANZEIGE

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Lerne von gestern. Lebe heute. Vertraue auf morgen.

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RUBRIK:

KAMPEN 106 Mit Gina auf Instagram-Tour 111 Was im Winter so geht?

GINA SEMMELHACK Strahle-Frau vom TourismusService, zuständig für das Kampen Online-Marketing und vieles mehr, spaziert mit „Mensch, Sylt!“ durch das Dorf, den SocialMedia-Hotspots auf der Spur.

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D E R R E P O RT N S IM N E T Z WA S KA M P E N -FA LEN W IR K L IC H WO L

LEUCHTTURM,WATT & WELLENSCHLAG! #Mensch, Gina!

Freunde und Studienkollegen*innen aus aller Welt sind erstaunt: „Mensch, Gina! Willst du nicht noch mal ’was Anderes machen? So richtig Karriere? Das ist doch dein erster fester Job nach dem Studium!“ Nein, was Anderes will sie nicht, die studierte Sportmanagerin aus Hamburg. Gina Semmelhack fühlt sich pudelwohl – seit 2,5 Jahren auf Sylt und besonders in Kampen, mit ihrem Job beim Tourismus-Service. „Ich liebe meine Arbeit und die ganze Insel“, bringt die 27-jährige ihre Entscheidung für Kontinuität auf den Punkt. Manchmal geht sie schon morgens um sechs in Westerland an der Promenade joggen, bevor sie mit dem Rad zur Arbeit fährt. „Pure Lebensqualität“, nennt sie das. Sie ist vom Meer umgeben und empfindet genau das als das größte Geschenk – ob als 106 KAMPEN


Medium für Wassersport oder einfach als Lebensraum: „Ich bin ja früher als Urlauberin häufig hier gewesen. Aber die Insel hält auch einer intensiven Betrachtung stand. Sie ist für mich der Wohnort schlechthin, denn auch die Menschen sind toll“, schwärmt Gina. Faktor Mensch überzeugt sie am Arbeitsplatz genauso wie außerhalb des Kaamp-Hüs. Es gibt sogar eine Schnittmenge zwischen Arbeitskollegen und privaten Freunden: „Unser Team ist prächtig, wir würden uns auch in den schrägsten Lebenslagen helfen“, weiß Gina, auch aus Erfahrung, denn 2020 war bei ihr persönlich ziemlich krisenreich. Freunde konnte sie gut gebrauchen.

#Und der Job?

Gina ist im Kampen Team für den Bereich „social media“ verantwortlich und genau darum soll es hier gehen. Sie hat 2020 zudem die neue Webseite www.kampen.de gelauncht („Da erreichte mich so viel positives Feedback, da hatte ich gar nicht mit gerechnet“), sie verbindet Online-Marketing mit dem Analogen, ist folglich auch für Kampen-Broschüren und Plakate zuständig und hat

auch schon die organisatorische Projektleitung für neue Veranstaltungskonzepte übernommen. Das „Kampeneum“, das 2019 als innovative Form des medizinischen Symposiums für jedermann erfolgreich Premiere feierte, war eine ihrer „Baustellen“. Mit Glück – wenn die Corona-Umstände es denn zulassen, wird am 1. Mai 2021 die zweite Runde Kampeneum begangen. Thema: „Mensch, Alter, mich kriegst Du nicht!“ Weitere Infos: www.kampen.de Gina dazu: „Es ist großartig, dass mir so viel Vertrauen entgegengebracht wird und ich so viel Verantwortung übernehmen kann.“ FACEBOOK, INSTAGRAM & WEBSEITE

#Geht doch!

Wenn Gina Semmelhack auf Instagram eine Kampener Naturimpression – garniert mit einer netten Zeile und haufenweise Hashtags – veröffentlicht, dann kommen innerhalb kürzester Zeit locker 1.000 Herzchen und mehr auf

elektronischem Wege zurückgeflattert. 13.596 Follower hat der Kampenauftritt in diesem sozialen Medium (Stand: 23.10.2020). Den Account gibt es seit Februar 2015. „Wir sind ein Dorf mit 500 Einwohnern. Ich bin überrascht, dass wir stetig mehr Reichweite erzielen. 10.656 Freunde besitzt Kampen auf Facebook. „Instagram hat Facebook überholt. Tendenziell sind die Nutzer dort etwas jünger, aber auch nicht so blutjung, wie man vielleicht erwarten würde. Erwartet werden tolle Fotos. Inhalt spielt eine Nebenrolle“, erläutert die Expertin für Online-Marketing. Spannend zu beobachten: Sobald Inhalte und echte News veröffentlich werden, ist das Interesse der Insta-Community nicht so groß. „Die Mischung der Beiträge macht’s aber, damit’s nicht langweilig wird und gehaltvoll bleibt“, weiß Gina. Nachrichtliche Themen, wie die Gastro-Öffnungszeiten über Pfingsten erreichten auf Facebook extrem viel potenzielle Gäste. „Was ich am Online-Marketing so mag: Alles ist transparent, messbar und der Erfolg von Maßnahmen sofort sichtbar.“

Mensch, sylt!

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1.400 Likes und über 30.000 erreichte Menschen pro Beitrag sind auf beiden sozialen Kanälen durchaus nicht ungewöhnlich. Gerade im Lockdown war das Bedürfnis der Kampen-Follower nach Kontakt, nach persönlichem Austausch, besonders groß: „Ich habe in der Zeit besonders viele Nachrichten beantwortet und sehr viel Empathie und Interesse erlebt“, sagt Gina. Da Wohlfühlposts immer und garantiert funktionieren, ist sie schwer motiviert, mit dem Handy bei jedem Wetter unterwegs zu sein, um authentische Fotos einzufangen. „Das ist für mich natürlich auch immer herrlich. Ich genieße das Draußensein in Kampen so sehr“, meint Gina sehr überzeugend. Was sind die Fotokulissen mit Instagram-Erfolgsgarantie? Die Lieblingsplätze der Social Media-Charts sind ganz eindeutig die Kampener Klassiker, die Orte mit hohem Wiedererkennungspotenzial:

108 KAMPEN

Über Marketing reden und dabei erfolgreich Marketing machen: Die Watt-Impression, die Gina während unseres Hot-Spot-Spaziergangs machte und dann postete, wurde zum zweit erfolgreichsten Beitrag des Jahres: 22.000 erreichte Instagram-Konten – 36.000 Facebook-Konten. Geht doch...

Eine Social-Media-Kampagne, die unterschiedliche Zielgruppen möglichst authentisch erreichen soll? Gina hat das mit einer Agentur und etlichen Testimonials im letzten Herbst und Winter in Form von kleinen Filmen auf den Weg gebracht. Die Filme sind regelmäßig auf Instagram zu sehen. Hier ein Vorgeschmack…


Bei der Frequenz an Kampen Posts in sozialen Netzwerken wäre es eigentlich nur logisch, wenn es demnächst ein Kampen Emoticon gäbe

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# Kaum etwas stillt die maritime Sehnsucht so sehr wie der Anblick eines Leuchtturms, der Orientierung, das GefĂźhl von Sicherheit und Ruhe spendet. Gina fotografiert wegen des treffsicheren MarketingEffekts regelmäĂ&#x;ig die Kampener LeuchttĂźrme (Ja, es gibt zwei: Den schwarz-weiĂ&#x;en „Langen Christian“ und das niedliche Quermarkenfeuer aus Backstein in den DĂźnen) – zu jeder Jahreszeit und Wetterlage, denn die Stimmung ist immer wieder anders. „Das fasziniert mich an Sylt ohnehin. Es ist nie langweilig. Kein Tag am Meer ist wie der andere.“

# Kampens Bänke sind einfach der pure Luxus.

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Sie stehen an den landschaftlich spektakulärsten Orten. Die Gemeinde kann sich vor potenziellen BankSpendern kaum retten. Allerdings ist der Bedarf an Kampen-Bänken vorerst gedeckt, denn die edlen Teile mĂźssen ja auch gepflegt werden. Ganz gewiss: Die Standorte sind megareizvoll und die Spenden haben ein oft bewegendes oder romantisches Bankgeheimnis, wie beispielhaft die Bank an der „Kupferkanne“.

#Morgenstimmung entlang der zauberhaften OstkĂźste.

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„Mich selbst erreicht die meditative Stille des Wattenmeers auch ganz besonders. Dem Zauber mit all seinen feinen GerĂźchen und Geräuschen kann man sich nicht entziehen. Das beruhigt und entspannt sofort“, meint Gina bei unserer Ortsbegehung und macht deutlich, dass man das Wattenmeerspektakel natĂźrlich unbedingt live erleben sollte.

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... und bis es ein Sylticon gibt, ist es sicher nur eine Frage der Zeit...

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Der Avenarius-Park, mitten im Dorf ist ein KnĂźller, eine grĂźne Idylle, die in Kampen niemand erwarten wĂźrde. Unbedingt besuchen! # Erst am Watt, dann in denWiesen, dann an den Weststrand đ&#x;˜? Kampens Strand, das Kliff und das wilde Meer halten einfach jeder Betrachtung stand und sind ein Stimmungsbooster an 365 Tagen im Jahr. „Manchmal ist es so schĂśn hier, dass es kaum auszuhalten ist“, meint Gina zu ihrem „Arbeitsplatz“ – in diesem Fall das Podest auf dem Kliff – an der Sturmhaube.

# Find us on Social Media! www.instagram.com/kampen.sylt/ www.facebook.com/Kampen.Sylt 110 KAMPEN


DIE KAMPEN

MUST-DOs

IM WINTER 2020/21

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Der Kunstpfad: 32 Metalltafeln überall in der Kampener Natur machen bekannt mit prominenten, kreativen und intellektuellen Gästen und Bewohnern des Dorfes.

Die spektakuläre Vielfalt der Kampener Gastronomie in Ruhe genießen: Die Bar im Rungholt, die Terrasse der Kupferkanne, die Köstlichkeiten des Gogärtchens, das Unprätentiöse des Odin, das Podest der Buhne 16 (wieder ab Weihnachten) usw. usw. – nie schöner als im Winter!

#

Atmen, genießen, abtauchen: Im Avenarius-Park steht eine herrliche Buddha-Statue. Dort schön eingemummelt meditieren? Ein Traum!

# #

Eine individuelle Wattwanderung im kleinen Kreis. Das größte Vergnügen auch bei Schietwedder. Man kehrt garantiert glücklich zurück. www.sylt-wattwanderungen.de

MEHR INFOS ZU ALLEN THEMEN:

#

www.kampen.de Auch nicht zu verachten: Ein winterlicher Streifzug durch die Vielfalt der Kampener Galerieszene – ersetzt jeden Museumsbesuch, erweitert den Horizont und vielleicht auch den Kunstbesitz.

Lange war das Shoppen in Kampen nicht so vielfältig wie aktuell. Innerhalb des edlen Segments ist Kampens Einzelhandel einzigartig facettenreich.

Mensch, sylt!

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UND DANN MUSS MAN JA AUCH NOCH ZEIT HABEN, EINFACH DAZUSITZEN UND VOR SICH HINZUSCHAUEN. ASTRID LINDGREN


RALf MEYER // photoguide-sylt.de


ELKE WENNING steckt gerade mitten in einer zackigen Herausforderung. Als Veranstaltungsleiterin von Wenningstedt-Braderup muss sie ununterbrochen das kursaal3Programm neu justieren, Künstlern absagen, neue Verordnungen umsetzen. Warum ihr der Job eine große Herzensangelegenheit ist? Seite 116.

RUBRIK:

WENNINGSTEDT-BRADER 116 Elke Wenning Kultur in stürmischen Zeiten 119 Desche Behrens Mit „Onkel Johnny“ auf großer Fahrt 122 Norbert Tampe, Koch „Leben ist Veränderung“ 123 Winter-Tipps für Wenningstedt-Braderup

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DESCHE BEHRENS berichtet über seine ersten 100 Tage mit „Onkel Johnny“ auf großer Fahrt.

RUP NORBERT TAMPE verabschiedet sich nach 15 Jahren von seinem eigenen Restaurant. Was der MegaKoch jetzt vorhat?

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G S L E IT E R IN V E R A N S T A LT U N E L K E W E N N IN G EUER 2020 U N D D IE A B E N T

"live-unterhaltung hebt die seele!" Als im FEBRUAR dieses Jahres Mark Medlock im kursaal³ vor ausverkauftem Haus spielte und ANFANG MÄRZ die „Hundstage“ für reichlich Inspiration bei Frauchen und Herrchen aus der ganzen Republik sorgten, sollte das eigentlich der SANFTE Auftakt sein zum 5. Jubiläum des Hauses – mit reichlich Programm, vielen großen Namen aus der deutschen Livekultur auf der Bühne, mit Events und Tagungen. Es kam dann anders, ganz anders – so wie niemand es für möglich gehalten hätte. „Zwischen Mitte März und August haben wir gar nicht gespielt – dann legten wir aber unmittelbar wieder los mit wunderbarer Live-Kultur – den je116 WENNINGSTEDT-BRADERUP

weils aktuellen Vorgaben entsprechend. Und jetzt die zweite Vollbremsung – das ist wirklich dynamisch dieses Jahr“, so Wenningstedt-Braderups Veranstaltungsleiterin, Elke Wenning. Maximal drei Künstler auf der Bühne, vor 70 statt sonst maximal 380 Zuschauern, bedeutete die Wiedereröffnung des Sommers explizit für den Wenningstedter Spielbetrieb. Mit dem vorgeschriebe-

nen Abstand und zunächst auch mit einer gewissen Unsicherheit auf beiden Seiten. Aber dann kam der Genussmoment: „Es entstand immer wieder ein ganz besonderer Zauber, eine Nähe und Komplizenschaft zwischen Publikum und Künstler, trotz Distanz. Sehr besondere Abende. Die Künstler zeigten sich so dankbar, nach vielen Monaten endlich wieder spielen zu können. Das haben sie auch auf der Bühne formuliert. Gerade Kabarett, Satire und Comedy tun jetzt gut. Es erleichtert so, wenn man die Ereignisse der Pandemie auch mal mit schwarzem Humor und Hintersinn betrachten kann. Stoff gibt es für die Künstler ja reichlich“, resümiert Elke Wenning, die es tief betroffen macht, in welcher persönlichen Lage sich viele Bühnenmenschen aktuell befinden.


„Künstler haben eine schlechte Lobby. Man geht offenbar davon aus, dass Krisen für sie zum Lebensentwurf gehören.“ In der Garderobe im Obergeschoss des kursaal³ sorgen die Plakate aller Künstler seit der Eröffnung vor bald sechs Jahren für smarte Dekoration. Sie sind aber auch Sinnbild dafür, wie bunt und vielschichtig das kursaal³Programm bislang war. Elke Wenning hat zu jedem Künstler eine schöne Geschichte parat, einen besonderen Moment, den sie im Herzen trägt. Anders als in vielen anderen Kulturbetrieben, entschied man sich in Wenningstedt, schnell wieder ein aktuelles Programm zu schaffen. Denn: „Der Zauber der Bühne wird immer in der wirklichen Begegnung liegen, dem lebendigen Dialog zwischen Künstler*innen und Publikum – jeden Abend neu, jeden Abend einzigartig! Mit diesem Gut sollten wir nicht achtlos umgehen“, so die Programmchefin. Die Situation ist und bleibt herausfordernd. Elke Wenning musste in dieser Theatersaison immer wieder Termine verlegen, zumeist

auf das nächste Jahr, neue Konditionen vereinbaren, Veranstaltungen sogar ganz absagen. Auch in der Zeit der Lockdowns war man indes im kursaal³ nicht untätig: Der Saal, der ja auch als multifunktionaler Sitzungs- und Versammlungsraum dient, wurde gestrichen. Ein Vorhang vor der Bühne sorgt nun für noch mehr Theaterspirit. Und der Konzertflügel auf der Bühne ist auch nagelneu – er wird die künftigen Künstler beglücken, soviel ist klar. Anfang Juli produzierten Guido Maria Kretschmer und sein Team eine neue Sylt-Folge der „Shopping Queen“. Auch sehr fruchtbar: die Kooperation mit der hochkarätigen, zeitgenössischen Kunstplattform „Sylt Art Fair“, die Wenningstedt eine spannende Live-Talk-Runde mit prominenten Gästen wie

zum Beispiel dem Satiriker und bildenden Künstler Dieter Nuhr bescherte. Eine zukunftsträchtige und herrlich interdisziplinäre Auseinandersetzung mit Kunst, die gewiss ihre Fortsetzung finden wird.

„Gefragt war in den letzten Monaten jedenfalls, Tolles auf die Beine zu stellen und auf den Moment zu vertrauen.“ Dankbar war Elke Wenning in den zurückliegenden Monaten dafür, dass Ihr Chef, Tourismusdirektor Henning Sieverts, ihr vollstes Vertrauen schenkte und große Freiheit in der Planung ließ. Gemeinsam entschied man, nicht abzuwarten, sondern den Theaterbetrieb so bald wie möglich wieder aufzunehmen. Und das gilt auch für die Zeit nach dem November-Lockdown und alles, was dann kommt.

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W

enn die „Coronagötter“ es zulassen, erwartet die alten und neuen Freunde des kursaals³ 2021 jedenfalls ein pralles Jahr. „Das Programm steht – spontane Events sind eigentlich kaum noch möglich“, schürt Elke Wenning die Freude auf eine neue Normalität im nächsten Jahr. Bis dahin heißt es, sich in Geduld zu üben und darin, spontan mit dem Programmplan zu jonglieren, in einem Business, das sonst so viel Vorlauf braucht. Was jetzt jeden-

falls schon zu 100% feststeht: Silvestersausen, so wie die traditionelle „Kliffmeile“ von Wenningstedt, sind dieses Jahr inselweit abgesagt. Keine Glühweinbude, kein rauschendes Tanzfest, kein Neujahrsbaden – da sind sich alle einig. Wenn es die dann aktuellen Rahmenbedingungen zulassen, dürfen sich Gäste wie Insulaner auf folgende Live-Momente im Dezember freuen:

11.12.

29.12.

A black and white Christmas

Boogie Woogie vom Feinsten

Frl. Toni & Er!

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Karten gibt es im Vorverkauf und an der Abendkasse, aber nur am Counter im „Haus am Kliff“.

Mehr dazu auf: www.wenningstedt.de

30.12.

Jo Bohnsack

Jörg Knör

2 Shows: 18.00 & 20.00 Uhr

2 Shows: 17.00 & 20.00 Uhr

In 90 Minuten um die Promiwelt!


© Wolfgang Merkle

„ONKEL JOHNNY“-WIRT DESCHE BEHRENS IST…

n e g a T 0 0 1 Seit t r h a F r e auf groß

Wer wahlweise etwas von Neubauten oder von Gastronomie versteht, wird erahnen können, was es heißt, im August auf Sylt ein Bistro-Restaurant in einem nagelneuen Haus am Strand zu eröffnen. Und das im Sommer 2020 – mit seinen besonderen Erfordernissen. Das Holzgebäude in seiner puristisch-schönen Bauweise ist ein echter Hingucker. Ein paar seelenvolle Details fehlen vielleicht noch im klaren Interieur und einige bauliche Schönheitsfehler, die jetzt im Alltagsgeschäft zutage treten, gilt es noch zu kor-

rigieren. Aber sonst ist die ganze Location eine große Wucht vor Traumkulisse.

„Jo, das war ganz schön dynamisch hier. Jeder Tag gleicht einem kleinen Wunder, wie alles dann doch schon so geschmeidig läuft und wie wertschätzend unsere Gäste sind“, meint der Wirt mit seinem unnachahmlich friesischen Charme, der die Anstrengung dahinter nur erahnen lässt.

Aber wie geht’s denn dem Wirt und seiner Crew, da unten am Wenningstedter Nordstrand – nach bummelig 100 Tagen unter Volldampf im Amt?

Desche Behrens, altes Sylter Geblüt, eigentlich der Fleisch gewordene Onkel Johnny, wenn man so auf das Logo des neuen Lokals schaut. Da korrigiert De

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sche aber schnell: „Ne, Onkel Johnny, das war unser Großonkel. Ein grandioser Mann, weltreisender Kapitän mit viel Horizont im Herzen, hat uns Kinder immer sehr beeindruckt. Er war unser Held wegen seiner Liebe zum Meer und seiner klaren Haltung. Wir haben unseren Laden am Strand ihm gewidmet und unser Konzept so ausgelegt, dass wir hier friesische Gastfreundschaft in seinem Sinne leben wollen“, berichtet Desche Behrens. Will heißen: unprätentiös, herzenswarm, köstlich, für jeden etwas dabei. Zur genussreichen Untermalung der natürlichen Schönheit drumherum. Das Onkel-Johnny-Konzept, dass er zusammen mit seinem Bruder Olli den Touristikern des Ortes vorlegte, überzeugte 120 WENNINGSTEDT-BRADERUP

gleich zweimal. Zunächst in einer kleinen Variante für den Übergangsbetrieb in der Bauphase. Dann, 1,5 Jahre später, in Vollform. Der Podestbau auf den imposanten Holz-Stahl-Pfählen aus der Feder von Architekt Henning Lehmann ist nämlich Eigentum des Wenningstedter Tourismus-Services, der bei der Verpachtung des Neubaus sehr genau darauf achtete, dass die zukünftigen Wirte auch wirklich hierher passen. Aus den vielen Bewerbungen fiel die Wahl nach intensivem Abwägen auf die Behrens-Brüder, die in Keitum zwei weitere Restaurants betreiben. „Wir haben ja nur 26 Jahre gewartet, bis es wahr wurde, mit dem Laden am Strand. Ne, ohne Witz, das hier ist ein Traum, der wahr geworden ist“, meint

Desche mit weitem Blick über die „Reling“ seines Ladens. Das nimmt man ihm sofort ab. Zumal sein Bruder und er sich als „junge Butscher“ bei ihren Onkels von der „Buhne 16“ die ersten gastronomischen Sporen verdienten. Dann gab es noch etliche berufliche Zwischenstopps, aber der Traum vom Laden am Strand blieb. „Wenigstens einmal am Tag kann ich das Glück kaum fassen – unglaublich, was die Natur uns hier beschert. Kein Tag ist wie der der andere. Jetzt im Winter, nach der zweiten Lockdown-Phase, wird es bestimmt auch ganz zauberhaft. Ich freue mich jedenfalls schon auf die tieferstehende Sonne“, schwärmt der Wirt, der seiner Insel nie überdrüssig wird, obwohl er viele Küsten der Welt kennt.


Es hat sich gelohnt zu warten. Das ist einfach der Arbeitsplatz schlechthin. Mit einer festen Servicechefin, einem glänzenden Smutje in der Küche, einem versierten Logistiker und einem Team aus „Leichtmatrosen*innen“ hat die Onkel-JohnnyCrew die ersten Monate prima gewuppt. „Es war natürlich wahnsinnig viel los – von Anfang an. Und wir haben Fehler gemacht. Wär schlimm, wenn nicht. Wir sind aber nie so richtig abgesoffen“, versichert der Kapitän. Das Lob und der Zuspruch der Gäste überwog.

Die Karte soll in den nächsten Monaten noch ausgebaut werden, der Idee folgend, Rezepte aus aller Welt anzubieten, die zusammen mit Onkel Johnny auf Sylt landeten. Es wird dann und wann, wenn’s wieder geht, auch kleine maritime Live-Acts und sportliche Ereignisse geben. Durch die Pandemie wird es natürlich auch in den nächsten Monaten nicht genau vorhersehbar sein, was als Nächstes kommt.

Was jetzt schon klar ist: Sauna-Module werden in diesem Winter noch nicht – wie ursprünglich vom TSWB vorgesehen – bei „Onkel Johnny“ für heiße Momente sorgen. Die Strandwirtschaft wird, wann immer möglich, den ganzen Winter offen bleiben, um den Gästen ein attraktives Ziel für Strandläufer zu bieten. Für Silvester ist ein „ruhiges Vergnügen“ geplant. Gutes Essen in netter Runde. Kein Tanz, kein Tüddelütt – um 23 Uhr schickt „Onkel Johnny“ Gäste und Besatzung hinaus in die Silvesternacht. „Genauso hätte er es auch gemacht. Sicher ist sicher…“, meint Desche Behrens und macht sich wieder an die Arbeit.

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DREI FRAGEN AN… NORBERT TAMPE

Quo vadis?

Wer einmal in den letzten 15 Jahren bei Norbert Tampe im gleichnamigen Restaurant zu Gast war, weiß, wie man gute Küche buchstabiert. Aber „nu is zu“ bei Norbert Tampe. Nicht nur für den zweiten Lockdown, sondern für immer. Sein Restaurant weicht einem Neubau. Aber der versierte Koch kann den neuen Umständen viel Gutes abgewinnen.

Wie fühlst Du Dich mit der Veränderung?

Eigentlich wollte ich noch drei, vier Jahre weitermachen. Im Sommer 2019, als ich von den Plänen des Eigentümers erfuhr, war ich erst traurig, dass mir jemand ,meinen Spielplatz’ wegnimmt. Aber angesichts der aktuellen Situation, ist alles, glaube ich, genau richtig so. Alles ist rund. Wir hatten einen wunderbaren Sommer mit vielen Abschieden von

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Stammgästen, die einem ans Herz gewachsen sind. Und mehr geht ja eigentlich nicht.

dass man den Gästen auch ein wenig fehlen wird, das tut ja gut.

Sind Deine Leute gut woanders untergekommen?

Mein Koch zum Beispiel hat sich 7x beworben und hat sieben Zusagen bekommen. Ist doch grandios. Er wird jetzt in leitender Position im „Strönholt“ arbeiten. Leben ist doch auch immer Ve r ä n d e rung.

Und nun? Was ist Dein Plan?

Ich habe da ja gar keinen Kummer mit der Situation. Im Gegenteil – was für eine Freiheit. Meine Frau und ich werden auf jeden Fall auf Sylt bleiben – das ist gewiss. Alles andere lasse ich auf mich zukommen. Freude hätte ich an einer Aufgabe in der zweiten Reihe – Ausbildung, Logistik, Qualitätssicherung. Oder vielleicht mache ich auch was ganz anderes. Das Leben ist bunt.


Mal den Körper auf

Zack bringen? Das hilft auch in bewegten Zeiten: Rainer Grunow ist ein Personaltrainer, der sein Handwerk versteht und das Herz an der richtigen Stelle hat. Im „Haus am Kliff“ hat er seine Körperwerkstatt, die wieder auf hat, sobald es geht. Rainer trainiert mit seinen „Schülern“ auch gerne in der Natur.

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Die Gottesdienste von

Rainer Chinnow in der Friesenkapelle sind auch für Menschen erbaulich, die nicht so richtig fest im Glauben verankert sind. Eine lebendige Auseindersetzung mit allen Facetten des Menschseins, ein Mutmacher, ein Moment der Einkehr. Das tut gut… Mit den Gottesdiensten in Corona-Zeiten ist es so: Sie werden immer wöchentlich frisch virtuell bereit gestellt: Hier der Link zum YouTube Channel Für den Live-Gottesdienst gilt – sobald es generell möglich ist: Er findet sonntags um 10 Uhr statt und die Kinderkirche um 11 Uhr auch. Frühes Erscheinen garantiert einen der um die 40 Plätze in der Kirche. Draußen steht sonst auch noch ein Zelt. www.friesenkapelle.de

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Die reinste Form des Wahnsinns? Alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich was verändert. ALBERT EINSTEIN


HANS JESSEL


HANS JESSEL ist der Fürst der Sylter Landschaftsfotografie. Das Lieblingsverkehrsmittel, um für seine Sylt-Impressionen von A nach B zu kommen, ist das Fahrrad. Der Genussmoment beim Radeln kommt ihm auf Sylt manchmal deutlich zu kurz. RUBRIK:

DIE GEDANKEN SIND FREI 130 Hans Jessel und der Fahrrad-Frust 133 Bianca Rehage und der Anspruch auf Wohnraum auf Sylt 136 Christa Farwick Ein liebevoller Mahnbrief 139 Frank Deppe Zu viel ist zu viel

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BIANCA REHAGE Überhaupt eine Wohnung auf Sylt zu haben, ist für Dauerwohner so eine Gnade, dass man alle weiteren Ansprüche an ein Zuhause knicken kann. Das ist völliger Quatsch, meint die Wahl-Sylterin Bianca Rehage.

CHRISTA FARWICK Kommunikations-Expertin aus Münster liebt die Insel wie ein zweites Zuhause. Ihre liebevollen Gedanken zu einer Insel im Herbst 2020.

FRANK DEPPE ist Autor, Journalist und ein Mann mit Freude an geschichtlichen Themen. Sein Archiv ist quasi unerschöpflich und superzuverlässig. Für „Mensch, Sylt!“ hat er sich gute Gedanken gemacht zum Thema Autoverkehr auf Sylt!

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„FAHRRAD-INSEL SYLT“

EINE ABRECHNUNG MEINUNG // FOTOS & TEXT: HANS JESSEL

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tau. Stillstand. Nichts geht mehr. Jedenfalls für mich, gefühlt zum 100sten Mal in dieser Saison. Dabei will ich nur den Kirchenweg vorm Bahnhof gen Norden überqueren – per Rad. Fahrend. Während die anderen Verkehrsteilnehmer lustig in Bewegung sind – eben pesteten locker 105 Verbrenner während nur einer Grünphase in beiden Richtungen vorbei, jetzt ist’s eine gleichgroße Hundertschaft von Fußvolk im Strandstress – mit Rollkoffern, Luftmatratzen und sonstigem touristischen Trödel on tour. Diese erkennen aber den Radweg nicht – mein Klingeln und

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freundliches Bitten um Durchlass... haha, forget it. Also wieder mal schieben, obwohl ich’s gerne eilig hätte. Für mich steht die Situation an diesem quirligsten Punkt des Sylter Radwegenetzes stellvertretend für die komplette Unwilligkeit (oder ist es Unfähigkeit?) der Gemeindepolitik, die Zeichen der Zeit zu erkennen und endlich ein gesamtinsulares (jepp!), von Fachleuten (bitte aus den Niederlanden oder Kopenhagen!) erarbeitetes und professionelles Radwege-Konzept zu entwickeln. Ich schreibe deshalb auch nichts zu den „Kleinigkeiten“, die das Sylter Radwegenetz so auszeichnen: den Radwegen zum Beispiel, die ansatzlos im Nichts enden oder kilometer-


weit (entgegen jeder Richtlinie) zu schmal konzipiert wurden, den zahlreichen unübersichtlichen Gefahrenstellen, zu deren beharrlich steigenden Unfallzahlen die Knochenbruch-Ambulanz der Asklepios Nordseeklinik Einiges mehr zu erzählen hätte, etc. pp.

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tattdessen wurschtelt die Gemeinde Sylt, zuständig für den Bereich zwischen der Grenze zu Wenningstedt und Rantum, seit Jahren an einem „Westküstenradweg“ herum, für dessen Entstehung alleine im Westerländer Lornsenweg -zig Nadelbäume abgeholzt werden müssen, weil… Ja, weil zum Beispiel die Möglichkeit, mittels Pop-up-Radwe-

gen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich zum Einen eine weitere Flächenversiegelung zu vermeiden, zum Anderen dem motorisierten Individualverkehr die Zügel anzulegen, nicht einmal angedacht wird. O-Ton aus der Gemeindevertretung: „Der Pkw-Verkehr muss mit großer Sensibilität gehandhabt werden.“ In meinen Augen ist diese Wirtschaftswunder-Denke genauso aus der Zeit gefallen wie die darüber abstimmende Altherrenschaft in den hiesigen Parlamenten, deren Räder ohnehin seit Jahrzehnten mit einem Platten im Keller stehen, zumal ein SUV ja sowieso „verkehrssicherer“ sei. Dabei haben die Herren durch

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aus recht, jährlich gerate ich in diverse Fast-Karambolagen – in der Regel mit panzerartig Ăźbermotorisierten PS-Schleudern, deren Fahrer in ihrer Air-Condition-Wolke gänzlich der Bezug zur AuĂ&#x;enwelt verloren gegangen scheint. „Ich first“ läuft aber im StraĂ&#x;enverkehr nicht! Wer auf Sylt viel mit dem Fahrrad unterwegs ist, und sei diese(r) auch ein sanftes GemĂźt (wie ich ), wird notgedrungen zum Auto-Hasser. FĂźhle ich mich beispielsweise in Amsterdam als vollwertiges Mitglied einer Gemeinschaft von Verkehrsteilnehmern, die versucht, das offenbar systemimmanente Chaos in respektvollem Umgang miteinander zu bewerkstelligen, muss ich mich auf Sylt oftmals noch anpĂśbeln lassen, wenn mein stärkeres

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GegenĂźber gerade einen gravierenden Fahrfehler hingelegt hat und mir bedeutet, ich sei ein Gefahrenherd. Im Holländischen werden von Seiten der Administration entsprechende Spielregeln vorgegeben, die auf Gleichberechtigung (sic!) aufbauen, warum soll das hier auf der Insel nicht auch funktionieren!? Es kĂśnnte so einfach sein, wenn man es nur wollte. Auf meiner Heimatinsel, deren politische Vertreter einerseits mit provinziellen Denkweisen, andererseits mit groĂ&#x;städtischen Verkehrsproblemen zu kämpfen haben, erwarte ich mittlerweile keine Besserung der Radler-Infrastruktur mehr. Ich hoffe nur, auch weiterhin mit dem Leben davonzukommen.

Hans Jessel (64),

Dipl.-Geograf und Fotograf, legt beruflich jedes Jahr mehrere tausend Kilometer mit seinen Rädern auf der Insel zurĂźck. Soweit mĂśglich, fernab jeglichen Autoverkehrs - aus nun bekannten GrĂźnden. Ăœberlandtouren, am liebsten Richtung OstseekĂźste, dienen nicht zuletzt auch der Regeneration vom Dauerstress auf Sylter Radwegen.

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Zu Hause auf Sylt:

Wahlheimatrose mit Dornen MEINUNG // AUTORIN: BIANCA REHAGE

Ja natürlich ist die Überschrift pathetisch. Doch steht sie der übertrieben unnatürlichen Wohnraumsituation für Ansässige nicht einmal ansatzweise in Konkurrenz, oder? Nunmehr in der zweiten Hälfte meines ersten Jahrzehnts auf unserer schönen Insel habe ich viele Gefühle und Gedanken dazu gehabt. Ich habe viel gehört und viel erlebt. Die Standardtexte von vermeintlich wissenden Landratten à la „da lebt ja im Winter keiner mehr“, „bald ist es Disneyland, da gibt es jetzt schon fast keine Einheimischen mehr“, „wer schlau ist, hat sein geerbtes Land und Gut ohnehin längst verkauft und lebt jetzt wie die Made im Speck auf dem Festland“ und der gleichen mehr habe ich stets als unangenehm empfunden. Sylt, das heißt halt in puncto Wohnraum Kompromisse eingehen. Dafür bekommt man an anderer Stelle mehr, und so redete ich mir auch die erste Unterkunft nach meiner Übersiedlung an den Ort meines inneren Friedens schön. Natürlich erfreuten sich

die Möbel der Dachgeschosswohnung höchster Qualität. So um 1989 müssen sie ein echter Hingucker gewesen sein. Die Matratzen der Betten versah ich mit Toppern, den Schmierfilm von Nikotin auf den Küchenfronten bekam ich dank bestem Equipment von einstigen Topwinparties nach einigen Stunden weitestgehend befreit und die Wände in sonnigem Gelb waren ja vielleicht doch gut für die Gemüter der Kinder. Leben in List war ein Zauber. Im Winter mit frostigen Nasen bis zur „Austernperle“ am Oststrand laufen, mit einer heißen Schokolade aufwärmen und dann zurück in unser Inneneinrichtungsmuseum hatte einen besonderen Charme. Doch wir merkten schnell, dass es wirkt, wenn man in alten Ideen anderer sein neues Eigenes zu gestalten versucht – es bleibt immer ein bisschen das Leben von anderen. Vielleicht könnte ein Kompromiss helfen… doch der Vermieter wollte nicht einmal einen Stuhl ersetzt wissen in seinem Arrangement. Und so arrangierten wir uns neu, weiter auf der Suche nach einem An

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kommen. Ab hier folgten weitere Kompromisse, stets anderer Natur. Und ich weiß, dass unserer Odyssee im Vergleich zu der von anderen Inselmenschen noch verhältnismäßig kurz ist. Schön, aber sehr sehr klein. Besonders, aber sehr sehr teuer. Das sind die Beispiele, die wir bezogen haben. Die Kompromissbereitschaft stieg parallel zur Sehnsucht nach dem bleiben dürfen. Menschen waren zu Freunden geworden, Spazierwege zu inspirierenden oder tröstlichen Ritualen, das ein oder andere Café und Restaurant inkl. ihrer Inhaber zu liebgewordenen Orten des Verweilens und Wiederkehrens. Doch stets beim Nachhausekommen ein fader Geschmack. Manche mögen das immer Neue, anderen ist Wohnen nicht so wichtig. Mir und meiner Familie geht es da anders. Also weiter… Wir wollten ein Haus in der Marinesiedlung besichtigen. Mit knapp 450.000 Euro ein Schnapper, sieht man von der monatlich 500 Euro hohen Erbpacht mal ab, was wir, kompromissbereit, taten. Kurz vor dem Termin, wurde er uns abgesagt. Verkauft an den Termin vor uns. 1,5 Jahre später stand das selbe Haus erneut zum Verkauf. Für alles in allem knapp 700.000 Euronen. Natürlich plus weiterhin 500 Euro Erbpacht und einem zu erneuernden Reetdach sowie diversen Auflagen, die es zu erfüllen galt. 134 Mensch, sylt!

Eben diese Auflagen schossen uns beim Bewerben auf ein anderes Objekt in selber Siedlung ein weiteres Jahr später aus dem Rennen. An einer Grundschule zu arbeiten, das reicht nicht für den sozialen Dienst an der Inselmenschheit und die inzwischen zu alten Kinder wären auch ein Ausschlusskriterium. Wir kamen nicht einmal in die engere Wahl. Ich wagte es, mich im Bekanntenkreis erbost zu zeigen und stieß auf wenig Verständnis. Ich hätte doch auf die Osterwiese oder auf den Bastianplatz ziehen können. Umgehend stimme ich ein, dass dies großartige Dauerwohnraum-Projekte seien. Ich ziehe meinen Hut vor den engagierten Menschen, die sich für die Planung und Umsetzung eingesetzt haben, freue mich für jeden, der sich dort wohl fühlt, doch ich weiß, das wäre meine Wahl vor 20 Jahren gewesen. Heute brauche ich an dem Ort, an dem ich auftanke, denn das ist mein Zuhause für mich, etwas anderes. Ja, dann sei ich wohl falsch hier auf Sylt. Falsch hier auf Sylt. Der Ort, der Anspruch quasi definiert, der möchte seine Bewohner zur Bescheidenheit ermahnen. Verzeihung, ach ne doch nicht… nicht Verzeihung! Ich habe nicht um einen 300 Quadratmetertempel im HobokenWeg in Kampen gebeten. Ein verdammtes Doppelhaus mit einem Stück Garten, in den ich meine Liebe stecken kann, ein


paar Räume, in denen wir uns wiederfinden, Erinnerungen schaffen, einen Ort, an den die Kinder vielleicht irgendwann gerne zurückkommen, wenn ich im Schaukelstuhl hocke und Socken stricke, ohne dabei meinem Nachbarn die Wurst vom Brötchen zu glotzen. Vielleicht gar mal nackig durch die Küche gehen, ohne dabei entweder die Bude zu einem verdunkelten Bunker gemacht zu haben oder mir morgen freudestrahlend in der Schule attestieren zu lassen, dass ich ja seltsame Gewohnheiten hätte. Also wirklich, mit zwei Akademikern und entsprechender Einkommensstruktur Lebensraum um den man zumindest halb drum herumlaufen kann, bewohnen zu wollen, ja stimmt, das ist echt der Gipfel des überhöhten Anspruchs. Und so schaue ich jeden Monat wieder in den Stellenmarkt des Landes Schleswig-Holsteins und sondiere dann bei netten Inseraten den örtlichen Immobilienmarkt. Der ist da meist voll von derartig größenwahnsinnigen Objekten, wie sie mir vorschweben.

Man sorgte dafür, dass es uns gut ging. Und so ging es dann auch jedem Gast gut. Wertschätzung erhielten wir durch besondere Abende, Feierlichkeiten, Privilegien und die Art unserer Unterbringung. Vielleicht ist es an der Zeit, Menschen, die sich dafür stark machen, derartiges auf unserem schönen Eiland zu realisieren, mehr zu unterstützen und es in den Fokus zu rücken, Wohnraum für Ansässige in ganz unterschiedlichen Kategorien zu erschaffen und zu erhalten. Vielleicht habe ja sogar ich noch etwas davon. Ein paar Jahre Schule sind es noch für eines meiner Kinder. Ansonsten freue ich mich über Besuch in meinem Garten irgendwo auf dem Festland. Willkommen sind dann all die Menschen, die ich hier so lieb gewonnen habe. Ich nehme an, ich habe dann auch ein Gästezimmer. Restlos abgehoben! Hier gibts den ganzen Text ALS HÖR-ALTERNATIVE:

Einst habe ich das Privileg genossen, auf einem Schiff zu arbeiten. Als die Kreuzfahrtindustrie noch nicht so verpönt und die Gäste an Bord überschaulicher Anzahl waren. Wir galten als das Schiff mit den glücklichsten Gästen. Warum erzähle ich das? Unser Kapitän hatte einen Grundsatz: „Happy crew, happy passenger“

Mensch, sylt!

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Für wie unverwundbar halten die Sylter ihre Insel? MEINUNG // AUTORIN: CHRISTA FARWICK

Es sind nur acht Kilometer über den Eisenbahndamm durch das Wattenmeer. Und schon auf den ersten Metern trifft es einen mit voller Wucht. Sylt trifft immer mit voller Wucht. Kein bisschen „Hauch von…“. Jedes Mal aufs Neue durchströmt mich ein wahres Glücksgefühl, ratternd durch die Wiesen und Marschen, dort schon der Keitumer Kirchturm, alles eine einzige Verheißung auf Meer und Watt, Himmel und Horizont und Heide. 136 Mensch, sylt!

Ein Herbstausflug aus Münster auf meine Lieblingsinsel im Norden. In Coronazeiten. Mein Freund und ich, wir waren etwas verhalten: Im März hatten wir noch mitgelitten, als das Virus die Gäste von der Insel fegte, und doch berauscht von den unfassbaren Bildern der menschenleeren Natur, von diesen historischen Aufnahmen einmaliger Schönheit – überdeckt vom gedanklichen Schleier möglicher miserabler Auswirkungen.


» Die Fragilität dieses schmalen Wellenbrechers vor dem Festland ist zum Greifen Nahe. « Dann brach der touristische Ansturm auf die Insel ein. Doch unsere Sehnsucht war einfach zu groß, die Sehnsucht nach der Innigkeit mit unseren Lieblingsmenschen, nach Sylt. Die Insel ist eine krasse Zeitreise. Der Eisenbahndamm heißt wirklich noch immer nach Hindenburg, obwohl vielerorts eine Umbenennung längst stattgefunden hat. Beim Blick auf Häuser, die auch gerne nochmal „Ponderosa“ heißen, muss ich angesichts der Kultserie „Bonanza“ nostalgisch schmunzeln und dabei an die „Generation Corona“ denken. Welches Geschenk unbeschwerter Jugend hatten mein Freundeskreis und ich? Den Aufbruch der Siebziger, den Hedonismus der Achtziger Jahre. Was wir als Bedrohung erlebten – Pershing 2-Raketen, Atomkraft, Tschernobyl, 9/11, Irak-Krieg, Terrorattacken – hat uns einander nähergebracht. Jetzt hält das Virus die Generation, die hinauswill, auf- und ausbrechen, sich ausgelassen und grenzenlos fühlen möchte, in ein unsichtbares Gummiband. Wie uns alle kontrolliert dieses Band der Vernunft die

unwillkürlichen Bewegungen, die Reflexe, die Nähe und Berührung. Mit diesen Gedanken geht es in die Braderuper Heide. Es ist die pure Freude, ich könnte die Welt umarmen. Ich bin so dankbar, dieses Gefühl und diese Farben hole ich mir im Winter in die Erinnerung. Die Insel ist eine Zeitreise, das heißt auch: Hier ist die Klimakrise nicht nur ein Gedanke, die Fragilität dieses schmalen Wellenbrechers vor dem Festland ist zum Greifen nahe: An diesem Herbsttag ist der Süden an der Hörnumer Odde wie ein irrealer Hochsommer-Morgen. Die Tetrapoden sind Inselfraß in Beton gegossen. Am Wiener Burgtheater symbolisieren Tetrapoden den Teutoburger Wald in Kleists „Hermannsschlacht“, inzeniert von Regisseur Kusej. Die römischen Legionen hielten sich für unverwundbar. Für wie unverwundbar halten die Sylter, aber auch die Investoren und die manchmal rücksichtslosen Gäste diese 100 Quadratkilometer im Meer? Selbst als kleines Dötzchen staunte mein Sohn mit Blick auf die Wanderdünen jedes Mal, wenn wir von Kampen nach List

Mensch, sylt!

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fuhren. Wie geht es denn in der Zerreißprobe zwischen Wachstum und Sünden an der Natur, Personalmangel und unbezahlbarem Wohnen, Gemeinschaft und Egoismus? So vielfältig die Gründe, so komplex und mühsam werden die Lösungen sein. Auch wir Gäste können uns gerne fragen, wie dankbar und demütig wir selbst sind – bei manchem Blick in die Gesichter oder auf aggressive Fahrradfahrer ist soviel Luft nach oben wie für das Anspruchsdenken nach unten. Beim Herbstausflug hätte ich sogar Verständnis für mürrischen Service angesichts einer kraftzehrenden Saison gehabt. Stattdessen empfängt uns nahezu liebevoller Service im Hörnumer „Café Lund“, beim Pflaumenkuchen mit Sahne in Kampen serviert uns der Kellner einen Ort zum Innehalten – trotz der Schlange vorm Eingang im Platzregen – und ausgesuchte Freundlichkeit in Wenningstedt. Beim Blick auf den Sonnenuntergang oben vom Roten Kliff sehen die Menschen aus wie kleine Trickfilm-Figuren und die zerbrechliche Natur noch größer. Getoppt wird der Eindruck von „Wir Kleinen im großen Universum“ ein paar Stunden später, als man es sich im Dunkeln am liebsten auf dem Holzsteg gemütlich machen möchte, umschlungen vom 138 Mensch, sylt!

– wie altmodisch, aber wahr – Sternenzelt. Jahrhunderte sind nicht einmal ein Wimpernschlag für die Erdgeschichte. Als ich die erste Ausgabe dieses Magazins in Coronazeiten gelesen habe, war ich dermaßen beglückt: So tolle Menschen, so viele kreative Köpfe, so viele kluge Gedanken von Leuten, die etwas bewegen auf der Insel. Es ist doch noch gar nicht zu spät, Sylt zum nachhaltigsten und freundlichsten Ort Deutschlands zu machen. Einzigartig ist es schon. Das wird ein Meeresleuchten.

Christa Farwick… ist Expertin für Unternehmenskommunikation und Autorin des Stadtführers „Das Münsterbuch“. An Sylt bindet sie seit Jahrzehnten ein intensives Gefühl zur berauschenden Natur und zu seinen Menschen. Denn die Insel ist auch das Zuhause einiger ihrer liebsten Freunde.


Too many Autos und keine Lösung in Sicht

MEINUNG // AUTOR: FRANK DEPPE

E

s ist ein Wochenende im Herbst 2020 und die Schlange aus Chrom und Blech will kein Ende nehmen. Sie windet sich mehr als drei Kilometer von der Autoverladung in Niebüll bis weit auf die Bundesstraße hinaus. Auto steht an Auto und es braucht viel Geduld und fünf Stunden Wartezeit für die Ankömmlinge.

K

ein Einzelfall. Gerade während der Sommerferien und an Feiertagen spielen sich solche Szenen in Niebüll bei der Anreise wie auch in Westerland bei der Abreise ab. Ein anschauliches Indiz dafür, wie die Verkehrsdichte auf Sylt stetig zunimmt und die Insel überfordert. Denn auch an neuralgischen Punkten wie etwa der Westerländer Innenstadt kommt es während der Saison immer wieder zu Staus aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens.

V

or hundert Jahren indes war der Anblick eines Automobils noch ein ganz besonderer, zu einer Zeit, als selbst heutige Hauptverkehrsadern wie die Kreisstraße zwischen Westerland und Keitum bessere Feldwege waren. Mit einem Auto konnten nur ganz wenige Sylter auftrumpfen, zumal ein solches mühsam nach Sylt verschifft werden musste.

E

rst der Bau des Hindenburgdamms veränderte die Situation nachhaltig. Nun wurden die zentralen Straßen nach und nach asphaltiert, denn ab 1932 setzte die Bahn auch Fahrzeuge über, zunächst allerdings auf Flachwaggons. Mit der stetig wachsenden Zahl der Gäste wuchs auch die Zahl der Autos, die Sylt bevölkerten. Transportierten die Autozüge im Jahre 1948 rund 12.000 Fahrzeuge nach Sylt, so kletterte die Zahl bis 1962 auf rund 102.000 Autos und heute auf über 500.000 (!!!!)

Mensch, sylt!

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Warten auf den nächsten Autozug ab Niebüll: Die Geduld der Anreisenden wird immer häufiger auf die Probe gestellt

Seit 1932 transportiert die Bahn eine wachsende Zahl an Autos auf die Insel

jährlich. Dazu kommen noch weitere 70.000 Autos, die die Sylt-Fähre übersetzt.

D

er automobile Wildwuchs zeigte langsam Folgen. Schon 1971 warnte die „Bürgerinitiative Sylt“ vor einem „Verkehrschaos, Lärmbelästigung und Luftverschmutzung durch Autoabgase“. Zehn Jahre später mahnte eine Arbeitsgruppe der Dortmunder Universität: Eine noch stärkere Verkehrsentwicklung schade dem Naturschutz und der Attraktivität Sylts, außerdem sei eine Sperrung der Ortskerne von Westerland und Keitum für Autos zu empfehlen.

D

eutliche Worte fand 1982 Nordfrieslands Kreisbaudirektor: Sylt sei ein „Extrembeispiel überlasteter Erholungsgebiete“ und von zu viel Autoverkehr geplagt. Im selben Jahr appellierte ein Vertreter des schleswig-holsteinischen Innenministeriums „Erhalten Sie die Attraktivität der Insel!“ und konstatierte, dass der Verkehr auf der Insel in weniger als zehn Jahren um

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50 Prozent gestiegen sei. 1992: Im Norden nichts Neues – „Die ZEIT“ titelt: „Insel Sylt droht der Verkehrskollaps.“

D

ie Gegenwart: Noch immer wurde kein wirksames Mittel gefunden, den Autoverkehr auszudünnen. „Immer mehr Menschen, immer mehr Autos – mit diesem Wachstum kommen wir nicht mit“, warnt Dr. Roland Klockenhoff, Vorsitzender der Naturschutzgemeinschaft Sylt.

D

„ ie Blechflut forderte immer breitere Straßen und Parkflächen, oft sind Straßen verstopft“, monieren die Sylter Grünen. Doch der Weg zu Änderungen ist steinig. So debattierten beispielsweise im Sommer 2020 die Teilnehmer des „2. Verkehrsforums Keitum“ eifrig über ein autofreies Dorf. Doch hatte das „1. Verkehrsforum“ laut Protokoll noch „ein Votum für Einschränkungen des Autoverkehrs gezeigt, so überwog nun die Sorge der Keitumer Geschäftsinhaber um ein Ausbleiben der Kunden“.


S

ylt im Verkehrsfluss. Sollte es keine Veränderungen geben, dürfte die Situation eher noch angespannter werden. Denn durch die ausgeschöpfte Flächenversiegelung ist kaum ein (Aus-)Bau von Straßen möglich, die Zahl der Autos hingegen steigt mit der kontinuierlich wachsenden Zahl der Sylt-Urlauber immer weiter: Waren es im Jahr 2005 noch rund 730.000 Gäste, kletterte die Zahl 2012 auf 840.000 und bezifferte sich im vergangenen Jahr auf 960.000. Hinzu kommen der wachsende Fuhrpark an Leihautos wie auch mehr (Zweit-)Autos der Insulaner.

E

inen zentralen Problempunkt benennt Moritz Luft, Geschäftsführer der Sylt Marketing Gesellschaft (SMG): Sylt sei ein Individual- und kein Pauschalreiseziel, „und eine Individual-

reise geht oft mit dem Wunsch einher, Mobilität so individuell und frei wie möglich im Sinne des Wortes zu erfahren“. Eine

Vision des engagierten Touristikers: Eine Neuauflage der 1970 eingestellten Inselbahn in neuer Gestalt: „Es gibt bereits Elektro-Bahnen auf Schienen. Dafür müssten auf Sylt nicht einmal extra Trassen und Oberleitungen gebaut werden, da die Bahnen auf den Schienensträngen von Straßen fahren.“

W

eitere Optionen benannte aktuell Stephan Rammler, seines Zeichens Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin, gegenüber der SMG: „Um den Autoverkehr zu reduzieren, brauche ich andere funktionale Angebote – zum Beispiel eine Flotte von Elektroautos, die günstig ausgeliehen werden können. Oder aber das so genannte Ridesharing – die Möglichkeit, Fahrten mit anderen zu teilen, beispielsweise mittels Großraumtaxen.“

W

iederholt wurde bereits auch gefordert, dass die Kurkarte die Nutzung der Sylter Linienbusse beinhalten solle.

A

ufgrund der kurzen Ent„ fernungen ist Sylt gerade für EAutos ideal“, konstatiert Moritz Luft. Jedoch: „Solange es kein sinnvolles, inselweites Mobilitätskonzept gibt, wird sich die Verkehrssituation kaum verändern.“

Mensch, sylt!

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THE LIGHTS ARE TURNED DOWN LOW LET IT SNOW, LET IT SNOW, LET IT SNOW! FRANK SINATRA


https://brians-hamburg.de


RUBRIK:

WISSE & ERFAHRE 146 Buchtipps Apokalypse, was sonst? 150 Das Mensch, Sylt! A bis Z Mit Mut zur Lücke

144 Mensch, sylt!


JÖRG HÖFS katapultiert den intellektuellen Anspruch unseres Magazins von 12 auf 100. Der Bücherflüsterer empfiehlt die besten „Schinken“ zum Thema Apokalypse.

DAS MENSCH, SYLT A BIS Z Vorsicht! Sehr bunte Sylt-Mischung, ganze ohne Gewähr! Komplexe Zusammenhänge grob verkürzend

Mensch, sylt!

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DIE LITERATURECKE MIT JÖRG HÖFS

DIESES MAL ZUM THEMA APOKALYPSE Lesen statt daddeln – heißt das Gebot der Stunde, um die nächsten Wochen auch intellektuell gut zu überstehen. „Mensch, Sylt!“ schätzt sich glücklich für seine „Literaturecke“ den Besten gewonnen zu haben. Unseren Bücherwurm Jörg Höfs, den Mann mit den übersinnlichen Fähigkeiten. Denn nur er weiß, bevor du es selbst weißt, welches Buch du als Nächstes lesen musst. Mal ausprobieren? Man findet ihn ganz flott und einfach in der „ElatusBuchhandlung“ am Lister Hafen und kann sich dort von seinen Ratgeberfähigkeiten überzeugen. Passend zum Augenblick hat er uns die besten Bücher zum Thema „Apokalypse“ zusammengestellt. Frei nach dem Motto: Beschäftige Dich mit richtig unheilvollen Szenarien, dann ist das Jetzt viel leichter auszuhalten.

146 Mensch, sylt!

1 Ingo Reuter

WELTUNTERGÄNGE RECLAM, 6€

Von der „Offenbarung des Johannes“ bis „Matrix Revolutions“ – warum geistert die Idee des Weltuntergangs durch die gesamte Menschheitsgeschichte? Wo doch früher alles besser war! Motive, Formen und Funktionen apokalyptischer Kulturwerke werden kurz und optimistisch erläutert. Ideale Einstiegslektüre zum Thema.

2 Die Götterlieder der Älteren Edda RECLAM, 7€

Die Apokalypse in der germanischen Mythologie klingt wie ein Totengeläut: Ragnarök! So gewaltig die Endschlacht auch sein wird – „Axtzeit, Schwertzeit, gespaltene Schilde, Windzeit, Wolfszeit, bis die Welt zu Grunde geht“ – der germanische Kosmos ist regenerativ, der Katastrophe folgt ein Neubeginn. Ob dieses Happy End genuin germanisch oder eher die Vision christlicher Missionare ist, bleibt ein interessantes Rätsel.


3 Cormac McCarthy

5

DIE STRAßE

Cixin Liu

ROWOHLT, 12€

Ein namenloser Vater und sein junger Sohn ziehen durch die aschgrauen Weiten der zerstörten und entvölkerten USA. Die Ursache für den postapokalyptischen Zustand des Landes erfahren wir genau so wenig wie die Geschichte von Vater und Sohn. In parabelhafter Weise erzählt McCarthy vom Wichtigsten, der Mitmenschlichkeit in finstersten Zeiten. Die Wahr- und Ernsthaftigkeit der lakonischen Vater-Sohn-Dialoge im Angesicht ständiger Lebensgefahr zwingt uns zu intensiver und moralisch mitdenkender Lektüre. Ein großer Roman!

Die drei Sonnen-Trilogie HEYNE, 17€

4 Gerhard Henschel

MENETEKEL DIE ANDERE BIBLIOTHEK, 20€

Der Großmeister der intellektuell-satirischen Prosa und ehemalige „Titanic“-Redakteur führt uns in diesem ziemlich anspruchs- und humorvollen Buch durch „3000 Jahre Untergang des Abendlandes“. Von den frühen Kirchenvätern und ihren zur Apokalypse führenden Frauenphobien über den GermanenMythos-Tick der Nazis bis zur kulturellen Apokalypse durch die BILDZeitung – Henschel legt die Wahnvorstellungen diverser Untergangspropheten gnadenlos frei. Leider ist das Buch vergriffen, aber beim zvab.de noch zu ergattern.

Vom selbsternannten Vollender des Genres „Hard Science-Fiction“ stammt dieser an technischen und psychologischen Apokalypsen reichhaltige, politisch hellsichtige und einen Zeitraum von einigen Millarden Jahren (und rund 2300 Seiten) umfassende Romanzyklus „Die drei Sonnen“, „Der dunkle Wald“ und „Jenseits der Zeit“. Ist natürlich unmöglich, die Geschichte in drei Sätze zu hämmern, deshalb nur soviel: mehr geht nicht. Punkt.

Mensch, sylt!

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6

8

Albert Camus

Mats Strandberg

DIE PEST

DAS ENDE

ROWOHLT, 12€

ARCTIS, 19€

Der moderne Klassiker aus dem Jahr 1947 beweist in der Zeit der Corona-Pandemie seine überzeitliche Qualität: die Veränderungen in der kollektiven Psyche der Einwohner; alte, wieder an die Oberfläche drängende, theologische und philosophische Fragen nach dem Sinn des Lebens (und Sterbens), nach Schuld und Sühne, nach individueller Verantwortung – „Die Pest“ bietet – als 5-aktige Tragödie strukturiert – auch uns Coronazeit-Menschen die gute alte Katharsis an, tröstend im Angesicht des Unvermeidlichen.

Was machen Teenager, wenn sie erfahren, dass die Erde in ungefähr vier Wochen von einem Kometen vernichtet werden wird? Ja, genau! In Mats Strandbergs Coming-ofage-Roman machen sie aber auch vernünftigere Sachen. Inmitten der allgegenwärtigen Endzeithysterie muss der Protagonist, Simon, den Tod seiner Freundin aufklären. Unbeschwerte Jugend sieht anders aus. Ein ernstes, spannendes Jugendbuch.

148 Mensch, sylt!

7 Terry Pratchett

EIN GUTES OMEN PIPER, 12€

Dieser lustige Roman stammt von dem nach Tolkien zweitberühmtesten Fantasyautoren englischer Sprache. Terry Pratchett transponiert die Prophezeiung der Ankunft des Antichristen in die Parallelrealität der Scheibenwelt (einer Erdplatte auf vier Elefanten und einer Risenschildkröte, die durchs Universum gleitet). Die Scheibenwelt dient Pratchett in ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit unserer Erde als Ort, an dem sehr irdische Phänomene sehr tief durch den Kakao gezogen werden können. Die Scheibenwelt-Romane sperren sich bei der Lektüre der ersten 50 Seiten mal ganz gerne gegen rationale Erklärungsversuche. Das macht aber nichts. Je weiter man liest, desto heller wird das Licht der Apokalypse.


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Das Mensch, Sylt!-

A bis Z

Vorsicht! Sehr bunte SyltMischung, ganz ohne Gewähr. Komplexe Zusammenhänge grob verkürzend...

A

Amtsmodell Eines der beiden großen Themen, die die Insel im Sommer und Herbst wild bewegten, war die Frage, ob eine Verwaltungsreform für die vor elf Jahren teilfusionierte Insel die gewünschte Strukturverbesserung bringen könnte. Die Idee: das Amtsmodell, ein Vorschlag der Sylter CDU und durchaus bewährtes Instrument der kommunalen Verwaltung in ländlichen Räumen. Für Sylt würde das bedeuten: eine gemeinsame Inselverwal150 Mensch, sylt!

tung unter Eingliederung der Gemeinde Sylt. Bislang ist es so: Die Gemeinde Sylt (Rantum, Westerland, Tinnum, Morsum, Munkmarsch, Archsum, Keitum) besitzt eine Verwaltung, deren Chef der gewählte Bürgermeister ist. Die freien Gemeinden (List, Kampen, Wenningstedt-Braderup und Hörnum) werden durch das Amt Landschaft Sylt gemeinsam vertreten, haben aber jede für sich eine/n gewählte/n ehrenamtliche/n Bürgermeister*in und ein eigenes Parlament. Jetzt ist der Vorstoß Amtsmodell mit einem Amtsdirektor an der Spitze allerdings erstmal wieder

ad acta – wegen zu viel Gegenwind. Nach einer knappen Entscheidung in der Gemeindevertretung Sylt gegen den Vorschlag möchte man jetzt mit Hilfe von entsprechenden Experten von Kreis Nordfriesland und Land SchleswigHolstein eine Lösung finden, die maßgeschneidert für die Insel sein soll. Versuch war’s wert, und es ist ja noch nicht das letzte Wort gesprochen.

Ä

Ähnliches gilt für das Thema RoV, den Raumordnerischen Vertrag zwischen Sylt und dem Land, der die bedarfsgerechte Entwicklung von Dauerwohnraum ermöglichen soll. List, Kampen, Wenningstedt und Hörnum stimmten diesem Vertrag zu. Die Gemeinde Sylt nicht, weil die Mehrheit das Instrument RoV für nicht zielführend hält. Auch hier keine schnelle Lösung. Bei Interesse einfach mal googeln: Raumordnerischer Vertrag Sylt.


B

Bambus Klaus Am 18. November ist er acht Jahre tot, der singende Wirt, Chef der knallbunten Bambus-Bar, in the middle of nowhere, kurz vor dem Lister Ellenbogen. Mit seiner ungeheuer schrägen und nicht minder liebenswerten Weltsicht, seinem Hang zum Exzess und diesem betörenden

Lachen, das einen alles drumherum vergessen ließ. Nein, er war nicht der letzte Mensch auf dieser Insel, der hedonistischen Individualismus und Eigensinn verkörperte, wir haben noch ein paar andere Originale. Aber Klaus war ein markanter Vertreter dieser Spezies. Wie gut, dass seine Schwägerin Elli die kleine Bar hinter der Düne nicht minder bunt weiter betreibt und dass List weiß, dass es solche Plätze

PS: Wir finden übrigens, dass BambusSongs kein Schlagertrash sind, wie mancher behauptet, sondern eine Kategorie für sich. Die Songs haben eben einfach diesen Helge-Schneider-Faktor und sind auch nach Jahren noch absurdgut. „Sünhair“: Hier mal reinhören!

mit solchen Menschen dringend braucht, um dem Hang zur Uniformität (auch in der Gastronomie) etwas entgegenzusetzen. Bevor Elli jetzt für den Winter die Schotten der Bar dicht machte und in ihre Essener Heimat aufgebrochen ist, hat sie „Mensch, Sylt“! noch einen Karton BambusBücher da gelassen. Wenn jemand uns also an seiner persönlichen Erinnerung an den wunderbaren Lebemann teilhaben lässt, schenken wir ihm dafür ein Klaus-Lesebuch. post@mensch-sylt.de >> Bitte Adresse in die Mail schreiben und so…

C

Café Curve À propos Originale: Ob man es nun Kurve schreibt oder Curve – da legen sich David und Sarah nicht gerne fest. In der Braderuper Straßenbiegung gibt es jedenfalls den womöglich besten Kaffee der Insel. Und der Kuchen ist auch super. Und

Mensch, sylt!

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die Wirte – so nett. In Sachen Lecker-Kaffee hat Sylt einen Quantensprung gemacht. Denn ebenfalls hitverdächtig: die Sylter Rösterei von Crischan Appel in Rantum am Hafen, Billy Cooper am CrêpeStand neben dem Wenningstedter Minigolfplatz kann es auch, der Kaffee am Crêpestand von Tom und Petra an der Wilhelmine in Westerland und der von der Eismanufaktur in List genügt ebenfalls allen Ansprüchen von Siebträgermaschinen verwöhnten Gaumen und Freunden besonderer Orte. Und es gibt sicher noch den ein oder anderen Spot mehr. Sagt mal, wo Euch der Kaffee am besten 152 Mensch, sylt!

schmeckt? post@ mensch-sylt.de

D

Dethlefs, Inge Sie ist eines der größten weiblichen Vorbilder weit und breit. Hutmacherin, Ökolandwirtin und Geschäftsfrau a.D., studierte Kunsttherapeutin, Chanson-Texterin, Sängerin, um nur ein

paar der Qualifikationen der Braderuperin mit schwäbischen Wurzeln zu nennen. Der jüngste Coup der Mit-Achtzigerin: In ihrer Open-air-Galerie neben dem Braderuper Kindergarten ist ihre Ausstellung „Stuhlgang“ zu bewundern - Impressionen, die nichts mit menschlichen Exkrementen, sondern mit echten Stühlen und deren Umwidmung in Kunst zu tun haben. Zudem hier: Inges Installation zum Thema Tourismus im Sommer 2020 - ebenfalls schön böse. Übrigens: eine Ausstellung, die auch zu Corona-Zeiten jederzeit besucht werden kann.

F

Friesischfreundlich Wer war im Sommer 2020 nun eigentlich genervter? Gäste oder Gastgeber? Jedenfalls zwischen Mitte Mai und

November gefühlt die halbe Republik zuzüglich eines Viertels aller Schweizer auf Sylt zu Gast. Da konnte man Turbulenzen in zwischenmenschlichen Begegnungen wohl nicht verhindern. Es war rappelvoll - fast überall. Natürlich: ein Ausnahmejahr und ebenfalls natürlich: durften sich die Sylter glücklich schätzen, dass es so viel zu tun gab und am natürlichsten: es ist angesichts der Umstände eigentlich ganz gut gelaufen, nur entspricht es halt der menschlichen Natur, sein Haupt gern Richtung Defizit zu neigen und nicht auf die Habenseite. Und darum: in Sachen Nettigkeit, Empathie und Rücksichtnahme war da echt viel Luft nach oben. Da kann sich wahrhaft nicht jeder mit Ruhm bekleckern, der im Sommer 2020 auf Sylt war. Weder auf der Gast- noch auf der Gastgeberseite. Und da gibt es auch gar keine Ausrede. Man kann sich ja jeden Tag neu entscheiden, ob man dem


Leben und den Mitmenschen entgegenlacht oder rummuffelt. Dabei ist Menschlichkeit gerade in Krisen Balsam für die Seele.

G

Hörnums No. 1: Möllers Anker, ambitioniert-köstlich, auch außer Haus.

Söl’ring Hof, weil: mehr geht nicht.

GastroLieblingsläden, als Empfehlung für hoffentlich bald, noch einmal aus dem sonnigen Süden: Café-Lund in Hörnum wegen heldenhaft und ökologisch wertvoll, wir werden nicht müde, das zu betonen.

Strandmuschel, draußen, weil die Location einfach schwer zu toppen ist. Na ja „Sansibar“ und Samoa „Seepferdchen“ natürlich auch – is ja so.

Strænd Hörnum, weil das ist genau das, was man so nah am Wasser erwartet.

Hafen Rantum, eh eine Perle. Hier: nochmal die Kaffeerösterei auch wegen Kuchen und der Hafenkiosk 24 wegen geräuchertem Fisch und unprätentiös.

H

Gutmensch Warum dieser Terminus so negativ belegt ist, versteht kein Mensch. Gutmensch hat aber immer diesen Beigeschmack von übertrieben naiv und weltverbesserisch. Schade eigentlich um das schöne Wort. Er ist dann also kein Gutmensch, aber ein wirklich guter Mensch. Fritz, Wahl-Sylter aus Namibia, und der beste Hausmeister der Welt, das können alle Familien im gemeindlichen Wohnprojekt „Osterwiese“ in Wenningstedt bezeugen.

Hick-Hack (statt: Insularer Geist) Der gemeinsame insulare Geist wird seit Jahrzehnten heraufbeschworen – bleibt aber die allermeiste Zeit hartnäckig in seiner Buddel (siehe A). Vielerlei Interessen stehen dem großen Wurf für ein zukunftsweisendes Vorgehen in den großen Themen Verkehr, Dauerwohnraum, touristische Strategie entgegen. Dabei wäre es fies zu behaupten, es gäbe auf Sylt nicht ungeheuer engagierte Laien-Parlamentarier, die sich oft seit Jahrzehnten ehrlich und mit Hingabe in den Ortsparlamenten um den richtigen Weg bemühen. Eigentlich wollen alle nur das Beste. Warum klappt es dann nicht? Die Meinungen darüber, was nun das Beste ist, liegen auf Sylt sehr weit auseinander. Doch es wird dran gearbeitet. Jetzt vielleicht mehr denn je.

„Greif nicht in ein Wespennest, doch wenn Du greifst, dann greife fest.“

Mensch, sylt!

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K L Kontorhaus Tee, stillvolles Design, ein kleines BoutiqueHotel, ambitionierte Jazz-Konzerte. All das ist das Kontorhaus in Keitum. Jetzt im Herbst wechselten die Besitzer: die Erfinder und Erbauer dieses Kleinods, das Ehepaar Zaeske, übergab wegen Nachfolgermangel an das Industriellen-Ehepaar Mankel, die auf Sylt schon für eine Renaissance des „Munkmarscher Fährhaus“ sorgten und das Hotel Aarnhoog in Keitum betreiben. www.kontorhauskeitum.de

154 Mensch, sylt!

Lokal-Derby Wenn aus einer Begegnung zwischen den beiden insularen Fußball-Herren-Mannschaften ein Weltereignis wird! Hohen Respekt dafür, wie das Team des Sport-ClubNorddörfer mit seinen Fans Ende September ihren 4:2-Sieg gegen „Team Sylt“ zelebrierte. Das hatte Klasse. Man sollte halt die Feste feiern, wie sie fallen. War ja wieder nicht zu ahnen, dass es mit der Fußballfreude kurze Zeit später ersteinmal wieder vorbei sein würde. Der kleine Sylter Sportverein arbeitet aber unerschüttert weiter an einer glorreichen Zukunft: Die Aktiven im Verein engagieren sich gerade für

die Anschaffung einer dringend notwendigen Flutlichtanlage und für den Bau einer kleinen Tribüne. Erfolgreiche Teams brauchen halt den entsprechenden Rahmen.

M

Matthiesen, Susanne Sylterin mit Wahlwohnsitz in Berlin, toughe Journalistin, die gesellschaftliche Entwicklungen aufgreift und in Programmideen für die Medien umsetzt. Das


Inselkind hat mitten in Coronatimes ihren ersten Roman publiziert, in dem sie so wunderbar ihre Sylter Jugend verarbeitet. „Ozelot und Friesennerz“ mit seiner feinen Art, Einblicke hinter die Sylter Kulissen zu gewähren, traf offenbar den Nerv und wurde allerorts verschlungen. Das Ganze gibt es auch schon als Hörbuch. Die Live-Version: Eine Lesung zusammen mit Edda Schnittgard am Klavier muss auf bessere Zeiten warten.

www.susannnematthiessen.de

Merret reicht’s Alles begann mit einem Leserbrief, den die ohnehin seit Jahrzehnten politisch enga-

gierte Keitumer Goldschmiedin Birte Wieda irgendwann im frühen Sommer schrieb, nachdem der Ministerpräsident auf der Insel zu Gast war und während seines Kurz-Besuchs seine Agenda abarbeitete, die den Kern der großen Sylter Themen (Dauerwohnraum, Verkehr, Großprojekte…) kaum streifte. Birte Wieda nahm den Ärger darüber zum Anlass, ihre Gedanken auf den Punkt zu bringen und öffentlich zu machen. Sie formulierte, was in ihren Augen auf Sylt im Hier und Jetzt im Argen liegt und fragte sich, in welche Richtung man den in so vielen Themen festgefahrenen Inselkahn in Zukunft eigentlich lenken möch-

mierten sich zu einer Bürgerbewegung, die sich als Korrektiv versteht, aber auch als Unterstützer und Impulsgeber für die ehrenamtliche Kommunalpolitik auf Sylt, um die großen Themen jetzt auf den Weg zu bringen. Denn nur gemeinsam kann es gehen. „Merret“, eine fiktive Friesin mit weitem Horizont und einer dezidierter Haltung wurde zur Symbolfigur. Die Sympathisanten von „Merret reicht’s“ entwickelten nicht nur ein Logo, waren fortan bei allen öffentlichen politischen Sitzungen präsent und sorgten mit für Einwohnerversammlungen zu wichtigen Themen, sie formulierten auch ihr Leitbild und wollen zukünftig mit außerparlamentarischen Mitteln alles daran setzen, dass Sylt ein lebenswertes, vitales Zuhause für Inselmenschen ist, dass man behutsam mit Gästen teilt.

te. Die Sylterin traf den Nerv vieler, die mit der insularen Entwicklung, den Grabenkämpfen der Gemeinden, dem strukturellen Wandel der Orte, dem Wegzug der Einheimischen mit großer Sorge begegnete. Sie bekam daraufhin Dutzende von Zuschriften und Besuche von Syltern und Sylt-Liebhabern, die ihre Meinung teilen. Mit dem Tenor: Lasst uns gemeinsam alles daran setzen, Sylt nicht dem weiteren Ausverkauf Preis zu geben, lasst uns die Insel, vornehmlich als Lebensraum mit begrenztem Raum und Kapazität sehen, dessen Gleichgewicht dringend wiederhergestellt werden muss. Diese Stimmen for

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Meeresgärtnerei Da „Mensch, Sylt!“ Schräges, Individuelles und Einzigartiges liebt, in dem der wirtschaftliche Gedanke nicht die einzig treibende Kraft ist: im Alten Bahnhof zu Keitum am Kreisel (nicht zu verwechseln mit dem DB-Bahnhof) findet man seit einiger Zeit ein uriges Fachgeschäft für Salzwiesenkräuter, Küstengemüse, Heide-Wildobstsorten der Saison, Meeresalgen und wenn sie Saison haben, auch für Original Sylter Zitronen! Kurios? Ja, und genau darum wunderbar. www.meeresgaertnerei.de

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Social Media Die Sylter sind auf Facebook extrem aktiv. Dieser begrenzte, aber eben auch nicht klitze-kleine Raum mit Wasser drumherum scheint sich förmlich anzubieten für Warentausch, Hilfeleistungen und Infotransfer. Ein grandioser Erfolg wurde die Idee des Westerländers Jörn Radzuweit (auf Facebook heißt er „Gerhardt Sylt!), der einfach mal Lust hatte, die Plattform für den schnellen Austausch von Sylter Impressionen der letzten Jahrzehnte zu nutzen. Innerhalb kürzester Zeit motivierte „Mein altes Sylt“ über 5.000 Menschen, vorwiegend

Insulaner oder Ex-Sylter, Mitglied zu werden. Angesichts des nostalgischen Fotomaterials und der schönen Erinnerungen sind viele Gruppenmitglieder jetzt begeisterte Facebooknutzer. Denn die analoge Ebene ist nicht zu verachten. Klassenkameraden fanden sich, die liebe Nachbarin, jetzt in Süddeutschland ansässig, tauchte wieder auf und sogar die erste Liebe meldete sich auf das Posting eines Bildes zurück. Schöööön, oder?

Shopping-Tipps – kleine Perlen des individuellen Einkaufens:

Blumen & schönes Zeugs für Haus und Garten bei der „Alten Wäscherei“ in Keitum Westerland City hat sich in den letzten Jahren zum lohnenswerten Ziel für textiles Shoppen ohne Einheitsbrei gemausert. Das macht sogar Großstadt-Verwöhnten Spaß. Die City ist mit ihren ganzen Narben und Schönheitsfehlern eh viel cooler als ihr Ruf. Der Knüller: endlich gibt es auch eine Adresse für nachhaltige Mode. Ganz weit vorne: Das „Wunderwerk“ in der Friedrichstraße. Faszinierendes Konzept mit Vision. Sympathisch: das Selfmade-Damentrio von Hafen 9 in Rantum mit Secondhandmode, Batik-Shirts und SyltWimpeln. Voll schön.


© Fabian Stürtz

W Willi, die Robbe

Auch hier am Hafen: türkisbunt und einen Besuch wert, nicht zuletzt wegen der Wohnaccessoires und Geschenkideen: die Bonscherei.

Shanties Not macht erfinderisch: Als die Sylter Shanty-Herren zwischendurch mal wieder üben durften, hatten sie einem Probenort, der wirklich viel Abstand ermöglichte: Sie ölten ihre Stimmen in der Reithalle des Erdbeerparadieses in Braderup. Echt findig.

Sebastian23 war der letzte Künstler, der im kursaal³ vor dem Lockdown light (Light-Produkte waren noch nie wirklich der Knüller) auftrat und klar vor Augen führte, wie gut Livekultur tut, wie wichtig Kabarett ist und dass Dummheit gerade in Krisenzeiten einen guten Nährboden findet. www.sebastian23.org

im Hörnumer Hafenbecken, ist tot, nimmt man jedenfalls an. Sicher ist, dass sie wohl nicht an Unterernährung gestorben sein dürfte. Willi hat sogar einen WikipediaEintrag. Und eine Nachfolgerin: Sylta, auch schon ganz schön mollig. Das nur, weil triviales Wissen so schön von den wirklich wichtigen Themen ablenkt.

Wünsch Dir was: Wem ein Thema für das Mensch Sylt A-Z unter den Nägeln brennt, schreibe uns einfach:

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LIEBLINGSSPRUCH DES WINTERS:

Wo laufen sie denn, mein gott, wo laufen sie denn hin?

Mensch,

SYLT!

Einfach mal die Blickrichtung 채ndern, das empfehlen wir Euch f체r diesen Winter. Die n채chste Ausgabe von Mensch, Sylt! erscheint im M채rz 2021.

post@mensch-sylt.de www.mensch-sylt.de 158 Mensch, sylt!


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