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Karsten Weyershausen beleuchtet 28 Biografien – unter anderem von Robin Williams, Dean Reed, Raimund Harmstorf, Jean Seberg und Marilyn Monroe – sowie die damit verbundenen Selbsttötungen.
Karsten Weyershausen
Der finale Notausgang
Die Fragen, die ein Suizid aufwirft, sind immer unbequem. Doch besonders im Showgeschäft hat der Freitod fast etwas wie eine traurige Tradition. Sie begann mit der Schauspielerin Peg Entwistle, die sich nach einem Karriereknick im September 1932 spektakulär vom fünfzehn Meter hohen Hollywood-Schriftzug in den Tod stürzte. Was treibt einen Menschen dazu? Selbst wenn ein Abschiedsbrief vorliegt, kann man die Beweggründe einer solchen Tat nur schwer nachvollziehen.
Der finale Notausgang Suizid im Showgeschäft 28 bewegende Biografien
edition kopfkiosk | Bd. 01 ISBN 978-3-945715-60-4 9,50 EUR (D)
Karsten Weyershausen
KARSTEN WEYERSHAUSEN lebt als freier Autor, Cartoonist und Illustrator in Braunschweig. Er arbeitet für Magazine und Tageszeitungen. Seine Werke waren bereits bei diversen Ausstellungen zu sehen. Aktuelle Buchveröffentlichungen: »Kerle im Klimakterium«, »Stadt. Land. Flucht. Kuhmist oder Kohlenmonoxid« (beide zusammen mit Holger Reichard) und »Ist Götterspeise Blasphemie?«.
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»Dazu hatte Acord die Angewohnheit seine Filmpartnerinnen zu heiraten, was sich auf lange Sicht als schlechte Idee erwies, denn keine seiner drei Ehen hielt länger als fünf Jahre. Trotz vieler Verletzungen, die er sich bei Dreharbeiten zugezogen hatte (er wurde einmal sogar für tot erklärt), erledigte der wuchtige Hüne all seine Stunts selbst. Unter Branchenkennern galt Art Acord als unzerstörbar. Nichts konnte ihm etwas anhaben – bis der Tonfilm kam.«
Karsten Weyershausen
Der finale Notausgang Suizid im Showgeschäft 28 bewegende Biografien
Leseprobe
Karsten Weyershausen Der finale Notausgang Suizid im Showgeschäft. 28 bewegende Biografien Die edition kopfkiosk wird gestaltet und herausgegeben von Andreas Reiffer | Bd. 01 1. Auflage 2020 Š Verlag Andreas Reiffer ISBN 978-3-945715-60-4 Verlag Andreas Reiffer, Hauptstr. 16 b, D-38527 Meine www.verlag-reiffer.de
Inhalt
Vorwort ................................................. 8 Max Linder ....................................... 12 Art Acord ............................................ 16 Renate Müller ................................. 20 Joachim Gottschalk .......................... 24 Herbert Selpin ............................... 28 Sybille Schmitz ................................. 31 Marilyn Monroe ............................... 36 Alan Ladd ........................................... 41 Dorothy Dandridge .......................... 46 Charles Boyer ................................... 50 Gig Young .......................................... 54 Harry Meyen ..................................... 58 Jean Seberg ....................................... 61 Romain Gary .................................... 67 Patrick Dewaere ................................ 71 Dean Reed ......................................... 77 Capucine ............................................. 82 Michael Pfleghar .............................. 86
Margaux Hemingway ..................... 90 Brian Keith ......................................... 94 Raimund Harmstorf ........................ 98 Ulrich Wildgruber ........................ 101 Silvia Seidel .................................... 104 Tony Scott ....................................... 107 Robin Williams .............................. 110 Chantal Akerman ......................... 116 Margot Kidder ............................... 119 Anthony Bourdain ......................... 123 Literaturverzeichnis ....................... 127 Bildnachweis .................................... 128
Herbert Selpin
Der wehrkraftzersetzende Egomane Hans Albers’ berühmter Spruch »Hoppla, jetzt komm ich« könnte auch Herbert Selpins Lebensmotto gewesen sein. Schließlich war er der Lieblingsregisseur des »blonden Hans«, mit dem er insgesamt fünf Filme drehte. Selpin, ein tosender Choleriker, der seine Mitmenschen gedankenlos vor den Kopf stieß, wurde von seinen Freunden liebevoll »Pino« genannt. Seine Opfer hingegen verdrehten seinen Namen gern zu »Pinsel«. Der gebürtige Berliner war der sprichwörtliche Hansdampf in allen Gassen, der sich unter anderem als Buchhändler, Boxer und Berufstänzer durchschlug, bis er Mitte der 1920er Jahre ein Volontariat bei der Ufa begann. Dank seines großen Talents und vor allem seiner Experimentierfreude entwickelte er sich dort schnell zu einem der wichtigen Regisseure. Auch wenn er seit 1934 der NSDAP angehörte, stimmte er den braunen Machthabern nicht in allen Dingen zu. Während seiner Zeit in England hatte er Land und Leute zu schätzen gelernt und drehte den antibritischen Propagandafilm »Carl Peters« nach Aussagen einiger Zeitzeugen angeblich nur widerwillig. Fest steht, dass Filme wie »Sergeant Berry« (1938) und »Wasser für Canitoga« (1939), die den Deutschen einen Hauch von weiter Welt und Abenteuer vermittelten, noch heute als Ufa-Klassiker gelten. Der selbstbewusste Regisseur machte aus seiner Meinung nie einen Hehl. Als Produzent »kriegswichtiger« Abenteuerstreifen war er ein unverzichtbares
»Titanic« (1943) von Herbert Selpin. Werner Klingler beendete nach Selpins Tod den Film. Am Tag vor der geplanten Uraufführung zerstörte eine Bombe 1943 das Kino. Als das Epos 1950 in gekürzter Form doch noch erschien, bezeichneten es die Kritiker als Katastrophe. »Titanic« wurde dennoch ein Publikumserfolg.
Rad in der Filmmaschinerie der Nazis – so glaubte er zumindest. 1942 erhielt er von Goebbels den Auftrag, sich an eine Neuverfilmung des Untergangs der Titanic zu machen. Der Propagandaminister hatte für den »Gottstrafe-England«-Film ein Budget von vier Millionen Reichsmark genehmigt – zu Kriegszeiten eine immense Summe. Gedreht wurde an Bord der »Cap Arcona« in der Danziger Bucht. Da sich das weibliche Filmpersonal schnell in Affären mit den feschen Marineoffizieren verstrickte, wurden die Dreharbeiten chaotisch und der entnervte Selpin machte bei einem Abendessen seinem Ärger über das verhasste Militär Luft. Seine Tiraden über die »Arschlöcher« von der Luftwaffe und die »Scheißer auf ihren U-Booten« blieben nicht ohne Folgen. Walter Zerlett-Olfenius, Selpins langjähriger Drehbuchautor und Aufnahmeleiter, der an diesem Abend ebenfalls ins Kreuzfeuer des tobenden Regisseurs geriet, beschloss, ihm einen Denkzettel zu verpassen und schrieb einen Bericht an die Tobis. Zuerst wollte man den Vorfall diskret aus der Welt schaffen. Der Präsident der Reichskulturkammer, SS-Obergruppenführer Hans Hinkel, versuchte Selpin zu einer »Bußezahlung« zu bewegen, was dieser jedoch vehement ablehnte. Schließlich befahl Goebbels persönlich den unkooperativen Filmemacher zu sich, um ihn wegen seiner »wehrkraftzersetzenden Äußerungen« die Gelegenheit zur Entschuldigung zu geben – doch der dachte nicht im Traum daran, sondern rechtfertigte stattdessen sein Verhalten. Als Konsequenz wurde er mit sofortigem Berufsverbot belegt und in Haft genommen. Vor seinem Prozess
erhängte er sich in seiner Zelle im Polizeipräsidium Alexanderplatz an seinen Hosenträgern. Sein Tod gab Anlass zu Vermutungen: Wieso durfte er in seiner Zelle die Hosenträger behalten? Gerüchte kursierten, nach denen Selpin von der Gestapo erwürgt worden war. Um diese zu entkräften, arrangierte man für Freunde und Verwandte eine Leichenschau am offenen Sarg. Danach wurde Selpin in aller Stille eingeäschert, ohne dass die Öffentlichkeit von seinem Ableben erfuhr. Goebbels notierte am 1. August in seinem Tagebuch: »Selpin hat sich in seiner Zelle umgebracht. Er kam zu der Entscheidung, die das Gericht auch gefällt hätte.« Zerlett-Olfenius wurde 1947 als Nutznießer und Denunziant zu vier Jahren Arbeitslager und fünfzig Prozent Vermögenseinzug verurteilt. Herbert Selpin (* 29. Mai 1902 in Berlin; † 1. August 1942 ebenda) war ein deutscher Filmregisseur und Drehbuchautor.
Marilyn Monroe
Ich konnte das Studio nicht finden Als man sie 1962 tot auffand, dachte niemand, dass Marilyn Monroe einmal in den Olymp der Hollywood-Götter aufsteigen würde. Damals hatte sie mehrere Flops in Folge gelandet, während ihre Rivalin, Elizabeth Taylor, in der Publikumsgunst ganz oben stand. Zudem war sie hochgradig alkohol- und tablettensüchtig. Ihr letzter Film wurde aufgrund ihrer labilen Verfassung erst gar nicht beendet. Marilyns früher Tod machte Norma Jeane Baker jedoch unsterblich.
Während sie zu Lebzeiten als blondes Dummchen gehandelt wurde, rückte nach ihrem Tod der tragische Teil ihres Charakters in den Vordergrund. Da war ihre Mutter, die wegen Schizophrenie in eine Anstalt eingewiesen worden war. Norma Jeane musste bei zehn verschiedenen Pflegeeltern aufwachsen. Von einem ihrer Adoptivväter wurde sie sexuell missbraucht. Ihren wahren Vater hatte sie nie kennengelernt. Vielleicht ein Grund, warum sie sich zeitlebens zu dominanten Männern hingezogen fühlte, die sie »Daddy« nannte. Mit sechzehn heiratete sie den Flugzeugmechaniker Jim Dougherty und begann eine Karriere als Model. Sie ließ sich splitternackt für einen Pin Up-Kalender ablichten. Später gefragt, ob sie tatsächlich nichts anhatte, antwortete sie: »Ich hatte das Radio an.« Ein paar Jahre später verhalfen genau diese Fotos der ersten Ausgabe des Männermagazins »Playboy« zum Erfolg. Hugh Hefner zahlte nur fünfhundert Dollar für die Bildrechte. »Es war die beste Investition, die ich je gemacht habe«, schrieb er später. Ihr Weg führte sie nach Hollywood. Aus der rothaarigen Norma Jeane wurde die blonde Marilyn. Sie heiratete den Baseball-Star Joe DiMaggio, der sie aus Eifersucht oft verprügelte. Auch diese Ehe war nicht von Dauer. Nach mehreren Nebenrollen schaffte sie den Durchbruch als Ehebrecherin in dem Melodram »Niagara« (1952). In den folgenden Filmen wurde Marilyn auf die Rolle der dümmlichen Sexbombe festgelegt: ein Image, das sie verzweifelt abzuschütteln versuchte. Wenn sie bei Intellektuellen zu Gast war, büffelte sie vorher die ganze Nacht, um sich auf eine gehobene
»Misfits – Nicht gesellschaftsfähig« (1961) von John Huston. Für Marilyn Monroe und Co-Star Clark Gable wurde es der letzte Film. Am Tag der Uraufführung befand sich Monroe in einer psychiatrischen Klinik.
Konversation vorzubereiten. Sie scheute dabei nicht davor zurück, Spickzettel in ihre Handtasche zu heften. In »Das verflixte 7. Jahr« (1955) hatte sie schließlich ihre berühmteste Szene: Während sie über einem U-Bahn-Schacht stand, wurde ihr Kleid von einem heißen Luftzug hochgewirbelt. Im selben Jahr begann sie, Schauspielunterricht in Lee Strasbergs Actors Studio zu nehmen. Fortan wurde Strasbergs Frau Paula zu ihrer ständigen Betreuerin. Dann lernte sie den Dramatiker Arthur Miller kennen, den sie ein Jahr später heiratete. »The Brain und The Body« nannte die Presse diese kuriose Verbindung. Miller, als Kommunist gebrandmarkt, steckte damals selbst in einer Krise, so konnte er nicht der »Daddy« sein, den sich Marilyn von ihm erhoffte. Der Starkult um seine Frau überrumpelte ihn förmlich. In einer Buchhandlung bemerkte er eines Tages einen Mann, der bei Marilyns Anblick ungeniert in der Hosentasche onanierte. Einziger Ausweg war Abkapselung in den eigenen vier Wänden. Auch eine Fehlgeburt belastete ihre Beziehung. Marilyn suchte bei Psychiatern und Schauspiellehrern Halt – und schließlich beim Alkohol. Für ihre Umwelt wurde sie zur Belastung. Regisseur Billy Wilder brachte sie an den Rand des Wahnsinns. Oft erschien sie Stunden zu spät am Drehort. »Ich konnte das Studio nicht finden«, lautete ihre Entschuldigung. Ein Studio, in dem sie schon unzählige Male gearbeitet hatte. Ein andermal musste Tony Curtis zweiundvierzig Hühnerbeine in zweiundvierzig Wiederholungen abnagen, da sie ihren Text nicht richtig hinbekam. Wenn Wilder dieses Verhalten sarkas-
tisch kommentierte, war Miller sofort zur Stelle, um seine Frau zu verteidigen. »Ich habe ihr meine ganze Energie und Aufmerksamkeit gewidmet, um ihr dabei zu helfen, ihre Probleme zu lösen«, gab er später zu. Obwohl man Marilyns Rollen nicht gerade als anspruchsvoll bezeichnen konnte, steigerte sie sich bis zur Hysterie in ihre Arbeit hinein. Als sie und Miller ein gemeinsames Filmprojekt in Angriff nahmen, war die Ehe bereits gescheitert. Die Dreharbeiten, die in der Wüste von Arizona stattfanden, wurden für alle zur Tortur. Regisseur John Huston: »Eines Abends wollte ich gerade vom Drehort, der Meilen von jeder Stadt entfernt lag, wegfahren, als ich den völlig verlassenen Arthur entdeckte. Marilyn und ihre Freunde hatten ihn nicht mitgenommen, sie sind ganz einfach ohne ihn gefahren. Hätte ich ihn nicht gesehen, hätte er da draußen festgesessen.« Trotz aller Mühe war »Misfits – Nicht gesellschaftsfähig« (1961) ein Flop. Nach den Dreharbeiten fuhren Miller und Monroe in getrennten Wagen fort. Marilyns Karriere war nun schwer angeschlagen. Sie hatte viele Affären – angeblich auch mit Präsident John F. Kennedy und seinem Bruder Robert. Ihre zunehmende Labilität machte sie für die Studios untragbar. Angst vor dem Alter tat ihr Übriges. 1961 ließ sie sich wegen ihrer Sucht in eine psychiatrische Anstalt einweisen. Dort steckte man sie in eine Gummizelle. Unter den Top Twenty der erfolgreichsten Stars tauchte Marilyns Name gar nicht mehr auf. Ihr letzter Film »Something’s Got to Give« wurde abgebrochen, da sie nur an zwölf der angesetzten dreißig Drehtage erschien.
Die zutiefst unsichere Marilyn brauchte nun permanent Bestätigung. Und die fand sie in immer neuen Abenteuern mit gesellschaftlich attraktiven Männern. Doch irgendwann reichte auch das nicht mehr. Am 5. August 1962 fand man ihre Leiche. Vierzig Nembutal-Tabletten hatten ihrem Leben ein Ende gesetzt. Einer der Polizisten, die ihr Apartment auf Spuren untersuchten, war ausgerechnet ihr erster Mann, Jim Dougherty. Vertraute waren nicht überrascht, als sie von Marilyns Selbstmord erfuhren. Für die Welt jedoch war er ein Schock. Noch Jahrzehnte später rätselt man über die Umstände ihres Todes. War es in Wirklichkeit Mord? War es die CIA im Auftrag der Kennedys? Kein Jahr vergeht ohne eine neue Verschwörungstheorie. Für ihren Filmpartner Tony Curtis sah die Wahrheit einfacher aus: »Um Karriere zu machen, hat sie sich anfangs von vielen Männern benutzen lassen. Selbst nachdem sie längst ein Star war, konnte sie die Erinnerung daran nie verdrängen. Diese Erinnerung war es, die sie langsam zerstört hat.« In seiner Autobiografie »Zeitkurven« schrieb Arthur Miller: »Sie war ›Marilyn Monroe‹, und genau das brachte sie um.« 1999 wurde ihr Nachlass versteigert. Die Auktion unter dem Titel »The Personal Property of Marilyn Monroe« brachte einen Gesamtumsatz von 21,5 Millionen Dollar. Noch immer fasziniert Marilyn die Massen. Alterslos, längst zur Ikone geworden, nimmt sie ihren Platz in der Zeitgeschichte ein: die tragische Sexgöttin, die auf Erden wandelte – kurze sechsunddreißig Jahre lang.
Marilyn Monroe; eigentlich Norma Jeane Baker (* 1. Juni 1926 in Los Angeles, Kalifornien; † 5. August 1962 in Brentwood, Los Angeles) war eine US-amerikanische Filmschauspielerin und Sängerin.
Dean Reed
Genosse Cowboy Die Schlagersängerin Helena Vondrácková erinnert sich an Dean Reed als »Legende im ganzen Ostblock«. Allerdings auch als geradezu fanatischen Anhänger des Kommunismus: »Er glaubte wirklich an eine Zukunft im kommunistischen System. Jedes Gespräch mit ihm endete meist mit einer von Phrasen überfrachteten Debatte.« Dabei kam der Amerikaner aus einer erzkonservativen Familie. Der auf einer Hühnerfarm aufgewachsene Newcomer kam 1959 durch sein blendendes Aussehen zu einem Plattenvertrag. Allerdings dauerte es zwei Jahre, bis er mit »Our Summer Romance« zumindest in Lateinamerika einen Nummer-Eins-Hit landen konnte. Seine Plattenfirma sah ihn bereits als neuen Elvis. Doch es kam anders: Reed besuchte die Schauspielschule bei Warner Brothers, wo Schauspiellehrer Paton Price den jungen Künstler erstmals auf die sozialen Missstände seines Landes aufmerksam machte. Sein Credo »Man kann kein guter Künstler sein, wenn man nicht zugleich ein guter Mensch ist«, beeindruckte Reed zutiefst. 1961 ging er in Argentinien und Chile, wo er zeitweise beliebter war als Elvis Presley, auf Tournee. In
»Buccaroo – Galgenvögel zwitschern nicht« (1967) von Adelchi Bianchi. Dean Reed drehte in Italien dreizehn Filme, bevor er in die DDR ging. Der bekannteste von ihnen ist der Western »Adios Sabata« (1970), in dem er an der Seite Yul Brynners auftrat.
der Folgezeit trat er dort in Telenovelas auf, hatte eine eigene »Dean Reed Show« und drehte in Mexiko seinen ersten Spielfilm. Mit der Armut Lateinamerikas konfrontiert, wurde der Entertainer in zunehmendem Maße politisch aktiv. Er besuchte die Sowjetunion, war Wahlkampfhelfer für Salvador Allende und demonstrierte gegen den Krieg in Vietnam. Sein Vater, ein reaktionärer Kommunistenhasser, betrachtete seinen Sohn inzwischen als Vaterlandsverräter und auch seine Brüder distanzierten sich von ihm. Einzig die Mutter hielt ihm die Treue. Nach politischen Umwälzungen in Argentinien ging er vorübergehend nach Spanien und bereiste die Sowjetunion. Kurzzeitig lebte er in Italien, wo er mehrere Spaghetti-Western drehte. 1972 jedoch siedelte er dauerhaft in die DDR über, heiratete dort das junge Model Wiebke Dorndeck und wurde als »Stimme aus dem anderen Amerika« populär. Seine zahlreichen Solidaritätskonzerte führten den »Kämpfer gegen Imperialismus und Ausbeutung« quer durch den Ostblock. Nicht wenige seiner Kollegen belächelten Reed und sahen in ihm eine willenlose Marionette der SED. Böse Zungen nannten ihn sogar »den roten Elvis« oder »Genosse Cowboy«. Als Vorzeigeamerikaner der DDR genoss er viele Privilegien. So konnte sich Reed zum Beispiel seine Rollen aussuchen, schrieb eigene Drehbücher, die er auch selbst inszenieren durfte. Filme wie die 1981 gedrehte Western-Klamotte »Sing, Cowboy, sing« waren sicher kein Ruhmesblatt der DEFA. Trotz aller Privilegien: Nach zehn Jahren DDR sah selbst er die Schattenseiten des Arbeiter- und Bauernparadieses.
Als Reed 1982 bei einer Kontrolle auf der Autobahn angehalten wurde, beschimpfte er die Volkspolizisten und verglich die DDR mit einem faschistischen Staat. »Er brachte zum Ausdruck, dass er, ebenso wie die siebzehn Millionen DDR-Bürger, es‚ ›bis oben hin satt‹ hätte«, notierte man in seiner Stasi-Akte. In der Nacht auf Freitag, dem 13. Juni 1986, fand man seinen leblosen Körper mit aufgeschnittenen Pulsadern und einer Überdosis Schlaftabletten intus im Zeuthener See, bei Berlin. Wenige Monate zuvor hatte er ernsthaft eine Rückkehr in die USA in Erwägung gezogen. Eine Agentin, die er bei einem Besuch in seiner Heimat kennengelernt hatte, hatte ihm dort eine glorreiche Zukunft versprochen. In einem seiner letzten Songs hieß es »Nobody knows me back in my hometown«. Ein Fernsehauftritt sollte dies ändern. Die populäre amerikanische Sendung »60 Minutes« brachte ein Interview mit ihm, das zum politischen Streitgespräch ausartete. Man zeigte Bilder, auf denen er sich mit Jassir Arafat verbrüderte – in der einen Hand eine Gitarre schwenkend, in der anderen eine sowjetische Kalaschnikow. Naiv hoffte Reed nach der Ausstrahlung auf Angebote aus den Vereinigten Staaten. Die einzige Reaktion waren bündelweise Hassbriefe amerikanischer Fernsehzuschauer. Selbst seine alten Kumpels aus Colorado kündigten ihm nun die Freundschaft. Nach dem anfänglichen Schock versank der so Geschmähte in tiefe Depressionen. Die Rückkehr in die Heimat schien nun unmöglich. Zugleich war seine Beliebtheit in der DDR stetig am Schwinden. Auch die Arbeit an einem neuen Film, der
sein Image aufpolieren sollte, kam immer wieder ins Stocken. Dies war mehr, als das ehrgeizige Multitalent verkraften konnte. Eines Abends verließ er sein Haus, um einen Kollegen zu besuchen. Er kehrte nie zurück. Damals kursierten die merkwürdigsten Gerüchte über seinen Tod. In einigen heißt es, Reed sei ein Opfer der Stasi, der CIA oder des KGB geworden. Später wurde sogar ein Kriminalroman veröffentlicht, der den mysteriösen Tod des Entertainers behandelt. Nach dem Zusammenbruch der DDR tauchte schließlich ein fünfzehnseitiger Abschiedsbrief auf, den Reed in seinem Auto zurückgelassen hatte. In diesem Brief beteuerte er, dass sein Freitod rein private Gründe habe. Der Kommunismus sei für ihn noch immer die einzige Lösung aller Probleme. Die Staatssicherheit der DDR ließ das Dokument, von dessen Existenz selbst die engsten Verwandten nichts wussten, verschwinden. Reed war in zweiter Ehe mit der Schauspielerin Renate Blume verheiratet. Sein Stiefsohn Alexander Reed ist heute ebenfalls Schauspieler. Nach Reeds Tod entstanden immer wieder Filme über das Leben des ungewöhnlichen Amerikaners – zuletzt »Der rote Elvis« (2007) von Leopold Grün. Hollywood-Star Tom Hanks erwarb 2004 sogar die Rechte für eine Verfilmung der Biografie Reeds, ohne das Projekt jedoch umzusetzen. Dean Cyril Reed (* 22. September 1938 in Denver, Colorado; † 13. Juni 1986 in Zeuthen, Kreis Königs Wusterhausen) war ein US-amerikanischer Schauspieler, Sänger, Drehbuchautor und Regisseur.
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»Dazu hatte Acord die Angewohnheit seine Filmpartnerinnen zu heiraten, was sich auf lange Sicht als schlechte Idee erwies, denn keine seiner drei Ehen hielt länger als fünf Jahre. Trotz vieler Verletzungen, die er sich bei Dreharbeiten zugezogen hatte (er wurde einmal sogar für tot erklärt), erledigte der wuchtige Hüne all seine Stunts selbst. Unter Branchenkennern galt Art Acord als unzerstörbar. Nichts konnte ihm etwas anhaben – bis der Tonfilm kam.«