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lese.zeichen Untypisch und türkisch

re ist das Buch auch für all jene Leserinnen, die an einer kopftuchtragenden, muslimischen Feministin gar nichts Sie ist jung, unverheiratet, Juristin, Außergewöhnliches finden. Es ist nämträgt ein Kopftuch und bezeichnet sich stolz als Feministin. Welche darin lich gerade spannend, die theoretischen Diskussionen rund um Gleichbeeinen Widerspruch entdecken mag, rechtigung im Koran, Kopftuch und Fader sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt. Die Frage im Titel „Typisch milie an ganz konkreten und unterschiedlichen Frauen abzuhandeln. Türkin?“ ist nämlich eindeutig mit Etwas irritierend ist bloß die platte Nein zu beantworten. Natürlich gibt Hobbypsychologie, die der Autorin ab es auch die türkische junge Frau, deund an dazwischen rutscht. Am besten ren Vater bestimmen möchte, wann sind die Geschichten dann, wenn die und wen sie heiratet. Typisch ist das jungen Frauen einfach nur selbst eraber nicht. Nur eine der vielen möglizählen. Dann bleibt es nämlich auch bei chen Lebensrealitäten von Frauen – einzelnen, sehr unterschiedlichen Gevon jenen „deutsch-türkischen Frauschichten und nicht bei verallgemeien“ der zweiten Generation, von denernden Interpretationen von der nen das Buch handelt, oder auch von „glücklichen Familie“, dem „gemütliin Deutschland geborenen Mädchen chen Nest“. mit deutschen Eltern, die ebenfalls mehr oder weniger verbohrt sind. Der Gabi Horak größte Unterschied ist noch der, dass deutsch–türkische Frauen genau mit Hilal Sezgin: Typisch Türkin? diesem Vorurteil der typischen Türkin Porträt einer neuen Generation konfrontiert werden. Und zwar recht Herder 2006, Euro 13,30 häufig. Die Autorin Hilal Sezgin, freie Autorin und Journalistin in Frankfurt am Main, hat mehrere biografische Interviews mit 19 Frauen zwischen 25 und Interreligiöser Dialog 45 geführt: über Liebe, Katastrophen, Arbeit, Familie und Träume – die erfüll- Ist frau so mutig und lässt sich nicht ten und die gescheiterten. Es sind Gevom Titel des Buches abschrecken, den schichten von Frauen, die unterschied- frau vielleicht eher auf einem Bezielicher kaum sein könnten. Es kommen hungsratgeber vermuten würde, tut sowohl die strengen, als auch die fürsich auf 155 Seiten die Möglichkeit auf, sorglichen Mütter und Väter vor; die ei- gemeinsam mit den Autorinnen christgentlich unglückliche Mutter und licher, jüdischer und islamischer ReligiHausfrau, die ziemlich glückliche Mut- on, die Formen und die Bedeutung des ter und Hausfrau, die verzweifelte Alinterreligiösen Dialoges aus weiblicher leinerzieherin, die feministische JuriSicht zu entdecken. stin. Es ist angenehm, dass viele der Antworten auf die Frage zu finden, jungen Frauen, die hier porträtiert wer- „wie ein Zusammenleben in unseren den, solche sind, die „es geschafft“ hamultireligiösen und multikulturellen ben: Sie sind Ärztinnen oder KleinunGesellschaften positiv gestaltet werternehmerinnen. Ob das repräsentativ den kann“, ist eines der Hauptanliegen ist, bleibt genauso unbeantwortet wie der Autorinnen und besonders aktuell irrelevant. Durchaus lesenswerte Lektü- angesichts religiös motivierter

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Gewalttaten, Morde und Friedhofsschändungen sowie brennender Botschaften. Das Buch selbst ist ein buntes und spannendes Sammelsurium an Briefwechseln, Gesprächsprotokollen und Projektvorstellungen. Ebenso vielfältig wie seine literarischen Formen sind auch die ins Buch einfließenden Themen. So erfährt die Leserin etwa, wie eine ideale Gesprächssituation für einen interreligiösen Dialog aussehen muss. Sie wird teilweise auch in die Geschichte der Religionen eingeführt. Aus dieser Vielfalt der Inhalte ergibt sich jedoch gleichzeitig ein wichtiger Kritikpunkt, nämlich dass das Moment des Frauseins in Verbindung zur Religion vernachlässigt und oft auf die Kopftuchfrage reduziert wird, was nach einiger Zeit doch ermüdend wirkt. Silke Pixner

Doris Strahm/Manuela Kalsky (Hg.): Damit es anders wird zwischen uns. Interreligiöser Dialog aus der Sicht von Frauen. Matthias-Grünewald-Verlag 2006, Euro 16,80

Argumentationshilfe Liebe Frauen, werdet ihr in regelmäßigen Abständen mit der Frage: „Wann ist es denn jetzt bei dir endlich soweit?“ konfrontiert oder hört ihr: „Jetzt musst du aber weiter tun!“ Richtig, wir sprechen vom Kinderkriegen. Fallen euch keine Antworten mehr ein oder werdet ihr sowieso nicht ernst genommen? Kennt ihr die Antwort: „Wirst schon sehen, das kommt schon noch.“ Habt ihr die Diskussionen satt? Birgit Kofler hat mit ihrem Buch eine Anleitung zum Antworten gegeben.


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