Amnesty Journal: Ausgabe Februar/März 2017

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mawandelskeptiker, der weiterhin auf Kohle als wichtigen Energieträger setzt. Ihn hat Trump zum Energieminister auserkoren, dabei hatte Perry noch vor fünf Jahren selbst für die Abschaffung des Ministeriums plädiert. Zuletzt saß er im Verwaltungsrat einer jener Firmen, die die Pipeline durch North Dakota bauen lässt: Energy Transfer Partners. Auch Trump hat als Unternehmer kräftig in Energy Transfer Partners investiert – und in die Firma Philips 66, der ein Viertel der fertigen Pipeline gehören wird. Dass Trump den PipelineBau unterstütze, habe selbstverständlich nichts mit dessen persönlichen Investments zu tun, versicherten Berater des gewählten Präsidenten noch vor dessen Amtsantritt. Schließlich habe er bereits im Sommer 2016 alle Aktien von Energy Transfer Partners verkauft, so seine Sprecherin Hope Hicks. Ob er auch Aktien von Philips 66 veräußert hat, blieb bis zu seinem Umzug ins Weiße Haus unklar. Jason Miller, Kommunikationschef des Übergangsteams des Wahlsiegers, behauptete lediglich, dass der neue Präsident bereits im vergangenen Juni alle in seinem Besitz befindlichen Aktien verkauft habe. Dass Trump sich offenbar bereits Monate vor der Präsidentschaftswahl von seinem insgesamt angeblich 40 Millionen Dollar schweren Portfolio trennte, könnte weniger mit der Sorge um mögliche Interessenskonflikte zu tun gehabt haben, als vielmehr mit dem teuren Wahlkampf, vermuten Beobachter. Dabei gab es durchaus viele großzügige Spender, die die Kampagnen Trumps und anderer Republikaner unterstützten. Allein 100.000 Dollar im »Trump Victory Fund« kamen von Kelcy Warren, dem Chef von Energy Transfer Partners. Trumps Vorgänger Obama hingegen setzte zum Ende seiner Amtszeit, in der er immer wieder versucht hatte, sich für den Kampf gegen »Big Oil« und den Klimaschutz stark zu machen, zumindest noch umweltpolitische Ausrufezeichen. Von weitreichenderer Bedeutung als der vorübergehende Pipeline-Baustopp in North Dakota ist dabei die wohl kaum von seinen Nachfolgern rückgängig zu machende Entscheidung, gemeinsam mit Kanada große Teile der arktischen Gewässer und bestimmte Atlantikgebiete für Öl- und Gasbohrungen zu sperren. Damit sollten die Ökosysteme sowie die Interessen der dort lebenden Ureinwohner geschützt werden. Während viele Verbände, die sich für die Rechte und Interessen der »Native Americans« einsetzen, Obama lobten, werfen sie Trump Ignoranz und Rassismus im Umgang mit Amerikas indigener Bevölkerung vor. Die Liste abschätziger Aussagen des Milliardärs ist lang: Im Wahlkampf hatte Trump die demokratische Senatorin Elizabeth Warren mit Blick auf ihre indianischen Vorfahren immer wieder abschätzig »Pocahontas« genannt. Im Streit um Kasinolizenzen im Bundesstaat New York verbreitete er als Geschäftsmann einst einen Radiospot, in dem der Stamm der Saint Regis Mowhak als Gruppe von Kriminellen und Drogendealern bezeichnet wurde. »Die sehen überhaupt nicht wie Indianer aus«, lästerte er während einer Kongressanhörung über den Stamm der Mashantucket Pequot in Connecticut. In Bismarck, der Hauptstadt North Dakotas, weniger als 100 Kilometer vom Reservat »Standing Rock« entfernt, dürften ihm solche Äußerungen eher Stimmen gebracht als ihn gekostet haben: Zwei Drittel aller Wähler in dem Bundesstaat stimmten für den Kandidaten der Republikaner. Einst sollte die Pipeline an der Stadt vorbeigelegt werden, aber die Einwohner hatten im Planungsprozess eine solche Route verhindert, aus Sorge um ihr Trinkwasser. Dass die Bewohner des Reservats ganz ähnliche Bedenken haben, wollen hier viele trotzdem nicht gelten lassen.

MENSCHENRECHTE UNTER TRUMP

»Als Unternehmer hat Trump kräftig in Energy Transfer Partners investiert.« Am Tresen einer Bar in Bismarcks Stadtzentrum sitzt eine Gruppe Männer und schimpft auf »die Indianer und die Ökofreaks« in »Standing Rock«. Ein paar Abende zuvor hatten sie sich an einer Demonstration für Sheriff Kirchmeier und seine harte Linie gegen die Aktivisten beteiligt. »Mein ganzes Leben war ich gierig, gierig, gierig«, hat der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, dessen Kabinett über mehr Reichtum verfügt als ein Drittel aller Haushalte in den USA zusammen, im Wahlkampf gesagt. Das finden die Männer am Tresen gut.

Nüchterne Fakten, düstere Prophezeiung Zurück am verschneiten Ufer des Missouri in North Dakota, wo auch der berühmte Häuptling »Sitting Bull« begraben liegen soll: Im Protestcamp »Oceti Sakowin« wärmt sich eine Gruppe Demonstranten am Feuer, sie gehören zum Stamm der Standing Rock Sioux. Wieder einmal drehen sich die Gespräche um die Gier der Öl-Lobby, die Rücksichtslosigkeit der Regierenden, aber auch die eigene Perspektivlosigkeit. Die Stimmung ist nachdenklich. »Nein, einen Job habe ich nicht«, sagt der 25-jährige Montgomery. »Ich bin im Reservat geboren, in einer sehr zerrütteten Familie groß geworden, wie fast alle hier, dann irgendwann in die Armee eingetreten, wieder raus, viele Probleme, und jetzt bin ich wieder im Reservat.« Einige in der Runde hätten sogar Trump gewählt, sagt Montgomery und lächelt verlegen. »Vielleicht ist er ja doch nicht so schlimm, wie alle sagen.« Diesen vorsichtigen Optimismus in Bezug auf Amerikas neuen Präsidenten teilen nur wenige Demonstranten im Camp. Viele rechnen stattdessen fest damit, dass Trump alles versuchen werde, den Baustopp der Pipeline und die Suche nach Alternativrouten schnellstmöglich zu beenden. Dass der Stammesvorsitzende Archambault die selbst ernannten »Wasserbeschützer« aufrief, den Etappensieg zu nutzen, um für eine Weile nach Hause zu gehen, stößt auf Unverständnis. Gerade jetzt müsse man doch standhaft bleiben. »Wir leisten Widerstand, bis die schwarze Schlange tot ist«, sagt LaDonna Brave Bull Allard, die ebenfalls den Stamm der Standing Rock repräsentiert. Eine schwarze Schlange, so verkündet eine überlieferte Prophezeiung der Ahnen, werde eines Tages großes Leid über das Land bringen. Viele Sioux sind sich sicher: Damit kann nur die Dakota Access Pipeline gemeint sein. Doch nicht nur düstere Prophezeiungen, auch nüchterne Fakten nähren schlimme Befürchtungen. Nur etwa 250 Kilometer von »Standing Rock« entfernt wurde unlängst ein Fluss durch eine undichte Pipeline verseucht. Hunderttausende Liter Öl seien ausgetreten, gab das Gesundheitsministerium von North Dakota bekannt. Anwohner hatten das Leck am 5. Dezember entdeckt. Dem Tag, an dem Wesley Clark Junior vor Medizinmann Leonard Crow Dog auf die Knie ging.

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