Amnesty International Report 2013 (Leseprobe)

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© Matt Writtle

Menschenrechte sind grenzenlos

Von Salil Shetty, internationaler Generalsekretär von Amnesty International

»Ungerechtigkeit an irgendeinem Ort bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen. Wir sind in einem unentrinnbaren Netz der Gegenseitigkeit gefangen, in ein einziges Gewand des Schicksals gehüllt. Was auch immer einen von uns direkt beeinflusst, beeinflusst indirekt auch alle anderen.« Martin Luther King Jr., Brief aus dem Gefängnis von Birmingham, USA, 16. April 1963

Am 9. Oktober 2012 schossen Taliban in Pakistan der 15-jährigen Malala Yousafzai in den Kopf. Ihr »Verbrechen« war es, sich für die Bildung von Mädchen einzusetzen. Ihr Medium war ein Blog. Wie bei dem Tunesier Mohamed Bouazizi, dessen Selbstverbrennung 2010 Proteste im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika auslöste, hatte auch Malalas Entschlossenheit Auswirkungen weit über die Grenzen Pakistans hinaus. Menschen wie sie haben auf der ganzen Welt – unter großem persönlichem Risiko sowohl auf der Straße als auch in der digitalen Welt – Unterdrückung und Gewalt durch Regierungen und andere einflussreiche Akteure aufgedeckt. Über Blogs, andere soziale Medien und mithilfe der traditionellen Presse haben sie eine internationale Solidarität geschaf-

fen, damit die Erinnerung an Mohammed und Malalas Träume nicht in Vergessenheit gerät. Der Mut vieler Menschen verbunden mit der Möglichkeit, ein starkes Verlangen nach Freiheit, Gerechtigkeit und Rechten auf neuen Wegen zu kommunizieren, hat die Machthaber alarmiert. Solidaritätsbekundungen mit denjenigen, die gegen Unterdrückung und Diskriminierung protestieren, stehen in deutlichem Gegensatz zu dem Verhalten vieler Regierungen, die mit großer Härte gegen friedliche Demonstrierende vorgehen und immer wieder versuchen, die Kontrolle über die digitale Welt zu gewinnen – nicht zuletzt auch durch das Schaffen digitaler Landesgrenzen.

2012 wurde in 112 Staaten gefoltert Was bedeutet es für die Machthaber, die sich an das Konzept der Souveränität klammern und es missbrauchen, dass Menschen in der Lage sind, Herrschaftsstrukturen zu durchbrechen? Was heißt es für sie, wenn sie sehen, dass ihr Volk die Werkzeuge der Unterdrückung und Desinformation, auf denen ihre Macht gründet, ins Licht der Öffentlichkeit rückt? Die von den Machthabern geschaffenen Wirtschafts-, Politik- und Handelssysteme bringen oftmals Menschenrechtsverletzungen mit sich. So führt der Handel mit Waffen zum

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