Alpenpost 23 2009

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Erinnerungen an Friedrich Torberg Der Tod kam plötzlich und unerwartet, für die Öffentlichkeit zumindest.Am 6.November 1979 hatte sich Friedrich Torberg ins Wiener Wilhelminen- Spital begeben, „wo man versuchen wird, mir künstliche V enen in den rechten Haxen einzubauen“ , wie er seiner Schwester Ilse Daus schrieb. Die Operation schlug fehl. Am 10. November, knapp zwei Monate nach seinem 71. Geburtstag, starb Torberg. Von Lutz Maurer

Viele werden seiner in diesen Tagen gedenken, in Wien vor allem. Aber auch in Altaussee, seinem Refugi um, das er verloren und wiedergefunden hatte und auch in der Fremde nicht vergessen konnte. Sein berührendes „Sehnsucht nach Alt- Aussee“ war Symptom der Krankheit „Exil“, geschrieben in Erinnerung an eine Berg- und Seen landschaft, die ihm zur Seelenland schaft geworden war . „Das Gedicht wirkt so klar wie schlicht, es schlägt den V olksliedton an. Die gereimten Verse kennen keinerlei Avantgarde – Ehrgeiz, sondern entstammen der Tradition eines Grillparzer und Raimund.“ - der Germanist Ulrich Weinzierl. Altaussee liebte Torberg seit seiner Kindheit, es wurde ihm zum zweiten ständigen W ohnsitz, wie er 1976 der „Alpenpost“ schrieb, und nachstehend zu lesen ist.

Altaussee als Rückzugsort

In Altaussee lebt Torberg auch in den Herzen vieler weiter . „Es war in den fünfziger Jahren und ich war ein Bub in Altaussee, als mir mein Großvater zum ersten Mal sagte : Der Friedrich T orberg wohnt in der Königsgarten. Der Schriftsteller . Woaßt eh!“ erinnert sich Klaus Maria Brandauer. Jahre später lernte Torberg in Alpbach eine junge Frau kennen, die bis zu seinem Tod seine geschätzte „temporäre Helferin“ wurde und bis heute treue Bewah rerin des Torbergschen Erbes geblieben ist: Ursula Kals-Frise. „Was lernte ich nicht alles von die-

sem Menschen…wie schön waren die Spaziergänge durch den goldenen Herbst, am spiegelglatten See entlang...“

Kaffeehausliebhaber Torberg

Im Spätherbst 1978 habe ich Torberg zum ersten Mal getroffen. In Aussee, im Kaf feehaus, wie sich´s gehört, beim „Lewan“. Dort saß er auf seinem Stammplatz, einen großen Schwarzen vor sich, die unvermeidliche Zigarette in der Hand. „Ich für meine Person muss, um leben zu können, schreiben, und um schreiben zu können, muss ich rauchen und schwarzen Kaffee trinken. V om Gesundleben allein kann ich nicht leben“ , rechtfertigte er seinen übermäßigen Kaf fee- und Nikotingenuß. „Den ganzen Tag und nachts, bis auf kurze Ruhepausen, wurde literweise schwarzer Kaffee gekocht und getrunken und die Zigarette ging nie aus“ - Ursula Kals über die gemeinsamen Arbeitstage und Torbergs ungesunde Lebens weise. Zudem litt er an Diabetes, was seiner Liebe zu Mehlspeisen allerdings keinen Abbruch tat. Ich hatte Torberg damals um Mit wirkung bei meinem Film über den früh und unter nie ganz geklärten Umständen gestorbenen W underteam-Fußballer Matthias Sindelar gebeten. „Ich mache mit Freude mit, denn ich bin ein Fuß ballnarr und sein grenzenloser Bewunderer gewesen“, antwortete T orberg. Wir haben seine Erzählungen, eingehüllt in blauen Dunst und gestärkt mit vielen Schalen Kaf fee, auch an

Friedrich Torberg im Café Sindelar. Foto: Lajos Percze, Archiv Maurer

einem passenden Ort gedreht. In Favoriten - laut Torberg „Die Kornkammer des österreichischen Fußballs“ - in einem aufgelassenen Kaffeehaus, das einst Sindelar gehört hatte. Im Wiener Stadion las dann, für mich ebenso unvergesslich, Attila Hörbiger Torbergs Gedicht „Auf den Tod eines Fußballspielers“.

Die Lebenssäulen Torbergs

Die vier Eckpfeiler von Torbergs persönlicher wie literarischer Existenz waren der Sport, das Theater, die Politik und das Judentum gewesen.“Durch Torberg habe ich Kafka und Karl Kraus kennen gelernt. Ich habe erfahren, wie es in der Sport redaktion des Prager T agblatts zu ging. Und dass er in Prag nur deshalb zum Schreiben von Theater kritiken kam, weil er sich ausbedungen hatte: Ich schreib Theater kritiken, wenn ich auch über Sport schreiben darf“, erinnert sich Brandauer. „Einmal fragte ich ihn: Warum schreiben sie eigentlich Kritiken? Und da hat er gesagt: Wenn man eine Frau liebt, schreibt man Gedichte und wenn man das Theater liebt, schreibt man Kritiken. Seine Kritiken waren keine. W aren Essays oder Parodien. Aber immer Liebesbriefe. Manchmal zornige Liebesbriefe... Der T orberg war Instanz. Aber nicht weil er Schrift steller war , L yriker und Romancier und Theaterkritiker . Er war es, weil er sich ausgekannt hat. In unseren Gesprächen ging es nicht nur um Literatur, sondern sie erstreckten sich von Fußball und W asserball bis zu Autoracing, von Hollywood und Marlene Dietrich bis zu Martin Buber, von Milan Dubrovic über Manès Sperber zu Karl Kraus.“ Diese V ielseitigkeit, vor allem seine Rolle als glühender homo politicus, sie war auch Torbergs persönliche Tragik. Niemand wusste dies besser als Günther Nenning, Torbergs

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Nachfolger bei der Zeitschrift FORVM. „Gewiss, er war ein blitzender Satiriker , gnadenloser Polemi ker, Höhner und Spötter , der witzigste Theaterkritiker seiner Zeit, ein Meinungsjournalist hohen Ranges, rasch wurde das von ihm gegründete Wiener FORVM zum schneidendsten Kultur - und Kampforgan des europäischen Antikommunismus. Ebenso gewiss stand diese Be gabungsfülle jener anderen Fülle entgegen : seinem lyrischen und epischen Werk. Der Antikommunist und Dichter Friedrich T orberg blockierte nicht nur den Kommunisten und Dichter Bertolt Brecht, sondern auch sich selbst... Der Antikommunist Friedrich Torberg stand dem Dichter Friedrich Torberg im Wege.“ Am 19. November 1979 wurde Torberg auf dem Wiener Zentral friedhof in einem Ehrengrab der Gemeinde Wien beerdigt. Neben ihm ruht die Frau, die am 1 1. November 89 Jahre alt geworden wäre: Marietta Torberg. 17 Jahre lang war sie mit dem Schriftsteller verheiratet gewesen. W ar sie auch seine Muse? Ich glaube nicht. Torbergs Musen waren andere. „Er stand den erotischen und sexuellen Sensationen, die das weibliche Geschlecht ihm bot, durchaus aufgeschlossen gegenüber und kostete die daraus entspringenden Erfüllungen oder Enttäu schungen weidlich aus“ - David Axmann in seiner brillanten Torberg-Biographie. Marietta war mehr, sie war Torbergs Lebensmensch. Ebenso „ aber auch die Grande Dame der Kreisky-Ära. Als präzise Mit denkerin, Ratgeberin und Aus deuterin des sonnenköniglichen Wollens gegenüber ausländischen Gästen, Journalisten“ (Hans Haider). Sie übte kein Amt aus und war doch eine Wiener Institution; von vielen Menschen, so auch Manfred Gabrielli und mir tief bewundert, von manchen ob ihres treffenden Witzes und ihrer scharfen Zunge gefürchtet - „Das Schwert“ haben wir beide sie liebevoll genannt. Gemeinsam mit David Axmann machte sich Marietta durch die Herausgabe von Torbergs Nachlass-Bänden um die österreichische Literatur verdient. Deswegen sollte in diesen Tagen auch ihrer gedacht werden. In Verehrung und Liebe. Zum 30. T odestag T orbergs empfiehlt sich die Lektüre des unter Mitwirkung von so berühmten Zeitgenossen wie Paul Flora, Klaus Maria Brandauer oder Herbert Rosendorfer entstandene Buch „Und Lächeln ist das Erbteil meines Stammes“, erhältlich im Literaturmu seum Altaussee.


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