RSA1: Verkehr und Mobilitaet

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Kapitel C – Auswirkungen von Verkehr und Mobilität im Alpenraum

und der jeweiligen Verkehrslage ab. Bei der Bestimmung der Verkehrskosten sind somit flexible Gebühreninstrumente notwendig, um derartige Kosten effektiv zu internalisieren. Über kurz oder lang sollte eine Internalisierungspolitik im Rahmen eines wettbewerbsfähigen Systems zu einer optimalen Verkehrsanbindung unter Wahrung aller Aspekte der Nachhaltigkeit führen. Alpenweit gibt es ein gemeinsames Interesse, der großen Herausforderung der Kostenexternalitäten mit entsprechenden Maßnahmen zu begegnen. Dies spiegelt sich auch in der europäischen Straßengebührenrichtlinie, bekannt als „Eurovignette“, wider. Zu den Hauptproblemen, die im Alpenraum durch den Verkehr hervorgerufen werden, zählen: •

wirtschaftliche Effizienzverluste, u.a. zunehmende Transportkosten und Überlastung der Verkehrswege durch steigende logistische Anforderungen und Mobilitätsbedürfnisse im Rahmen der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit,

immer mehr Überlastungserscheinungen in der gesamten Alpenregion, v.a. in den verstädterten Regionen im Sommer,

eine hohe Anzahl von Verkehrsunfällen und damit zusammenhängend hohe Gesundheits- und Pflegekosten,

steigende Umweltschäden und ein wachsender Energiebedarf sowie

die Zunahme der Unausgewogenheit und Ineffizienz der Regional- und Stadtplanung durch das bestehende Verkehrsnetz.

Um die negativen Auswirkungen der wachsenden Mobilität auf die alpine Wirtschaft in den Griff zu bekommen, fordert die EU ihre Mitgliedsstaaten dazu auf, Maßnahmen zur Förderung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln und zur ausgewogenen Nutzung der Verkehrsinfrastruktur zu ergreifen sowie spezifische Anreize zur Reduzierung der ökologischen und soziokulturellen Belastung zu schaffen. Unter „externen Grenzkosten“ versteht man die Kosten, die anderen außer dem Produzenten oder dem Käufer eines Gutes oder einer Dienstleistung entstehen, wenn eine zusätzliche Einheit produziert wird. Umweltverschmutzung ist ein Beispiel für externe Kosten, die für solche zusätzlichen Güter/Dienstleistungen berechnet werden können. (Beispiel: Ein Produzent zahlt 50 EUR um eine weitere Einheit eines Gutes zu transportieren. Nehmen wir an, dieser Transport verursacht eine Verschmutzung, die für 60 EUR öffentlichen Schaden anrichtet. Die Grenzkosten betragen damit 60 EUR.) 1

Zusammenfassung Status Das Verkehrssystem kann bei der Förderung der lokalen Entwicklung abgelegener Regionen eine zentrale Rolle spielen. Die wirtschaftlichen Effekte des Verkehrs im Alpenraum sind allerdings schwierig zu beziffern, da ökonomische Vorteile in einem Bereich ebenso gut gegenteilige Auswirkungen auf andere Bereiche haben können. Grundsätzlich ist die Verkehrsinfrastruktur in Mitteleuropa nur einer von vielen Faktoren, welche die Regionalentwicklung beeinflussen; ihr Ausbau beeinflusst daher nur begrenzt die wirtschaftliche Entwicklung des Alpenraums. Aus ökonomischer Sicht ist der Verkehrsbereich ein öffentliches Gut, das sowohl positive externe Effekte im Sinn von verbesserter Zugänglichkeit, Entwicklung des

überregionalen Handels und der lokalen Märkte, als auch negative externe Effekte ökologischer (Ökosystem, Energie, Lärm, Immissionen) und funktioneller Art (Verkehrsüberlastung, Unfälle, Landnutzung) mit sich bringt. Trends Innerhalb des EU-Binnenmarktes wird ein stetiges Wachstum des Handelsvolumens prognostiziert, was zu einer Intensivierung des inneralpinen und alpenquerenden Verkehr führen wird. Der Bau neuer Verkehrsinfrastruktur kann sich positiv auf die örtliche Beschäftigung und die Markterweiterung auswirken und zur Förderung des Wettbewerbs und zur branchenspezifischen Spezialisierung von Regionen beitragen. Andererseits kann er auch weniger wettbewerbsfähigen Regionen, alteingesessenen Firmen und Standorten den globalen Marktkräften aussetzen und zu vielschichtigen Veränderungen in der regionalen Wirtschaftsstruktur führen. Darüber hinaus führt eine verbesserte Verkehrsinfrastruktur zur räumlichen Polarisierung von Einkaufsmöglichkeiten und Konsum zwischen gut erreichbaren und peripheren Alpenregionen, wodurch die Versorgungslage der letzteren oftmals geschwächt wird. Teilweise wirkt sich der Bau neuer Verkehrsinfrastruktur weit über den Alpenraum hinaus aus. Derartige Projekte müssen daher auf europäischer Ebene betrachtet werden. Heiße Eisen Einige Alpenstaaten gehören zu den wohlhabendsten Ländern der Welt und verzeichnen eine stabile wirtschaftliche Entwicklung. Vor diesem Hintergrund konnte bis jetzt keine Entkopplung von Wirtschafts- und Verkehrswachstum erreicht werden. Für Europa – und speziell für den Alpenraum – wird von einer erheblichen weiteren Verkehrszunahme ausgegangen. Zwischen der regionalen Wertschöpfung und der Verkehrsinfrastruktur konnte für die Alpenregion kein Zusammenhang hergestellt werden. Obwohl eine verbesserte Infrastruktur die Regionalentwicklung fördern kann, tragen andere Faktoren gleichermaßen zur wirtschaftlichen Entwicklung einer Region bei. Das Thema der Internalisierung der externen Kosten ist sehr vielschichtig. Neben den negativen externen Effekten, wie Umweltschäden, Lärmemissionen, Gebäudeschäden und Versicherungskosten, müssen auch positive externe Effekte, wie sozialer Austausch und Zeitersparnisse, berücksichtigt werden. Obwohl die Abschätzung der externen Kosten des Verkehrs im Alpenraum weiterhin eine komplexe Aufgabe darstellt, sind in diese Richtung bereits eine Reihe von Anstrengungen seitens der Alpenländer und der EU unternommen worden. Auf der anderen Seite sind ökonomische Steuerungsinstrumente zunehmend Bestandteil der nationalen Verkehrspolitiken in den Alpenländern. Auf europäischer Ebene behandelt die kürzlich novellierte Eurovignette-Richtlinie (Richtlinie 2006/38/EG) die Problematik der externen Kosten und der Harmonisierung der Straßennutzungsgebühren für den Schwerverkehr. Sie schafft Bewusstsein für die Notwendigkeit, eine einheitliche Methodik zur Abschätzung der externen Kosten des Straßengüterverkehrs im Einklang mit dem Transportprotokoll der Alpenkonvention zu entwickeln.

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