Willkommen im Familiengarten! Vereinbarkeit von Familie und Beruf leben.
Inhalt
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S. 4
Die Idee vom Familiengarten
S. 6
Warum wir Familiengärten brauchen
S. 8
Die Familie hinter der Idee
S. 10 Wie es zum Familiengarten kam S. 12
Ein Tag im Familiengarten
S. 14
Impressionen
S. 34 Infos
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Die Idee vom Familiengarten Der Familiengarten ist ein Ort, an dem Familien gemeinsam ihren Tag verbringen. Die Kinder spielen und die Eltern unterstützen sich bei der Betreuung, damit alle genug Zeit für Familie, Arbeit und Hobby haben.
Der Begriff Familiengarten lehnt sich an Kindergarten an, nur mit dem Unterschied, dass die ganze Familie hin geht – und dass vor Ort statt Betreuer andere Familien sind, die sich gegenseitig unterstützen. Ein Familiengarten ist für Elternteams ein Raum, in dem durch gegenseitige Unterstützung Familie, Arbeit und Hobby vereint werden können.
Ein solcher Ort liegt am besten mitten im Grünen, hat einen Sport- und Spielplatz, ein großes Spiel- und Aufenthaltszimmer, einem Ruheraum zum Lesen und Schlafen, ein Kreativitätszimmer zum Basteln und Malen, ein Arbeitszimmer für konzentriertes Arbeiten, eine Rückzugsmöglichkeit für Telefonate, einen Raum für Treffen und Meetings und eine große Küche. All das und noch mehr haben wir in unserem Familiengarten in Berlin Köpenick. Und wir laden andere Eltern ein, bei uns mitzumachen – oder ihren eigenen Familiengarten zu gestalten.
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Warum wir Familiengärten brauchen Der soziale, wirtschaftliche und technologische Fortschritt hat nicht berücksichtigt, was Kinder wirklich brauchen: eine tiefe Bindung zu ihren Eltern und ein normales Miteinander mit Erwachsenen, von denen sie lernen und an denen sie sich orientieren können. • Der Fortschritt hat Bedingungen geschaffen, die einer optimalen Entwicklung von Kindern entgegenwirken
• Die wirtschaftliche Situation zwingt Familien dazu, Mehrfachverdiener zu sein und ihre Kinder immer früher und länger in Fremdbetreuung zu geben. • Das Erarbeiten von gesellschaftlicher Anerkennung oder einer Karriere geht auf Kosten der Aufmerksamkeit, die man seinen Kindern widmen kann.
• Eltern verfügen kaum über die Hilfe, die Großfamilien früher leisten konnten, weswegen sie immer öfter auf Fremdbetreuung angewiesen sind. Durch gravierende Strukturprobleme leidet die Qualität der Fremdbetreuung, was sich sehr negativ auf die Würde und Entwicklung der Kinder auswirkt.
Wir müssen Familienfreundlichkeit neu definieren. Familienfreundlichkeit darf nicht mehr nur in der Freiheit bestehen, trotz Kind möglichst viel arbeiten zu können, sondern vielmehr darin, trotz Arbeit dem Kind das geben zu können, was es wirklich braucht. Es wird höchste Zeit zu überlegen, wo unsere Kinder bei all dem Fortschritt bleiben.
Mittlerweile ist gut erforscht, was Kinder wirklich brauchen. Es wird betont, dass eine Fremdbetreuung frühestens mit 3 Jahren beginnen sollte. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass Kinder 6 Jahre brauchen, um eine tiefe, sichere Bindung zu entwickeln, die als sicherer Hafen die Grundlage für eine optimale Potenzialentfaltung bereiSeite 6
tet. Eine bindungsorientierte Betreuung ist grundsätzlich möglich, doch kann ein Betreuungssystem das niemals leisten. Tatsächlich ist mangelhafte Betreuung die Regel, wie kürzlich ‘Die Zeit’ in einer groß angelegten Umfrage herausfand. Immer mehr Eltern erkennen dies. Entweder weil sie es intuitiv spüren oder weil sie sich belesen und austauschen. Diese Eltern wünschen sich einen Rahmen, der sich an den Bedürfnissen der Kinder orientiert. Ein Familiengarten kann ein solcher Rahmen sein. Vereine, karitative Organisationen, Unternehmen und Eltern selbst können entsprechende Ressourcen mobilisieren. Ob nun eine Wohnung gemietet, ein Haus gepachtet oder Firmengebäude zur Verfügung gestellt wird, die Wege sind vielfältig.
Gerade mittelständische Unternehmen können dieses neue Bewusstsein aufgreifen und für ihre Mitarbeiter Bedingungen schaffen, die Eltern immer mehr fordern werden. Ein solches Engagement zahlt sich mehrfach aus. Man steigert Glück und Wohlbefinden, bindet Mitarbeiter und ermöglicht die Entwicklung selbstständiger, intelligenter, kreativer und empathischer Kinder.
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Die Familie hinter der Idee Melanie ist 1982 geboren und befindet sich bis Mitte 2017 in Elternzeit. Melanie ist bei einem Handelsunternehmen angestellt. Ursprünglich in Lutherstadt Wittenberg aufgewachsen, zog sie als Jugendliche ins aufregende Berlin. Wahrscheinlich auch durch die Stadt traf sie in den folgenden Jahren auf Themen, die grundsätzliche Änderungen in ihr bewirkten. Gesündere Lebensweise, kritischer Konsum und das Neubewerten tradierter oder irreführender Wertvorstellungen. Als sie auf Erkenntnisse der Entwicklungsund Bindungsforschung stieß, ließ sie dieses Forschungsgebiet nicht mehr los. Sie durchdrang im Eigenstudium relevante Literatur und bereitet ihre gesammelten Erkenntnisse auf ihrer Webseite www.kleinermensch.net auf. Sie wünscht sich für die Zukunft, dass dieses intuitiv erfahrbare Wissen Allgemeingut wird und arbeitet aktuell an Wegen, zu dieser Zukunft beizutragen Alexander ist 1979 geboren und seit 2011 als Freiberufler selbstständig. Er berät Unternehmen bei der Gestaltung effektiver Workshops und selbstorganisierter Entwicklungen und hat dafür eigene Methoden entwickelt. Alexander ist im Mittelstandsverband BVMW Experte in der Fachgruppe Zukunft und Wissensmanagement und engagiert sich für die Themen Neue Arbeit/New Work, u. a. im Netzwerk intrinsify.me. Er studierte bis 2009 Business Communication und stießt während seiner Masterthesis auf die Kybernetik, welche die Steuerung in lebenden und sozialen Systemen untersucht und setzt deren Erkenntnisse und Modelle in seiner Arbeit und seiner praktischen Lebensführung an. Ihm fiel auf, dass der aktuelle Paradigmenwechsel, welcher mit New Work verbunden ist, sich auch auf Eltern Seite 8
ausweiten wird. Es geht dabei um das grundsätzliche Menschenbild sowie Verständnis von Macht. Ob es nun den Mitarbeiter und seine Führung betrifft oder Kinder und ihre Eltern. Die Fragen und Antworten sind in ihrer Art und Weise dieselben. Nun möchte er dabei helfen, dass die Gesellschaft künftig stärker die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigt. Emilian ist 2014 geboren und hat bereits vor seiner Geburt und danach eine tiefgreifende Veränderung bei uns Eltern bewirkt. Er entwickelt sich prächtig und erfreut uns jeden Tag. Er war der Grund, für uns einen Familiengarten zu schaffen, weil wir Eltern uns auf den Weg begaben, ein Leben zu führen, bei dem Emilians Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir erproben nun seit Mai 2016 gemeinsam die Idee des Familiengartens, auch um Emilian den schönsten Sommer seines Lebens zu verschaffen. Und wir sind gerade dabei, diesen schönsten Sommer als Familie zu genießen. 2018 kam sein Bruder Valentin zur Welt, der ebenfalls die Zeit im Familiengarten genießt.
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Wie es zum Familiengarten kam Wir sind seit 2008 ein Paar und seit 2014 stolze Eltern. Während der Schwangerschaft beschäftigte sich Melanie mit dem, was auf sie als Mutter alles zukommt und wollte unter anderem nachschlagen, wie eine ‚Einschlaftechnik‘ funktioniert. Gott sei Dank stieß sie auf ein Buch von Jean Liedloff (Auf der Suche nach dem verlorenen Glück) und Julia Dibbern (Geborgene Babys). Die Bücher haben uns einerseits gezeigt, wie einfach Eltern die Bedürfnisse von Kindern erfüllen können, wie sehr aber wir uns dafür ändern müssten, um tief verankerte Glaubenssätze zu überwinden. Wir praktizierten seit dem die bindungs- und bedürfnisorientierte Elternschaft. Wir richteten kein Kinderzimmer ein, sondern ein Familienbett. Wir kauften keinen Kinderwagen, sondern Tragehilfen. Wir haben abgehalten und mit Stoff gewickelt. Wir ernährten breifrei und überließen es Emilians Neugier und Interesse, sich mit unserem Essen auseinanderzusetzen. Und das Wichtigste: wir sahen und erlebten Emilian nicht als Baby, sondern als Mensch, den wir nicht formen müssen, sondern dessen Entwicklung wir begleiten dürfen. Nun wissen wir, dass die Erziehung, die wir selbst ‘genossen’ haben, das Problem ist. Nicht nur für uns, da wir vieles neu denken und verinnerlichen müssen – sondern für eine Vielzahl der Probleme, die Menschen in dieser Welt so haben. Überall ist sie zu sehen, vergebenes Streben nach Glück, Bindungsunfähigkeit, Unselbstständigkeit, fiese Egos und Psychopathen, viele Verlierer und Mobbingopfer, immer mehr Sucht, zu viel Mord und immer mehr Selbstmord, auch unter Kindern.
Wir haben uns gefragt, wie eine Gesellschaft wohl aussähe, in der alle Menschen von Geburt an alles bekämen, was sie für ihre Entwicklung brauchen. Wenn die MenSeite 10
schenrechte auf Würde, Selbstbestimmung und freie Entfaltung auch für Kinder umfassend gelte. Die Antwort darauf konnten wir nur erahnen, aber wir sehnen uns danach, dass die Welt so wird. Darum haben wir für uns geschaut, wie wir diese Veränderung in die Welt bringen können. Der Wunsch war schnell artikuliert, das Konzept schnell geboren und die Ressourcen ergaben sich innerhalb weniger Wochen – und seit Mai 2016 gestalten wir mit Hilfe eines Vereins für Jugendbildung unseren Familiengarten, den wir mit anderen Familien teilen wollen.
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Ein Tag im Familiengarten Impressionen Für uns ist der Familiengarten wie ein zweites Homeoffice. Dreimal die Woche machen wir uns auf den Weg von unserer Wohnung in Friedrichshain zum Familiengarten in Köpenick. Letztlich sind es etwas länger als 20 Minuten S-Bahnfahrt, insgesamt braucht man 40 Minuten je Strecke. Naturattraktionen auf dem Weg begeistern Emilian derart, dass wir je Strecke etwa 1 Stunde benötigen, was für uns aber sehr gut klappt. Wir hatten zunächst Befürchtungen, gingen aber das Anreisen mit dem Ziel vor Augen und einer Selbstverständlichkeit an. Nun sind die Fahrten geschätzte Familienzeit.
In der Regel brechen wir nach dem Frühstück voll bepackt auf. Da wir nie mit Kinderwagen unterwegs sind, sondern Emilian selbst läuft oder von uns getragen wird, kommen wir flexibel voran. Während der Fahrten bestaunt Emilian am Fenster Bäume, Züge oder turnt mit immer neuen Ideen im Abteil. An der Erpe, einen Bach, wird oft Halt gemacht, da Emilian unbedingt im Wasser herumstochern oder Steine hinein werfen möchte. Jede Entdeckung am Wegesrand ist ein Stopp wert, ob nun eine Schnecke oder Regenwurm gerettet werden, eine Blüte beschnuppert, eine hübsche oder essbare Pflanze gepflückt oder ein Vogel bestaunt werden muss – wir sehen selbst erst seit Emilian unsere Umgebung so aufmerksam. Wenn Alexander es mal wegen einer Videokonferenz eilig hat, geht er schon vor. Sein Lieblingsplatz zum Arbeiten ist mitten im großen Spiel- und Aufenthaltszimmer, nur selten muss er mal ausweichen, um konzentriert zu sein oder sich abzustimmen. Bei uns im Familiengarten können wir zwar kochen, aber wir bereiten am Vorabend Mittag- und Abendessen vor, Seite 12
welches wir ggf. vor Ort aufwärmen. Für uns Erwachsenen kochen wir nach Ankunft eine Kanne anregenden Tee. Nach dem gemeinsamen Essen möchte Emilian ausgiebig schlafen. Eine gute Zeit für Melanie, an ihren Texten für ihre Webseite zu arbeiten. Wenn Emilian wach ist, möchte er anders als daheim möglichst oft raus, auch weil er sich frei auf dem weitläufigen Hof mit Sport- und Spielplatz bewegen kann. Meist begleitet ihn Melanie, ab und an macht Alexander Spielpausen mit ihm. An etwa 80 % der Tagen erhielten wir Besuch von anderen Familien, sicher mehr als 30, von denen uns 5 regelmäßig zu uns kommen. Ein kleines Highlight ist die nahegelegene Badestelle an der Müggelspree, die wir oft vor dem Abendessen aufsuchen. Nach dem Abendessen, meist zwischen halb 8 und 9 Uhr, machen wir uns geschafft aber wohl gestimmt und gemütlich auf den Heimweg und bestaunen dabei sehr oft den Sonnenuntergang über der beeindruckenden Feuchtwiese, die wir auf dem Weg zum Bahnhof überqueren. Noch bauen wir den Familiengarten auf, der Clan ist noch am Entstehen. Unsere Bilanz ist aber jetzt schon durchweg positiv. Wir schaffen vor Ort das vorgenommene Arbeitspensum, Emilian genießt die Zeit im Familiengarten und es fühlt sich für uns als Familie ein bisschen wie Urlaub an. So sollte es für alle sein!
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Infos
Ansprechpartner: Melanie Wittwer Anschrift Familiengarten Stillerzeile 100 12587 Berlin Mitmachen: Kontaktiere uns einfach mit einer kurzen Vorstellung familiengarten@kleinermensch.net Spenden fĂźr Idee und Projekt: Paypal:familiengarten@kleinermensch.net Seite 34
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Infos
Leseempfehlungen:
• Die dunkle Seite der Kindheit - FAZ Nr. 81, 4.4.2012 • Berichterstattung der Zeit ab Juli 2016 • Geborgene Babys von Jula Dibbern
• Unsere Kinder brauchen uns von Gordon Neufeld Seite 36
Bildinfos: Sämtliche Bilder stammen aus dem Familiengarten oder der unmittelbaren Umgebung. Auf jeder Seite steht rechts unten eine Nummer bzw. Kürzel, welche den Standort der Aufnahme aufzeigt S rain
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