Primeur • Deutsche Ausgabe • Fruit Logistica 2020

Page 48

Vision

Reifekammer von Greenyard Fresh Eitting Germany

sollte es auch nicht alles schwerer machen, als es ist. Zu einem bestimmten Zeitpunkt stellt sich heraus, dass bestimmte Dinge nicht gut gelaufen sind. Das erfordert einen Umschwung und führt zu einer Menge Arbeit, die erledigt werden muss. Wenn ich kein Licht am Ende des Tunnels sehen würde, hätte ich hiermit nicht begonnen. Aber das hier ist ein Unternehmen mit enorm viel Wissen und Erfahrung. Wenn in der Vergangenheit nicht immer alles glatt verlief, bekomme ich die Chancen, etwas gerade zu biegen. Können Sie sagen, was Sie bei Greenyard vorfanden? Man hat Sie schließlich nicht für nichts engagiert. Die ersten Gespräche führten wir 2018 um Weihnachten herum. Damals wurde dem Management klar, dass etwas nicht gut lief. Übrigens bin ich hier auf Einladung des Teams gelandet, nicht weil die Banken es so wollten, wie in den Medien suggeriert wurde. Ich hatte Erfahrung mit solchen Situationen und wollte schauen, was ich tun konnte. Ich fand ein unglaublich engagiertes Management vor mit einer enormen Marktbeurteilung. Sie hatten vieles realisiert, aber ich sah auch schnell, dass man für das alltägliche Business zu wenig Zeit übrighatte. Konsolidieren, integrieren, Gewährleistung von Sicherheiten, neue Strukturen bauen und dann weiterwachsen: daran mangelte es. Hätte man das aber zu viel getan, wäre wiederum ein solches Wachstum nicht möglich gewesen. Hinterher zu urteilen ist immer leicht. 46

AGF Primeur • Special Edition Fruit Logistica • 2019

Ohne unternehmerisches Wagnis wäre der Aufbau eines solchen Konzerns auch nicht möglich gewesen.

Aber fand das Wachstum nicht zu übereilt statt? Nein, dieses Wachstum hilft uns beim Erfolg. Man hätte das Wachstum nur gleichzeitig etwas besser strukturieren müssen. Das legt die Messlatte noch höher, was es dann allerdings verdammt schwierig macht. Das hat man ja nicht einfach so vergessen. Die Profile jener Menschen, die auf das weitere Geschäftswachstum setzten, hatten vielleicht mehr Gewicht gegenüber jenen, die das organisierten. Damit will ich mich nicht mehr länger aufhalten. Ich bin nämlich mit der Größe des Unternehmens durchaus zufrieden. Auf diese Weise haben wir ein enormes Potenzial. Was ist, Ihrer Meinung nach, die wichtigste Ursache für die finanzielle Krisensituation, in die Greenyard hineingeraten ist? Dafür gibt es mehr als nur eine Ursache. Hier kommt Murphys Gesetz ins Spiel. Zunächst hatten wir den Listerien-Ausbruch in der ungarischen Tiefkühlfabrik. Außerdem hatten wir es mit einer anhaltenden Dürre zu tun, die wir anschließend nicht ausreichend in den Markt einpreisen konnten. Außerdem sah sich Greenyard einer zunehmenden Konkurrenz gegenüber, weil unsere Beschäftigung mit diesen Partnermodellen in den Markt durchsickerte. Das wirkte sich störend aus und hat

sehr geschmerzt, obwohl man heute sieht, dass es nicht zu verhindern gewesen wäre. Letztlich haben wir selbst auch nicht alles richtig gemacht, da müssen wir uns auch an die eigene Nase fassen. Alle diese Dinge zusammengenommen haben dazu geführt, dass wir in diese schlechte finanzielle Situation geraten sind. Wir wussten auch, dass wir eine Durststrecke vor uns hatten, wenn wir unser Modell verändern wollten. Wenn wir das nicht getan hätten, wäre es für uns zwar weniger schmerzlich gewesen, aber dann hätten wir diese Deals auch nicht abschließen können. Kaum zu glauben, dass Greenyard im vergangenen Jahr noch versuchte, Dole zu übernehmen? Das hinterher anzusprechen ist natürlich leicht. Hätte man sich für ein so unglaublich tolles Unternehmen, das zu einem guten Preis käuflich war, denn nicht interessieren sollen? Möglicherweise würde man dann einen Wahnsinns-Deal verpassen. Ich bin nicht daran beteiligt gewesen, habe jedoch gehört, dass von einigen dazu geraten wurde. Letztlich machte sich bei Greenyard selbst die Überzeugung breit, dass man es lassen sollte. Hein und sein Team haben das selbst beschlossen. Und es war glaube ich richtig, dass sie es dann nicht getan haben. Wie viel Zeit hat man Ihnen gegeben, um die Sache wieder zum Laufen zu bekommen? Bekanntlich haben wir von der Bank fünfzehn Monate bekommen. Aber solange man


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Primeur • Deutsche Ausgabe • Fruit Logistica 2020 by AGF Vormgeving - Issuu