Sprechstunde Dezember 2010

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leben

Man kennt ihn hier im Zürcher Niederdorf. Wir sitzen im Café «Henrici». Seine Wohnung ist nur ein paar Meter entfernt. Beat Schlatter, der begnadete Schauspieler und Komiker, der so normal ist, dass ihn jeder gern hat. Nächstes Jahr wird er 50 Jahre alt. Am fünften fünften, betont er. Es grosses Fest werde es geben. Und er werde gleichzeitig heiraten. Wer ist die Auserwählte? Eine Frau Fischer. Und der Vorname? Mirijam. «Ich hatte mit zu vielen Mirijams etwas los. Deshalb nenne ich meine Zukünftige hier Frau Fischer.» Sie ist 40 Jahre jung, Kunsthistorikerin und arbeitet für seinen Bühnenpartner Patrick Frey im Verlag. Gefunkt hat es an einer Vernisssage seines besten Freundes. «Ich überlegte mir gerade, ob ich ein Unterwasserbild mit Delfinen kaufen wollte, als sie mich ansprach, und sagte, dass sie mich schon immer kennenlernen wollte. Wir haben ein bisschen geflirtet und die Telefonnummern ausgetauscht. Ich sagte ihr, ich hätte morgen Geburtstag und würde an diesem Tag irgendwohin in den Süden verreisen und mich am Abend bei ihr melden. Auf der Reise nach Genua rief sie plötzlich kurz vor Como auf mein Handy an und sagte, sie sitze im selben Zug im Speisewagen. Zuerst glaubte ich, es sei ein Witz. Dann dachte ich, das ist aber mutig. Und jetzt heiraten wir.» Was ist das für ein Gefühl, mit 50 das Leben eines Junggesellen an den Nagel zu hängen und sich ewige Treue zu schwören? «Das hat etwas mit Erwachsenwerden zu tun und mit dem Bedürfnis, zu jemandem zu stehen», sagt Beat Schlatter. «Heiraten ist ein Bekenntnis zur Verbindlichkeit: Ich stehe öffentlich zu meinem Partner oder Partnerin.» Wer nun glaubt, Beat Schlatter segle in den Hafen der Ehe, um ruhige Gewässer vorzufinden, irrt. «Auch wenn es viele Leute verwirren mag, Frau Fischer und ich sind übereingekommen, nicht zusammenzuziehen und keine Kinder zu haben.» Wieso denn das um Herrgottswillen? «So viele verheiratete Paare wären viel glücklicher, wenn sie nicht zusammen wohnten», lassen wir uns von Beat Schlatter aufklären. «Für Frau Fischer und mich soll sich am bisherigen Leben nichts ändern. Sie soll weiter mit anderen Männern flirten können. Und ich mit anderen Frauen.» Und was ist, wenn es nicht beim Flirten bleibt? «Da fragen Sie mich aber viel!» Eine Weile überlegt er. «Die entscheidende Frage lautet doch: Bin ich zu zweit glücklicher, als wenn ich alleine leben würde? Wenn ich diese Frage mit Ja beantworten kann, ist es schlecht, über den Hag zu fressen. Wenn die Beziehung hingegen festgefahren ist, macht

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es keinen Sinn, sie durchzustieren. Wir leben in einer schnellen Zeit. Das überträgt sich auch auf unsere Beziehungsmuster. Unsere Väter und Grossväter hatten noch eine einzige Beziehung, gleichgültig, wie lebendig diese war. Ich sage: Es ist besser, im Leben drei lebendige Partnerschaften zu haben als eine verknorzte.» Und warum keine Kinder? «Es gibt Momente, da bedaure ich es, dass ich keine Kinder habe. Dennoch haben wir uns für eine Lebensform ohne Kinder entschieden. Wir haben Freiheiten, die andere nicht haben. Wir können am Samstag spontan nach Istanbul fliegen. Oder am Abend an eine Vernissage gehen. Diese Freiheit geniessen wir beide. Es kommt noch etwas anderes dazu. Du bist nur einmal im Leben in einem Alter, wo Kinder stimmen, und das spürst du, auch als Mann. Ich will nicht mit 70 als halber Greis mein Kind zum Spielplatz bringen müssen.» Wie fühlt es sich an, wenn man kurz vor dem 50. Geburtstag steht? «Es ist eine Zäsur, gewiss. Das merkte ich, als ich für einen Dokumentarfilm über die Schwingerszene beginnen musste, körperlich zu trainieren. Mit 50 kannst du nicht mehr all das machen, was mit 20 kein Problem ist. Das merkst du an der Kondition, an den Augen, die schon viel früher alterssichtig werden, am Gehör und vielem anderen. Einziger Vorteil ist, dass meine entzündliche Rückenerkrankung mit den Jahren besser geworden ist. Es scheint, als würde sich die Entzündung langsam, aber sicher von selber erledigen.» Fragen wir noch, was Beat Schlatter zum Apostel in Sachen Cholesterin gemacht hat. «Ich hatte eine lustige Begegnung. Ich musste in der Apotheke Stadelhofen um 10 Uhr morgens Nasentropfen gegen meine Erkältung holen. Die Verkäuferin war so was von hübsch, wie du das nur ganz selten siehst. Ich überlegte mir, wie ich am besten mit ihr ins Gespräch komme könnte, als ich ein rettendes Schild sah. ‹Gratis Blutdruck messen›, hiess es. Das war die Gelegenheit! Tatsächlich forderte sie mich auf, mit ihr nach hinten zu gehen, weil sich dort das Blutdruckmessgerät befinde. Super, jetzt läuft alles wie am Schnürchen, dachte ich. Umso erstaunter war ich, als sie mich fragte, ob ich mit dem Velo gekommen sei. «Wieso?», fragte ich erstaunt. «Weil Ihr Blutdruck viel zu hoch ist.» Sie empfahl mir, so bald wie möglich den Hausarzt aufzusuchen. Das ging mir so unter die Haut, dass ich all das vergass, was ich mit ihr noch vorhatte. Bei der hausärztlichen Kontrolle zeigte sich dann, dass nicht nur der Blutdruck, son-

aktuell Schlatter & Frey, Das Drama, eine komische Tragödie Regie: Katja Früh Infos und Spielplan: www.schlatterundfrey.ch


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