Regionale Perspektiven: Philippinen
„Erstens Gott, zweitens Geld“ Ansichten zu Wohlstand und Glück auf den Philippinen von Victoria Kirchhoff Mitten im Partyviertel der philippinischen Hauptstadt Manila, im Stadtteil Malate, wühlen zahlreiche Obdachlose – unter ihnen auch Kleinkinder – nach Essbarem im Müll. Sie schlafen auf Pappen am Straßenrand und trocknen ihre Wäsche an den Zäunen. Nebenan im wohlklimatisierten Einkaufszentrum dagegen herrscht der Überfluss mit Markenkleidung, Luxus elektronik und Restaurants. Eindrücklicher könnte die offene Schere zwischen Arm und Reich sich wohl kaum darstellen. Nicht weit von dem Einkaufszentrum entfernt liegt die medizinische Fakultät, an der sich an einem schwülen Nach mittag Studierende der Medizin aus dem ganzen Land treffen. Einer von ihnen ist Renzo Guinto, der gerade sein praktisches Jahr in der Kinderheilkunde absolviert und in der Studenten bewegung aktiv ist. Nach einem Vortrag von ihm diskutieren die Studierenden die sozialen Bestimmungsfaktoren von Ge sundheit: Was bringt es beispielsweise, die auf den Philippinen weitverbreitete Tuberkulose zu behandeln, solange sich die Lebensumstände der Ärmsten nicht ändern? Tuberkulose wird durch schlechte hygienische Verhältnisse und Mangel ernährung begünstigt. Der vermeintlich Genesende ist bereits während der Behandlung den nächsten Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Die Diskussion der Studierenden wird immer er regter. Sie sind sich einig, dass der Zugang zum Gesundheits system sehr ungerecht sei: Reichen Privatpatienten werde alles geboten, während Arme stundenlang Schlange stünden, um an einen Arzttermin zu kommen oder aus Kostengründen häufig auf Behandlung verzichten müssten. Noch viel grundsätzlicher müsse sich an den Verhältnissen im Land etwas ändern. Ein besseres Leben müsse möglich sein – aber wie? Schließlich ist es Facharzt Dr. Gene Nisperos, der seinen Studenten vorschlägt: „Fragt die Menschen, was sie für ein besseres Leben bräuchten! Ich bin sicher, dass jeder eine Vorstellung davon hat, was er braucht, um glücklich zu sein.“
Julius Demoto, 32 Jahre, angestellter Taxifahrer aus Manila, hat sehr klare Vorstellungen davon, was er zum glücklich sein braucht: „Erstens Gott, zweitens Geld“. Früher sah er es genau umgekehrt. Abhängig von Drogen und als Mitglied einer Gang war er kriminell. Er hat mehrere Jahre Gefängnis strafe hinter sich. Er gehe offen mit seiner Vorgeschichte um, erklärt er, damit andere daraus lernen, denn: Es sei die Freiheit, die ein schönes Leben erst ermögliche. „Mein Chef, dem das Taxi gehört, ist Millionär. Aus Angst vor Raubüberfallen kann er aber nicht mehr allein auf die Straße“, erzählt Julius. Auch wenn der Wohlstand Nachteile mit sich bringe, hoffe er doch auf mehr Geld, um wieder die Schule besuchen zu können. Die habe er viel zu früh abgebrochen. Nun verdiene er magere 17 Euro für 24 Stunden Taxifahren. Den weitaus größeren Rest der Einnahmen streiche der Chef ein. Mit diesem Lohn sei es schwer, seine Frau und drei Kinder zu versorgen. Neben Wohnungsmiete, Mahlzeiten, Kleidung und Schulgeld für die Kinder bleibe praktisch nichts mehr übrig. Noch ärmer dran seien aber die pedicab Fahrer, die für Touren ihrer Fahrräder mit Beiwagen nur circa 85 Cent verdienten. Viele von ihnen schliefen nachts in ihren pedicabs, weil es für eine Wohnungs miete nicht reiche. p
d Renzo Guinto in der Kinderklinik des Universitätskrankenhauses. s Julius Demoto auf Taxitour an einem regnerischen Tag.
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