Broschüre

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und der Errichtung der ersten Konzentrationslager setzten die damaligen Pazifisten und Antimilitaristen ihre Hoffnung zunächst fast strömungsübergreifend auf eine friedfertige Erhebung der Deutschen gegen die Nazis. Als diese Hoffnung enttäuscht wurde, wanderte ein Teil der Pazifisten und Antimilitaristen ebenso wie unzählige andere Nazigegner, die Deutschland nach 1933 verlassen mussten, in ein, wie Walter Loeb und Curt Geyer 1942 erklärten, „German Wonderland“ aus. Soll heißen: Während der alliierte Krieg gegen die geliebte Heimat auch weiterhin als Teufelszeug galt, wurde der deutsche Widerstand in die Phantasie verlagert: Kommunisten und Sozialdemokraten sprachen von antifaschistischen deutschen Untergrundarmeen oder der „oppositionellen SA“. Andere bekannte Pazifisten der 1920er Jahre erkannten im Unterschied dazu allerdings schon angesichts der

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Appeasement-Politik der Jahre 1937 ff., als der Westen die Tschechoslowakei den Deutschen preisgab, dass Krieg die Menschheit manchmal vor Schlimmerem bewahren kann. Ganz in diesem Sinn engagierten sich Freunde Tucholskys wie Otto Lehmann-Rußbüldt, der 1920 zu den Mitbegründern des Friedensbundes der Kriegsteilnehmer gehört hatte, bald, nachdem die Westmächte ihren Fehler erkannt hatten, an der Seite der alliierten Armeen gegen Nazideutschland. LehmannRußbüldt arbeitete im Umfeld der von Curt Geyer und Walter Loeb gegründeten Fight-forFreedom-Gruppe, eines Zusammenschlusses früherer Sozialdemokraten und Sozialisten, die im britischen Exil auf Distanz zu den emigrierten Deutschlandfreunden der SPD, der SAP oder der Gruppe Neu Beginnen gegangen waren. Tucholsky selbst konnte eine solche Kehrtwende nicht mehr vollziehen. Er hatte sich schon 1935, u.a. aus Verzweiflung über

die Machtübernahme der Nazis und den damit verbundenen Autismus der Linken, das Leben genommen: „Man hat

eine Niederlage erlitten“, so erklärte er kurz

vor seinem Selbstmord.

„Man ist so verprügelt worden, wie seit langer Zeit keine Partei. Nun muss, auf die lächerliche Gefahr hin, dass das ausgebeutet wird, eine Selbstkritik vorgenommen werden, gegen die Schwefellauge Seifenwasser ist.“ Auch die Überlebenden von Buchenwald, denen aufgrund ihres Lebens im Vorhof der Hölle jede Dummheit zu verzeihen wäre, hatten mehr historische Urteilskraft als viele Linke von heute. Im Schwur von Buchenwald, auf den sich fast jeder Linke, vom Pazifisten bis zu den Freunden des „bewaffneten Kampfes“, beruft, ohne ihn zu kennen, heißt es wortwörtlich: „Wir

danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt


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