auf #06 – Die Bildung der Bildung.

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Die Bildung der Bildung. Zeppelin universit채t friedrichshafen | medium f체r zwischenfragen | ausgabe #06: die bildung der bildung | zwischenfragen.de



05–10

Was soll eigentlich „Bildung“, heute? Hans Ulrich Gumbrecht

11–16

Kulturtechnik Bildung Dirk Baecker

17–22

Der soziale Lift klemmt Stephan A. Jansen

23–30

„Einfach Hasard“ Maren Lehmann

31–38

Die Vermessung der Wissenschaft Alfred Kieser

39–44

Hilfe, mein Prof blogt Gabi Reinmann

45–50

Dummheit aus dem DSL-Kabel Dirk Heckmann

51–56

Bildet Medienbildung? Udo Göttlich

57–60

Bildung aus dem Bilderrahmen Karen van den Berg

61–66

Das „Lernen zu Lernen“ erlernen Peer Ederer

67–72

Der lange Schatten des Kommunismus Jarko Fidrmuc, Matúš Senaj

73–80

Das Unternehmerische und die Universität Reinhard Prügl

81–90

Information ist gut – nützt aber (fast) nichts Lucia A. Reisch, Sabine Bietz, Mirja Hubert

91–94

Sind Jungen dümmer als Mädchen? Anja Achtziger

99–108

Bildungs-Impulse Höhepunkte des Herbst- und Frühjahrssemesters

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Veranstaltungsvorschau Herbst 2014

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Impressum


Editor i a l

Liebe Leserinnen und Leser, verehrte sich Bildende!

Anrede Leerzeile

Bildung wird meist nur im Hinblick auf Wirkungen und Folgen, auf Zweck und Absicht hin untersucht:

Passus in Prosa

Man fragt sich, was die Bildung für die Gesellschaft wie für den Einzelnen leistet und welche Zukunft sie ermöglicht. An der Zeppelin Universität, die sich selbst in einem Bildungs-Prozess befindet, darf die Blickrichtung einmal umgekehrt werden: Welche Faktoren ermöglichen ihrerseits Bildung? Welche Voraussetzungen, Fundamente und Gebäude (buildings) braucht die Bildung? Welche Formen der Organisation, der Steuerung, der medialen Vermittlung und der Qualitätskontrolle können welche innovativen Formen von Lehre, Ausbildung und „Bildungs-Bildung“ möglich machen? „Die Bildung der Bildung“ – so lautete denn auch das Forschungs-Jahresthema 2013 quer durch alle Fächer und Disziplinen unserer noch jungen Universität. Mit Fragen nach Herkunft der Studierenden und Zukunft der universitären Idee, der Geschichten und Geistesgegenwärtigkeiten, der Präsenz und Distanz, der Responsivität und Responsibilität, der Wirksamkeit und Wachsamkeit, also nach den Bedingungen und Unmöglichkeiten von bildender Forschung. Leerzeile

Darum und mehr geht es in der sechsten Ausgabe von „auf “, unserem „Magazin für Zwischenfragen“.

Passus in Prosa

Insgesamt 14 Beiträge erwarten Sie darin – von der Frage, was Bildung heute eigentlich soll, über die Bedeutung von Bildung als Kulturtechnik, die Veränderungen von Bildung und Medienbildung in Zeiten des Internets bis hin zu Herausforderungen in der Bildungspolitik und bei den Bildungsrenditen sowie Erfordernissen für lebenslanges Lernen. Leerzeile

Nach Ruediger John (Ausgaben 1 bis 3) und Patricia Reed (Ausgaben 4 und 5) begleitet mit Christof

Passus in Prosa

Salzmann erneut ein Künstler auch diese Ausgabe. Salzmann ist der ZU bereits seit Jahren verbunden, so mit seiner temporären installativen Intervention „Orientierung“ (gemeinsam mit Ruediger John, 2007) und seinem Ausstellungsprojekt „ZU Ordnung Wissensarchiv und Archivwissen“ (2013). Weil das „Magazin für Zwischenfragen“ nun eines ist, das auch permanent die eigene Identität hinterfragen darf, setzt Salzmann eben da an. Und er schafft mit seiner Form der Intervention ein Heft mit überbordendem Charme durch künstlerisches Experiment und die Kreation eines ungewöhnlichen, bisweilen gar fremdartigen Printerzeugnisses. Ihm und dem „auf “-Team gilt unser Dank für diese besondere „auf “-gabe der Universitätsvermittlung. Leerzeile

Zu guter Letzt gibt es natürlich auch wieder einen kleinen Überblick über die großen Freuden in der

Passus in Prosa

Universitätsentwicklung zwischen Wirtschaft, Kultur und Politik. Leerzeile

Wir wünschen Ihnen viel Bildungsfreude und viel Vergnügen bei der Lektüre.

Grußformel Leerzeile Leerzeile

Ihr Stephan A. Jansen

Autor

Präsident der Zeppelin Universität

Stellung

2

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k u r ator ischer text

Zur künstlerischen Intervention von Christof Salzmann

Balkenüberschrif t Leerzeile

Wie entsteht Bildung? Christof Salzmann zieht in seinem visuellen Beitrag eine Parallele zum künst-

Prolog

lerischen Gestalten und zielt mit seinem exemplarischen bildnerischen Prozess auf die Beziehung von Theorie- und Erfahrungswissen. Leerzeile

Theorie und Praxis der Bilder

Absatzüberschrif t Leerzeile

Als Bildender Künstler wählt Salzmann den Ansatz über das Bild. Durch strenge Trennung von Text-

Passus in Prosa

und Bildebene werden im Medium unterschiedliche Qualitäten sichtbar. Der Text wird auf sich selbst zurückgeworfen, die Bilder verweigern sich in ihrer eigensinnigen Komplexität eindimensionaler Deutungen. Leerzeile

Bildungsmaschine

Absatzüberschrif t Leerzeile

Seine monochromen Bildschöpfungen in S/W-Ästhetik generiert Salzmann durch Fotokopieren. An

Passus in Prosa

der Kopiermaschine, die im Bildungskontext zur Vervielfältigung von Theorie verwendet wird, sprengt er das gängige Magazinformat und transformiert die Publikation in einen Stapel Kopien, wie sie seit Generationen in Lehrsälen großzügig verteilt werden. Leerzeile

Bildung, Wissen, Archäologie

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ob Büropf lanze, Radiergummi oder Papierklammer – mit der Wahl der Bildgegenstände wird der

Passus in Prosa

Bildungsumgebung Beachtung verliehen. Die künstlerische Wissensarchäologie bringt auch vermeintlich Nebensächliches auf den Kopierer und erzeugt ein schattenhaftes Nachbild. Selbst Text wird zum Bild. Leerzeile

Bildung von Bildern

Absatzüberschrif t Leerzeile

Das Ziel des Kopierens, die identische Form, wird durch ein anarchisches Spiel mit der Maschine und

Passus in Prosa

mit Poesie und Humor ausgehebelt. Sein vielfältiges Experimentieren lotet die Möglichkeiten und Zufallsoptionen aus. Die provozierte Unberechenbarkeit lässt überraschende Formen entstehen. Improvisierende und lenkende Eingriffe führen zu Bildern, deren Kopierästhetik von hypnotischer Schönheit ist. Leerzeile

Varianten der Kopie als Utopie

Absatzüberschrif t Leerzeile

Auf diese Weise emanzipiert sich jede Kopie vom Ausgangsmaterial und wird zum Original. Erst das

Passus in Prosa

variantenreiche Kopieren, Imitieren, Zitieren, Zufall und Einfall und das Imperfekte in der Nachahmung ermöglichen eine autonome Aneignung und bilden Individualität aus. Leerzeile Leerzeile

Ulrike Shepherd

Autor

Kuratorin am artsprogram der Zeppelin Universität

Stellung

4

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Was soll eigentlich „Bildung“, heute? 1) Professor Dr. Hans Ulrich Gumbrecht, Gastprofessur für Literaturwissenschaften, über Historie, Entwicklung und Zukunft von Bildung


a rtik el i

Das Wort „Bildung“ ist zu einem Synonym von „Erziehung“ geworden – und wer sich solcher Verfla-

Prolog

chung widersetzt, wird der Naivität gescholten. Müssen wir den elitären Anspruch von „Bildung“ ganz den kritischen Historikern überlassen? Keineswegs, meint Hans Ulrich Gumbrecht. Er setzt auf Bildung als einen möglichen Energieschub produktiver Unruhe. Leerzeile

Vor kurzem sprach ich mit einer kleinen Gruppe hochkonzentrierter und präzise formulierender

Passus in Prosa

deutscher Studenten über die Geschichte des Bildungsbegriffs und der von ihm geprägten Institutionen. Dabei war überraschend zu sehen, wie sehr für sie die Frage im Vordergrund stand, ob jeder Anspruch auf Bildung – oder wenigstens Bildung als eine vergangene Form von Individualitätsprägung – notwendig ein problematisches, ein tatsächlich illegitimes Moment gesellschaftlicher Privilegierung implizierte oder gar zur Entstehung von Eliten führen könnte. Leerzeile

Was verstehen wir heute unter „Bildung“?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Für den sprachlichen Alltagsgebrauch ist das Wort „Bildung“ längst zu einem im Ton nur leicht ange-

Passus in Prosa

hobenen Synonym von „Erziehung“ oder „Ausbildung“ geworden wie zum Beispiel im Namen des „Ministeriums für Bildung und Forschung“ oder in der Rede von der „Bildungspolitik“. „Bildungsdebatten“ beziehen sich vor allem, wie meine Studenten, auf das absolut gehaltene Kriterium sozialer Gleichheit, auf die Effizienz verschiedener Formen und Inhalte des Unterrichts im Hinblick auf die Vermittlung berufsrelevanten Wissens sowie auf Potenziale der Digitalisierung. Zunehmend gilt dies sogar für kulturelle Schulfächer und geisteswissenschaftliche Disziplinen, die ja traditionell erhebliche Probleme haben, den „Relevanztest“ – in historisch je verschiedenen Formen und Fragen – zu bestehen. Kein Wunder in einer nationalen Umwelt, welche es geschafft hat, die Gehaltsentwicklung von Professoren an die Einwerbung von sogenannten „Drittmitteln“ zur Förderung der Forschung zu binden, ganz und gar unabhängig vom intellektuellen Interesse der jeweils ermöglichten Forschungsprojekte. Leerzeile

Was folgt daraus für den Bildungsbegriff?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Wer „Bildung“ mit einer Bedeutungsintention sagt, die vom allgemeinsten Begriff der „Erziehung“

Passus in Prosa

verschieden sein soll, der meint in den meisten Fällen zunächst – wie weiland meine Frau Mutter – ein breitgestreut statisches Wissen, dessen Wert als kulturelles Kapital in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gesunken ist und dessen einzig verbleibende Funktion wohl darin liegt, Gespräche mit fremden Zeitgenossen, auf die man zufällig stößt, aufzunehmen und vor dem Verlöschen zu bewahren. Wer hingegen mit mehr als nur historischem Interesse an den Bildungsbegriff Wilhelm von Humboldts oder Georg Wilhelm Friedrich Hegels erinnert, der erntet – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – bloß ein aggressiv herablassendes Lächeln für seine angebliche Naivität. Und er sollte sich dann wohl besser die Bemerkung gleich sparen, dass diese Idee und ihre Werte heute vor allem an den besseren amerikanischen Colleges lebendig geblieben sind. Eine ernsthafte Konzeption von „Bildung“ im historischen Leerzeile

Was fehlt „Bildung“ heute eigentlich?

Zwischenfrage der Redaktion

„Der klassische Begriff von ,Bildung‘, in dem die Entstehung eines komplexen Persönlichkeitsprofils in

Antwort des Autors

der Auseinandersetzung mit Kultur als Matriz für berufliche Kompetenzen verstanden wurde, ist heute gespalten in der ,Vermittlung von professionellem Wissen‘ und Pflege von ,Wissen im Hobbystatus‘.“ Leerzeile

Sinn verfolgen zu wollen, sei angesichts der „Studentenmassen“ reine Augenwischerei, wenden die

Passus in Prosa, Fortsetzung

sogenannten „Pragmatiker“ ein. Wobei ich hinzufügen möchte, dass mir solche „Studentenmassen pro Dozent“ bei Aufenthalten an deutschen Universitäten eigentlich nie begegnen. Mit anderen Worten: Man schließt die bloße Möglichkeit von „Bildung“ in einem normativen Sinn aus und ist sogar mit erstaunlicher Konsequenz darauf bedacht, ihr keine Chance zu geben, sollte sich eine solche je bieten. Leerzeile

Aber was genau geht dem Bildungssystem heute verloren, wenn es den Begriff der Bildung ausschließt?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ich kann mir das am genauesten und anschaulichsten durch einen Blick weit zurück in die Vergan-

Passus in Prosa

genheit verdeutlichen. Die Erziehungsfaszination der Auf klärung als Ausgangspunkt setzte die 6

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a rtik el i

Entdeckung von Kindheit und Jugend als qualitativ vom Erwachsensein verschiedenen, für Impulse

Passus in Prosa, Fortsetzung

individueller Prägung besonders empfänglichen Stadien der menschlichen Existenz voraus. Einfacher gesagt: Erst seit dem 17. Jahrhundert sah man in Kindern und Jugendlichen etwas anderes als noch nicht voll entwickelte Erwachsene. Da sich die Aufklärung dann als ein radikaler und umfassender Prozess der Revision all jenen Wissens verstand, das nicht hätte aus menschlicher Vernunft abgeleitet werden können, musste es einer neuen normativen Konzeption der Erziehung darum gehen, Kinder und Jugendliche gegen die Einflüsse „der Gesellschaft“ – das heißt: des noch nicht revidierten Wissens – zu schützen, um dann unter der Voraussetzung dieses Schutzes durch eine Sequenz wohl geplanter Schritte die – angeblich – in jedem Individuum angelegten Schichten „reiner Menschlichkeit“ zu aktivieren. Ein Programm mit dieser Struktur beschreibt Jean-Jacques Rousseaus „Emile“, die unter seinen Zeitgenossen wohl einflussreichste Abhandlung über die Erziehung. Doch Erziehung in diesem institutionalisiert aufklärerischen Sinn war noch nicht mehr als die Grundlage und Prämisse eines Begriffs von „Bildung“, wie er sich bald vor allem in der deutschen Kultur entwickeln sollte. Leerzeile

Welche Komponenten prägen das Wissensbild?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Dass Bildung ein selbstgesteuerter und lebenslanger Prozess der Individualisierung in Reaktion auf

Passus in Prosa

die nie aussetzende Bemühung um Weltaneignung sein sollte und soll, gehört – ohne Ironie gesagt – zum gehobenen Bildungswissen. Ich möchte die Komplexität dieses Wissensbildes durch die Erwähnung von drei weniger bekannten, aber wohl entscheidenden Komponenten erhöhen. Leerzeile

Für Hegel war – erstens – das Potenzial der Ausbildung von Individualität gebunden an durchaus

Passus in Prosa

schmerzhafte Momente der „Entfremdung“ und „Entäußerung“, welche sich das Bewusstsein in der Aneignung der Welt außerhalb seiner selbst auferlegte. Sie sollten – zweitens – den gebildeten Menschen befähigen, diese Welt gerade nicht auf abstrakte Weise zu sehen (das heißt: aus jeweils bloß einer Perspektive), sondern in ihrer Komplexität, wie wir heute sagen würden. Von „Komplexität“ sprach Hegel nicht explizit (jedenfalls nicht in jenen einschlägigen Passagen und Kapiteln, die mir Leerzeile

Und was bräuchte „Bildung“ heute dringend?

Zwischenfrage der Redaktion

„Ein erneuertes Vertrauen, dass Lehren und Lernen in Situationen körperlicher Kopräsenz (und kleinen

Antwort des Autors

Gruppen) einen Weg zurück zum existentiellen Status des Wissens bahnen kann, das heißt zu einem Status, wo persönlicher Enthusiasmus nicht von objektiven Funktionen des Wissens zu trennen ist.“ Leerzeile

geläufig sind), aber dennoch illustrierte er gerade diesen Begriff mit einem bis heute schockierenden

Passus in Prosa, Fortsetzung

Beispiel: „Es wird also ein Mörder zur Richtstätte geführt. Dem gemeinen Volke ist er nichts weiter als ein Mörder. Damen machen jetzt vielleicht die Bemerkung, daß er ein kräftiger, schöner, interessanter Mann sei. Jenes Volk findet die Bemerkung entsetzlich: was, ein Mörder schön? […] Dies heißt abstrakt gedacht, in dem Mörder nichts als dies Abstrakte, daß er ein Mörder ist, zu sehen und durch diese einfache Qualität alles übrige menschliche Wesen an ihm zu vertilgen.“ Leerzeile

Welche Rolle kommt der Universität zu?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Drittens – und auf diese Komponente stößt man vor allem im Werk Wilhelm von Humboldts – war

Passus in Prosa

der Begriff der Bildung durchdrungen von der dynamischen Vorstellung einer positiven und produktiven Unruhe. Sie zu erwecken und womöglich auf Dauer herzustellen, sei die Aufgabe der Universität, schrieb Humboldt um 1810 in seinem heute berühmten Memorandum „Ueber die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“. Die Universität solle das Zusammenwirken der Geister herbeiführen, „und zwar nicht bloss, damit Einer ersetze, was dem Anderen mangelt, sondern damit die gelingende Thätigkeit des Einen den Anderen begeistere und Allen die allgemeine, ursprüngliche, in den Einzelnen nur einzeln oder abgeleitet hervorstrahlende Kraft sichtbar werde, so muss die innere Organisation dieser Anstalten ein ununterbrochenes, sich immer selbst wieder belebendes, aber ungezwungenes und absichtsloses Zusammenwirken hervorbringen und unterhalten.“ Die Universität, heißt es tatsächlich bei Wilhelm von Humboldt, solle „die objective Wissenschaft mit der subjectiven Bildung“ verknüpfen, das heißt ihre Funktion war auf 8

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a rtik el i

Individualbildung abgestellt, während die Vermittlung von Wissen aller Art ausschließlich dem

Passus in Prosa, Fortsezung

Gymnasium zufallen müsse. Leerzeile

Was ist der Mehrwert von Bildung gegenüber Erziehung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Zu sagen, dass keine Bildungskonzeption weiter als die Humboldts von der heutigen Wirklichkeit

Passus in Prosa

deutscher Universitäten entfernt sein kann, wirkt ebenso banal wie das Zugeständnis, dass es angesichts der Vielfalt und der intrinsischen Komplexität des heute zu vermittelnden Wissens natürlich längst gerechtfertigt ist, die Universität auch der Aufgabe von Wissensvermittlung zu unterstellen. Interessanter erscheint vorab die historische Frage, wie sich die Entstehung des nun in einigen Punkten umschriebenen Mehrwerts eines Bildungsbegriffs gegenüber der vergleichsweise statischen Erziehungskonzeption der Aufklärung erklären lässt. Meine These dazu heißt, dass sich Komplexitätssteigerung und produktive Unruhe als individualitätsfördernde Komponenten zum Bildungsbegriff gesellten infolge des sogenannten „historischen Bewusstseins“, wie es sich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte. Erst seit jenen Jahren gilt Zeit als ein unvermeidliches Agens der Veränderung aller Phänomene, das heißt ganz grundsätzlich als Quelle positiver Unruhe. Und dieses Potenzial galt es an der Universität – als einem Energie-Zentrum für Individual-Bildung – freizusetzen. Leerzeile

Hat Bildung nach diesem Verständnis eine Chance im heutigen deutschen Universitätssystem?

Absatzüberschrif ten

Und sollte Bildung so eine Chance haben? Leerzeile

Die Sorge meiner Studenten, es könne sich dabei um ein sozialethisch problematisches Privileg handeln,

Passus in Prosa

teile ich überhaupt nicht. Denn wem würde in unserer Gegenwart der Zugang zu den Quellen solch einer Bildung aktiv versperrt – sollten sie überhaupt noch sprudeln? Daneben bin ich überzeugt, dass – zumindest für die geisteswissenschaftlichen Fächer – die Teilnehmerzahlen in den Seminaren mittlerweile in den meisten Fällen niedrig genug sind, um direkte Teilnahme am Seminargespräch und individuelle Betreuung als Möglichkeiten offen zu lassen. Ein ernster zu nehmendes Problem für Bildung heute – „Bildung heute“ im normativ-historischen Sinn – kommt aus einer anderen Richtung. Es ist nämlich denkbar, dass nach fast 200 Jahren geradezu selbstverständlicher Wirksamkeit und Dominanz die historische Zeit für uns nicht mehr den Status eines notwendigen und universalen Agens der Veränderung hat. Sollte es dazu gekommen sein, dann kann auch Bildung nicht mehr im überlieferten Sinn ein dynamischer Prozess unendlicher Veränderung, Individualentwicklung und Komplexitätssteigerung sein. Vielleicht ist aus „Bildung“ als lebenslangem Prozess in der nicht mehr „historischen“ Umwelt von heute jene Lebensplanung aus „Lebensabschnittspartnern“ und den vielfach erneuerten Phasen des Einübens neuer beruflicher Kompetenzen geworden, von denen der Philosoph Peter Sloterdijk in seinem Buch „Du mußt Dein Leben ändern“ schreibt. Leerzeile

Aber sollten wir nicht auch und gerade unter solchen Bedingungen auf Bildung als einen möglichen

Absatzüberschrif t

Energieschub produktiver Unruhe setzen (oder wenigstens hoffen)? Leerzeile

Verlieren kann eigentlich niemand, der an die Fortsetzung der Möglichkeit von Bildung im historischen

Passus in Prosa

Sinn glaubt. Denn schlimmstenfalls lässt sich die früher einmal zu ihr gehörende Dynamik in unserer Gegenwart nicht mehr zu neuem Leben erwecken. Aber davon gehen Institutionen, Entscheidungsträger und der Durchschnittsbürger als Gleichheitswart ohnehin aus – leider. Leerzeile

zu.de/gumbrecht

Digitale Verknüpfung Leerzeile

1) erschienen als FAZ-Blog 117 am 28.06.2013

Querverweis

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Kulturtechnik Bildung Professor Dr. Dirk Baecker, Lehrstuhl f端r Kulturtheorie und -analyse, 端ber die Wurzeln von Bildung und was einen gebildeten Menschen ausmacht


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Wann ist man eigentlich gebildet? Und wann hochgebildet? Was macht einen gebildeten Menschen

Prolog

aus? Und was einen Gelehrten? Was sind die Wurzeln von Bildung? In jedem Falle ist Bildung eine Kulturtechnik. „Gebildet ist, wer sich sein Verhalten nicht von einer Situation diktieren lässt, zugleich jedoch eine Referenz, einen Rahmen, einen Anker setzt, der es allen anderen erlaubt, ihr Verhalten in der Situation für einen Moment zu reflektieren und neu zu bestimmen“, meint Dirk Baecker. Leerzeile

Bildung ist ein hochkulturelles Konzept, das wenn nicht unbedingt maximale Ansprüche, so doch

Passus in Prosa

mindestens minimale Ansprüche an Menschen stellt, die sich „gebildet“ nennen wollen. Eine bestimmte Kenntnis der Literatur, der Musik, des Theaters, der bildenden Künste sowie der Sitten und Gebräuche anderer Länder ist das Minimum dessen, was erwartet wird, wenn man mit einem gebildeten Menschen zusammentrifft. Man findet rasch ein Thema, über das man sich interessant unterhalten kann. Und, wichtiger noch, man findet ein Thema, gespickt mit Anspielungen auf klassische Autoren, das Distanz gegenüber dem Alltag, Distanz gegenüber dem aktuellen Geschehen und Distanz gegenüber den Meinungen der Allgemeinheit zu signalisieren erlaubt. Man ist etwas Besonderes. Man weicht ab und weiß sich doch geschützt durch die Berufung auf etwas Höheres, das auch die Allgemeinheit als bindend anerkennen würde, wäre sie nur gebildet genug, sich damit auszukennen. Diesen minimalen Anspruch, der bereits Jahre der Arbeit erfordert, kann man nach Belieben steigern und auf maximale Ansprüche hochschrauben, der nicht mit Gelehrsamkeit zusammenfällt, aber doch den souveränen Umgang nicht nur mit einzelnen Autoren, Komponisten, Künstlern und bereisten Ländern, sondern mit vielen Autoren, Musikgattungen, Kunstrichtungen und Kontinenten erfordert. Leerzeile

Was unterscheidet Gelehrte von Hochgebildeten?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Vom Gelehrten unterscheidet sich der Hochgebildete dadurch, dass er nie pedantisch ist. Er weiß ein

Passus in Prosa

Thema zu setzen, dessen Tiefe anzudeuten und auch wieder zu verlassen. Ohne eine Antwort des Gesprächspartners käme der Gebildete nie auf die Idee, ein Thema weiter auszuloten. Der Gelehrte hingegen ist gerade darin pedantisch, wie man im 18. Jahrhundert sagte, dass er in der geselligen Konversation mit seinem Thema kein Ende findet. Er merkt noch nicht einmal, dass er andere langweilt. Der Gebildete hält auch gegenüber diesem Typ des Gelehrten Distanz. Er hält im Zweifel sogar Distanz Leerzeile

Wie machen Sie sich selbst die Kulturtechnik Bildung zunutze?

Zwischenfrage der Redaktion

„Die Kulturtechnik Bildung ist für mich ein soziologischer Forschungsgegenstand unter anderen.“

Antwort des Autors Leerzeile

gegenüber sich selbst, eine Distanz, die er seinem Gegenüber schuldet, solange dies ihm ebenbürtig

Passus in Prosa, Fortsetzung

ist. Man kennt solche Leute kaum noch. Manche Universitätskreise, manche höhere Beamte, manche Akademiker in den Bürokratien von Kirchen, Armeen und Behörden spielen noch mit diesen Gesten, in der Regel jedoch nur im kleinsten Kreis. Vielfach wird diese Art von Bildung mit Klassendünkel verwechselt und mit diesem Argument auch schnell zurechtgestutzt. Leerzeile

Welche kulturellen Ursprünge hat Bildung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Auch umgekehrt ist Bildung ein Produkt sogenannter Hochkulturen, also jener Gesellschaften, die

Passus in Prosa

wir zumeist antike Gesellschaften nennen und die mit der Einführung der Schrift entstanden waren, in Mesopotamien, Ägypten, Griechenland, in China, Indien und bei den Mayas. Auch hier zeichnet Bildung nicht unbedingt diejenigen aus, die es gelernt haben, mit der Schrift, mit der Mathematik, mit Rhetorik, Dialektik und Diätetik umzugehen. Sondern gebildet sind diejenigen, die sich in diesen Kulturtechniken auskennen, sie ansatzweise auch beherrschen, aber das Leben nicht auf den Umgang mit diesen Techniken begrenzen. Leerzeile

Gebildet ist in Griechenland jener Edelmann, der philosophieren und rechnen, aber auch reiten,

Passus in Prosa

kämpfen, lieben und sterben kann. Paideia nannte man die Erziehung, die einem Aristokratensohn zuteil werden musste, damit er sich mit jenen Bildungsinhalten auskannte, die er beherrschen können musste, damit sie beziehungsweise ihre Vertreter nicht ihn beherrschen. Auch daher kommt die für Bildung typische Distanz. Man muss jeden konkreten Inhalt jederzeit relativieren können, und sei es 12

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durch einen Hinweis auf einen Wert, der seinerseits relativiert werden kann. Wer sich auf absolute

Passus in Prosa, Fortsezung

Werte berief, verließ die Bildung und landete in den Armen der Religion. Die Bildung, von der hier die Rede ist, nannten die Römer doctrina im Unterschied zur eruditio, aber auch zum cultus. Doktrinen muss man beherrschen, ohne sich ihnen zu unterwerfen. Man hat sie in seinem Waffenschrank stehen, ohne deswegen zu einem Schildknecht zu werden. Man kann sie herausnehmen und anwenden, aber auch wieder hineinstellen und durch eine andere ersetzen. Diese Art des aristokratischen, des souveränen Umgangs mit Bildungsinhalten, die diese auf eine Stufe hebt mit der Kunst, das Schwert zu führen, einen guten Wein zu erkennen, eine schöne Frau zu verführen und eben auch mit Würde zu sterben, ist zu bedenken, wenn man wissen will, warum Bildung nicht zuletzt auch darin besteht, Distanz zur Bildung zu halten. Leerzeile

Was ist der normative Anspruch an den gebildeten Menschen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Aber nicht nur der Sinn für die Relativität des Einzelnen im Zusammenhang des Ganzen zeichnet die

Passus in Prosa

Bildung aus, sondern damit einhergehend auch der normative Anspruch an den gebildeten Menschen, sich von keiner Situation je ganz gefangennehmen zu lassen. Und dies ist der Aspekt, der mich hier am meisten interessiert. Worin besteht die soziale Funktion dieses normativen Anspruchs an die Fähigkeit nicht zu irgendeiner Distanz, sondern zu einer gebildeten Distanz? Und warum richtet sich dieser Anspruch so explizit an den einzelnen Menschen, nicht an eine Institution, eine Autorität, eine Instanz, sondern an das Individuum? Warum muss Bildung individuell verkörpert sein und individuell gelebt werden? Warum genügt es nicht, die Bücher in den Bibliotheken, die Bilder in den Museen, die Theaterstücke im Fundus und die Kompositionen in den Notenschränken zu wissen? Warum nimmt die Bildung den ganzen Menschen in Anspruch? Leerzeile

Die christliche Antwort auf diese Fragen ist eindeutig. Bildung kommt daher, dass der Mensch sich

Passus in Prosa

nach dem Bilde zu schaffen hat, das Gott, sein Schöpfer, sich von ihm gemacht hat. Das gilt auch und gerade dann, wenn man nicht genau wissen kann, worin dieses Bild besteht, da es bekanntlich verboten ist, Gott so genau zu beobachten, dass man das herausfinden könnte. Stattdessen muss man sich an Zeichen, an Winke und natürlich an die Schrift halten. Aber auch nichtchristliche Bildungsideen weisen diesen Charakter auf, sich an das Individuum zu wenden und dort eine gewisse Uneindeutigkeit, man könnte auch sagen: eine Lesbarkeit, aber auch Unverständlichkeit zu behalten. Bildung, die sagt, worin sie besteht, ist keine mehr. Darin irren aktuelle Bildungsführer beziehungsweise das ist ihre Botschaft: Wer sich für gebildet hält, weil er gelernt hat, was diese Führer empfehlen, beweist damit seine Unbildung.

Leerzeile Absatzüberschrif t

Braucht Bildung eine Distanzformel?

Leerzeile Passus in Prosa

Die Griechen zum Beispiel setzen ein würdevolles und gebildetes Leben mit der Fähigkeit zur Kontemplation gleich, mit der Fähigkeit, müßig die Perfektion des Kosmos zu bewundern. Die Arbeit machen die Sklaven; sie nehmen den damit verbundenen Lärm und Schmutz, die Mühe und den Schweiß auf sich; der gebildete Aristokrat hingegen beweist seine Bildung dadurch, dass er die Welt würdig, das heißt anstrengungslos zu bewundern versteht. Was genau er bewundern soll und was aus Leerzeile

Welche kulturellen Wurzeln von Bildung haben Sie besonders geprägt?

Zwischenfrage der Redaktion

„Ich habe mich gegen Kultur Zeit meines Lebens gewehrt. Geprägt hat mich nur das Misstrauen gegen-

Antwort des Autors

über der Kultur.“ Leerzeile

dieser Bewunderung folgt, bleibt offen, also je nach Bedarf neu und anders zu interpretieren. Und

Passus in Prosa, Fortsetzung

auch die Römer scheinen eine solche Distanzformel zu kennen, auch wenn es hier nicht mehr um die Kontemplation geht, sondern eher um den Hedonismus, gekoppelt mit einer zum Stoizismus bereiten Skepsis. Die Römer steigen aus einem kosmologischen Weltbild aus und konstruieren sich ein imperiales, dessen Ränder, wenn man so sagen darf, nicht rund sind, sondern ausfransen. Man weiß nie, was einen aus dieser Peripherie als nächstes überrascht, und erst recht weiß man nicht, wer im Zentrum, in Rom, auf diese Überraschungen wie reagiert, sich gegen sie wehrt, sie sich zunutze macht, 14

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gleich wieder in den Krieg zieht und als siegreicher Kriegsherr verbotenerweise nach der Kaiserkrone

Passus in Prosa, Fortsezung

greift. In dieser Situation kann man nicht mehr gebildet bewundern, sondern muss man sich bereits heute stoisch auf ein unbekanntes Morgen vorbereiten. Leerzeile

Darum also scheint es zu gehen. Das gebildete Individuum soll und darf sich von der Situation unter­

Passus in Prosa

scheiden, in der es sich befindet, und die Distinktion, die es aus diesem Unterschied gewinnt, in der Situation fruchtbar werden lassen. Möglich ist dies nur im Medium auswechselbarer Inhalte. Man muss etwas wissen oder zu wissen glauben, sich an etwas erinnern oder auch sich etwas versprechen, um aus der Situation aussteigen und mit angereicherten Ressourcen wieder in sie einsteigen zu können. Und man muss diese Ressourcen aus einem Fundus gewinnen, der den anderen als ebenso zugänglich wie verbindlich gelten kann. Eine Goethe-Zitat, eine Verdi-Paraphrase, ein Diktum Tertullians, eine Jean-Paul-Idylle oder eine Schopenhauer-Polemik, das geht. Was nicht geht, ist das Zitat, das ebenso zufällig ist wie die aktuelle Situation. Genauer gesagt, auch das geht, aber nur als gebildet ironischer Umgang mit der Ironie der Bildung. Leerzeile

Was macht den gebildeten Menschen eigentlich aus?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Gebildet ist, wer sich sein Verhalten nicht von einer Situation diktieren lässt, zugleich jedoch eine

Passus in Prosa

Referenz, einen Rahmen, einen Anker setzt, der es allen anderen erlaubt, ihr Verhalten in der Situation für einen Moment zu reflektieren und neu zu bestimmen. Das kann darauf hinauslaufen, die Situation zu sprengen und woanders weiterzumachen. Es kann auch darauf hinauslaufen, die Situation zu akzeptieren, jetzt aber bewusst und in Kenntnis ihrer Inhalte und Konsequenzen. Leerzeile

Was macht Bildung zu einer Kulturtechnik?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Bildung erlaubt eine Reflexion, die mit Kritik so kompatibel ist wie mit Affirmation. Man kann mit

Passus in Prosa

Hölderlin im Ranzen in den Krieg ziehen und sich abends mit einem Beethoven-Quartett von der Arbeit im Konzentrationslager erholen. Nichts an irgendeiner Bildung ist per se gut. Denn in Frage steht immer, welche Verbindlichkeit welcher Allgemeinheit durch Bildung in einer Situation zum Tragen gebracht wird. Das kann eben auch die gebildete Nibelungentreue, der pflichtbewusste Dienst am Vaterland, die Gehorsamkeit gegenüber dem Führer, gewürzt mit einer Wagner-Paraphrase sein. Gebildet ist, wer eine Situation des Alltags, des Berufs, der Familie, des Kirchgangs, des Museumsbesuchs auf ihre Verallgemeinerbarkeit hin prüfen und entweder ändern oder bestätigen kann. Bildung ist eine Kulturtechnik, deren Raffinement darin besteht, dass sie minimalinvasiv auf maximale Effekte der Reflexion setzen kann. Im Prinzip muss eine hingeworfene Bemerkung genügen können, jemanden aus den Angeln seiner Routine heben zu können oder mit derselben Eleganz zum Herrn seiner Routine zu machen. Der individuelle Abstand zur Situation wird genutzt, um die Situation zu beleuchten und für gut oder schlecht zu befinden. Leerzeile

zu.de/baecker

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Der soziale Lift klemmt Professor Dr. Stephan A. Jansen, Lehrstuhl f端r Strategische Organisation und Finanzierung und Leiter des Civil Society Center | CiSoC, 端ber eine generationengerechte Gestaltung und Finanzierung von Bildung


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Die deutsche Bildungspolitik der letzten Jahre könnte für Stephan A. Jansen ein Grund zur Schwermut

Prolog

sein. Er plädiert für eine generationsgerechte Gestaltung und Finanzierung von Bildung. Um den „deutschen Skandal der Herkunftsabhängigkeit“ zu beenden, fordert er mutige und pragmatische Politik statt ideologische Debatten. Leerzeile

Wie stellt sich die Bildungspolitik dar?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Tatsächlich könnte die Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte schwermütig machen, weil offenbar

Passus in Prosa

keine der vergangenen wie auch immer gefärbten Landes- wie Bundesregierungen das kleine bisschen mehr Mut aufbrachte, Familien- und Bildungspolitik jenseits der Ideologien anzupacken. Dieser Mut wäre, die national geübte Arbeitsteilung zwischen Familie, Staat, Zivilgesellschaft und Markt nochmals kritisch anzuschauen und auch im internationalen Vergleich angemessen zu finanzieren. Leerzeile

Schärfer formuliert: Es geht um die Beendigung des deutschen Skandals der noch immer weitreichen-

Passus in Prosa

den Herkunftsabhängigkeit der Bildungsbiografien, also der Kooptationseliten. Soziologen sprechen vom Versagen der sozialen Durchlässigkeit. Diese soziale Lässigkeit können wir uns bei dem demografischen Gegenwind auf den Arbeitsmärkten und bei der staatlichen Verantwortung für die nächste Generation und die Migranten aber weder individuell noch betriebs- und volkswirtschaftlich leisten. Leerzeile

Mit Bildungsthemen kann man keine Wahlkämpfe gewinnen, so heißt es – aber zunehmend verlieren,

Passus in Prosa

so sieht man. Verloren haben aber in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die, die beim sozialen Lift, also dem vielleicht letzten sozialstaatlichen Politik-Versprechen überhaupt, angestanden haben – und bis heute warten, nicht selten im Transfersystem. Leerzeile

Kaum ein Bereich wird seit den 70er Jahren so permanent reformiert wie der Bildungssektor. Wie

Zwischenfrage der Redaktion

erklärt sich dennoch die Erfolglosigkeit? „Durch die Permanenz der Reform selbst. Politik und Bildung haben unterschiedliche Rhythmen.

Antwort des Autors

Bildung braucht Eigenwilligkeit – individuell und institutionell auf der Ebene der Schüler und Studierenden wie eben auch auf der Ebene der Schulen und Universitäten.“ Leerzeile

Gibt es Zahlen über die Entwicklung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

1. Mehr Bildungsabsteiger als -aufsteiger:

Passus in Prosa

In Deutschland erreichen 22 Prozent der jungen Menschen laut des neuen OECD-Bildungsberichts nicht das Bildungsniveau ihrer Eltern. Umgekehrt schaffen mit 20 Prozent weniger einen höheren Abschluss als ihre Eltern. Deutschland liegt damit ganz weit hinten. Im Durchschnitt schaffen 37 Prozent den Aufstieg und nur 13 Prozent fallen zurück. Und das bei niedrigem Ausgangsniveau. Leerzeile

2. Akademiker-Anteil an Altersgruppe weltweit einzigartig stabil:

Passus in Prosa

Deutschland ist nahezu das einzige Land, in dem der Akademiker-Anteil unter den 25- bis 34-Jährigen mit 26 Prozent heute fast identisch ist mit dem in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen. OECDweit ist ein Anstieg der Akademikerquote von 23 auf 38 Prozent zu beobachten. Leerzeile

3. Herkunftsabhängigkeit der Bildungsbiografien weltweit führend:

Passus in Prosa

Die Studien des UN-Menschenrechtsrats, der OECD und vieler Stiftungen wie zum Beispiel der Vodafone Stiftung zeigen immer wieder den gleichen Befund: Bildungsherkunft entscheidet in Deutschland stärker als in nahezu allen anderen Ländern über Bildungszukunft. Von hundert AkademikerKindern werden 71 Akademiker und von hundert Nicht-Akademikerkindern eben nur 24, so die letztverfügbaren Zahlen für 2007. Leerzeile

4. Zu geringe und genau verkehrte Bildungsfinanzierung:

Passus in Prosa

Die Finanzkrise hat in den meisten Industrienationen nicht zu drastischen Einschnitten bei den Bildungsinvestitionen geführt. In Deutschland wenden Staat, Wirtschaft und Privatpersonen 5,3 Prozent des Brutto-Inlandsproduktes (BIP) für Bildung auf – 0,9 Prozentpunkte weniger als OECD-Schnitt. 18

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Dramatischer hingegen ist die Verkehrung der Verhältnisse in der Finanzierung der Bildungsstufen.

Passus in Prosa, Fortsezung

Während in allen entwickelten Ländern die Kindergärten und Primarschule einen geringeren privaten Finanzierungsanteil als der Hochschulbereich aufweist, ist es in Deutschland seit Jahren genau umgekehrt – übrigens wie in Griechenland, wo auch die Kita-Gebühren höher sind als die StudienGebühren. Leerzeile

Wie sehen die Befunde aus Praxis und Forschung aus?

Absatzüberschrif t Leerzeile

1. Jugend-Arbeitslosigkeit und duale Bildung stellen keine Ausrede dar:

Passus in Prosa

Unsere geringe Arbeitslosigkeit liegt an der derzeitigen Stärke der deutschen Wirtschaft – und an der demografischen Schwäche. Dass die duale Ausbildung immer als rituelle Rückweisung aller Kritiken genommen wird, wird auch zunehmend zu einer Schwäche der politischen Kommunikation. Hier wäre ebenfalls Ehrlichkeit und eine Weiterentwicklung der tatsächlich innovativen dualen Hochschulbildung hilfreicher. Leerzeile

2. Nobelpreis-Forschung widerlegt Bundesregierung:

Passus in Prosa

Die bildungsökonomische Formel ist simpel: „Mehr Geld am Anfang, weniger am Ende.“ Dann gibt es den sich selbst verstärkenden Bildungskaskaden-Effekt, den der Chicagoer Wirtschaftsnobelpreisträger James Heckman als „skill multiplier“ beschreibt: Frühe Bildungsinvestitionen erhöhen wie ein Multiplikator auch die Rendite aller späteren Bildungsinvestitionen. Die Strategie, mehr Geld für hochwertige Frühförderung in Krippen und Kindergärten auszugeben und dafür zu sorgen, dass wie Leerzeile

Bildungspolitik wirkt in Deutschland oft ideologiebehaftet. Woran liegt das? „Die Ideengeschichte schützt vor Ideologien. Da Bildungspolitik eine Politik ist, mit der man keine

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors

Wahlen gewinnen, aber eben deutlich verlieren kann, mutet die Aufgeregtheit selten inhaltlich und inklusiv mit den entscheidenden Akteuren an: den Schülern und Studierenden selbst.“ Leerzeile

in den skandinavischen Universalsystemen möglichst alle Kinder sie besuchen, ist nicht nur volks-

Passus in Prosa, Fortsetzung

wirtschaftlich und neurowissenschaftlich vergleichsweise unstrittig. Die genetische und soziale Geburtslotterie kann nur so ohne Verluste gemeistert werden. Was macht Deutschland? Abbremsen des Kita-Ausbaus und gleichzeitige Abschaffung der Studien-Gebühren – nun auch in Bayern, weil „man es sich leisten kann“. Leerzeile

Ist das Betreuungsgeld eine überkommene Familienpolitik?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Deutschland muss sich auf den Kopf stellen – und zwar richtig. Bildung ist nicht per se ein öffentliches

Passus in Prosa

Gut, das heißt: Es ist kein kostenloses und durch den Staat zu erbringendes Gut. Die Wirklichkeit ist bunter! Leerzeile

Schulbildung ist ein sogenanntes meritorisches Gut, also öffentlich bereitgestellt und zwangsbeglü-

Passus in Prosa

ckend. Nachhilfeunterricht, der auch öffentliche Schuldefizite ausgleicht, ist hingegen ein privates Gut und damit der größte private Bildungsmarkt. Hochschulbildung hingegen ist ein klassisches Club-Gut, derzeit von der Allgemeinheit finanziert und von dem immer gleichen Viertel der Gesellschaft mit hohen privaten Bildungsrenditen versehen. Karl Marx und Wilhelm von Humboldt fanden das schon ein paar Jahrhunderte zuvor ungerecht. Frühkindliche Angebote hingegen sind immer stärker privat finanzierte Güter. Das Betreuungsgeld hingegen ist eine überkommene Familienpolitik. Leerzeile

Welche unpopulären Entscheidungen wären nötig und was spricht für sie?

Absatzüberschrif t Leerzeile

1. Zwangsbeglückung durch staatliche Kindergärten:

Passus in Prosa

Meritorisierung, also eben Zwangsbeglückung, durch staatliche Kindergärten auch unter drei Jahren – mit individuell gestaltbaren Intensitäten, zeitlich und vom Anregungsangebot. Gesetzlicher Anspruch für staatlich errechnete 39 Prozent der Kinder ist das eine. Gut elf Prozentpunkte davon, also 220.000 Plätze, fehlten 2013 noch. Verschiebebahnhöfe zwischen Kommunen, Ländern und Bund sind die 20

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falschen Orte für die Aufholjagd in der Bildungsgerechtigkeit und der gender-neutralen Arbeitsmarkt-

Passus in Prosa, Fortsezung

gerechtigkeit. Die nun kaum wirksamen Ausgaben für das Betreuungsgeld wären ein wichtiger Beitrag gewesen. Leerzeile

2. Bessere Bundes-Grundierung der Grundschule:

Passus in Prosa

Bei allen Umverteilungsmanövern von Bundes- in Landesmittel für den Bildungsbereich: die Erhöhung der staatlichen Bundes- statt geplanter Kommunalverantwortung und -finanzierung der im internationalen Vergleich deutlich unterfinanzierten Primarschule. Die demografischen Renditen, entstehend durch die geringeren Schülerzahlen, müssen also im System bleiben, um so Anregungsarenen zu schaffen, die die natürliche Lernlust der Kinder nicht derart professionell ausbremsen. Leerzeile

3. Erhöhung privater Bildungsfinanzierungsanteile im Hochschulbereich:

Passus in Prosa

Die Bildungsrenditen von Akademikern sind beeindruckend – und dazu ohne Druck, sich an den Investitionen dafür privat zu beteiligen: 175.000 Dollar insgesamt oder fünf bis sechs Prozent pro zusätzlichem Bildungsjahr, so übereinstimmend die Studien aus den letzten Jahren. Arbeitgeber und eben auch die Studierenden müssen im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit aber diese Investitionen mittragen. Leerzeile

Das unter das Betreuungsgeld druntergehobene Angebot einer staatlich kofinanzierten privaten Bil-

Passus in Prosa

dungsvorsorge (sogenanntes „Bildungssparen“) ist tatsächlich ein wichtiger mentaler Paradigmenwechsel weg von dem rein öffentlichen Gut „Hochschulbildung“. Auch das medial schlechtgeredete und tatsächlich Hochschulen bürokratisch belastende Deutschland-Stipendium taugt zu einem solchen mentalen Paradigmenwechsel, zu einem „Matching Fund-Prinzip“ (Staat „matched“ private Spenden), das international üblichen staatlichen Anreizprogrammatiken zur privaten Hochschulfinanzierung entsprechen könnte. Intelligente Studiengebühren sind zudem keine Gebühren während des Studiums, sondern während der dadurch erreichten Arbeits- und Einkommensphase danach. Leerzeile

Was ist das Fazit zum Verhältnis von Bildung und Wahl?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Frühkindliche Erziehung wäre auch rechtlich im besten Sinne wahllos. Die Vermeidung von Verlusten

Passus in Prosa

bei Wiederwahlen geht noch immer durch giftige Geschenke – nicht selten im Modus des Kuhhandels. Ob nun Kita-Ausbau-Verzögerung, Betreuungsgeld oder Abschaffung der Studiengebühren: Alle Kühe in diesem Handel sind auf dem zu transparenten Glatteis von derart schlechter Qualität und damit nicht selten Anlass für politischen Vegetarismus, also Nicht-Wählerschaft. Nur sind die in Deutschland benachteiligten Klein- und Schulkinder nicht wahlberechtigt, deren Elternhäuser aus bildungsfernen und Zuwanderungs-Hintergründen nicht selten wahlunfähig und die Eliten hinsichtlich der Klientelpolitik der Parteien eben wählerisch. Leerzeile

Demokratie ist aber eine Tochter des Wissens seiner Wähler. Tun wir was dafür.

Epilog Leerzeile

zu.de/jansen

Digitale Verknüpfung Leerzeile

Jansen, Stephan A. (2014): Über umgedrehte Pyramiden und defekte soziale Fahrstühle – Sieben

Literatur

ausgewählte Paradoxien über Geistesgegenwart und Gerechtigkeitszukunft des deutschen Bildungssystems, in: Jansen, Stephan A. / Schröter, Eckhard / Stehr, Nico (Hrsg.) (2014): Bildung der Bildung, Wiesbaden: SpringerVS (in Druck). Jansen, Stephan A. / Sandevski, Tome (2012): Die Bildung der Finanzierung und ihre Forschung - oder: die forsche Finanzierung der Bildung.
Hochschulfundraising und staatliche „Matching Funds-Programme“ im internationalen Vergleich, in: zu|schnitt 24 – Discussion Paper der Zeppelin Universität, Friedrichshafen, 12/2012.

24

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„Einfach Hasard“ Professorin Dr. Maren Lehmann, Lehrstuhl für Soziologie, Schwerpunkt Organisationstheorie, über Wissenschaft als Beruf


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Wissenschaft ist vielen Berufung, und sie ist wertfrei. Was aber, wenn Wissenschaft zum Status und

Prolog

Lebensunterhalt sichernden Beruf wird oder geworden ist? Dies sei „einfach Hasard“, befindet Maren Lehmann – und macht sich auf Spurensuche bei Max Weber. Leerzeile

Max Weber (1864–1920) hat den Vortrag, um den es hier geht, im Herbst 1917 auf Einladung des

Passus in Prosa

Freistudentischen Bundes Bayern in München gehalten; das Thema der Veranstaltung war Geistige Arbeit als Beruf. Der Entstehungskontext ist durch die Universität bestimmt, genauer: durch das „Universitätswesen“ „bei uns“, wie Weber (1994: Zu dieser Referenz im Folgenden nur noch Seitenzahlen.) in erkennbar polemischer Färbung schreibt. Ihm geht es zunächst um einen Vergleich der deutschen, vor allem der preußischen, und der amerikanischen Hochschulen. Diesen Vergleich konturiert er als Unterscheidung der Universität von einem Unternehmen und als Unterscheidung der Wissenschaft vor allem von der Politik. Von da aus fragt er nach dem äußeren, Status und Lebensunterhalt sichernden Beruf und nach dem „inneren Berufe zur Wissenschaft“ (5) – und eben nicht zum Beispiel zur Wirtschaft oder zur Politik. Damit ist er beim Thema. Leerzeile

Für das Textverständnis wichtig sind einige Umstände der hochschulpolitischen Landschaft in den

Passus in Prosa

ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. In diese Umstände war Weber selbst verwickelt, weil er sich in etlichen Stellungnahmen auf Konferenzen und in Zeitschriften exponiert hatte. Vordergründig ging es um die seit der Jahrhundertwende entstehenden Handelshochschulen und deren Konkurrenz zu den traditionellen Universitäten; treibendes Problem war aber natürlich die Verfasstheit der Wissenschaft überhaupt und in deren Kontext die Frage, ob und wie sie Unbestechlichkeit und „Werturteilsfreiheit“ (vgl. Weber 1988) behaupten und bewahren könnte. Leerzeile

Verschoben sich die Erwartungen an Forschung und Lehre?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Weber hatte diese neuen Wirtschaftshochschulen nicht wegen ihrer fachlichen Spezialisierung kritisiert,

Passus in Prosa

sondern wegen ihrer Koketterie mit trivial-aristokratischen Neigungen (vgl. Weber nach Drejmanis 2012: 139 ff.). Die Studenten der Handelshochschulen stammten vornehmlich aus dem Industriebürgertum, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann, sich in der Differenz von Industrialismus und Feudalismus einzurichten. Der Sog in die Oberschichten war immer noch stark. An den traditionellen Universitäten musste das Bürgertum mit dem alten Adel konkurrieren, der hier seine Söhne für den Staatsdienst bildete, und mit den traditionellen studentischen Korporationen, die ihre Angehörigen in die entscheidenden Positionen des Heeres und der staatlichen Verwaltung schleusten. Überdies waren die Universitäten um 1900 längst zu Massenuniversitäten geworden, in denen es nicht mehr selbstverständlich war, mit einem elitären Selbstverständnis Erfolg haben zu wollen (der Freistudentische Bund, auf den die Vortragseinladung zurückging, verstand sich in diesem Sinne als demokratischer Verbund freier, das heißt korporativ ungebundener Studenten). Leerzeile

Was hat sie bewogen, sich selbst auf diese „Hasard“-Situation einzulassen?

Zwischenfrage der Redaktion

„Das war (was mich selbst überrascht hat) die Freude am Hasard selbst, also die Freude am Jonglieren

Antwort des Autors

mit Möglichem und Unmöglichem – man kann sich ja auf alles einlassen, was man auch wieder bleiben lassen kann. Und natürlich war es die Freude an jener Sachlichkeit, die für Weber und auch für mich die Wissenschaft auszeichnet.“ Leerzeile

Weber nahm an, dass die aufstiegssüchtigen Bürgersöhne auf die Handelshochschulen auswichen, um

Passus in Prosa, Fortsetzung

dort sowohl dem alten Adel als auch der gemeinen Menge zu entgehen. Es bildete sich dort eine zweite Aristokratie, die nun nicht vornehmlich in die Staatsverwaltung, sondern ins Management der Wirtschaftsbetriebe einzurücken versuchte und dazu einen ,Corpsgeist‘ forcierte, der dem der ,schlagenden Verbindungen‘ in nichts nachstand. Der Verdacht lag nahe, dass die Universitäten zu Pfründen des „Staatsadels“ (ein Ausdruck Bourdieus) und die Handelshochschulen zu Pfründen des Wirtschaftsadels geworden waren. An den Universitäten bleibe ein akademischer Restadel zurück, der diejenigen „Streber“ arriviere, die für Staat hier und Wirtschaft da nicht recht brauchbar gewesen seien, sich für diese aber als „bequeme Mittelmäßigkeiten“ nützlich machten und dafür nicht zuletzt seitens der Studenten verachtet würden (4; vgl. Weber nach Drejmanis 2012: 61 ff.). In scharfer Polemik 26

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behauptet Weber, dass diese neue, aus der Dekadenz des alten Adels entstandene Verwaltungs-,

Passus in Prosa, Fortsezung

Management- und Hochschularistokratie die Erwartungen an Forschung und Lehre verschoben habe zulasten des ,inneren‘ und zugunsten des äußeren Berufs vor allem zur Politik (traditionelle Universität) und zur Wirtschaft (Handelshochschule). Leerzeile

Die Universität sei eine bloße Schleuse auf dem Weg in irgendeinen Posten geworden, klagt Weber;

Passus in Prosa

sie orientiere sich an nichtwissenschaftlichen Normen sogar dann, wenn es um Wissenschaft als Beruf gehe. Sie wolle nichts mehr sein als eine Durchgangsstation. Die Hochschullehrer würden zu bloßen Sachwaltern derer, die über die Zukunft der Absolventen entscheiden. Erst in dieser Konstellation werden ihm auch Spezialisierungen fraglich, wenn Wissenschaftler nämlich der Nachfrage oder der Mode folgend an wissenschaftsfernen Trivialitäten herumforschten und diese blasse Praxis auch in die Hörsäle trügen. Von „Lehrfreiheit“ könne unter diesen Umständen nur noch zynisch die Rede sein (Weber nach Drejmanis 2012: 73 ff.).

Leerzeile Passus in Prosa

Hier liegt Webers Pointe. Zum Wissenschaftler sei trotz allem nur der berufen, der sich gegen diesen komplexen Sog nichtwissenschaftlicher Erwartungen zu behaupten vermöge – nur der, der unbeeindruckt bleibe gegenüber jenem pseudo-aristokratischen Dünkel, ausgemünzt in ökonomischem Gewinn und politischem Geltungsdrang. Die einzige brauchbare Droge in diesem Selbstbehauptungsstress ist für Weber die „reine Sache“ (vgl. 7) – eine Formulierung, der man sehr genau anmerkt, dass sie eine Abstraktion bezeichnet: das Absehen von eben jenen ökonomischen und politischen Normen, das zugleich den Verzicht auf ökonomischen oder politischen Erfolg bedeuten muss. In genau diesem ,asketischen‘ Sinn liegt die Funktion, das heißt das „Sinnproblem der Wissenschaft“ (8). Sie ist ,wertfrei‘. Allerdings macht diese Abhängigkeit von der Möglichkeit, von nichts abhängig zu sein, den Beruf zur Wissenschaft zu einem „wilden Hasard“ (5). Leerzeile

Hat der akademische Beruf ein „Doppelgesicht“?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Weber fragt zuerst nach dem „Beruf im materiellen Sinne“, also nach den „äußeren Verhältnissen“ (1)

Passus in Prosa

und vergleicht dafür Deutschland und Amerika. In Deutschland gelte ein plutokratisches Wer hat, der hat-Prinzip sowohl mit Blick auf das Vermögen als auch mit Blick auf Protektion: Wer eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebe, bleibe jahrelang ohne Einkommen und brauche daher finanziellen Rückhalt durch das Elternhaus sowie institutionellen Rückhalt durch einen Lehrstuhl (vgl. 2). Die amerikanischen Verhältnisse dagegen seien bürokratisch, weil es Verträge über sichere (wenn auch niedrige) Gehälter und klar umrissene Aufgaben gebe. Von dieser bürokratischen Regel (geringes Gehalt und Kündbarkeit) geht für Weber ein stärkerer Leistungsanreiz aus als von der plutokratischen Regel (Abhängigkeit von Vermögen und Protektion). Die gesuchte akademische Leistung liegt seiner Vermutung nach im deutschen Kontext eher im Durchhalten, im amerikanischen Kontext eher im Leerzeile

Welche weiterführende Literatur können Sie noch zu diesem Thema empfehlen?

Zwischenfrage der Redaktion

„Andrew Abbott (2001): Chaos of Disciplines. Chicago U.P.; Pierre Bourdieu (1991): Soziologie als

Antwort des Autors

Beruf. Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen soziologischer Erkenntnisse. Berlin/New York: de Gruyter (und den Film „Soziologie ist ein Kampfsport. Pierre Bourdieu im Porträt“ von Pierre Carles, der 2009 in der Suhrkamp Filmedition erschienen ist); Niklas Luhmann (1990): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.“ Leerzeile

Respons, so dass sich die Erwartungen im deutschen Kontext an die Persönlichkeit richten, im ameri-

Passus in Prosa, Fortsetzung

kanischen Kontext eher an die Rolle. Eine „Auslese“ nach dem einen oder dem anderen Kriterium sei „selten angenehm“ (4), für keine der beteiligten Seiten. Leerzeile

Zuerst sieht es so aus, als verlasse Weber seine auf die Freiheit der Wissenschaft von sachfremden

Passus in Prosa

Erwartungen gerichtete Argumentationslinie. „Dass die Entscheidung der akademischen Schicksale so weitgehend ,Hasard‘ ist“, liege vor allem daran, „dass die Aufgabe, die [den Dozenten] erwartet, ein Doppelgesicht hat. Er soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht nur, sondern auch: als Lehrer“ (4). Alle diese Qualifikationen seien „unwägbar und gerade bei kühnen Neueren oft ... umstritten“ (4). 28

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Aber dann wird klar, dass diese eher pädagogischen Erwägungen nur einen Seitenpfad markieren.

Passus in Prosa, Fortsetzung

Um der Unwägbarkeit der Kriterien auszuweichen, klebten nämlich die urteilenden und entscheidenden Fakultäten an der „Suggestion von dem unermesslichen Segen und Wert der großen Hörerzahl“ (4) – ein „wilder Hasard“ (5) auch für den Dozenten, weil er ja selbst kaum ahnt, worauf mögliche Erfolge oder Misserfolge bei der Hörerschaft zuzurechnen sind. Weber weist aber darauf hin, dass diese Hörerzahlen dem Kriterium der externen Anschlussfähigkeit, den politischen oder ökonomischen Aussichten folgen werden. Zur Auszeichnung des wissenschaftlich Berufenen eignen sie sich folglich zwar nicht, filtern aber womöglich gerade deshalb jene Berufenen aus. Weber zeigt sich regelrecht angewidert von solchen auf Beliebtheit infolge vermuteter Brauchbarkeit fußenden „Massenkollegien“ und findet darin sein einziges Argument zugunsten der deutschen Universitäten: „Die Demokratie da, wo sie hingehört. Wissenschaftliche Schulung aber ... ist eine geistesaristokratische Angelegenheit“; „darüber, ob sie [gelingt], entscheiden nicht die Hörerzahlen“ (5). Also doch: Aristokratie. Aber ganz offensichtlich eine Aristokratie des Individuums, nicht des Standes. Leerzeile

Mittelmaß oder Beschränkung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

An dieser Stelle wechselt Weber folgerichtig zum „inneren Berufe zur Wissenschaft“. Zunächst ist es

Passus in Prosa

ihm wichtig, auf die erforderliche Duldungsfähigkeit hinzuweisen: Leerzeile

„Glauben Sie, dass Sie es aushalten, dass Jahr um Jahr Mittelmäßigkeit nach Mittelmäßigkeit über Sie

Passus in Prosa

hinaussteigt, ohne innerlich zu verbittern und zu verderben?“ (5) Leerzeile

(wir erinnern hier daran, dass der Verdacht, nur mehr mittelmäßig zu sein, weil man in nichts als

Passus in Prosa

einer Mittler- bzw. Schleusenwärterrolle sich befindet, längst zur Selbstbezichtigung des akademischen Personals geworden war). Dann erinnert er an die nicht minder erforderliche Fähigkeit zur Spezialisierung im Sinne einer verhaltensbestimmenden Disziplin, die Fähigkeit zur Beschränkung: Leerzeile

„Wer nicht die Fähigkeit besitzt, sich einmal sozusagen Scheuklappen anzuziehen und sich hineinzu-

Passus in Prosa

steigern in die Vorstellung, dass das Schicksal seiner Seele davon abhängt: ob er diese, gerade diese Konjektur an dieser Stelle dieser Handschrift richtig macht, der bleibe der Wissenschaft nur ja fern. Niemals wird er in sich das durchmachen, was man das ,Erlebnis‘ der Wissenschaft nennen kann. Ohne diesen seltsamen, von jedem Draußenstehenden belächelten Rausch, diese Leidenschaft ... hat einer den Beruf zur Wissenschaft nicht und tue etwas anderes.“ (6) Leerzeile

Man beachte: Weber versteht die ,reine Sache‘ gerade nicht als zusammenhanglosen Spleen. Die Me-

Passus in Prosa

tapher für dergleichen wäre die Swiftsche Academy of Lagado, die Akademie der Projektmacher. Sondern er versteht sie als disziplinäre – und er weiß, dass dies vor allem heißt: als disziplinierende – Einschränkung. Die Metapher hierfür ist der Elfenbeinturm, eine ursprünglich biblische Bezeichnung unbegreiflicher Unschuld und Unversehrtheit, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Frankreich (eben dort entstehen zu dieser Zeit die berufsbildenden écoles) als Vorwurf der Lächerlichkeit und Unbrauchbarkeit einbürgert. Leerzeile

Ohne den Ausdruck zu benutzen, verteidigt Weber den Elfenbeinturm – aber keineswegs eine mys-

Passus in Prosa

tische, sondern eine praktische ,Reinheit‘: eine fachliche Beschränkung. Im Vorgriff auf ein Bonmot der Differenzierungstheorie vermutet er, dass die Wissenschaft ihre im 17. und 18. Jahrhundert errungene Unabhängigkeit bereits wieder verloren hat. Im Zuge der Aufklärung hatte sie (so heißt es bei den Schülern Parsons’) ,alle ihre Zwecke aufgegeben‘ und durch dieses riskante Opfer ,ihre Funktion gewonnen‘. Sie hatte also die Bindung an Fremdreferenzen aufgegeben und dadurch die Bindung an Selbstreferenz, an ihre eigene Rationalität und ihre eigenen Werte gewonnen. Im Zuge des 19. Jahrhunderts beginnt sie jedoch, diesem Gewinn zu misstrauen. Sie bemerkt, dass auch Wirtschaft, Politik, Kunst, Recht, Religion ihrerseits auf Selbstreferenz vor Fremdreferenz setzen. Wissenschaft ist nichts unvergleichlich Besonderes mehr, sondern nur ein Sozialsystem unter anderen. Angesichts dieser Lage verliert die Wissenschaft das Selbstvertrauen. Sie, die doch so etwas wie die Siegerin der Aufklärung gewesen war, gibt ihre Mittel auf. Sie bringt „das Opfer des Intellekts“ (23), lässt die 30

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Kanzleien und Firmen wieder in die Seminare, drängt sich den Kanzleien und Firmen sogar auf und

Passus in Prosa, Fortsezung

klagt sich zum Zwecke dieser Akquise in ganz konventioneller Manier (und mit zunehmender Schärfe, als steigere dies die Erfolgsaussichten) selbst der Elfenbeinturmmentalität und der Fachidiotie an. Schließlich bringt sie die Überkomplexität der in ihrem Raum sich verwickelnden Bezüge auf relevante Auswege in andere gesellschaftliche Bereiche auf den Verlegenheitsbegriff der Interdisziplinarität. Wissenschaft wird zum Verkehrsknotenpunkt. Das macht sie zwar für andere wieder gesellschaftsfähig. Aber für sich selbst wird sie unattraktiv. Sie flieht aus dem brüchig gewordenen Elfenbeinturm in die Academy of Lagado. Leerzeile

Was macht den Beruf zur Wissenschaft aus?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Dass es unattraktiv geworden ist, in einer solchen verklebten Architektur seinen Beruf zu sehen,

Passus in Prosa

leuchtet ein. Nur Zyniker können da noch genießen. Weber malt den Schrecken dieser Aussicht in klaren Farben aus. Aber er kämpft. Sein Einwand ist die Erinnerung daran, dass nur der Forschungsfreiheit und Lehrfreiheit gewinnt, dass also nur der Souveränität als Gelehrter und Autorität als Lehrer verteidigt, der diese Freiheiten für sich selbst von persönlichen auf sachliche Bezüge zurücknimmt und diese sachlichen Bezüge so präzise wie möglich begrenzt. Er vermag nichts unvermeidlich vorläufige, immer instabile „Konjekturen“ (6), nichts als immer neues Einsetzen immer neuer Steine in den immer wieder bröckelnden Turm. Es ist ein nutzloses Vermögen, einfach Hasard. Aber in diesem Vermögen liegt der Beruf zur Wissenschaft. Leerzeile

zu.de/lehmann

Digitale Verknüpfung Leerzeile

Drejmanis, John (Hg.), Max Webers vollständige Schriften zu wissenschaftlichen und politischen

Referenzen

Berufen. 2. Aufl. Tübingen: Mohr. Weber, Max (1988): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hg. von Johannes Winckelmann. Tübingen: Mohr. Weber, Max (1994): Wissenschaft als Beruf, in: ders., Wissenschaft als Beruf 1917/19; Politik als Beruf 1919. Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/17, hrsg. von Wolfgang Mommsen. Tübingen: Mohr, S. 1–23.

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Die Vermessung der Wissenschaft Professor Dr. Alfred Kieser, Lehrstuhl f端r Managementtheorie, 端ber Rankings und deren Folgen


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Rankings sind populär, weil sie ein Bedürfnis nach Gewinnern und Verlierern im Wettbewerb be-

Prolog

friedigen und für Unterhaltung sorgen. Doch fördern oder behindern sie eher den Fortschritt der Wissenschaft? Alfred Kieser sieht durch Rankings „Forscher im Hamsterrad“, kritisiert falsche Anreize und rief bereits zum Boykott von Rankings auf. Leerzeile

Millionen verfolgen wöchentlich in der Sportschau, ob ihr Verein sich in der Bundesligatabelle ver-

Passus in Prosa

bessert oder verschlechtert hat. Sehr beliebt sind auch Ranking-Shows im Fernsehen, in denen Zuschauer „Germany’s Next Topmodel“, den „Superstar“ oder die „10 nervigsten Deutschen“ küren. Auch in Wissenschaftler-Kreisen werden Rankings inszeniert. So ermittelt die Zeitschrift des Deutschen Hochschullehrerverbandes die besten Rektoren beziehungsweise Präsidenten und die besten Wissenschaftsminister. Leerzeile

Warum überhaupt Rankings für die Wissenschaft?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Rankings der besten Universitäten der Welt warten mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen auf und

Passus in Prosa

bieten so die Chance, eines zu finden, bei dem die eigene Universität relativ gut abschneidet. Das Handelsblatt ermittelt in gewissen Abständen Rankings der an deutschsprachigen Universitäten lehrenden Volks- und Betriebswirte. Diejenigen Universitäten, deren Professoren auf Spitzenpositionen landen, geben dies auf ihren Websites und in Pressemitteilungen bekannt. Diejenigen Universitäten, deren Professoren nicht in diesen Rankings erscheinen, (es werden nur die „forschungsstärksten 250“ veröffentlicht) geben meistens keine Kommentare ab oder verweisen auf Methodenmängel. (An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, dass im letzten Ökonomen-Ranking des Handelsblattes Bruno S. Frey den ersten Rang einnimmt. Was das Ergebnis noch wertvoller macht: Bruno S. Frey ist ein entschiedener Gegner von Rankings, hält ihre Methode gar für eine wissenschaftliche Katastrophe.) Leerzeile

Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Ranking-Boykottaufruf erfahren?

Zwischenfrage der Redaktion

„Mehr als 340 Kollegen haben sich unserem Aufruf angeschlossen, darunter auch etliche, die es auf

Antwort des Autors

die höheren Ränge geschafft hätten. Die Beteiligung ist auch deshalb bemerkenswert, als der Aufruf in die Ferienzeit fiel.“ Leerzeile

Man schätzt, dass sich die Zahl wissenschaftlicher Texte alle 16 Jahre verdoppelt. Rankings, in denen

Passus in Prosa, Fortsetzung

die Zeitschriften einer Disziplin ihrer wissenschaftlichen Bedeutung nach in eine Rangfolge gebracht werden, erscheinen in dieser Situation hilfreich: Sie versprechen, diejenigen Zeitschriften zu identifizieren, in denen die relevanten wissenschaftlichen Diskurse stattfinden und die Wissenschaftler in erster Linie berücksichtigen müssen. Auch Veröffentlichungen von Wissenschaftlern können mittels Zeitschriften-Rankings gewichtet werden. Der wissenschaftliche Wert eines Aufsatzes in einer höher gerankten Zeitschrift ist höher einzustufen als der in einer niedriger gerankten Zeitschrift. Leerzeile

Darüber hinaus können die Wissenschaftler und ihre Institute gerankt werden: Ihre Reputation als

Passus in Prosa

Wissenschaftler ergibt sich aus ihren nach Maßgabe des Rankings gewichteten Zeitschriftenaufsätzen. Die Bedeutung einer wissenschaftlichen Einrichtung ist dann die Summe der so ermittelten Forschungsleistungen ihrer Mitglieder. Zeitschriften-Rankings ermöglichen es also auch Nichtwissenschaftlern, internationale Leuchttürme der Wissenschaft von eher provinziellen Vertretern zu unterscheiden. Leerzeile

Schließlich, so die verbreitete Annahme, motivieren Rankings Wissenschaftler, indem sie deren

Passus in Prosa

Leistungen transparent machen und so den Wettbewerb unter ihnen intensivieren. Eine daraus sich ergebende Annahme: Mehr Wettbewerb steigert letztlich die Forschungsleistung. Leerzeile

Zeitschriften-Rankings erweisen sich auch für die Auswahl von Bewerbern auf wissenschaftliche

Passus in Prosa

Positionen als nützlich: Bewerber können ohne größeren Aufwand, ohne ihre Schriften lesen und diskutieren zu müssen, nach Maßgabe ihrer gerankten wissenschaftlichen Leistungen in eine Reihenfolge gebracht werden. Leerzeile

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Welche Voraussetzungen haben Rankings?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Diese Vorteile von Zeitschriften-Rankings beruhen allerdings auf zwei zentralen Voraussetzungen:

Passus in Prosa

Zum einen sind Zeitschriftenaufsätze für den wissenschaftlichen Diskurs wichtiger als andere Formen wissenschaftlicher Texte wie Bücher. Zum anderen liefern Zeitschriften-Rankings gültige (valide) Aussagen über den wissenschaftlichen Wert von Zeitschriften. Leerzeile

Werden aber Bücher nicht berücksichtigt, dann gehen wichtige wissenschaftliche Leistungen nicht in

Passus in Prosa

die Bewertung ein. Es kommt gelegentlich vor, dass Forschungsergebnisse, für die das Buch als solches das adäquate Medium darstellt, unpassender Weise in Aufsätze gezwängt werden. Rankings basieren entweder auf Zitationen oder auf Einschätzungen von Experten. Auf Zitationen basierende Rankings – das bekannteste ist das von Thomson Reuters, das Impact-Faktoren ermittelt – gehen davon aus, dass Verweise auf Aufsätze Anerkennungen wissenschaftlicher Leistungen zum Ausdruck bringen. Je häufiger Aufsätze einer Zeitschrift zitiert werden, desto höher wird der wissenschaftliche Wert – der Impact – einer Zeitschrift eingestuft. Leerzeile

Gibt es da ein konkretes Beispiel?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ein Beispiel für ein auf Expertenmeinungen basierendes Ranking ist „Jourqual“, das „offizielle“ Ran-

Passus in Prosa

king des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB) ist. Als Experten werden alle professoralen und habilitierten Mitglieder des VHB aufgefordert, Zeitschriften zu nominieren, die sie für ihr Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre (BWL) für wichtig halten. In einem nächsten Schritt, wenn die Liste der zu bewertenden Zeitschriften steht, wobei pro Zeitschrift eine Mindestzahl an zwei Nominierungen und fünf Bewertungen erreicht sein muss, ordnen die befragten Mitglieder den Zeitschriften Bewertungen zwischen 1 und 10 zu, die letztlich zu Einstufungen als A- (beste Bewertung), B-, C- oder D-Zeitschrift führen. Die Instruktionen geben vor, nur Zeitschriften zu bewerten, in denen Leerzeile

Sie kritisieren die Bildung von „Zitationskartellen“. Wie sehen die in der Praxis aus? „Ein Zitationskartell wird geschaffen, indem Angehörige einer Schule oder einer bestimmten theore-

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors

tischen Richtung vereinbaren, sich in ihren Aufsätzen gegenseitig so häufig wie möglich zu zitieren.“ Leerzeile

die Befragten mindestens einen Artikel in den letzten fünf Jahren gelesen haben. Ob sie sich an diese

Passus in Prosa, Fortsetzung

Anweisung halten, lässt sich jedoch nicht überprüfen. Es ist aber ziemlich egal, ob die Befragten in einer Zeitschrift, die sie bewerten, nur alle fünf Jahre oder nie einen Aufsatz zur Kenntnis nehmen, denn die Qualität von Aufsätzen ist extrem schief verteilt. Nimmt man Zitationen als Indikatoren der Qualität, so zeigt sich: Wenige Aufsätze werden sehr häufig zitiert, viele aber nur ein- oder zweimal oder überhaupt nicht. Unter dieser Bedingung ist die Einschätzung der durchschnittlichen Qualität einer Zeitschrift eine ziemlich unsinnige Übung. Leerzeile

Alles also ein „Gaming the Ranking Game”?

Absatzüberschrif t Leerzeile

„Jourqual“ bietet viele Ansatzpunkte für „Gaming the Ranking Game“. Die Befragten können Zeit-

Passus in Prosa

schriften zur Aufnahme in die Liste der zu bewertenden Zeitschriften vorschlagen, die sie – aus welchen Gründen auch immer – schätzen: Sie haben in ihnen veröffentlicht oder beabsichtigen, dies zu tun; sie wollen die Richtung unterstützen, für die die Zeitschrift steht; sie identifizieren sich mit den Herausgebern. Viele Zeitschriften des eigenen Faches auf die Liste zu befördern, kann sich durchaus als vorteilhaft erweisen. Denn: In je mehr Zeitschriften die Vertreter eines Faches punkten können, desto mehr Ressourcen haben sie zu erwarten. Solche Manöver sind noch wirkungsvoller, wenn sich Gruppen von Befragten untereinander abstimmen. Deutliche Abweichungen zwischen den Wertungen von Zeitschriften in „Jourqual“ und den entsprechenden Impact-Faktoren deuten darauf hin, dass von dieser Möglichkeit extensiv Gebrauch gemacht wird. Aber auch das Verfahren zur Ermittlung von Impact-Faktoren verleitet zu Manipulationen. So bilden Wissenschaftler beispielsweise Zitationskartelle oder sie zitieren sich selbst bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit. Leerzeile

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Welchen Einfluss haben Rankings auf die Forschung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Rankings üben einen negativen Einfluss auf die Forschung aus. Ranking-Punkte erzielt ein Wissenschaft-

Passus in Prosa

ler vor allem mit Forschung, die das Bewährte variiert, und weniger mit Forschung, die überraschende, bahnbrechende Ergebnisse produziert. Die Gutachter, die über die Veröffentlichung entscheiden, sind häufig nicht in der Lage, bahnbrechend Neues zu würdigen. So wurden etwa zur Veröffentlichung eingereichte Aufsätze etlicher Nobelpreisträger über viele Jahre hinweg abgelehnt, weil „revolutionäre“ Wissenschaft nicht in das Raster der „normalen“ Wissenschaft passte. Verbreitet sind Tricks, mit denen Punktejäger ihre Ausbeute zu steigern suchen: Sie verteilen die Publikation der Forschungsergebnisse auf so viele Aufsätze wie möglich, zitieren berühmte Forscher, Herausgeber und potentielle Gutachter, laden berühmte Kollegen ein, als Ko-Autoren zu fungieren, ohne ihnen viel Input abzuverlangen. Ergebnisse praxisorientierter Forschung haben es dagegen schwer, veröffentlicht zu werden. Für ein Fach wie die BWL ist das fatal. Zeitschriften für Praktiker werden generell als wissenschaftlich weniger bedeutend angesehen, weil man deren Leser nur sehr eingeschränkt mit Theorien und Methoden konfrontieren kann. Hoch gerankte internationale Management-Zeitschriften ziehen nur Wissenschaftler und keine Praktiker als Gutachter heran, was dazu führt, dass sie ausnahmslos stark theoretisch orientierte und methodisch anspruchsvolle Aufsätze enthalten – und daher von Praktikern nicht gelesen werden. Leerzeile

Warum produziert ein Verband von Wissenschaftlern ein Ranking, das viele Manipulationsmöglich-

Absatzüberschrif t

keiten bietet und aus diesem Grund eine valide Messung der Leistungen von Wissenschaftlern nicht gewährleisten kann? Leerzeile

Die Annahme liegt nahe, dass viele Betriebswirte „Jourqual“ gerade wegen der Manipulationsmög-

Passus in Prosa

lichkeiten schätzen. Sie können gewissermaßen ihre Karrierechancen durch geschickte Manöver beeinflussen. Positiv bewerten sie zunächst, dass „Jourqual“ im Gegensatz zu Impact-Faktoren deutschsprachige Zeitschriften berücksichtigt, folglich ihre Aufsätze in solchen Zeitschriften in Berufungskommissionen nicht so leicht unter den Tisch fallen. Wegen der reichhaltigen Möglichkeiten des „Foppens“ oder „Gamings“ fühlen sie sich dem Ranking nicht hilflos ausgeliefert. Manipulationen erscheinen ihnen als gerechtfertigte Reaktionen auf eine Leistungsmessung, die ohnehin nicht valide ist, als eine Art zähneknirschenden stillen Protest – ein Protest, der zur Institutionalisierung eines nicht-validen Rankings beiträgt, wenn mit der Zeit das Zähneknirschen einem resignierenden Achselzucken weicht. Der VHB als ein Verband von Wissenschaftlern verleiht seinem „offiziellen Ranking“ eine gewisse wissenschaftliche Legitimation. Leerzeile

Gibt es Anzeichen von Fehlverhalten?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Die Übergänge vom cleveren Punktemaximieren zu wissenschaftlichem Fehlverhalten sind fließend.

Passus in Prosa

Bereits die zunächst harmlos klingende Strategie der Ergebnisverteilung auf möglichst viele Aufsätze kann Fehler produzieren. Bringt man Interdependenzen aufweisende Variable eines Datensatzes in verschiedenen Erklärungsmodellen zum Einsatz, kommt es zu Verzerrungen bei den Ergebnissen. Von vornherein als Fehlverhalten zu klassifizieren ist das Unter-den-Tisch-fallen-lassen von Ergebnissen, die aufgestellten Hypothesen widersprechen, oder das Manipulieren von Daten. Das „Foppen“ wird zu einer Übung, zu der sich immer mehr Wissenschaftler legitimiert fühlen. Ob das „Gaming“ die eigene Position tatsächlich in irgendeiner Weise verbessert, ist indes höchst ungewiss. Riskant ist es allemal. Leicht wird die Grenze zum wissenschaftlichen Fehlverhalten überschritten. Leerzeile

Nimmt die Wissenschaft Schaden?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ganz ohne Zweifel nimmt die Wissenschaft Schaden, wenn aus nach Erkenntnis strebenden Wissen-

Passus in Prosa

schaftlern Jäger von Ranking-Punkten werden. Wer Rankings als Chance zum „Foppen“ des Systems begreift, „foppt“ letzten Endes sich selbst und seine Kollegen. Ein Verband von Wissenschaftlern sollte es als seine Aufgabe ansehen, die Entwicklung der Wissenschaft zu fördern und nicht durch das Inszenieren von Ranking-Games zu behindern. Leerzeile

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a rtik el V

Denn: Rankings behindern den wissenschaftlichen Fortschritt eher, als dass sie ihn fĂśrdern.

Epilog Leerzeile

zu.de/kieser

Digitale VerknĂźpfung

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Hilfe, mein Prof bloggt Professorin Dr. Gabi Reinmann, Lehrstuhl f체r Hochschuldidaktik, 체ber ihre eigenen Erfahrungen in der Blogosph채re


a rtik el V I

Wissenschaftler meiden gemeinhin gern die Welt der Sozialen Netzwerke und der Blogs. Nicht so

Prolog

Gabi Reinmann. Sie ist selbst aktive Bloggerin. Und sie hat inzwischen entdeckt, dass Blogs auch ein Instrument der Bildung sein können. Leerzeile

Dass die Blogosphäre tot sei, haben enttäuschte Blogger bereits Mitte 2000 beklagt und dazu auf die

Passus in Prosa

vielen nichtssagenden, irrelevanten Blogposts über Wohnzimmereinrichtungen und Krach im Freundeskreis verwiesen. Facebook und Twitter (um nur die prominentesten Dienste für Soziale Netzwerke und Kurznachrichten zu nennen) lassen Blogs in den letzten Jahren im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen: quasi als Ü40-Dienst für unverbesserliche Liebhaber der korrekten Rechtschreibung. Man kann es aber auch anders sehen und Facebook und Twitter dankbar sein, haben sie es der Blogosphäre doch ermöglicht, ihre entschleunigende Welt der Worte und ganzen Sätze zurückzuerobern. Leerzeile

Was ist überhaupt ein Blog?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Der Begriff Weblog – kurz: Blog – setzt sich zusammen aus Web (WWW) und Log, das an Logbücher

Passus in Prosa

etwa in der Schifffahrt erinnert und den Tagebuchcharakter vieler Blogs deutlich macht. Blogs sind Web-Seiten, die vergleichsweise einfach und ohne Programmierkenntnisse erstellt werden können. Sie werden häufig aktualisiert und in der Regel mit anderen Blogs vernetzt. Wer einen Blog führt, praktiziert Blogging beziehungsweise bloggt. Technisch handelt es sich bei Weblogs um einfache Content-Management -Systeme. Inhaltlich sind Weblogs nicht festgelegt: Neben Online-Tagebüchern gibt es Blogs als Medien der Organisationskommunikation, der journalistischen Publikation, der Expertenkommunikation und des persönlichen Wissensmanagements (Achtung: Das ist ein Selbstplagiat aus einem Artikel in der Zeitschrift OrganisationsEntwicklung von 2009, Heft-Nr. 9). Heute aber möchte ich noch etwas ergänzen: Blogs können auch ein Instrument der Bildung sein, was sich aber erst auf den zweiten Blick erschließt und an einige Voraussetzungen gebunden ist. Auf den ersten Blick sind es eher die einfachen Funktionen, die einen zum Blogger werden lassen. Leerzeile

Was bringt es, wenn man bloggt?

Absatzüberschrif t Leerzeile

In einem Blog kann man Inhalte online relativ leicht dokumentieren. Fundstücke aus dem Netz,

Passus in Prosa

eigene Texte und Notizen lassen sich im Blog festhalten, mit Schlagworten versehen, kategorisieren und auf diesem Wege auch besonders leicht wiederfinden – und zwar von jedem beliebigen Endgerät aus. In diesem Sinne nutzt man Blogs zum persönlichen Informations- und Wissensmanagement. Leerzeile

Indem man Informationen online präsentiert, aufbewahrt, ordnet und erläutert, zeigt sich ein Blog-

Passus in Prosa

ger öffentlich. Diese Öffentlichkeit beschränkt sich nicht auf einen definierten Kreis angemeldeter Leerzeile

Haben Sie schon einmal schlechte Erfahrungen beim Bloggen gemacht? „Natürlich gibt es bisweilen mal kritische Kommentare, aber das sind keine schlechten Erfahrungen.

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors

Und für SPAM gibt es relativ gute Filter.“ Leerzeile

Mitglieder (wie zum Beispiel in sozialen Netzwerken); ein Blog ist prinzipiell von allen Internet-

Passus in Prosa, Fortsetzung

Nutzern einsehbar. Es ist eine logische Folge, dass Blogs daher auch zur Selbstdarstellung genutzt werden. Leerzeile

Das Schöne an Blogs ist nun, dass man den individuellen Nutzen (etwa persönliches Informations-

Passus in Prosa

und Wissensmanagement sowie Selbstdarstellung) mit einem altruistischen Moment verbinden und als Blogger von sich sagen kann: Ich teile meine Informationen, die ich für relevant erachte, mit anderen, und vielleicht sind Inhalte, die der Selbstdarstellung dienen, für andere ebenfalls von Nutzen. Zusammen mit Links auf andere Blogs, die man regelmäßig liest und gegebenenfalls kommentiert, macht der Akt des Teilens den Blog zu einem speziellen Medium der Kommunikation und Vernetzung. Leerzeile

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a rtik el V I

Und wo bleibt da die Bildung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Blogs sind ein potenzielles Instrument dafür, (a) sich als Träger von Information und Wissen gewis-

Passus in Prosa

sermaßen selbst zu managen, (b) sich anderen zu zeigen (und sich selbst zu sehen), indem man eigene Inhalte veröffentlicht und auf fremde verweist und/oder (c) durch gezielte Vernetzung Teil einer sozialen Gemeinschaft zu werden. Mit Bildung haben diese Funktionen noch nicht zwingend zu tun, aber: Bildung kann ins Spiel kommen, wenn Blogs darüber hinaus als Instrument des Nachdenkens und der Selbstvergewisserung fungieren und schließlich Reflexivität ermöglichen. Aber das tun sie natürlich nicht automatisch. Ich behaupte einmal, dass Blogs ihr Bildungspotenzial dann entfalten können, wenn sie anspruchsvoll in der Sache, authentisch im Stil, autonom in der Auswahl und angemessen in der Sprache sind. Leerzeile

Anspruchsvoll, authentisch, autonom, angemessen – was soll das heißen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Anspruchsvoll in der Sache meint, dass Blogposts (für die Zielgruppe und sich selbst) relevant sind,

Passus in Prosa

an Kenntnissen und Erfahrungen ansetzen und Qualität in dem Sinne haben, dass man Gründe für die Veröffentlichung seiner Inhalte hat. Informationen nach dem Motto „Gestern war ich shoppen“ fallen nicht hierunter. Authentisch im Stil bedeutet, dass nicht Organisationen, Gruppendruck oder ein innerer Zwang die Art des Bloggens bestimmen, sondern der Blogger als Autor Ausdruck in seinem Blog findet und die Form dieses Ausdrucks selbst bestimmt. Autonom in der Auswahl verweist darauf, dass es keinerlei Vorgaben und Zensur (im Rahmen gesetzlicher Spielräume) für die Zusammenstellung und Deutung von Inhalten in einem Blog gibt und der Autor diese allein verantwortet. Authentizität und Autonomie schließen verordnete, aber auch organisational verankerte Blogs aus, wenn man sie als Instrument der (Selbst-)Bildung verwenden will. Angemessen in der Sprache ist eine Forderung, die zunächst nicht so einsichtig sein mag und in der Relativität des Begriffs auch offen bleibt (angemessen in Bezug auf was?): Ich ergänze die sprachliche Angemessenheit als Bedingung, weil ich glaube, dass die Sprache als Werkzeug des Denkens und als Ausdrucksmöglichkeit der Person in Blogs (als Instrument der Bildung) einen besonderen Stellenwert hat. Leerzeile

Und wer sind die Blogger im Bildungskontext?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Bloggen zur (Selbst-)Bildung verbindet man spontan vor allem mit denjenigen, die explizit in der

Passus in Prosa

Rolle der Lernenden sind: also mit Schülerinnen und Schülern und mit Studierenden. Aber auch Wissenschaftler und Hochschullehrer sind Lernende! Tatsächlich wird in der Blogosphäre des Öfteren angemerkt, dass diese Personengruppe an sich prädestiniert für das Bloggen sei: Wissenschaftler und Hochschullehrer betreiben ohnehin beständig und professionell ihr eigenes Informations- und Wissensmanagement, das sie mit Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden ruhig teilen könnten. Sie leben Leerzeile

Nutzen Sie Ihren Blog auch im Umgang mit Studierenden? „Man kann natürlich Blogs in der Lehre einsetzen, aber das ist dann ein anderes Szenario. Wenn

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors

Nutzer einen Blog-Beitrag kommentieren und die Kommentare zu Re-Kommentaren einladen, dann entstehen im besten Fall Dialoge, und da können auch Studierende darunter sein; das sind für mich aber Kommentatoren wie alle anderen – da mache ich keinen Unterschied.“ Leerzeile

unter anderem von der Ökonomie der Aufmerksamkeit und könnten den Selbstdarstellungsanteil des

Passus in Prosa, Fortsetzung

Bloggens folglich hervorragend in ihr Präsentationsportfolio integrieren. Außerdem arbeiten sie in Fach-Communities, sind vernetzt und auf gegenseitige Verweise angewiesen, was man in so einfacher Form gleich online sichtbar machen könnte. Und wir gehen doch alle davon aus, dass Wissenschaftler und Hochschullehrer in der Sache anspruchsvoll, im Stil authentisch, in der Auswahl autonom und in ihrer Sprache angemessen sind! Leerzeile

Aber: Vor allem bloggende Professoren sind nach wie vor eine Minderheit. „Hilfe, mein Prof bloggt“ (1) –

Passus in Prosa

so lautete der Auftakt einer sogenannten Blog-Parade im Mai 2013, bei der ein Blogger als Veranstalter ein Thema bestimmt (zum Beispiel „Warum bloggen Professoren, Dozenten, Universitätsmitarbeiter?“), 48

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a rtik el V I

andere dazu einlädt, in einem bestimmten Zeitraum (zum Beispiel zwei Wochen) online einen Artikel

Passus in Prosa, Fortsezung

zum Thema zu verfassen und auf dem Veranstalter-Blog darauf zu verweisen. Die Gruppe der bloggenden Professoren, die nach diesem Aufruf ihre Motive offengelegt haben, blieb – erwartungsgemäß – vergleichsweise klein. Diejenigen aber, die bloggen, tun dies offensichtlich aus allen der hier genannten Motive, die mal mehr, mal weniger gewichtet werden. Leerzeile

(1) http://sooc13.wordpress.com/2013/05/21/aufruf-zur-blogparade-hilfe-mein-prof-blogt/

Quellenangabe Leerzeile

Ein Auszug gefällig?

Absatzüberschrif t

Die eigene Meinung sagen, laut denken und die Welt retten …

Absatzunterüberschrif t

Leerzeile

Leerzeile

Francois Bry (Informatik) (2): „Ohne Blog wäre ich ein Verantwortlicher meiner Universität ohne

Passus in Prosa

eigene Meinung, ohne Identität. Jeder Studierende würde davon ausgehen, dass ich allem zustimme und alles bedenkenlos mittrage, was ,die Universität‘ oder ,das Ministerium‘ entschieden hat. Ein Blog gibt einem die Möglichkeit, eine eigene Meinung zu äußern und zum Nachdenken anzuregen.“ Leerzeile

Peter Baumgartner (Bildungswissenschaft) (3): „Für mich ist Bloggen eine ausgezeichnete Möglichkeit,

Passus in Prosa

mir selbst zu verschiedenen inhaltlichen Fragestellungen größere Klarheit zu verschaffen. Das Ziel, dass das, was ich da schreibe, für eine (kleinere) Öffentlichkeit verständlich und interessant sein soll, zwingt mich zu allererst Klarheit für mich selbst zu schaffen.“ Leerzeile

Christian Spannagel (Mathematik) (4): „Ich blogge auch, um berühmt zu werden. ,Oh, uh, welch

Passus in Prosa

schlechtes Motiv!‘, wird der eine oder die andere jetzt denken. Ja, klar, ich hab auch mal ,so gedacht‘. Interessanterweise hat Jean-Pol vor einigen Jahren mal etwas Ähnliches zu mir gesagt, in etwa so: ,Letztlich will man berühmt werden.‘ Und ich habe geantwortet: ,Nö, ich will doch nicht berühmt werden. Ich will die Welt retten und gute Dinge tun, aber nicht berühmt werden.‘ Und gedacht hab ich mir: ,Doch, ich will, aber das darf man nicht sagen, weil das kein ehrenvolles Motiv ist.‘ Es ist natürlich Quatsch: Niemand will die Welt heimlich retten.“ Leerzeile

Und was ist mit mir?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ich blogge auch (nämlich hier: http://gabi-reinmann.de/) und das seit 2006. Warum? Natürlich um

Eigenwerbung

berühmt zu werden – was sonst ;-) Leerzeile

zu.de/reinmann

Digitale Verknüpfung Leerzeile

(2) http://www2.pms.ifi.lmu.de/erlebt/?p=9193

Quellenangaben

(3) http://peter.baumgartner.name/2013/05/22/warum-blogge-ich/ (4) http://cspannagel.wordpress.com/2013/05/28/hilfe-mein-prof-bloggt/

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Dummheit aus dem DSL-Kabel Professor Dr. Dirk Heckmann, Zentrum f端r Recht, Sicherheit und Vertrauen in elektronischen Prozessen am Deutsche Telekom Institute for Connected Cities | TICC, 端ber Chancen und Risiken des Internets f端r die Bildung


a rtik el V II

In regelmäßigen Abständen wird in den Medien diskutiert, ob das Internet einen Einfluss auf die

Prolog

kognitive Entwicklung hat. DER SPIEGEL titelte 2008 gar: „Macht das Internet doof?“. Auch das Magazin Cicero ist unter dem Motto „Googlen, Simsen, Twittern, Tickern: Eine Nation verblödet“ den Gefahren des Internets auf den Grund gegangen. Ins Internet zu kommen, ist denkbar einfach. Richtig mit dem World Wide Web umzugehen, ist hingegen gar nicht so einfach, findet Dirk Heckmann. Leerzeile

„Internet“ und „Bildung“ sind schon seit Jahren ein großes Thema. „Mittlerweile haben fast alle die

Passus in Prosa

Chance reinzukommen. Die Frage ist aber: Was machen wir eigentlich daraus?“, beschreibt Dirk Heckmann eines der Grundprobleme der Internetnutzung. Ob das Internet wirklich dumm mache, ließe sich aus vielen verschiedenen Perspektiven angehen – von der inhaltlichen über die funktionale bis hin zur neurologischen Ebene. Leerzeile

Warum sollte das Internet gerade auf der inhaltlichen Ebene dumm machen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

„Vielleicht weil vieles, was im Internet zu lesen und zu finden ist, einfach dumm ist?“, fragt Heckmann

Passus in Prosa

und spielt auf unzählige Falschinformationen und gezielte „Fakes“ an, auf die der Nutzer bewusst und auch unbewusst stößt. Politiker, Stars oder sogar Bildungseinrichtungen haben viele verschiedene Profile in Sozialen Netzwerken. Die offizielle Präsenz herauszufiltern, fällt dabei nicht immer leicht. „Wissen wir denn immer, ob das, was wir vorfinden, von dem stammt, der sich dort als Autor oder Urheber ausgibt?“, fragt Heckmann. Hinzu käme die Oberflächlichkeit der Inhalte, die einfach dahingeschrieben werden. Leerzeile

Bietet das Internet auch Bildungschancen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Auch wenn das Internet viele redundante Inhalte mit sich bringe, könne es mit gutem Grund als

Passus in Prosa

Bildungschance bewertet werden. „Denken Sie nur an die Datenbanken, die Wissen in sich vereinen, nachhaltig für uns speichern und abrufbereit halten, so wie es das in der Menschheitsgeschichte noch nie gab“, erläutert Heckmann. Und über das sogenannte „Crowdsourcing“ könne sogar jeder dazu beitragen. Denn viele Inhalte im Internet – von wissenschaftlichen Arbeiten bis zu Vortrags-Videos – stammten von Experten. „Und in gewisser Weise ist jeder von uns ein Experte auf einem kleinen Gebiet.“ Die große Flutkatastrophe in 2013 sei nur ein mögliches Beispiel: Jeder Bewohner war hier ein Experte für den Zustand seiner Straße und belieferte Helfer und Nachbarn über das Netz mit Informationen. Gegenüber dem Hochwasser im Jahr 2002 sei dies eine riesige Erleichterung gewesen, bestätigten die Helfer vom Technischen Hilfswerk und Roten Kreuz. Wesentlich populärer als die Aktion „Passau räumt auf “ ist allerdings das Online-Portal „Wikipedia“ – der Urtyp einer Crowdsourcing-Plattform. Kritiker entgegnen, dass gerade hier vieles falsch sei, und greifen zum Papier­ lexikon. „Laut einer aktuellen Studie schlägt Wikipedia den guten, alten Brockhaus aber in einigen Leerzeile

Was versprechen Sie sich von E-Learning?

Zwischenfrage der Redaktion

„E-Learning motiviert, ist zeit- und ortsunabhängig und verknüpft das Wissen unserer Zeit. Es ergänzt

Antwort des Autors

und vertieft damit die Präsenzlehre in idealer Weise.“ Leerzeile

Kategorien“, kontert Heckmann und verweist neben der Aktualität auch auf die Fundiertheit der

Passus in Prosa, Fortsetzung

Online-Beiträge. Aber auch Bibliotheken würden zunehmend ihre Werke im Netz zur Verfügung stellen. „Und ein gedrucktes Buch ändert ja schließlich nicht seinen Inhalt, nur weil es nun digitalisiert vorliegt“, verteidigt Heckmann. „Eine Goldgrube“ und „einen unglaublichen Schatz“ nennt er das Internet an dieser Stelle. Leerzeile

Wie sieht es auf funktionaler Ebene aus?

Absatzüberschrif t Leerzeile

„Nach der rein inhaltlichen Betrachtung lässt sich noch nicht festlegen, ob das Internet dumm oder

Passus in Prosa

schlau macht“, führt Heckmann aus. Grundlegend für die funktionale Perspektive sei es, das Internet als „Plug-and-Play-Plattform“ zu verstehen: „Anschließen und einfach loslegen – heute können wir uns von überall und mit wenigen Klicks durch komplexe Systeme bewegen, ohne dafür Informatik 52

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a rtik el V II

studieren zu müssen“, betont Heckmann. Die Vereinfachung komplexer Vorgänge habe aber auch

Passus in Prosa, Fortsezung

einen entscheidenden Nachteil. An wen wir unsere Daten abgeben, sei oft nicht ersichtlich. Solche Prozesse liefen im Hintergrund ab und wollen vom Nutzer oft auch gar nicht wahrgenommen werden. Schließlich habe uns gerade die NSA-Affäre gelehrt, wie sich die Verantwortung vom Nutzer zu einigen großen Unternehmen verlagert hat. Als „Plug-and-Play-Falle“ bezeichnet Heckmann diese Einstellung, die sich als Beleg anführen ließe, dass das Internet uns funktional verdumme. Leerzeile

Aber auch auf funktionaler Seite biete das Internet durchaus Chancen, zur Bildung beizutragen. „Die

Passus in Prosa

Verknüpfung von Wissen ist im Internet einmalig“, äußert sich Heckmann über die Möglichkeiten, Datenbanken und Inhalte in Sekundenschnelle zu verlinken. Leerzeile

Was bedeutet dies für Schulen und Universitäten?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Für Schulen und Universitäten eröffneten sich mit dem sogenannten „E-Learning“ innovative Wege,

Passus in Prosa

um Inhalte zu vermitteln. „Besonders die ,Massive Open Online Courses‘ sind gerade total in Mode.“ Viele Universitäten böten so dem „einfachen Nutzer“ kostenlose Möglichkeiten, zu studieren und Informationen zu beziehen. Natürlich verbirgt sich auch dahinter ein Geschäftsmodell: Wer eine Prüfung ablegen will oder ein Zertifikat bekommen möchte, der müsse zahlen. „Aber immerhin kann Leerzeile

Welche Strategien braucht das Internet zur Selbstkontrolle?

Zwischenfrage der Redaktion

„Selbstkontrolle setzt Wissen, Verständnis und guten Willen voraus. Die hierfür notwendige Medien-

Antwort des Autors

kompetenz muss bereits früh in den Schulen vermittelt werden.“ Leerzeile

man sich schon mal eine Zeit lang Harvard-Student nennen“, sagt Heckmann. Auch die Bedingungen

Passus in Prosa, Fortsetzung

für die Forschung selbst hätten sich durch das Netz deutlich verbessert, indem Experten und Daten schneller und globaler greif bar seien. „Das wird dadurch unterstützt, dass ‚Open Access‘ politisch stärker gefordert wird und dass wissenschaftliche Studien und Projekte, die von Steuergeldern finanziert werden, dem Steuerzahler so kostenlos zur Verfügung stehen.“ Dies biete Raum für weitere Forschung. Leerzeile

Wirkt sich das Internet auf das Gehirn aus?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Eine dritte und letzte Perspektive wirft der Psychologe Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale

Passus in Prosa

Demenz“ auf. Er kreidet dem Internet an, dass es unser Hirn verkümmern lässt. Spitzer spielt hier auf die Reizüberflutung an. „Natürlich ist das eine Herausforderung für unser Gehirn, in dieser Flut nicht unterzugehen“, erläutert Heckmann. Andererseits sei dies aber nicht ein zentrales Problem des Internets. „Von dieser Reizüberflutung sprach man auch schon, als das Fernsehen eingeführt wurde.“ Leerzeile

Auch die Merkfähigkeit würde bei hoher Internetnutzung deutlich leiden, argumentieren Kritiker.

Passus in Prosa

Aber auch hier ließe sich eine Chance erkennen, „beispielsweise für ältere Leute kann diese Technologie ein großer Segen sein“, entgegnet Heckmann. Wenn schon nicht die Reizüberflutung ein Risiko sei, dann wenigstens der Mangel an Empathie im Netz, äußern Kritiker. Cyber-Mobbing ist in diesem Zusammenhang immer wieder ein Thema, wenn es zu Suiziden nach Mobbing-Attacken in Sozialen Netzwerken kommt. Dass das Internet Schuld an der mangelnden Empathie sei, glaubt Heckmann aber nicht: „Ist es nicht vielleicht eher so, dass das Internet uns als Gesellschaft nur den Spiegel vorhält und uns endlich zeigt, wie manche Leute von uns ticken?“. Auch hier erkennt er eine Chance, denn so würde für alle sichtbar, was auf den Schulhöfen schon seit Jahrzehnten passiere. Leerzeile

Und auch die neurologische Seite ließe sich ins Gegenteil verkehren. „Umgekehrt gibt es Studien, die

Passus in Prosa

von neuen Fertigkeiten sprechen und für das Gehirn entsprechende Herausforderungen durch die moderne Technik sehen.“ So würden nun auch Hirnregionen angesprochen, die bisher unterversorgt waren. „Da ist noch viel Platz für das Internet“, sagt Heckmann. Von digitaler Demenz könne also keinesfalls die Rede sein. Leerzeile

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a rtik el V

Wie sind die Vor- und Nachteile des Internets zu bewerten?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Beim Gegenüberstellen von Vor- und Nachteilen kommt es so zu einem klassischen Patt. „Wir können

Passus in Prosa

nur dann mit dem Internet lernen, wenn wir es auch verstehen“, lautet deshalb Heckmanns abschließende These. Und dann mache das Internet auch nicht dümmer und sei mit den passenden Strategien zur Selbstkontrolle eine große Bereicherung. Zunächst einmal müsse man lernen, was das Internet von inhaltlicher Seite biete: „Viele Lernangebote und Kommunikationsmöglichkeiten müssen wir erst einmal suchen und finden.“ Dann offenbarten sich auch großartige Möglichkeiten auf menschlicher Ebene, wenn wir beispielsweise in Sozialen Netzwerken mit Freunden aus aller Welt in Kontakt bleiben können. Leerzeile

Auf funktionaler Seite müsse man lernen, wie das Netz und die Endgeräte technisch funktionieren

Passus in Prosa

und wie sie sich mit dem Leben vereinbaren lassen. „All das fehlt noch ein bisschen, weil das Internet zu schnell in unser Leben gestürzt ist“, sagt Heckmann und spricht von einem wichtigen Bildungsauftrag für Schulen, Universitäten und vor allem auch für die Politik. „Da darf dann auch eine Bundeskanzlerin das Internet nicht einfach als Neuland bezeichnen“, bemerkt Heckmann. Aber auch Angela Merkel wird bestimmt bald herausfinden, wie das Internet funktioniert: Schließlich gibt es ja für alles eine App. Leerzeile

zu.de/heckmann

Digitale Verknüpfung

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Bildet Medienbildung? Professor Dr. Udo Göttlich, Lehrstuhl für Allgemeine Medienund Kommunikationswissenschaft, über Bildung in Zeiten des Medienwandels


a rtik el V III

Die neuen Medien verändern nicht nur die Medienlandschaft. Sie verändern auch die Medienbildung,

Prolog

weil die Nutzer zugleich zu Akteuren werden. Die neuen Aneignungs- und Ausdrucksformen sowie Entwicklungsmöglichkeiten bedürfen für Udo Göttlich vierer Fertigkeiten: Spontaneität, Improvisation, Spürsinn sowie Kreativität. Leerzeile

Die Frage „bildet Medienbildung“ stellt sich aktuell vor dem Hintergrund einer Vielfalt neuer kultu-

Passus in Prosa

reller Praktiken des Medienumgangs, die durch die jeweilige kulturelle Form der sogenannten neuen Medien nicht nur erst ermöglicht werden, sondern die im Prozess der Aneignung und Entwicklung Bildung erst entstehen lassen. Das bestimmende Moment der gegenwärtigen Entwicklung besteht in medienpädagogischer Perspektive vor allem darin, dass das „Definitionsmoment von Bildung“ in der „Aneignung von Kulturprodukten“ auf Seiten der „User“ liegt, die „Entwicklungsimpulse setzen“ (Bachmair 2010: 19). Leerzeile

Was heißt eigentlich Medienbildung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Medienbildung meint in diesem Zusammenhang nicht länger mehr nur die Entwicklung, die in Gang

Passus in Prosa

kommt, wenn sich Individuen aufgrund von Medienkompetenzen in der Auseinandersetzung mit Inhalten spezifisches Wissen aneignen. Das neue Verständnis von Medienbildung setzt vielmehr an dem Punkt ein, an dem die Nutzer durch den Gebrauch spezifischer neuer Medien nicht allein Wissen über die sie umgebenden neuen gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen erwerben, sondern diese im Prozess der Aneignung überhaupt erst miterschaffen und reflektieren. Das bedeutet, dass Bildung im Prozess der gleichzeitigen Schaffung von Kultur mit einem Kulturprodukt selber stattfindet, nämlich mit Medien. Leerzeile

Genau darin spiegelt sich die grundsätzlich neue Voraussetzung des Bildungserwerbs, auf die die

Passus in Prosa

Fragestellung „bildet Medienbildung“ mit einem skeptischen Unterton abhebt. Dieser Unterton kommt nicht von ungefähr. Im aktuellen medienpädagogischen Diskurs etwa äußert er sich in der grundlegenden Frage: „Ist Bildung in einer Gesellschaft des riskanten, jedoch allgegenwärtigen Verfügens mit mobilen Mini-Computern in der individualisierenden und gleichzeitig vernetzenden Gesellschaft des Ungefähren möglich?“ (ebd.: 22) Im Rahmen dieses Beitrags werde ich die Frage- und Problemstellung jedoch nicht vor dem medienpädagogischen Hintergrund vertiefen, sondern den spezifischen soziologischen Beitrag zum Verständnis dieser Entwicklung hervorheben, der auf die gewandelten Voraussetzungen für Reflexionsfähigkeit zielt. Leerzeile

Warum dieser Perspektivenwechsel?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Der Hauptgrund für diesen Perspektivenwechsel von der medienpädagogischen zur soziologischen

Passus in Prosa

Sichtweise liegt darin, dass die aktuelle Dynamik der Medienentwicklung mit dem einleitend Gesagten nicht nur Fragen danach aufwirft, ob die für das Zeitalter der linear strukturierten Massenkommunikation formulierten Bildungsziele, die sich an der Vermittlung bildungsrelevanter Inhalte orientierte, überhaupt noch einlösbar oder reformulierbar sind. Sie wirft auch Fragen danach auf, welche Anforderungen sich daraus an das Handeln des Einzelnen stellen, vor dessen Hintergrund Bildungsziele bestimmt werden können. Was nämlich geschieht, wenn Lernen mehr denn jemals zuvor in digital vernetzten Räumen abläuft, ist vollkommen unklar, zumal schon der nächste Wandel Leerzeile

Welche Rolle spielt „Medienbildung“ bei Ihnen in Forschung und Lehre?

Zwischenfrage der Redaktion

„Eine zusehends immer dringlichere. In der Lehre geschieht das unter anderen mit Verweis auf die

Antwort des Autors

Regeln der ,Gutenberg-Galaxis‘, die auch den ,Digital Natives‘ irgendwie noch vertraut zu machen sind. In der Forschung mehr und mehr mit Blick auf ein Verständnis der Praktiken der ,Digital Natives‘ selber.“ Leerzeile

von Medientechnik grundlegend neue Herausforderungen für beinahe jeden mit sich bringen kann,

Passus in Prosa, Fortsetzung

wodurch die eben erst formulierten Bildungsziele aber auch Praxis- und Handlungsweisen schon wieder überholt sein können. Welche Entwicklung etwa Kinder mit der Aneignung von digitalen Inhalten einschlagen, ist nicht nur unklar, sondern darüber hinaus nicht zu trennen von einem 58

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a rtik el V III

Verständnis von Medien als „Durchgangspunkten kultureller Praktiken“ (vgl. Göttlich 2004: 34 f.),

Passus in Prosa, Fortsezung

mit denen Individuen sich eine spezifische Kultur oder kommunikative Räume überhaupt erst erschaffen, erschließen und letztlich aneignen. Leerzeile

Die Suche nach einer Antwort beziehungsweise nach Lösungen steht damit auch medienpädagogisch

Passus in Prosa

betrachtet unter dem Zwang, dass unsere Medienkultur auf ihre Bildungsvoraussetzungen mit Blick auf neue sowie veränderte Praxis- und Handlungsformen im Horizont von Wissen und Lernen sowie Identitätsbildung und Sozialisation zu befragen ist. Denn was diese Wissens-, Erfahrungs- und Kompetenzformen in heutigen digitalen Medienumgebungen im Einzelnen ausmacht und wozu sie Leerzeile

Welche Aufgaben warten voraussichtlich auf die Medienforschung?

Zwischenfrage der Redaktion

„Die Anforderungen bestehen mehr und mehr in einer Ethnographie der eigenen Kultur, wenn man die

Antwort des Autors

Folgen des Medienwandels für die personale wie öffentliche Kommunikation erfassen und ermessen will, um Lösungswege zu beschreiben.“ Leerzeile

befähigen, wird mit Blick auf die gewandelte Ausgangslage schwierig als Rezeptwissen ausgebbar,

Passus in Prosa, Fortsetzung

da sich viele der Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit den sogenannten neuen Medien selbst erst noch im Aufbau befinden und vor diesem Hintergrund mit ihren sozialen und kulturellen Folgen weitestgehend unbekannt sind. Leerzeile

Für die weiterführende Behandlung müssen wir an dieser Stelle die Frage „bildet Medienbildung“

Passus in Prosa

umformulieren. Sie lautet dann, was ist zu tun, wenn Bildung in den Händen derjenigen liegt, die sich gerade bilden und denen wir aufgrund ihres Alters und ihrer sozialen Position – auch qua erworbenem Bildungsabschluss – die Festlegung von Bildungszielen nicht zutrauen. Leerzeile

Welchen Bildungsbegriff braucht es dann?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Erst im Rahmen dieser Umstellung kann im Übrigen auch ergründet werden, welche neuen, bislang

Passus in Prosa

noch vollkommen unbekannten Bildungskluften sich gegenwärtig auftun. Reicht zu deren Behebung ein gleichberechtigter partizipativer Zugang zu Medien überhaupt noch aus? Diese Frage lasse ich für die weitere Diskussion jedoch unbehandelt, da es um die Aneignungsformen des Neuen geht, die nach dem zuletzt Gesagten deshalb situationell und kontextuell sind, da sie zunehmend im Horizont der neuen digitalen Kommunikationsräume gründen und liegen, was sie vielfach für den Wissens- und Bildungserwerb sowohl riskant aber auch unverzichtbar macht. Leerzeile

An dieser Stelle kommt nun die soziologische Perspektive ins Spiel. Mit Blick auf die hier gestellte

Passus in Prosa

Frage geht es um eine Bestimmung der Handlungs- und Praxisformen, die durch den medienkulturellen Wandel dominant werden. Allerdings fühle ich mich an diesem Punkt bei dem Versuch ertappt, den Ozean malen zu wollen, während man selbst unter Wasser ist, weil viele dieser Handlungs- und Praxisformen überhaupt erst im Entstehen begriffen sind. Dennoch, die Bestimmung dieser Handlungsund Praxisformen scheint mir eine Voraussetzung dafür zu sein, dass abgestimmte Maßnahmen gesellschafts- und bildungspolitischer Träger auch in medienpädagogischer Perspektive weiterentwickelt werden können. Leerzeile

Was hätte dies konkret zur Folge?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Konkret geht es um das Problem der Aneignung von Medien als Durchgangspunkte sozialer Praktiken.

Passus in Prosa

Und in einem damit zusammenhängenden Schritt geht es darum, welche Entwicklungsanstöße für Bildung die vorwiegend informell geleistete und bewältigte Orientierung in diesen medialen Figurationen bietet. Für die Behandlung dieser Fragen schlage ich im Unterschied zur medienpädagogischen Debatte – die derzeit wieder verstärkt auf Humboldt rekurriert und die eigensinnige und eigenständige Erfahrung von Welt in den Vordergrund stellt – vier Begriffe aus der jüngeren soziologischen handlungstheoretischen Debatte vor, die im Zeitalter der Bildung unter digitalen Bedingungen auf ihre „bildungsbezogenen“ Implikationen zu überprüfen wären; kurz: Welche Fähigkeiten schließen 60

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a rtik el V III

die Fertigkeiten Spontaneität, Improvisation, Spürsinn sowie Kreativität im Sinne einer Beschreibung

Passus in Prosa, Fortsezung

von Praktiken kreativer Bedeutungsschaffung („creative meaning-making in sensous practices“) ein? (Willis 2000: 19) Leerzeile

Diese Begriffe mit ihren jeweiligen handlungstheoretischen Implikationen kommen in dieser Diskus-

Passus in Prosa

sion vor allem deshalb zum Tragen, da Kreativität, Improvisation und Spontaneität aus soziologischer Perspektive eine Antwort auf die sozialen Umstände verfolgen und auch versprechen, die sich besonders in digitalen Räumen stellen. Es handelt sich um Situationen des Unvorhersehbaren und Neuen. Auf „Bildung“ zielen und führen die genannten Begriffe jedoch erst dann, wenn man durch ihre Brille analysiert, welche Entwicklungsanstöße die in medialen Räumen genutzen und selbst produzierten Inhalte als kulturelle Äußerungsformen geben, das heißt welche kommunikativen Praktiken mit ihnen im Prozess der Medienaneignung verbunden sind. Die Herausforderung besteht darin, die kommunikativen Formen und Fähigkeiten, die vor allem für Jugendliche in der Medienkultur eine Bewältigung der Herausforderungen in ihrem Alltag versprechen, nicht nur ernstzunehmen sondern überhaupt in ihrem erkundenden Charakter zu erkennen. (vgl. Göttlich 2012: 147) Leerzeile

Welche Herausforderungen erwarten uns?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Kreativität als Handlungsbegriff (und nicht als ästhetische Kategorie) meint an dieser Stelle, dass

Passus in Prosa

Medienhandeln nicht allein zweckgerichtet ist, sondern vielmehr in der Auseinandersetzung mit auslegungsoffenen Kulturressourcen mit Unvorhersehbarem verbunden ist. Das handlungstheoretische Kreativitätskonzept passt an dieser Stelle zu Aneignungsformen, die im Improvisieren und Spontanen gründen und Spürsinn beziehungsweise Eingebung verlangen, weil die Ursachen und Folgen von Situationen (auch gesamtgesellschaftliche mittlerweile) einen erkundenden Umgang fordern, da sie vielfach im Ungefähren liegen. Leerzeile

Bildungstheoretisch stehen mit diesen Begriffen aber so gut wie alle traditionellen Positionen, Hal-

Passus in Prosa

tungen und Einstellungen zur Bildung vor der Herausforderung ihrer Reinterpretation und Rekonstruktion und vielleicht auch Neutaufe. Ein Gespür für diese Herausforderungen ist meines Erachtens die beste Voraussetzung, um sich der Bedeutung der neuen Aneignungs- und Ausdrucksformen sowie Entwicklungsmöglichkeiten zu öffnen, um gemeinsame Lösungen zu erarbeiten. Das aufzuzeigen war Absicht und mehr zu zeigen von meiner Seite in diesem Rahmen auch nicht gewollt. Leerzeile

zu.de/goettlich

Digitale Verknüpfung Leerzeile

Bachmair, Ben (2010): Einleitung: Medien und Bildung im dramatischen kulturellen Wandel, in: ders.

Literatur

(Hrsg.), Medienbildung in neuen Kulturräumen, Wiesbaden, S. 9–30. Göttlich, Udo (2004): Medienkultur, in: Kulturbuch quadratur, Jg.5, H.5, S. 32–37. Göttlich, Udo (2012): Medienaneignung und symbolische Kreativität, in: ders., Kurt, Ronald (Hrsg.), Kreativität und Improvisation, Wiesbaden, S. 133–148. Willis, Paul (2000): The Ethnographic Imagination, London.

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2934 Zeichen


Bildung aus dem Bilderrahmen Professorin Dr. Karen van den Berg, Lehrstuhl f端r Kunsttheorie & inszenatorische Praxis, 端ber Museen als Bildungsinstitutionen


a rtik el IX

Seit Wilhelm von Humboldt den Begriff der Bildung vor rund 200 Jahren prägte, ist er Gegenstand

Prolog

gesellschaftlicher Diskussionen. Mehr denn je sehen wir uns konfrontiert mit öffentlichen Debatten zum Bildungssystem, zur Bildungsgerechtigkeit, zur Bildungskrise. Welche Rolle künftig Museen als Bildungsinstitutionen zukommt, erklärt Karen van den Berg. Leerzeile

Humboldt hat Bildung als Prozess verstanden, um den eigenen Platz in der Welt und die individuelle

Passus in Prosa

Verbindung mit dieser zu finden. So strebt jedes menschliche Wesen aufgrund der ihm gegebenen Vernunft danach, seine Fähigkeiten zur Vollendung zu bringen. Im Zentrum stehen Selbstbestimmtheit und die Entwicklung einer Persönlichkeit. Bildung in Humboldts Sinne ist also nicht das Erwerben von Wissen, Bildungstiteln oder symbolischem Kapital, wie es der französische Soziologe Pierre Bourdieu beschreiben würde. Bildung ist vielmehr eine existentielle Grundbedingung des Menschen. Sie bezieht sich auf eine Verbesserung der menschlichen Verhältnisse, die vom Einzelnen ausgeht. Leerzeile

Wie steht es um den Begriff der Bildung heute?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Dieses vom bürgerlichen Subjekt Ende des 18. Jahrhunderts ausgehende Bildungs- und Gesellschafts-

Passus in Prosa

verständnis steht heute allerdings unter Ideologieverdacht. „Es gibt einen postmodernen Zweifel an der Geschichte der Emanzipation. Bildung hat ihre schlichte Ausrichtung zum Guten verloren. Sie steht nicht mehr für das Wahre und Gute, sondern allenfalls für das Versprechen, sich selbst dem schmerzhaften Prozess zu unterwerfen, die eigene Position in der Welt zu hinterfragen“, sagt Karen van den Berg. Bildung beschreibe also auch die Bemühung, Abstand von sich selbst zu nehmen und nicht der Illusion zu erliegen, dass Wissen mit Existenzsicherung einhergehe. Leerzeile

Wie positioniert sich hier das Museum als Bildungseinrichtung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

„Dass Museen durch bürgerliche Gesellschaften herausgebildet wurden, hat damit zu tun, dass hier

Passus in Prosa

ganz spezifische Formen der Weltaneignung entworfen und ermöglicht werden“, erklärt van den Berg. Museen seien Orte mit sehr eigentümlichen Ritualen, strikten Regeln und nicht selten autoritärer Atmosphäre. Neben den geschichtlichen Hintergründen der einzelnen Exponate scheine Demut ein mögliches Lernziel zu sein. Zwar gebe es keinerlei Qualifizierung oder Zertifikat für das erlangte Wissen. Der Umgang mit den Exponaten verdeutliche jedoch die Fähigkeit des menschlichen Subjektes zur Ref lexion und Kommunikation dieses Vorganges. Im tieferen Sinne handele es sich Leerzeile

Welche Bildungserfahrung haben Sie selbst zuletzt in Museen gemacht?

Zwischenfrage der Redaktion

„Ich selbst habe vermutlich einen anderen Blick auf Museen als die meisten Besucher. Das fällt mir

Antwort des Autors

immer wieder auf, wenn ich mit Studierenden unterwegs bin – wie etwa auf der Biennale in Venedig und in den dortigen Museen. Ich bin fast darauf gepolt zu schauen, wie Ausstellungen gemacht sind, wie Besucher adressiert werden, was an Wissen vorausgesetzt oder an Erwartungen unterstellt wird. Zudem passiert es mir als ,Power User‘ in Kunstausstellungen nicht selten, dass ich die Exponate schon einmal hier oder irgendwo anders gesehen habe. Dennoch gehen mir natürlich immer wieder Ausstellungen durch Mark und Bein. So etwa Tino Sehgals Tanzperformer auf der Biennale. Hier habe ich plötzlich auf ganz emphatische Weise einen anderen Blick auf die Kreatürlichkeit der menschlichen Spezies gewonnen, darauf wie unwahrscheinlich und merkwürdig der menschliche Körper ist und wie seltsam es ist, wenn sich darin ein Wille bemerkbar macht. Ein anderes Beispiel war die radikal entschleunigende Installation von Rudolf Stingel im Palazzo Grassi. Hier war der ganze Palazzo an Fußböden, Treppen und Wänden mit Teppich ausgeschlagen. Alles nur, um einige Bilder zu zeigen. In jedem Raum ein Bild – meist Malereien nach Schwarz-Weiß-Fotografien. Das war so ungeheuer konzentriert und radikal – gerade auch akustisch –, dass wir uns danach beinahe geläutert fühlten.“ Leerzeile

beim Betrieb der Institution Museum um eine Selbstvergewisserung, die der Weltaneignung diene.

Passus in Prosa, Fortsetzung

„Wenn das Museum nicht als natürliche Ordnung betrachtet wird, sondern als eine, die zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt mit dem Aufkommen eines spezifischen Verständnisses von gesellschaftlichem Wissen zusammenhängt, dann zeigt sich, dass das Museum eine besondere 64

4258 Zeichen



a rtik el IX

Rhetorik des Zeigens bereithält und mehr noch eigene Wissens- und Erfahrungsformen erzeugt“,

Passus in Prosa, Fortsezung

erläutert van den Berg. Diesen „musealen Zeigemodi“ seien fünf Charakteristika gemeinsam. Leerzeile

Welche sind das?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Zunächst handele es sich bei Museen um „Regime des Schweigens“. In Museen herumgeführt zu

Passus in Prosa

werden, sei die Ausnahme. Der Zeigende, also der Entwickler der präsentierten Ausstellung, bleibe in der Regel unsichtbar. Deshalb habe sich als zweite Eigenschaft der „musealen Zeigemodi“ eine spezielle Rhetorik des Zeigens herausgebildet: Rahmen, Sockel und Displays transformieren Dinge in Exponate. Als dritter Aspekt komme das Gebot hinzu, dass die Exponate meist nicht berührt oder benutzt werden dürfen. „Ausgestellte Dinge können normalerweise nur betrachtet werden, ihre Inszenierung ist lediglich auf die Augen ausgerichtet, womit man sie gewissermaßen aus der Welt nimmt“, sagt van den Berg. Die Ausstellungsräume würden durch Vitrinen beherrscht. Das wiederum entferne die Exponate weiter vom Betrachter und unterstreiche deren Bedeutung. Diese Rhetorik des Wertes stellt für van den Berg das vierte Charakteristikum dar. „Großzügige Räume, Beleuchtungsarrangements oder weiße Wände signalisieren, dass diese Dinge wichtig sind und bewahrt werden müssen: Sie sind wertvoll und kein Müll“, beschreibt sie den Aufbau von Museen. Die daraus resultierende Distanz zu den Gegenständen zeige deutlich, dass hier Dinge erhalten und konserviert würden. Dies erwirke ein emphatisches Verständnis für die Rarität und Originalität dieser Gegenstände. Jene Wertschätzung durch den Betrachter als fünfte und letzte Eigenschaft der „musealen Zeigemodi“ würde durch die Bestätigung von Experten noch bestärkt. Leerzeile

Welche Auswirkung hat das auf den Museumsbesucher?

Absatzüberschrif t Leerzeile

In Museen bekomme der Besucher Exponate nie zur bloßen Betrachtung serviert, sondern immer

Passus in Prosa

eingebettet in bestimmte Deutungsspektren. „Im Museum wird stets etwas als Etwas gezeigt. Die Puppe ist nicht nur Spielzeug, sondern Exempel für eine Epoche“, bemerkt van den Berg. Zwar entwerfe die Anordnung der Objekte bereits Narrationen, doch letztendlich könne der Besucher immer noch selbst entscheiden, ob er sich diesem Deutungsspektrum anschließen wolle. „Diese Offenheit der Aneignung ist alles andere als trivial“, betont van den Berg. Zeigen könne der Aussteller immer nur mit einer bestimmten Wirkungsabsicht. Nur so mache der Modus des Zeigens unter Abwesenden Sinn, denn in Museen werde immer eine subjektive Weltaneignung adressiert. Dass in diesem Zusammenhang mit einer Nicht-Kalkulierbarkeit des Besucherverhaltens zu rechnen ist, gehöre zu den Besonderheiten des informellen Bildungsortes Museum. Leerzeile

zu.de/vandenberg

Digitale Verknüpfung

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2667 Zeichen


Das „Lernen zu Lernen“ erlernen Interview mit Honorar-Professor Dr. Peer Ederer, Leiter des Human Capital, Growth and Innovation Center | HUGIN, über lebenslanges Lernen


a rtik el X

Welche besonderen Fertigkeiten haben erwachsene Europäer überhaupt? Durch welche Lernmechanis-

Prolog

men können sie sich Kompetenzen aneignen? Wie wirkt sich das alles auf Wachstum, Wettbewerb und sozialen Zusammenhalt aus? Und wie fördert lebenslanges Lernen die Innovationskraft von Unternehmen? Damit befasst sich Peer Ederer in seinem aktuellen, europaweiten Forschungsprojekt „LLLight’in’Europe“. Sein erstes Fazit: Wir müssen das „Lernen zu Lernen“ erlernen. Leerzeile

Sie arbeiten in Ihrem Projekt eng mit Unternehmen zusammen. Was sind die häufigsten Fragen aus

Frage der Redaktion

der Praxis, mit denen Sie konfrontiert werden? Und was sind Ihre Antworten? Leerzeile

„Warum ist unsere Verkaufsmannschaft in Region A erfolgreicher als in Region B?“, fragte uns ein mit-

Antwort des Autors

telständischer Unternehmer im Rahmen des Forschungsprojekts. Unsere Antwort: „Weil die komplexe Problemlösungskompetenz der Verkäufer in Region A höher ist.“ „Ist unser Personal ausreichend innovativ?“, fragte uns ein anderer. Wir: „Vermutlich nicht, jedenfalls ist die Bereitschaft, Risiken einzugehen, eher schwach vorhanden, und ohne Risiken gibt es kein Experimentieren, ohne Experimentieren kein Lernen und ohne Lernen gibt es keine Innovation. Das Resultat ist, dass Ihr Fachpersonal im Vergleich zu anderen vergleichbar gut ausgebildeten Berufen relativ niedrige Problemlösungskompetenz aufweist.“ Leerzeile

Haben Sie weitere Beispiele?

Frage der Redaktion

Sicher. „Ist es an der Zeit für unsere mittlerweile 120 Mitarbeiter eine strukturierte Personalentwick-

Antwort des Autors

Leerzeile

lungsstrategie aufzubauen?“, fragte ein dritter Unternehmer. Wir: „Vermutlich ja, denn die Mitarbeiter weisen im Vergleich zu anderen Unternehmen, die wir getestet haben, eher unterdurchschnittliche Problemlösungskompetenzwerte auf. Das macht das Unternehmen als Arbeitgeber weniger attraktiv Leerzeile

Sie arbeiten in dem Projekt sehr eng mit Unternehmen zusammen. Warum? „Ich bin selbst Unternehmer.“

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors Leerzeile

und Ihr Unternehmen auf Dauer weniger wettbewerbsfähig.“ Und schließlich: „Wir sind ein junges,

Antwort des Autors, Fortsetzung

sehr schnell wachsendes Unternehmen. Wird sich unsere Innovationskraft abschwächen, wenn wir älter werden?“. „Das kann passieren“, lautete unsere Antwort, „aber durch entsprechende Führungsarbeit und Arbeitsgestaltung können Sie diesen Trend aufhalten oder sogar umkehren.“ Leerzeile

Woher wissen Sie diese Antworten und wie gehen Sie vor?

Frage der Redaktion

Weil wir die komplexe Problemlösungskompetenz der Mitarbeiter in diesen und einem guten Dutzend

Antwort des Autors

Leerzeile

weiteren Unternehmen quantitativ gemessen haben und noch messen werden. Die Messung erfolgt als ein psychometrischer Test der Mitarbeiter, an dem diese freiwillig teilnehmen. Das Ergebnis des Tests ist eine Zahl, die die analytische Lernfähigkeit des Mitarbeiters beschreibt. Diese „komplexe Problemlösungskompetenz“ konnte von den beteiligten Forschern bereits in Verbindung mit Innovationsrate, Produktivität, Zufriedenheit und Führungsverhalten gebracht werden. Leerzeile

Und weshalb diese Verbindung?

Frage der Redaktion

Die Verbindung hängt mit der Bewältigung des technologischen und demografischen Wandels zusammen.

Antwort des Autors

Leerzeile

Dafür benötigen Mitarbeiter und Unternehmen flexible Lösungen für neuartige Situationen. Eigene komplexe Problemlösungskompetenz ermöglicht, diese Herausforderungen am Arbeitsplatz selbstständig oder kollaborativ zu meistern. Wir konnten auch zeigen, dass komplexe Problemlösungskompetenz bis ins hohe Alter die Aneignung weiterer Querschnitts- und Fachkompetenzen über informale und formale Bildungswege unterstützen kann. Mit anderen Worten: Sie ist eine „Lernen zu Lernen“-Kompetenz. Leerzeile

Was bedeutet dies für die Praxis?

Frage der Redaktion Leerzeile

Deutsche Mittelständler haben sich ihre starke (Welt-)Marktposition traditionell mit Innovations-

Antwort des Autors

führerschaft, langfristiger Marktorientierung und Investition in Fachkompetenz erarbeitet. Mit gutem 68

3383 Zeichen



a rtik el X

Grund wollen sich diese Unternehmen diese Wettbewerbsfähigkeit nicht nehmen lassen. Bei allen

Antwort des Autors, Fortsetzung

Unternehmen, mit denen wir in unserem Forschungsprojekt zusammenarbeiten, zeichnet sich im Nachgang der Wirtschaftskrise 2009/2010 ein Paradigmenwechsel in der Personalarbeit ab, um die Wettbewerbskraft zu erhalten oder zu stärken: Mitarbeiter sollen mehr und schneller lernen in vielfältigen Dimensionen – Fachwissen, Querschnittskompetenzen, Führungsverhalten, Persönlichkeitsmanagement und einiges mehr. Weil der Katalog des potentiell notwendigen Wissens und der Kompetenzen lang und komplex ist, gilt es für das Unternehmen, diese Lernprozesse systematisch und renditeorientiert zu steuern. Leerzeile

Wie könnte ein Weg dahin aussehen?

Frage der Redaktion

Ein möglicher Schlüssel, diesen Lernbedarf zu bewältigen, ist das „Lernen zu Lernen“ als Organisation

Antwort des Autors

Leerzeile

zu erlernen. Dadurch, dass komplexe Problemlösungskompetenz vor und nach Trainings- oder Lernsituationen gemessen werden kann, werden der Bedarf und der Erfolg der Personalentwicklung messbar – die Renditen auf das Lernen werden für das Unternehmen erfassbar. Strategisch eingesetzt und verstanden, kann komplexe Problemlösungskompetenz die Innovationskraft in einem Unternehmen sichtbar machen und sie vergleichen mit anderen Unternehmen der Branche, in anderen Industrien und in anderen Ländern. Leerzeile

Was sind eigentlich die Gründe für diese neue Entwicklung?

Frage der Redaktion

Die Gründe für den Wunsch nach mehr gezielter Personalentwicklung sind leicht auszumachen.

Antwort des Autors

Leerzeile

Stagnierende Märkte in Europa verlagern den Schauplatz des Wettbewerbs in die aufstrebenden Märkte, wo diese Unternehmen entweder direkt auf aggressiv auftretende und mittlerweile oft hochkompetente lokale Wettbewerber stoßen oder indirekt, weil sie Zulieferer für Konzerne sind, die sich diesem globalen Wettbewerb stellen müssen. Leerzeile

Was sind die Folgewirkungen?

Frage der Redaktion

Für die deutsche Belegschaft an den deutschen Standorten sind die Auswirkungen gravierend: Trotz

Antwort des Autors

Leerzeile

globaler Wertschöpfungsketten muss immer schneller geliefert werden. Dort, wo bis vor einigen Jahren noch monatliche Stabilität möglich war, ändern sich Produktkonfigurationen mittlerweile im Tagesrhythmus. Know-how muss mit auslandsbasierten Produktionsstandorten, Zulieferern oder Leerzeile

In Europa gibt es sehr unterschiedliche Lernkulturen. Werden Ihre Ergebnisse übertragbar oder doch

Zwischenfrage der Redaktion

differenziert sein? „Die Ergebnisse sind über Kulturen hinweg vergleichbar und übertragbar, sie sind universeller Natur.“

Antwort des Autors Leerzeile

Kunden über Zeitzonen, Sprachen und Kulturbarrieren hinweg geteilt und geschaffen werden. Die

Antwort des Autors, Fortsetzung

Antworten auf diese Herausforderungen – seien es Open-Innovation-Prozesse, dezentrale Entscheidungsstrukturen oder Social Media – führen meist zu einem steigenden Anteil von nicht-routinegeprägten und kollaborativen Tätigkeiten, denen sich immer mehr Mitarbeiter in diesen Unternehmen stellen müssen. Die Mitarbeiter müssen sich daher konstant und arbeitsplatznah weiterentwickeln und lernen, Probleme selbst zu lösen anstatt auf Fachschulung zu warten. Leerzeile

Welche Rolle spielt dabei die demografische Entwicklung?

Frage der Redaktion

Die demografische Entwicklung hin zu einer alternden Belegschaft ist längst spürbar. Der mögliche

Antwort des Autors

Leerzeile

Mitarbeiternachwuchs ist aufgrund der schwachen Geburtenjahrgänge zu gering und das kontextuale Erfahrungswissen der langjährigen Mitarbeiter zu wertvoll, als dass Unternehmen es sich leisten können, ältere Mitarbeiter gehen zu lassen. Der Kompetenzaufbau muss daher weitgehend mit der bestehenden Belegschaft geleistet werden. Arbeitszeitmodelle für Ältere, flexiblere Entlohnungsmodelle, Ergonomie der Arbeitsplatzgestaltung und Unternehmenskultur müssen hierzu ihren Beitrag leisten. 70

3617 Zeichen



a rtik el X

Was bedeutet dies für die Zukunft?

Frage der Redaktion

Vor allem müssen ältere Mitarbeiter bestmöglich in ihren Bestrebungen gefördert, motiviert und

Antwort des Autors

Leerzeile

unterstützt werden, das eigene Kompetenzprofil an sich schnell verändernden Herausforderungen anzupassen. Denn Modelle und Konzepte funktionieren am besten, wenn die Kompetenz und Produktivität des Mitarbeiters den Anforderungen gerecht wird. Komplexe Problemlösungskompetenz heißt das Schlüsselwort. Leerzeile

zu.de/ederer

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Der lange Schatten des Kommunismus 1) Professor Dr. Jarko Fidrmuc, ZEPPELIN-Lehrstuhl für Internationale Wirtschaftstheorie & -politik, und Dr. Matúš Senaj, National Bank of Slovakia, über Bildungsrenditen in der Slowakei vor und nach 1990


a rtik el x I

Welchen Einf luss hatten die Wirtschaftsreformen seit Ende des Kommunismus auf die Bildungs­

Prolog

renditen in den früheren Ostblock-Staaten? Das haben Jarko Fidrmuc und Matúš Senaj am Beispiel Slowakei untersucht. Sie verglichen Haushalte, die ihre Ausbildung vor und nach den Wirtschafts­ reformen im Jahr 1990 abgeschlossen haben. Das Ergebnis: Die geschätzten Bildungsrenditen weisen signifikante Unterschiede auf – zum Nachteil der früheren Kohorten. Leerzeile

Investitionen in Human- und Sachkapital gehören zu den wichtigsten Determinanten des Wachstums.

Passus in Prosa

Während der Fokus in der Vergangenheit in Osteuropa vor allem auf Letzterem lag, hatten die Planwirtschaften eine widersprüchliche Haltung in Bezug auf Humankapital. Osteuropäische Länder konzentrierten sich auf die berufliche und technische Ausbildung (Fischer et al., 1997) und schenkten den Human- und Sozialwissenschaften wenig oder gar keine Beachtung. Darüber hinaus beschränkte sich qualitativ hochwertige Forschung häufig auf hochgeheime militärische Projekte. Ein Wissenstransfer auf andere Sektoren fand dadurch kaum statt. Bisher hatte die Forschung der Struktur des Humankapitals und den Auswirkungen der vergangenen Bildungspolitik auf die Haushalte in Osteuropa sehr wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Leerzeile

Wie sind Sie auf dieses Forschungsthema gekommen?

Zwischenfrage der Redaktion

„Ich habe an ähnlichen Themen bereits Anfang der 90er Jahre gearbeitet, damals waren aber kaum

Antwort des Autors

gute Daten verfügbar. Die Zusammenarbeit mit Herrn Senaj ergab sich durch meine frühere Lehrtätigkeit an der Comenius University Bratislava.“ Leerzeile

Wie war die Ausgangslage 1990?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Die unterschiedliche Orientierung und Qualität des Bildungssektors in den osteuropäischen Ländern

Passus in Prosa

vor und nach 1990 verursachen auch weiterhin anhaltende Einkommensunterschiede unter den Haushalten aller Betroffenen. Vor Beginn der Wirtschaftsreformen war der Zugang zu höherer Bildung politisch beschränkt, mit der Marktwirtschaft wurde dies allerdings aufgehoben. So brachten die Reformen in Mittel- und Osteuropa vor allem den jungen und hoch qualifizierten Mitarbeitern Vorteile. Junge Kohorten gewannen mit den Wirtschaftsreformen Zugang zu Bildung, ohne jegliche politische Einschränkungen überwinden zu müssen, und erhielten damit offene Karrieremöglichkeiten in wachsenden Volkswirtschaften sowie Reisefreiheit. Leerzeile

Grundsätzlich versuchten die planwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaften, die Einkommens-

Passus in Prosa

unterschiede zu reduzieren (Orazem und Vodopivec, 1995, Campos und Coricelli, 2002). Es entstand deshalb die Tendenz, alle Löhne gleichzusetzen, ausgenommen davon waren Industrien von übergeordneter Bedeutung. Dadurch waren die Bildungsrenditen in allen planwirtschaftlich organisierten Ländern niedriger als in den Marktwirtschaften. Münich et al. (2005) präsentieren einen umfangreichen Vergleich der Renditen von Bildung unter dem kommunistischen Regime einerseits und während des Wandels zur Marktwirtschaft andererseits. Auffällig waren extrem niedrige Bildungsrenditen vor 1989. Diese Ergebnisse zeigen Parallelen zu früheren Forschungsergebnissen, beispielsweise in Slowenien (Orazem und Vodopivec, 1995). Leerzeile

Gab es Vergleiche zu anderen osteuropäischen Ländern?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Verschiedene Autoren hinterfragten die Qualität der Bildung in kommunistischen Bildungssystemen.

Passus in Prosa

Insbesondere diskutierten sie Gründe, warum eine Ausbildung, die vor den Wirtschaftsreformen abgeschlossen wurde, in einer Marktwirtschaft weniger gewertet wird. Zunächst wird angeführt, dass Bildung sich auf bestimmte Bereiche (zum Beispiel Raumfahrttechnik) konzentrierte, die in der Marktwirtschaft weniger benötigt werden (Campos und Dabušinkas, 2009). Außerdem könnten wichtige Soft-Skills in den Bereichen Marketing und Management gefehlt haben (Campos und Coricelli, 2002). Leerzeile

Verschiedene Autoren schätzen ferner die Bildungsrenditen für eine Ausbildung, die entweder vor oder

Passus in Prosa

nach den Wirtschaftsreformen erworben wurde. Entgegen ursprünglicher Erwartungen zeigten frühere Analysen statistisch nicht signifikante Unterschiede zwischen Bildungsrenditen vor und nach 1990. 74

3914 Zeichen



a rtik el x I

Münich et al. (2005) vergleichen die marginalen Renditen eines Jahres in Ausbildung vor und nach

Passus in Prosa, Fortsetzung

1990. Überraschenderweise fanden sie niedrigere Bildungsrenditen während der Wirtschaftsreformen. Allerdings könnten diese Ergebnisse durch die geringe Anzahl von Beobachtungen mit post-kommunistischer Bildung (etwa 14 Prozent der Stichprobe, das heißt 320 Mitarbeiter) beeinflusst worden sein. Darüber hinaus könnten auch negative Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt in den ersten Jahren des Wechsels zur Marktwirtschaft Auswirkungen gehabt haben. In jüngerer Zeit wurden höhere Bildungsrenditen in Polen berichtet (Newell und Socha, 2007). Leerzeile

Welche Datenquellen standen zur Verfügung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Für ihre Untersuchung benutzten die Autoren Umfragedaten über die Haushaltseinkommen, die

Passus in Prosa

jährlich vom Statistischen Amt der Slowakischen Republik durchgeführt werden. Den Zeitraum legten sie auf 2004 bis 2009 fest. Die Haushaltsumfragen lieferten Daten über die repräsentative Struktur der Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte. Der Stichprobenumfang der Umfragen betrug rund 4700 Haushalte pro Jahr. Die Beobachtungen für eine weitere Analyse definierten sie als einen Privathaushalt bestehend aus einer oder mehreren Personen, die zusammen in der gleichen Wohnung leben und sich die Lebenshaltungskosten teilen. Die Haushalte wurden immer nur in einem Jahr befragt, sodass eine zeitliche Dimension für die einzelnen Haushalte fehlt. Leerzeile

Sind solche Verwerfungen bei den Bildungsrenditen heilbar? „Unsere Ergebnisse in der vollständigen Studie haben gezeigt, dass die Privatisierung der Wohnung

Zwischenfrage der Redaktion Antwort des Autors

(sie waren vorher meistens im öffentlichen Besitz – Wohngenossenschaften) an deren Bewohner die Einkommensunterschiede der älteren Kohorte zu einem großen Teil ausgeglichen hat. Das bedeutet, dass keine weiteren wirtschaftspolitischen Maßnahmen mehr notwendig sind.“ Leerzeile

Wie werden Bildungsrenditen gemessen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Die Entwicklung der Bildungsrenditen vor und nach dem Beginn der Wirtschaftsreformen analysierten

Passus in Prosa

die Autoren mithilfe der geschätzten Einkommensgleichung. Im Unterschied zum traditionellen Modell von Mincer (1974), das individuelle Einkommen analysiert (Fleisher et al., 2005), benutzten sie das monatliche Gesamthaushaltseinkommen, weil es auch die Einnahmen ans anderen Einkommensquellen beinhaltet. Die Erklärungsfaktoren umfassten standardisierte demografische Indikatoren wie Geschlecht, Alter und Bildung, die für den Hauptverdiener festgelegt wurden. Darüber hinaus verwendeten sie Dummy-Variablen für Haushalte, deren Hauptverdiener verwitwet, geschieden oder ledig waren. Außerdem wurden bei der Anzahl der Mitglieder des Haushalts die Kinder miteinbezogen, um die tatsächliche Größe der Haushalte festzustellen. Leerzeile

Wie hoch sind die Bildungsrenditen tatsächlich?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Dabei stellte sich heraus: Das Einkommen der Haushalte mit dem höchsten Bildungsniveau (Univer-

Passus in Prosa

sitätsbildung) ist um 18,5 Prozentpunkte höher als das Einkommen der Basisgruppe (Abitur). Haushalte mit einem weiblichen Hauptverdiener haben ein um 4,8 Prozentpunkte niedrigeres Einkommen, und Einzelhaushalte haben mit 23,0 Prozentpunkten ein noch geringeres Einkommen. Die nächste Spezifikation erweiterte die Analyse um eine binäre Variable für die Kohorte, wenn der Hauptverdiener vor 1990 in den Arbeitsmarkt eingetreten war (das heißt, wenn er oder sie 1989 älter als 25 war). Das Ergebnis: Die Einkommen der privaten Haushalte aus dieser Kohorte lag um 7,0 Prozentpunkte niedriger als die Einkommen der Basiskategorie. Leerzeile

Außerdem verglichen die Autoren die Renditen für verschiedene Stufen der Bildung in einer weiteren

Passus in Prosa

Spezifikation. Im Vergleich zu Beschäftigten, die ihre Hochschulausbildung erst nach 1990 abschlossen haben, erhalten Beschäftigte mit Hochschulabschluss, die dem Arbeitsmarkt vor 1990 beigetreten sind, niedrigere Einkommen. Im Gegensatz dazu ist das Einkommen für die Befragten mit Grundbildung tatsächlich leicht höher für diejenigen, die dem Arbeitsmarkt vor 1990 beitraten. Leerzeile

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DORNIER MUSEUM FRIEDRICHSHAFEN 100 JAHRE FASZINATION LUFT- UND RAUMFAHRT AM FLUGHAFEN


Am 27. August 1931 erreicht das Flugschiff Do X auf seinem spannenden Transatlantikflug die Skyline von New York. Unter Begeisterungsrufen und Jubel wassert das damals größte und schwerste Flugzeug auf dem Hudson River vor dem Battery Park an der Südspitze von Manhatten. Claude Dornier und seine Mitarbeiter konstruierten diesen Meilenstein der Luftfahrtgeschichte in Altenrhein auf der Schweizer Bodenseeseite. Damals wie heute gilt: Vom Bodensee in die Welt. Wer mehr über das Flugschiff Do X erfahren möchte, ist im Dornier Museum Friedrichshafen am Flughafen genau richtig. FOTO: DORNIER MUSEUM FRIEDRICHSHAFEN (AIRBUS GROUP/DORNIER GMBH)

Jeder Mensch kann ein Pionier sein – so lautet die Kernbotschaft des Dornier Museum Friedrichshafen. Unmittelbar am Flughafen gelegen, macht es 100 Jahre spannende Luft- und Raumfahrtgeschichte erlebbar. Die einem Flugzeughangar nachempfundene Architektur beherbergt auf 5.000 m² 400 Exponate, Originalflugzeuge und 1:1 Nachbauten aus der Luft- und Raumfahrt. WWW.DORNIERMUSEUM.DE


a rtik el x I

Wie wichtig ist die Vergangenheit heute?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Fast 25 Jahre nach Beginn der Wirtschaftsreformen in Osteuropa beeinflussen immer noch bildungs-

Passus in Prosa

politische Entscheidungen der kommunistischen Regierungen die finanzielle Situation der Haushalte. Es bleiben signifikante Einkommensunterschiede zwischen den Kohorten im Arbeitsmarkt vor und nach 1990. Die Bildungsrenditen für eine Ausbildung vor den marktwirtschaftlichen Reformen sind dabei niedriger. Leerzeile

1) Die Autoren bedanken sich für die Forschungsassistenz und Kommentare von Martin Siddiqui und

Querverweis

Bernadette Reichel. Dieser Aufsatz basiert stark auf den Ergebnissen, die sie als eine Studie der NBS vorbereiteten (siehe Fidrmuc und Senaj, 2012a und 2012b). Leerzeile

zu.de/fidrmuc

Digitale Verknüpfung Leerzeile

Fidrmuc, J. Senaj, M. 2012a. Changes in 1989 and the wealth of households. Biatec 6, 18–23.

Referenzen

Fidrmuc, J. Senaj, M. 2012b. Human Capital, Consumption, and Housing Wealth in Transition. Working and Discussion Papers No. 2, Research Department, National Bank of Slovakia, Bratislava. Fischer, S., Sahay R., Végh, C., 1997. From Transition to Market: Evidence and Growth Prospects, in Zecchini, S. (ed.) Lessons from the Economic Transition: Central and Eastern Europe in the 1990s. Kluwer Dordrecht, 79–101. Fleisher, B.M., Sabirianova, K., Wang, X., 2005. Returns to skills and the speed of reforms: Evidence from Central and Eastern Europe, China, and Russia. Journal of Comparative Economics 33(2), 351–370. Mincer, J. 1974. Schooling, Experience and Earnings. NBER Press, New York.

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Das Unternehmerische und die Universität Interview mit Professor Dr. Reinhard Prügl, Lehrstuhl für Innovation, Technologie & Entrepreneurship und Leiter des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen | FIF, über das neue Wechselspiel von Firmen, Forschung und Lehre


a rtik el X II

Als Unternehmer wird man geboren, das kann man nicht lernen – so eine weitverbreitete Meinung.

Prolog

Zunehmend aber ist das Unternehmerische ins Blickfeld der Forschung gerückt – mit teils überraschenden Erkenntnissen. Und die „Bildung des Unternehmerischen“, findet Reinhard Prügl, ist aller universitärer Mühen wert. Leerzeile

Wird man eigentlich als Unternehmer geboren oder kann man das Unternehmerische auch erlernen?

Frage der Redaktion

Das ist eine Frage, die die Forschung schon lange Zeit beschäftigt. Mittlerweile kann davon ausge-

Antwort des Autors

Leerzeile

gangen werden, dass sowohl biologische als auch soziologische Faktoren eine Rolle spielen. So haben beispielsweise die Forscher Nicolao und Scott Shane kürzlich gezeigt, dass auch genetische Faktoren die Tendenz, ein Unternehmer zu werden, beeinflussen. Allerdings wird auch ganz klar, dass Unternehmertum nicht genetisch bedingt ist. Viel stärker scheinen darüber hinaus umweltbedingte Einflüsse zu sein. Und da können wir ansetzen. Leerzeile

Welche Faktoren bestimmen denn, ob jemand zum Unternehmer wird oder nicht?

Frage der Redaktion Leerzeile

Tatsächlich ist hier eine ganze Reihe von Faktoren zu beachten: Das ist ja an sich ein nicht gerade

Antwort des Autors

unterkomplexer Prozess, der sich da abspielt. Neben den bereits erwähnten personenbezogenen Faktoren spielen insbesondere auch Umfeldbedingungen eine ausgeprägte Rolle. So konnte gezeigt werden, dass beispielsweise der direkte Kontakt mit Unternehmern als Rollenmodelle und Vorbilder und der Kontakt zu Personen in ähnlichen Situationen („Peers“) – sprich in der Gründungs- oder Nachfolgephase – starken Einfluss haben. Aber auch die Bildung und Nutzung von Sozialkapital im Sinne von belastbaren Netzwerken spielt da mit rein. Das Interessante an diesen Umfeldfaktoren ist, dass man über das gezielte Setzen von entsprechenden Rahmenbedingungen unternehmerisches Denken und Handeln ermöglichen kann. Leerzeile

Wie prägt sich unternehmerisches Denken und Handeln überhaupt aus?

Frage der Redaktion Leerzeile

Unternehmerisches Denken und Handeln („Entrepreneurship“) ist das Erkennen von Marktchancen

Antwort des Autors

und das Realisieren von Wertschöpfungspotentialen durch das Gründen beziehungsweise Weiterführen von Unternehmen. Dabei kann von der Innovation als Erfolgsdeterminante ausgegangen werden. Leerzeile

Was hat Sie bei der Unternehmensforschung bisher am meisten überrascht?

Zwischenfrage der Redaktion

„Insbesondere bei der Forschung zu Familienunternehmen überrascht mich immer wieder, wie stark

Antwort des Autors

belastbare empirische Belege, die sich in dieser noch jungen Forschungsrichtung eben erst entwickeln, für einzelne Fragestellungen auch von den Unternehmern und Unternehmerinnen vermisst werden. Gleichzeitig ist die Bereitschaft zur Mitwirkung an Forschungsprojekten durchaus ausbaubar.“ Leerzeile

Unternehmerisches Denken und Handeln bedeutet letztlich, den Markt genau zu beobachten, quer-

Antwort des Autors, Fortsetzung

zudenken, Bestehendes zu hinterfragen und neue, innovative Produkte, Dienstleistungen oder Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen, um so Markt- und Kundenanforderungen zu bedienen und dadurch neuen Wert zu schaffen. Leerzeile

Zurück zur Ausgangsfrage: Wie sieht die Wissenschaft die Bildung des Unternehmerischen?

Frage der Redaktion

Es existieren zwei unterschiedliche Sichtweisen für die Bildung des Unternehmerischen. Eine ältere Schule,

Antwort des Autors

Leerzeile

die sich mit der eigenschaftsorientierten Sichtweise des Unternehmers auseinandersetzt. Demzufolge ist das Unternehmerische in der Person bereits angelegt und diese muss nur noch mit dem nötigen „Unternehmer-Know-how“ ausgestattet werden. Dominierender Inhalt einer Bildung des Unternehmerischen ist demnach die Vermittlung von Wissen beispielsweise zum Thema „Business Planning“, das heißt Anleitungen zur qualitativen Beschreibung einer Geschäftsidee und zur Durchführung quantitativer Analysen. Leerzeile

… und die andere Sichtweise?

Frage der Redaktion Leerzeile

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a rtik el X II

Mit zunehmender Kritik am eigenschaftsorientierten Ansatz ging man dazu über, unternehmerisches

Antwort des Autors

Denken und Handeln in den Blickpunkt zu rücken. Damit verbunden ist die Sichtweise der Unternehmensgründung beziehungsweise der Nachfolge im Familienunternehmen als Karrierealternative zur Managerlaufbahn. In dieser neuen Schule geht es nun um die Bildung und Ausprägung von unternehmerischem Handeln. Leerzeile

Was heißt das konkret?

Frage der Redaktion Leerzeile

Mit dem Begriff sind Merkmale wie Initiative, Innovation, Kreativität und Selbstständigkeit verbunden.

Antwort des Autors

Mit der Betonung des unternehmerischen Handelns als zentrales Merkmal ergibt sich logischerweise auch eine starke Handlungsorientierung im Rahmen der Bildung des Unternehmerischen. Im Zentrum Leerzeile

Welche Grenzen hat die „Bildung des Unternehmerischen“?

Zwischenfrage der Redaktion

„Im Sinne einer internationalen Perspektive ist die Bildung des Unternehmerischen tatsächlich grenzen-

Antwort des Autors

los – unternehmerisches Denken und Handeln ist in jeder Region dieser Erde gefragt. Zudem werden unternehmerische Elemente in zahlreichen Bereichen des Zusammenlebens wichtiger – nämlich überall dort, wo etablierte Institutionen nicht oder zu langsam reagieren, gut zu beobachten im Bereich des Sozialunternehmertums. Und dennoch fehlen uns bis dato an vielen Stellen noch empirisch belastbare Erkenntnisse – es gilt also, in den kommenden Jahren die Grenzen des Wissens weiter zu verschieben. Und das kann nur gemeinsam gelingen.“ Leerzeile

stehen insbesondere handlungsorientierte Vermittlungsformen wie Projektseminare, in deren Rahmen

Antwort des Autors, Fortsezung

die Studierenden in kleinen Gruppen ein konkretes integriertes Unternehmenskonzept entwickeln – beginnend mit der Ideenphase und darauffolgenden Machbarkeitsstudien. Entsprechend den vorliegenden Ergebnissen der internationalen Forschung zur „Entrepreneurship Education“ scheint dies eine sinnvolle didaktische Antwort zu sein. Eine handlungsorientierte Unterrichtsmethodik entspricht diesen Anforderungen offenbar am besten. Leerzeile

Was bedeutet dies für die Praxis?

Frage der Redaktion

Handlungsorientierung bedeutet im Wesentlichen, dass die Studierenden die Möglichkeit erhalten,

Antwort des Autors

Leerzeile

durch großteils selbstgesteuertes Lernen theoretisches Wissen im Zusammenhang mit praktischen Problemstellungen und Handlungsvollzügen zu entwickeln. Der gemeinsame Kern ist dabei die eigentätige Auseinandersetzung und aktive Aneignung eines Lerngegenstandes. Diese Form des Unterrichtens setzt darauf, dass Studierende in kooperativer Form selbstständig Inhalte erschließen, Probleme lösen und Ergebnisse präsentieren. Durch aktives Handeln wird insbesondere auch die Lerneffizienz gesteigert. Die Motivation zu unternehmerischem Denken und Handeln kann damit besonders durch Einsatz von aktivierenden Lehr- beziehungsweise Lernformen gefördert werden. Leerzeile

Welche Folgen hat dies für den Lehrenden?

Frage der Redaktion

Entrepreneurship erfordert eine völlig neue Form der Didaktik. Nicht die Vermittlung von gesichertem

Antwort des Autors

Leerzeile

Wissen ist der Gegenstand der Veranstaltungen, sondern es ist das Ziel, die Lernenden in die Lage zu versetzen, ökonomische Situationen besser einschätzen zu können, kreative Problemlösungen zu erarbeiten und diese umzusetzen. Der Lernbegriff wird neu definiert. Lehren wäre damit nicht mehr die möglichst effiziente, störungsfreie Übermittlung von Informationen vom Sender zum Empfänger, sondern die Befähigung der Lernenden zur selbstständigen Problemdefinition und zum Erkennen und Entwickeln neuer Angebote, die die Probleme der Zeit effizienter als bisher lösen. Der Unterrichtende wird zum Coach, zu einer Art Navigator oder Back-up-Office, das heißt er springt immer dann ein, wenn es ein Problem zu lösen gibt oder Grundlagenwissen vonnöten ist. Er gibt Hilfestellung wie der Sportlehrer bei den Turnübungen. Ansonsten schafft er insbesondere Rahmenbedingungen, die unternehmerisches Handeln ermöglichen. Leerzeile

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a rtik el X II

Was bedeutet dies dann für die Universität?

Frage der Redaktion

Um mit Sven Ripsas zu sprechen: „Die Universität muss, möchte sie unternehmerisches Denken und

Antwort des Autors, Reklame

Leerzeile

Handeln fördern, ein Angebot machen, das dem Charakter des Unternehmerischen gerecht wird und experimentieren erlaubt. Das Ziel ist es, kreatives Problemlösen zu ermöglichen, neue Wege zu beschreiten.“ Und das versuchen wir hier an der ZU sowohl in den Vollzeitprogrammen als auch in den berufsbegleitenden Masterprogrammen. Beispielsweise im Master-Studiengang „Family Entrepreneurship“, der sich gezielt an Nachfolger und Nachfolgerinnen von Familienunternehmen richtet. Leerzeile

Welche Rolle kommt der Universität zukünftig im Zusammenhang mit dem Unternehmerischen zu?

Frage der Redaktion

Vor allem den Hochschulen wird aufgrund ihrer Möglichkeit, besonders qualifizierte, innovative

Antwort des Autors

Leerzeile

Gründungen hervorzubringen, eine besondere Rolle zugewiesen. Die Gründungsbereitschaft der Studierenden nahm aber in der Vergangenheit im Verlauf des Studiums eher ab als zu. Dies kann vor allem darauf zurückgeführt werden, dass die Studierenden mit dieser Thematik kaum konfrontiert wurden. Hingegen könnte ein „Entrepreneurship Education“-Programm durch die Förderung der Überzeugung, eine Gründungssituation meistern zu können, direkt zum auslösenden Moment des Unternehmerischen werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass Unternehmer mit hochqualifizierter Ausbildung erfolgreicher sind als andere. Überlebensrate und Unternehmenswachstum steigen daher mit dem Ausbildungsniveau des Unternehmers. Leerzeile

Was waren denn die Schwachpunkte der bisherigen, traditionellen Ausbildung?

Frage der Redaktion

Vor allem die Konzentration auf die Lehre funktioneller Fähigkeiten, Strategien und Taktiken, die

Antwort des Autors

Leerzeile

auf große, weitverzweigte und etablierte Publikumsgesellschaften zugeschnitten sind. Diese stellen jedoch eine Minderheit im Wirtschaftsgefüge dar. Zum anderen sind gerade Studierende besonders zur Gründung junger, innovativer Unternehmen geeignet. Leerzeile

Welche Kompetenzen wären in erster Linie zu entwickeln?

Frage der Redaktion

Beispielsweise das Bewusstsein der eigenen Stärken und Schwächen. Die Fähigkeit, Muster zu suchen

Antwort des Autors

Leerzeile

und dort aufzuspüren, wo andere sie nicht sehen. Die Fähigkeit, die eigenen menschlichen und materiellen Ressourcen strategisch-kreativ den neuen Chancen anzupassen. Aber auch die Fähigkeit, Menschen und finanzielle Mittel zur Erreichung eines Zieles zu mobilisieren sowie die Kompetenz bei der Netzwerkarbeit, der Informationsbeschaffung und der Geschäftsplanung. Leerzeile

Welche Lehrziele einer „Entrepreneurship Education“ ergeben sich daraus?

Frage der Redaktion

Die Bildung einer Wertebasis und eines Verständnisses der und Wertschätzung für die Unternehmer-

Antwort des Autors

Leerzeile

rolle. Hinzu kommt ökonomische Kreativität und damit die Fähigkeit, innovative und gleichzeitig erfolgversprechende Produkte zu kreieren. Vermittelt werden sollte aber auch Entscheidungsfähigkeit unter Unsicherheit, betriebswirtschaftliches Methodenwissen, Führungsqualifikation in Form von Führungs-, Motivations- und Kommunikationskenntnissen für die Information und Führung von Mitarbeiterteams sowie schließlich die Motivation zur Gründung. Leerzeile

Da geht es in erster Linie um Wissensvermittlung. Reicht das allein aus?

Frage der Redaktion

Da unternehmerisches Handeln auch mit einer Reihe von Verhaltensanforderungen verbunden ist,

Antwort des Autors

Leerzeile

sollten auch diese Gegenstand von Bildungsmaßnahmen sein. Es handelt sich neben der Wissensvermittlung vor allem um die Förderung von kritischem und eigenständigem Denken. Aus der Priorisierung von Entscheidungs- und Problemlösungsprozessen leiten sich Verhaltensweisen wie analytisches und intuitives ganzheitliches Erfassen von Problemen, selbstständige Entwicklung von Handlungszielen, aktive Informationssuche, Umgang mit unvollständiger Information, Treffen von Entscheidungen unter Unsicherheit und Zeitdruck als Lernziele ab. Erlernt werden sollten außerdem 88

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a rtik el X II

Methoden zum Umgang mit Unsicherheit und Stress. Ein weiteres potentielles Lernziel stellt die

Antwort des Autors, Fortsezung

Förderung von Kreativität dar. Neben den oben angesprochenen kognitiven Fähigkeiten sollte aber auch die affektive und die soziale Dimension unternehmerischen Handelns in die Lernziele Eingang finden. Leerzeile

Wie sollte dies geschehen?

Frage der Redaktion

Die affektive Dimension umfasst dabei die Formung von Leistungsmotivation, Zähigkeit, einer posi-

Antwort des Autors

Leerzeile

tiven Einstellung gegenüber Veränderungen und Neuem, den Umgang mit Misserfolgen sowie Selbstvertrauen. Die soziale Dimension umfasst vor allem die Schulung von Fähigkeiten, die Aufbau und Pflege von Geschäftsbeziehungen, das Verhandeln mit unterschiedlichen Anspruchsgruppen und die Führung von Mitarbeitern sowie den Umgang mit Geschäftspartnern unterschiedlicher Kulturkreise ermöglichen. Und all diese Fähigkeiten auszuprägen, wird inzwischen immer öfter eine multidisziplinäre Bildung des Unternehmerischen verlangt. Leerzeile

zu.de/pruegl

Digitale Verknüpfung

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Information ist gut – nützt aber (fast) nichts Professorin Dr. Lucia A. Reisch, Sabine Bietz und Dr. Mirja Hubert, Forschungszentrum Verbraucher, Markt und Politik, über Verbraucherwissen und -verhalten


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Gern ist vom mündigen Verbraucher die Rede. Doch in Praxis wie Forschung zeigt sich: Von Wissen,

Prolog

gar Vernunft, lässt er sich in den seltensten Fällen leiten. Dabei wird dies eigentlich durch die neue Rolle der Verbraucher immer wichtiger. Lucia Reisch, Sabine Bietz und Mirja Hubert sehen im Ansatz des Nudging, des Anstupsens, einen möglichen Weg. Leerzeile

In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ging man lange Zeit davon aus, dass Verbraucher

Passus in Prosa

ihre Entscheidungen ganz überwiegend auf Basis von rationalen, bewussten Prozessen treffen. Das dieser Annahme zugrunde liegende Menschenbild des Homo Oeconomicus prägt bis heute auch die verbraucherwissenschaftliche und -politische Diskussion. Immer noch ist das sogenannte Informationsparadigma weit verbreitet (Kollmann 2012). Demnach ist es eine wichtige Aufgabe der Politik, Verbrauchern so viel Information wie möglich zur Verfügung zu stellen, damit diese die – für sie persönlich und für die Gesellschaft – beste Entscheidung treffen können. In der Realität sind Konsumenten allerdings häufig durch diese Informationsflut überfordert und basieren ihre Entscheidungen eher auf emotionale und situationsabhängige Aspekte sowie auf Gewohnheiten, soziale Normen, günstige Gelegenheiten oder das Verhalten anderer. Die eigentlichen Informationssucher (information seekers) und -nutzer sind die professionellen Informationsintermediäre, also die Warentester, die Verbraucher- und Umweltorganisationen und die Medien. Leerzeile

Konsumenten treten zudem nicht nur als Marktteilnehmer, sondern auch als Bürger und Ko-Produ-

Passus in Prosa

zenten in Markt und Gesellschaft auf und haben in diesen Rollen ganz unterschiedliche Informationsbedürfnisse. Unterstützt durch Erkenntnisse der empirischen Verbraucherpolitikforschung sowie neueren Forschungsergebnissen der Verhaltensökonomie (behavioral economics) und verhaltensbasierten Regulierung (behaviourally informed regulation) versucht die Politik nun verstärkt, auch Leerzeile

Wenn Verbraucherinformation so wenig nutzt – bleibt dann nicht jede Mühe überhaupt vergebens?

Zwischenfrage der Redaktion

„Das wäre ein Fehlschluss. Information muss aber dahingehend verbessert werden, dass sie reale als

Antwort des Autors

Bezugspunkt nimmt – mit all ihren Engpässen, Bequemlichkeiten, mentalen Abkürzungen, die wir im Beitrag beschreiben. Daher sollte sie vorab getestet werden: Wird die Botschaft verstanden? Ist sie einleuchtend? Motivierend? Außerdem hat Information ja eine wichtige edukative Bedeutung, die weit über die Kaufentscheidung hinausgeht. Und die ist elementar und wichtig. Schließlich soll es auch eine Warnung sein, sich auf Verbraucherinformation als alleiniges oder wesentliches Instrumentarium zu verlassen.“ Leerzeile

andere Wege jenseits des Informationsparadigmas zu gehen. Kerngedanke ist, durch die empirische

Passus in Prosa, Fortsetzuung

Rückbindung und das Austesten und Evaluieren von Politikinstrumenten die Politik effektiver und effizienter zu machen, indem das Instrumentarium an das tatsächliche Entscheidungsverhalten der Menschen angepasst wird. Leerzeile

Was ist die Rolle der Verbraucher?

Absatzüberschrif t Leerzeile

„Den“ Verbraucher gibt es bekanntlich nicht. In der verbraucherpolitischen Diskussion werden private

Passus in Prosa

Haushalte auf der Nachfrageseite der Märkte zum einen durch ihre unterschiedlichen Rollen als Marktteilnehmer, Prosumenten und Konsumentenbürger dargestellt. Innerhalb dieser Rollen haben die Verbraucher verschiedene Ziele und Handlungsspielräume und sollten deshalb unterschiedlich motiviert und angesprochen werden (vgl. Reisch 2004). Betrachten wir beispielsweise das Energieverbrauchsverhalten der privaten Haushalte, das im Rahmen der Energiewende eine zentrale Rolle spielt: Als Marktteilnehmer besteht die Rolle der Konsumenten beispielsweise darin, energieeffiziente Produkte und Dienstleistungen nachzufragen; als Prosumenten erzeugen sie selbst dezentral Energie und als Konsumentenbürger beteiligen sich in ihrer Rolle als Bürger in Bürgerdialogen – oder auch in Initiativen gegen den Bau einer Stromtrasse. Leerzeile

Zum anderen werden Verbraucher in Idealtypen – in vertrauende, verletzliche und verantwortungs-

Passus in Prosa

volle Verbraucher – unterteilt, die jeweils unterschiedliche Verhaltensmuster, Konsummöglichkeiten und -kompetenzen widerspiegeln (Micklitz et al. 2010; Micklitz 2013). Leerzeile

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a rtik el x III

Diese Unterscheidung von Verbraucherrollen ist unmittelbar handlungsrelevant. Denn je nachdem,

Passus in Prosa

in welcher Rolle die Haushalte Entscheidungen treffen, sind andere Motivationen ausschlaggebend und damit unterschiedliche Incentivierungen effektiv. Entsprechend müssen Verbraucher unterschiedlich angesprochen werden, um eine Verhaltensänderung zu erreichen (vgl. Dolan et al. 2012). Leerzeile

Wie treffen Verbraucher Entscheidungen?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Neben den verschiedenen Verbraucherrollen ist auch der Prozess, wie Menschen ihre Entscheidungen

Passus in Prosa

treffen, von großer Bedeutung für eine gute Verbraucherinformation und -beratung. So zeigen verhaltensökonomische Studien, dass vor allem unbewusste, automatisch ablaufende und dem Verbraucher und Forscher nur schwer zugängliche Prozesse die Informationsverarbeitung und das Entscheidungsverhalten stark beeinflussen können (vgl. Sunstein 2013; Thaler/Sunstein 2008). Leerzeile

Die verhaltensökonomische Forschung fokussiert zum einen auf die Bedeutung der Entscheidungs-

Passus in Prosa

situation, also den Kontext, der das Verhalten beeinflusst, und zwar weitgehend unreflektiert vom Individuum. Insofern spielt die kluge Gestaltung der Entscheidungsarchitektur (vgl. Thaler/Sunstein/ Balz 2010) eine große Rolle. Zum anderen lenkt diese Forschung die Aufmerksamkeit auf den Menschen immanente Entscheidungsheuristiken und Verhaltenstendenzen, die neben kognitiven Faktoren wie Wissen, Einstellungen und Kompetenzen das Konsum- und Entscheidungsverhalten immer mitsteuern (Gigerenzer 2001; Gigerenzer/Selten 2001). Leerzeile

Welche Verhaltenstendenzen zeigen sich?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Zu diesen Entscheidungsheuristiken und Verhaltenstendenzen zählen zum Beispiel das Anchoring und

Passus in Prosa

Framing, bei denen Menschen bestimmten Informationen einen zu hohen Stellenwert geben und sich in ihrer Entscheidung durch gleichzeitig präsentierte Informationen beeinflussen lassen (zum Beispiel dienen die Eigenschaften und Preise von verschiedenen Produkten in einem Supermarktregal oft als Referenz und beeinflussen die Kaufentscheidung). Aber auch der Status Quo Bias, also die Tendenz, bei seinem gewohnten Verhalten zu bleiben, oder der große Einfluss von sozialen Bezugsgruppen (Herdentrieb) sind Beispiele für typische Abweichungen von der Rationalitätsannahme der Wirtschaftswissenschaften. Leerzeile

Welche Folgewirkung Ihrer Forschung versprechen Sie sich für die Politik?

Zwischenfrage der Redaktion

„Dass die Politik zielgruppenspezifischer vorgeht, informiert und ihre Policy Tools darauf abstimmt,

Antwort des Autors

mit welcher Art von Konsumenten – vulnerablen, verantwortungsvollen, vertrauenden – sie es zu tun hat. Zudem ist es wichtig, die intendierten und nicht intendierten Folgen von Politikinstrumenten vorab zu testen, um so Politik effektiver und effizienter zu machen. In Zeiten knapper Budgets ist das wichtiger denn je.“ Leerzeile

Weitere grundlegende Verhaltenstendenzen, die sich für Verbraucher als besonders stabil und handlungs-

Passus in Prosa, Fortsetzung

relevant erwiesen haben (vgl. Sunstein 2011), sind die hyperbolische Diskontierung, der Einfluss von Voreinstellungen (sogenannten Defaults) sowie soziale Normen. Diese lohnen einen näheren Blick. Leerzeile

Gibt es eine Handlungsbarriere?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Menschen besitzen eine starke Gegenwartspräferenz und neigen zur Abdiskontierung der Zukunft

Passus in Prosa

(hyperbolische Diskontierung), das heißt sie bevorzugen kleinere Vorteile, die sie heute bekommen können, gegenüber größeren Vorteilen, die sie erst in Zukunft realisieren können. Diese Handlungsbarriere gilt es zu überwinden (vgl. Weber 1997). Geeignete politische Maßnahmen sind alle Formen der finanziellen und sonstigen Unterstützung zum Beispiel für Haushalte, die ihr Haus sanieren und energieeffizienter machen möchten, sei es durch steuerliche Erleichterungen, zinsgünstige Kredite oder andere Anreize, die den Gewinn – wahrnehmbar – weit in die Gegenwart verlagern. Leerzeile

Menschen wählen zudem bei Entscheidungen zwischen Alternativen tendenziell die vorausgewählte

Passus in Prosa

Option statt aktiv auszuwählen (vgl. Brennan 2007). Dies scheint sogar relativ unabhängig davon zu 94

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a rtik el x III

sein, ob die Voreinstellung für sie nutzenoptimal ist oder nicht. Häufig bedarf es also gar keiner aktiven

Passus in Prosa, Fortsetzuung

Information oder gar Entscheidung. Für nachhaltigere Optionen im Bereich Energie kann es beispielsweise genügen, wenn die Defaults entsprechend gesetzt werden, beispielsweise wenn Ökostrom als Standardangebot in der Grundversorgung einer Kommune angeboten wird (Sunstein/Reisch 2013). Leerzeile

Welche sozialen Normen zeichnen sich ab?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Eben diese Wirkung zeigt sich auch bei sozialen Normen, die häufig wirksamer sind als finanzielle

Passus in Prosa

Anreize. Menschen lassen sich in ihren Bewertungen und Handlungen sehr stark davon beeinflussen, was andere Mitglieder relevanter Vergleichsgruppen und Sozialer Netzwerke tun und denken (vgl. Bentley/Earls/O’Brian 2011). Soziale Normen, signaling und die Diffusion von Verhalten durch Soziale Netzwerke stellen wirksame Möglichkeiten zur Förderung von umweltfreundlichem und gesundheitsförderndem Verhalten dar (vgl. Christakis/Fowler 2009; Moloney/Horne/Fien 2010). Leerzeile

Emotionen und Ängste, Verhaltensstarren und Gewohnheiten, Heuristiken und Biases spielen also

Passus in Prosa

für Konsumentscheidungen eine große Rolle; dies sollte von einer fallweise incentivierenden Politik berücksichtigt werden (vgl. Maréchal 2010). Leerzeile

Worin besteht die Herausforderung?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Dem Ideal des „mündigen Verbrauchers“ näherzukommen, der weitblickende und informationsba-

Passus in Prosa

sierte Entscheidungen trifft, ist damit eine echte Herausforderung. Dabei ist man sich heute einig: Information ist gut und wichtig, wird bei der unmittelbaren Kaufentscheidung jedoch nur minimal zur Entscheidungsfindung herangezogen (vgl. Horne 2009; Sasaki et al. 2011). Deshalb benötigt man zusätzlich eine intelligente Mischung von verhaltensbasierter Förder-, Aktivierungs-, Informationsund Beteiligungspolitik für die Nachfrageseite, die sowohl die Entscheidungs- und Verhaltensweisen der Konsumenten selbst (Mikroebene) als auch ihr unmittelbares soziales und physisches Umfeld (Mesoebene) berücksichtigt und die eine förderliche Rahmung (Makroebene) gestaltet (Reisch 2013). Ohne eine solche verhaltensbasierte, empirisch fundierte Politik wird es kaum gelingen, großen Herausforderungen wie der Energiewende oder der Übergewichtspandemie erfolgreich zu begegnen. Leerzeile

Welche Rolle spielt der neue Politikansatz des Nudging?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Abgeleitet aus verhaltensökonomischen Forschungen wird daher seit einiger Zeit der Politikansatz

Passus in Prosa

des Nudging diskutiert (vgl. Thaler/Sunstein 2003, 2008). Änderungen des Verhaltens sollen durch leichte Anstöße (nudges) – statt durch Ge- und Verbote – hervorgerufen werden. Praktisch werden Anreizsysteme und Wahl-Settings gezielt so verändert, dass die sozial gewünschte Handlungsalternative mit einer höheren Wahrscheinlichkeit gewählt wird. Bei aller Kritik an diesem Ansatz (vgl. unter anderem Hausman/Welch 2010; Stern et al. 2010) bietet das Nudging in vielen Fällen eine wirksame, meist kostengünstige Alternative zwischen Information und harter Regulierung (vgl. Pichert/ Katsikopoulos 2008; Reisch/Hagen 2011; Thaler/Sunstein/Balz 2010). Besonders effektiv und effizient sind unter anderem Maßnahmen, die Entscheidungen von Konsumenten erleichtern. So kann Information vereinfacht (zum Beispiel Formulare) und weniger zeitaufwendig gestaltet werden (zum Beispiel Informationssuche und Auswertung), ebenso können bildhafte Erläuterungen oder schlichtes Vereinfachen von Prozessen Barrieren senken (viele Beispiele in: Sunstein 2013). Leerzeile

Was wäre das Ziel von Nudging?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Ziel des Nudging kann und darf natürlich nicht sein, Konsumenten Informationen grundsätzlich

Passus in Prosa

vorzuenthalten. Vielmehr kommt es darauf an, dass relevante Informationen gut verständlich und leicht zugänglich sind. Informations- und Transaktionskosten sollten minimal sein. Darüber hinaus sollten sich Verbraucher, die an mehr Information Interesse haben, sowie Informationsintermediäre über eine kaskadenförmig aufgebaute Informationsstruktur (zum Beispiel über QR-Codes oder Links zu Informationswebsites) weitergehend informieren können. Produktinformationen sollten generell 96

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a rtik el x III

klar und einfach, die Signale deutlich und relevant sowie die Anreize für eine Verhaltensänderung

Passus in Prosa, Fortsetzuung

stark, regelmäßig, zeitnah und zielgruppenspezifisch sein, um überhaupt durch den Verbraucher wahrgenommen zu werden. Im Idealfall sollte man neue Angebote kostenfrei ausprobieren können (foot in the door). Denn auch einfaches Ausprobieren kann Einstellungen und Werte verändern. Leerzeile

Gibt es schon Beispiele aus der Praxis für Nudging?

Absatzüberschrif t Leerzeile

Solche, hier nur skizzierte Ansätze der verhaltensbasierten Regulierung (Sunstein 2011) haben in den

Passus in Prosa

letzten Jahren sowohl in der politischen Praxis (vgl. zum Beispiel OECD 2010; Europäische Kommission 2010; Europäische Kommission 2013) als auch in der Forschung enorm an Bedeutung gewonnen. Auch in Deutschland wird in Fachkreisen darüber diskutiert, sogenannte Nudge Units aufzubauen, ähnlich dem Behavioral Insights Team des Weißen Hauses in den USA, das seit August 2013 aufgebaut wird, oder dem Behavioural Insights Team in England, das bereits seit Juli 2010 besteht (Cabinet Office/Behavioural Insights Team 2011). Innerhalb dieser Institutionen werden konkrete Lösungsansätze für politische Aufgaben – wie Programme für die Altersvorsorge, energetische Sanierung, oder Gesundheitsvorsorge – empirisch ausgetestet und darauf aufbauend inkrementell verbessert, mit dem Ziel, Verbraucher zu vorteilhaften Entscheidungen anzuregen. Leerzeile

Die hier gesammelten praktischen Beispiele sowie die zunehmend robusten Forschungsergebnisse

Passus in Prosa

zeigen eindringlich, dass und wie es durch eine enge Zusammenarbeit von empirischer Forschung, innovativer Politik und unternehmerischer Praxis gelingen kann, Verbraucherinformation, -beratung und -incentivierung effektiver und effizienter zu gestalten. Leerzeile

zu.de/reisch

Digitale Verknüpfung Leerzeile

Bentley, Alexander R., Earls, Mark und O’Brian, Michael J. (2011). I’ll have what she’s having. Mapping

Literatur

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a rtik el x III

Micklitz, Hans-W. (2013, forthcoming). „Aschenputtel – eine Verbrauchergeschichte, Versuch einer

Literatur, Fortstezung

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Sind Jungen dümmer als Mädchen? Interview mit Professorin Dr. Anja Achtziger, Lehrstuhl für Sozial- und Wirtschaftspsychologie, über das männliche Phänomen der „Underachiever“


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Warum leisten so manche Kinder und Jugendliche in der Schule weniger als sie könnten? Und weshalb

Prolog

sind diese sogenannten „Underachiever“ häufiger männlich als weiblich? Diese Fragen treiben Forscher in der gesamten westlichen Welt um. So auch Anja Achtziger. Sie sucht nach Gründen und ist dabei, Lösungsansätze zu entwickeln. Absatz

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA oder in Großbritannien schreiben Mädchen in

Prolog

der Schule bessere Noten, Jungen fallen dagegen in ihren Leistungen gegenüber den weiblichen Altersgenossinnen immer mehr ab. Doch daran, dass Jungs dümmer sind als Mädchen, liegt es nicht. Das beweisen immer wieder Schulleistungstests. Diese Tests vergleichen das Leistungsvermögen und die daraus resultierenden erwartbaren Leistungen mit den tatsächlich erbrachten. Und auch hier ist das Ergebnis klar: Jungs sind genauso clever wie Mädchen, können ihre Intelligenz aber sehr häufig nicht in entsprechende schulische Leistungen umsetzen. Leerzeile

Wieso liegen im Allgemeinen die schulischen Leistungen von Jungen stark hinter denen von Mädchen

Frage der Redaktion

zurück? Leerzeile

Der Grund dafür könnte mangelnde Motivation sein. Bei Mädchen beispielsweise wirkt Lehrerlob

Antwort des Autors

häufiger motivierend – die Anerkennung einer erbrachten Leistung führt dazu, dass sich Mädchen in den eigenen Fähigkeiten bestätigt fühlen und sich künftig noch mehr anstrengen. Jungs dagegen sehen in der Schule mehr einen sozialen Raum, in dem es gilt, sich zu beweisen. Auf ihnen lastet ein größerer Druck, cool zu sein und sich die Anerkennung der Peers, also der Gruppe von ÄhnlichGestellten, zu sichern. Zwar gibt es Unterschiede zwischen männlichen Peergroups, Lob und Anerkennung für schulische Leistungen stehen dem Ziel der Statussicherung aber meist im Wege. Leerzeile

Gibt es auch Gründe in der Schule selbst für das schlechtere Abschneiden der männlichen Schüler?

Frage der Redaktion

Auch die Kultur innerhalb von Schulen scheint in diesem Sinne nicht förderlich zu sein. Studien legen

Antwort des Autors

Leerzeile

nahe, dass insbesondere weibliche Lehrkräfte die Schulkultur prägen, das gilt vor allem an Grund- und Hauptschulen. Wenn Frauen in der Subkultur dominieren, wird vermutlich auch mädchentypisches Verhalten eher belohnt und gefördert als jungentypisches. Das stellte eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fest. Leerzeile

Wo liegt Ihr Forschungsansatz?

Frage der Redaktion

Meine Forschungsschwerpunkte sind im Bereich der Selbstkontrolle beziehungsweise Selbstregulation

Antwort des Autors

Leerzeile

angesiedelt. Darunter wird eine grundlegende Funktion der menschlichen Psyche verstanden, die sich durch die Fähigkeit auszeichnet, das eigene Denken, Fühlen, Verhalten und die eigene Leistung Leerzeile

Warum werden so wenig Gegenmaßnahmen ergriffen?

Zwischenfrage der Redaktion

„Das liegt vermutlich daran, dass die Analyse des Problems zwar an verschiedenen Stellen im Gange

Antwort des Autors

ist, aber noch nicht so vollständig gelungen ist, dass man auf breiter Ebene mit Interventionsmaßnahmen reagieren könnte.“ Leerzeile

willentlich zu kontrollieren. In einer Studie, an der verschiedene Schulen in Baden-Württemberg

Antwort des Autors, Fortsetzung

beteiligt waren, konnte ich feststellen, dass auch die Fähigkeit zur Selbstkontrolle bei Jungen weniger ausgeprägt ist als bei Mädchen. Die Ursachen hierfür sind jedoch noch recht unbekannt. Fest steht aber, dass sich das Phänomen auf alle Schultypen bezieht und häufig schon in der Grundschule beginnt. Bis zum Abitur gehe die Schere noch weiter auf. Auch an der Universität seien Studentinnen mittlerweile besser als Studenten. Leerzeile

Wie wirkt sich die Bewertung von Erfolg und Misserfolg auf Lernmotivation und Selbstregulierung aus?

Frage der Redaktion Leerzeile

Es ist ganz entscheidend, wovon Schüler ihren Erfolg abhängig machen. Gelten externe Faktoren

Antwort des Autors

wie Zufall oder gute Laune des Lehrers als ausschlaggebend, wirkt sich dies negativ auf die eigene 102

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Lernmotivation und Selbstregulierung aus. Ein Schüler, der in erster Linie seinen erbrachten Arbeits-

Antwort des Autors, Fortsetzung

aufwand als wichtig erachtet, wird sich mehr anstrengen. Weiterhin gilt: Wer schulischen Misserfolg auf die eigenen Fähigkeiten bezieht, wird sich weniger anstrengen als jemand, der nur seinen mangelnden Arbeitseinsatz als Grund ansieht. Leerzeile

Welche Folgen hat das?

Frage der Redaktion

Derjenige, der sein eigenes Engagement als Ursache seines schulischen Misserfolges wahrnimmt,

Antwort des Autors

Leerzeile

besitzt letztlich mehr Kontrolle über das Geschehen. Wenn er sich mehr anstrengen würde, so ist er überzeugt, könnte er besser sein. Dadurch ergibt sich ein Handlungsspielraum. Wenn eine Attribution von Misserfolgen jedoch auf eigene Fähigkeiten geschieht, entstehen im Kopf Glaubenssätze wie: „Daran kann ich sowieso nichts ändern, meine Fähigkeiten sind nicht mehr veränderbar, also bringt mich auch Anstrengung nicht weiter.“ Leerzeile

Welche Maßnahmen können dem entgegenwirken?

Frage der Redaktion Leerzeile

Solchen demotivierenden Mechanismen kann durch Reattributions-Trainings entgegensteuert werden.

Antwort des Autors

Dabei üben Psychologen mit Schülern und sogenannten „Risikostudenten“, wie diese mit Erfolgen und Misserfolgen in Schule und Hochschule so umgehen können, dass daraus eine Leistungssteigerung erfolgt. Diese Trainings können auch speziell auf Jungs und Männer fokussiert werden. Wie am Beispiel der weiblichen Schulkultur oder des Drucks durch Peergroups deutlich wurde, gibt es neben der falschen Attribution von Leistungen aber auch etliche andere Gründe für männliches Under­ achievement. Allesamt sind sie noch relativ unerforscht. Gegenmaßnahmen werden demzufolge kaum ergriffen. Leerzeile

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihren Forschungen?

Frage der Redaktion

Damit Jungen ihre Potentiale in der Schule mehr entfalten können, gilt es, ein differenzierteres Bild

Antwort des Autors

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von Gründen für Underachievement zu erarbeiten. Nur dann kann individuell geholfen werden. An dieser Thematik weiterhin zu forschen, psychologische Faktoren für männliches Underachievement zu untersuchen, eine Abgrenzung vorzunehmen und hoffentlich herauszufinden, wie dem Under­ achievement entgegengesteuert werden kann: Das sind die grundlegenden Aspekte meiner Forschungsarbeit. Ideal wäre natürlich, wenn sich Schulen finden ließen, die als Projektschulen mit uns gemeinsam am Thema Underachievement arbeiten. Nach einer Bestandsaufnahme und Diagnosephase könnten wir dann Interventionen für betroffene Schüler ermöglichen. Leerzeile

zu.de/achtziger

Digitale Verknüpfung

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Bildungs-Impulse Was waren die HĂśhepunkte des Herbst- und FrĂźhjahrssemesters?


R ek l a m e

Welche neuen Bücher von ZU-Wissenschaftlern sind erschienen?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

„Sozialunternehmen in Deutschland – Analysen, Trends und Handlungsempfehlungen“ heißt der

Passus in Prosa

Herausgeberband von Stephan A. Jansen, Rolf G. Heinze und Markus Beckmann, der im Springer VS Verlag, Heidelberg, erschienen ist. Er ist das Ergebnis der Arbeit des Forscherverbundes „Innovatives Soziales Handeln – Social Entrepreneurship“ mit sechs Universitäten und mit Unterstützung der Stiftung Mercator. Das Buch nimmt eine umfassende, interdisziplinäre und vergleichende Vermessung von Sozialunternehmen in Deutschland vor und hat erste Handlungsempfehlungen für Unternehmer, Finanziers, Politik und Hochschulsystem entwickelt. Leerzeile

„Nur mit allgemeinem Wohlstand kann es breite Zustimmung zu Emissionsreduktionen geben, und

Passus in Prosa

nur mit bezahlbarer Energie kann es Wohlstand für alle geben.“ Dies ist die Kernthese des Buches „The Vital Spark“, das von Nico Stehr und 19 weiteren führenden Experten in den Bereichen Energie und Klimawandel aus England, Japan, Brasilien, Schweden, Kanada, Deutschland und den USA veröffentlicht wurde. Alle sind Mitglieder der sogenannten „Hartwell-Gruppe“. Diese ist seit den 1980er Jahren bemüht, pragmatische klimapolitische Maßnahmen zu erforschen, die den menschlichen Fußabdruck auf der Erde reduzieren helfen. Eine deutsche Fassung unter dem Titel „Der zündende Funke“ ist im Springer VS Verlag, Heidelberg, in Vorbereitung. Leerzeile

„Zukunftsfähige Verwaltung? Herausforderungen und Lösungsstrategien in Deutschland, Österreich

Passus in Prosa

und der Schweiz“ ist der Titel des Buches, das Eckhard Schröter, Patrick von Maravić und Jörg Röber gemeinsam im Verlag Barbara Budrich, Leverkusen, herausgegeben haben. Der Band präsentiert einen problemorientierten Überblick über die aktuellen Herausforderungen und Lösungsstrategien für den öffentlichen Sektor im deutschsprachigen Raum. Leerzeile

„Art Production beyond the Art Market?“: Dieser Frage geht Karen van den Berg als Mitherausgeberin

Passus in Prosa

des bei Sternberg Press, Berlin erschienenen gleichnamigen Buches nach. Dem Band zugrunde liegt die Vermutung, dass sich angesichts von Debatten über neue Arbeitsformen, Verwertungsrechte, öffentliche Subventionen und eine wachsende Einflusssphäre des Kunstmarktes beziehungsweise der Kreativindustrien eine grundlegende Neuordnung künstlerischer Produktionsverhältnisse zu vollziehen und eine Transformation des Kunstfeldes insgesamt stattzufinden scheint. Leerzeile

Seit der Finanz- und Staatsschuldenkrise kursiert das Schlagwort des „systemischen Risikos“. Doch

Passus in Prosa

handelt es sich dabei um ein ökonomisches oder um ein politisches Problem? Damit befasst sich das Buch „Systemic Risk – The Myth of Rational Finance and the Crisis of Democracy“ von Helmut Willke, Eva Becker und Carla Rostásy. Erschienen ist es im Campus Verlag, Frankfurt/Main und New York. Leerzeile

Die deutsche Wirtschaft hat die Schocks der Immobilien- und Euro-Krise scheinbar gut überstanden.

Passus in Prosa

Doch wie geht es weiter mit dem exportorientierten „Geschäftsmodell Deutschland“ angesichts unklarer Perspektiven im Euro-Raum, des erwarteten Erstarkens der BRIC-Staaten und ungewisser Zukunft in der internationalen Handelsordnung? Heribert Dieter geht in seinem Buch „Deutschland in der Weltwirtschaft. Ein Modell mit Zukunft?“, erschienen im Verlag der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, dieser Fülle offener Fragen nach und bestimmt pointiert den ökonomischen Standort Deutschlands in der Welt. Dabei zeigt er den Nutzen und die Verflechtungen der globalen Wirtschaft auf, nennt Versäumnisse und Chancen, Risiken und Perspektiven. Leerzeile

„Regieren – Politische Steuerung komplexer Gesellschaften“: Unter diesem Titel hat Helmut Willke

Passus in Prosa

ein Buch im Springer VS Verlag, Heidelberg veröffentlicht. Er stellt darin die Frage: Wozu benötigen gegenwärtige Nationalstaaten eigentlich Einrichtungen des Regierens? Die Frage scheint naiv und trivial zu sein, aber der Anschein täuscht. Denn ob, und wenn ja, in welchem Umfang und in welchen Hinsichten Regieren notwendig sei, ist in den betroffenen Wissenschaften – von Philosophie über Politikwissenschaft und Soziologie bis zur Politischen Ökonomie – höchst umstritten. Offensichtlich aber ist, dass das, was unter Regieren verstanden wird, im Laufe der geschichtlichen Epochen und mit der Veränderung der Formen von Gesellschaft sehr unterschiedlich ausfällt. 110

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R ek l a m e

In der Edition Unseld des Suhrkamp Verlages, Berlin, ist mit „Neurosoziologie – Ein Versuch“ ein

Passus in Prosa, Fortsetzung

Buch von Dirk Baecker erschienen. Es befasst sich mit der Soziologie und dem steilen Aufstieg der Hirnforschung, der mit dem Aufkommen neuer bildgebender Verfahren seinen Ausgang nahm. Baecker nennt sein interdisziplinäres Wagnis selbst „hart an der Grenze der Kompetenzüberschreitung“. Aber man könne, so Baecker, die Neuropublizisten, die aus fragwürdigen Forschungsergebnissen noch fragwürdigere Konsequenzen für den Reformbedarf von Schulen, Gerichten, Sendeanstalten und Internetdiensten ableiten, schließlich nicht ungestraft aus den Augen lassen. Leerzeile

Um „Knowledge“ geht es schließlich in dem von Nico Stehr und Marian Adolf gemeinsam verfassten

Passus in Prosa

und im Verlag Routledge Chapman & Hall, London, erschienenen Buch. Wissen, so die Autoren, werde zwar angesehen als ein zentrales Merkmal gesellschaftlichen Lebens, sei zugleich aber in dieser Hinsicht erstaunlich wenig erforscht. Das Buch eröffnet deshalb ein grundlegendes gesellschaftliches Verständnis von Wissen. Leerzeile Leerzeile

Mit welchen Themen befassten sich Kongresse?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

Kann Nudging, also das Anstupsen von Entscheidungen, die Energiewende positiv beeinflussen?

Passus in Prosa

Darum ging es bei der Konferenz des Forschungszentrums Verbraucher, Markt und Politik an der ZU in Kooperation mit der Stiftung Marktwirtschaft vor mehr als 250 Gästen im Deutschen Bundestag in Berlin. Zu den Referenten zählten Cass Sunstein, Harvard-Professor, Bestsellerautor und ehemaliger Berater von Barack Obama, Bundesumweltminister Peter Altmaier und der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Justus Haucap. Leerzeile

Welchen Beitrag kann offene Innovation zur Lösung gesellschaftlicher Fragen in der Bodensee-Region

Passus in Prosa

leisten? Welche Rahmenbedingungen müssen von Politik und Verwaltung geschaffen werden? Welchen Herausforderungen wird sich die Region in den nächsten Jahren stellen müssen? Und welche Rolle spielen dabei die Bürger? Um diese und weitere Fragen ging es bei der Veranstaltung „Offene gesellschaftliche Innovation in der Bodensee-Region“ mit Impulsvorträgen und Workshops, ausgerichtet vom Deutsche Telekom Institute for Connected Cities | TICC an der ZU in Kooperation mit der FHS St. Gallen und der Universität Liechtenstein. Leerzeile

„Fachkräftemangel, Generation Y und Talentemagnetismus: Wie die Herausforderung Personal meis-

Passus in Prosa

tern?“: Darum ging es in einer Regionalkonferenz von ZU und Wirtschaftsrat Deutschland. In Workshops und Vorträgen wurde unter anderem folgenden Fragen nachgegangen: Werden Unternehmen in einigen Jahren noch die Fachkräfte finden, die sie wirklich brauchen? Und welche Anstrengungen sind dafür notwendig? Welche Maßnahmen der Personalbindung – von Kitas bis zu Home-OfficeRegelungen – sind notwendig, um die guten Mitarbeiter langfristig zu binden? Leerzeile

Erstmals wurde an der ZU eine eigene Gründerkonferenz ausgerichtet. „Tatendrang – Die Konferenz

Passus in Prosa

für Projektmacher und Gründer“ richtete sich an Studierende und Gründungsbegeisterte, die eigene Projekt- und Unternehmensideen umsetzen möchten, nach Mitstreitern und einem Netzwerk suchen oder sich von anderen Projekten überzeugen und inspirieren lassen wollen. 70 Teilnehmer arbeiteten dabei zwei Tage lang mit Unterstützung von Coaches an ihren eigenen Projekt- und Gründungsideen. Leerzeile

Wie wird sich Deutschland in Zukunft international zum Thema „Open Government“ positionieren?

Passus in Prosa

Wie kann eine umfassende nationale Strategie aussehen, um die Potentiale von offenen Daten zu nutzen? Was sind die Erfolgsfaktoren für Bürgerbeteiligung? Wie kann Deutschland sich einer offenen Zusammenarbeit annähern? Wie lassen sich offene Innovationskreisläufe aufbauen? Diese und weitere Fragen standen im Zentrum des „Zukunftsforum Open Government“. Veranstalter war das Deutsche Telekom Institute for Connected Cities | TICC an der ZU. Leerzeile

Erstmals übernahm die ZU und hier der Stadt-Friedrichshafen-Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft

Passus in Prosa

und Verwaltungsmodernisierung die Federführung für die Fachmesse „Moderner Staat“ in Berlin. 112

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R ek l a m e

Als akademischer Partner des führenden Fachkongresses für den öffentlichen Sektor in Deutschland

Passus in Prosa, Fortsetzung

war er mitverantwortlich für die neue Kongress-Struktur mit Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen in den Themensträngen Menschen, Finanzen und Organisation speziell für die Entscheider aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen. Leerzeile

Neueste wissenschaftliche Ergebnisse der Verbraucherforschung präsentierte das 2. Verbraucher-

Passus in Prosa

forschungsforum an der ZU. In den Mittelpunkt rückte dabei insbesondere das Thema „Die Grenzen des rationalen Konsumierens“. Leerzeile

Wie können Politik und Verwaltung Ideen und Vorschläge der Bürger aufgreifen und von diesem

Passus in Prosa

Innovationspotential profitieren? Darüber diskutierten Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und Politik bei der Internationalen Konferenz „One Stop Europe 2014“ in Stuttgart. Veranstaltet wurde die Tagung von der ZU, dem Hochschulkolleg E-Government der Alcatel-Lucent Stiftung, der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg sowie dem Innenministerium BadenWürttemberg. Leerzeile

Studentische Forschung im Fokus: Darum ging es bei der zweiten ZUfo-Konferenz. Alles drehte sich

Passus in Prosa

um das Thema „Speicher“: von Mobilitätskonzepten bis Big Data, von Museen und Archiven als Orte kulturellen Speichers bis hin zu regenerativen Energien und Eigenkapitalanteilen. Teilnehmer waren Studierende aus ganz Deutschland, um ihre Forschungsprojekte, Abschluss- oder Seminararbeiten auch mal anderen Studierenden und nicht nur ihrem Professor vorzustellen. Leerzeile Leerzeile

Welche prominenten Gäste sprachen zu welchen Themen?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

In der Reihe BürgerUniversität sprach der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammen-

Passus in Prosa

arbeit und Entwicklung Dirk Niebel über „Die neue deutsche Entwicklungszusammenarbeit“ und diskutierte mit Helmut Willke die Wende in der Entwicklungshilfepolitik und Grundsatzfragen im Nord-Süd-Verhältnis. Kathrin Menges, Personalvorstand und Vorsitzende des Sustainability Council von Henkel, zeigte „Erfolgsfaktoren für Nachhaltigkeit und Corporate Citizenship“ auf. Jeweils um die Zukunft und die Macht der Medien ging es mit zwei prominenten Chefredakteuren: Giovanni di Lorenzo von DIE ZEIT und Peter Kloeppel von RTL. Über „Nachhaltige Unternehmen in einer Postwachstumsökonomie“ referierten und diskutierten Dr. Ulrich Dohle, Vorstandsvorsitzender der RollsRoyce Power Systems AG (ehemals Tognum AG), und Professor Dr. Niko Paech vom Lehrstuhl für Produktion und Umwelt an der Universität Oldenburg. Dr. Christoph Beier, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), berichtete über „Deutschland in den Augen der Welt“. In einer musikalischen BürgerUniversität diskutierten der Intendant der Bregenzer Festspiele David Pountney und der FAZ-Musikjournalist Christian Wildhagen über „Oper – Aufführung – Kritik“. Und die Medienunternehmerin, Autorin und Kunstsammlerin Christiane zu Salm berichtete über die Medienbranche, Kunst und Sterbebegleitung. Leerzeile

Der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom AG, René Obermann, sprach beim Gala-

Passus in Prosa

Dinner der Zeppelin Universitätsgesellschaft (ZUG) nicht nur über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, sondern zog auch eine kritische Bilanz seiner eigenen, bisherigen Karriere. In der Reihe „Friedrichshafener Bildungsgespräche“ waren unter anderen Goethe-Institutspräsident Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann und Dr. Arend Oetker zu Gast. Lehmann sprach zum Thema „Die Welt lesbarer machen: Gedanken zur internationalen Kultur- und Bildungsarbeit“, Oetker über „Gemeinsam Zukunft machen. Hochschulbildungsziele aus Sicht der Wirtschaft“. Das European Center for Sustainability Research | ECS an der ZU hatte Kurt Kuch zu Gast, einen der bekanntesten investigativen Journalisten Österreichs. Er las aus seinem Buch „Land der Diebe“ und stellte seine Thesen über Korruption, seine Ursachen und Folgen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in seinem Heimatland zur Diskussion. Der Karl-Mannheim-Lehrstuhl für Kulturwissenschaften startete die neue Programmreihe „Politik und Dialog“ und hatte zum Auftakt Cem Özdemir, Bundesvorsitzender von Bündnis90/ Die Grünen, zu Gast. Er diskutierte mit Studierenden über Klimaschutz und grünen Pragmatismus. 114

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R ek l a m e

Einen weiteren Grünen-Politiker hatte der studentische „Club of international Politics“ zu Besuch:

Passus in Prosa, Fortsetzung

den früheren Bundesumweltminister, langjährigen Fraktionsvorsitzenden von Bündnis90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und Spitzenkandidat seiner Partei bei der Bundestagswahl 2013, Jürgen Trittin. Er sprach über „Deutschlands Rolle in Europa – Visionen und Wirklichkeit der deutschen Europapolitik“. Leerzeile Leerzeile

Was gab es an Auszeichnungen?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

Martin Tröndle, Lehrstuhl für Kulturbetriebslehre & Kunstforschung, wurde vom Journal „Museum

Passus in Prosa

Management and Curatorship“ mit dem „Best Paper Award“ ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit Tröndles Beitrag „A Museum for the twenty-first Century: the Influence of ,Sociality‘ on Art Reception in Museum Space“. Dotiert ist der Award mit 500 Dollar. Leerzeile

Karoline Bader vom Lehrstuhl für Innovationsmanagement wurde auf der ISPIM Konferenz in

Passus in Prosa

Helsinki, Finnland, mit dem „Alex Gofman Best Student Paper Award“ ausgezeichnet. Den Preis erhielt sie für ihr Paper „How to benefit from cross‐industry innovation? A best practice case“. Leerzeile

Lucia Reisch, Leiterin des Forschungszentrums Verbraucher, Markt und Politik an der ZU, ist von

Passus in Prosa

Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut in den Rat für Nachhaltige Entwicklung in Deutschland berufen worden. Reisch gehört dem 15-köpfigen Gremium bereits seit 2010 an, die Amtsperiode beträgt drei Jahre. Leerzeile

Nico Stehr, Inhaber des Karl-Mannheim-Lehrstuhls für Kulturwissenschaften und Gründer des

Passus in Prosa

European Center for Sustainability Research | ECS, ist als Mitglied in die Organisation AtlantikBrücke e. V. berufen worden. Für Stehr, der lange Zeit in Nordamerika forschte und lehrte, ist es eine weitere Auszeichnung für sein Wirken. Die Atlantik-Brücke ist ein gemeinnütziger, privater und überparteilicher Verein, der das Ziel hat, eine Brücke zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten zu schlagen. Leerzeile

ZU-Bachelorabsolvent Philipp von Gilsa wurde in Frankfurt am Main mit dem „Leonardo & Co.

Passus in Prosa

Award“ ausgezeichnet. Gewürdigt wurde damit seine Bachelorarbeit über Veränderungen im Unternehmenswert deutscher Familienunternehmen nach Übernahmeankündigungen. Darin hatte er herausgefunden, dass Familienunternehmen im Vergleich zu börsennotierten Unternehmen eine deutlich höhere Wertsteigerung nach einer Unternehmensübernahme erreichen. Leerzeile

Im Hochschulranking 2014/15 des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) hat die ZU erneut

Passus in Prosa

eine Spitzenposition unter Deutschlands Universitäten und Hochschulen erzielt. Im Bereich der Wirtschaftswissenschaften belegte sie Platz 1 unter allen deutschen Universitäten. Vor allem die Zufriedenheit mit der Studiensituation insgesamt und der Studierbarkeit der Fächer wurden als herausragend gewertet. Leerzeile

Für ihr Qualitätssicherungssystem in Studium und Lehre ist die ZU ebenfalls ausgezeichnet worden.

Passus in Prosa

Nach dutzenden von erfolgreichen institutionellen wie Programm-Akkreditierungen ist ihr vom Akkreditierungsrat und der Agentur ACQUIN nun die sogenannte „Systemakkreditierung“ zugesprochen worden – als erst zwölfte Hochschule von 432 in Deutschland überhaupt. Die ZU ist nun – nach Einreichung eines Zwischenberichtes bis Juli 2014 – bis September 2019 selbst für die Einhaltung von nationalen und internationalen Qualitätsstandards und hochschulrechtlichen Vorgaben in ihren Studiengängen verantwortlich. Sie kann ihr Studienangebot in Eigenregie auf Basis der akkreditierten Prozesse fortentwickeln und erweitern. Leerzeile

ZU|Daily, das digitale Schaufenster für Forschung und forschungsbasierte Projekte der ZU, erhielt

Passus in Prosa

die „Hochschulperle des Monats Oktober 2013“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. ZU|Daily mache die Forschung der ZU für ein interessiertes Publikum anschaulich und verständlich 116

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und sei so beispielhaft für eine unmittelbare und vorbildliche Wissenschaftskommunikation, heißt

Passus in Prosa, Fortsezung

es in der Begründung. Der Stifterverband verleiht diese Auszeichnung für innovative, beispielhafte Projekte, die in einer Hochschule realisiert werden. Leerzeile

Die ZU zählt zu den Universitäten und Hochschulen in Deutschland, in denen Gründer am besten

Passus in Prosa

gefördert werden. Das ist das Ergebnis einer Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Für das „Gründungsradar – Hochschulprofile in der Gründungsförderung“ wurden vom Stifterverband insgesamt 393 Universitäten und Hochschulen angefragt, 211 davon beteiligten sich an der Studie, 158 davon fördern Gründer. Dabei kam die ZU in der Kategorie der Hochschulen mit bis zu 5000 Studierenden in die Top 10 und belegte den vierten Platz deutschlandweit. Leerzeile Leerzeile

Wie entwickelt sich der neue HauptCampus?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

Im Juni 2013 erfolgte der erste Spatenstich für den Bau des neuen HauptCampus der ZU, seither hat

Passus in Prosa

sich einiges auf der Großbaustelle getan. Nachdem der Aushub des neu zu bebauenden Geländes auf dem früheren Kasernen-Areal reibungslos verlief, starteten Mitte August 2013 die Rohbauarbeiten, die bis zum Jahresende im Erdgeschoss angekommen waren. Das Bauprojekt, das eine Kombination von historischer Bausubstanz mit moderner Architektur darstellt, hat aber auch seine Eigenheiten: „Die sich daraus ergebenden umfangreichen und komplexen Anforderungen haben zwar ihren ganz besonderen Reiz, sind jedoch mit einem hohen Arbeits- und Koordinationsaufwand verbunden“, sagt Projektmanagerin Maren Puffert. Im Mai 2014 dann wurde mit dem traditionellen Aufziehen der Richtkrone und dem Richtspruch der Zimmerleute mit den beteiligten Handwerkern und 400 Gästen Richtfest für den künftigen HauptCampus gefeiert. Bekanntgegeben wurde dabei auch, dass der Standort den Namen des Hauptförderers tragen und „ZF Campus der Zeppelin Universität“ heißen wird. Gut elf Monate nach dem ersten Spatenstich war damit die erste große Etappe des Projektes mit einem Investitionsvolumen von mehr als 20 Millionen Euro bewältigt. Leerzeile

Während der gesamten Bauzeit informiert die ZU auf einem eigens eingerichteten BauBlog unter

Passus in Prosa

hauptcampus.de: Dort kann man beispielsweise den Baufortschritt per Live-Bild und Checkliste verfolgen und regelmäßig Hintergrundberichte und Bildergalerien zum neuen HauptCampus und seiner Entstehungsgeschichte entdecken. Leerzeile Leerzeile

Was gab es an neuen Studienangeboten?

Kapitelüberschrif t Leerzeile

Ein Vollzeit- und drei berufsbegleitende Master-Studiengänge wurden 2014 neu gestartet. Der Master-

Passus in Prosa

Studiengang in „General Management“ spricht Absolventen nicht-wirtschaftswissenschaftlicher Fachrichtungen an, die theoretische und anwendungsbezogene Kenntnisse der allgemeinen Betriebsund Volkswirtschaftslehre erwerben wollen. Der berufsbegleitende Master „Intersektorale Führung & Governance | eMA Intersek“ vermittelt intersektoral-fundierte Führungskompetenzen in einem interdisziplinären Curriculum und reagiert mit diesem Angebot auf die veränderten Anforderungen für eine Entscheider-Ausbildung in allen Sektoren, ob Markt, Staat oder Zivilgesellschaft. Der berufsbegleitende Master „Business & Leadership for Engineers | eMA BEL“ richtet sich an Ingenieurinnen und Ingenieure, die sich betriebswirtschaftliches Wissen und Managementkompetenzen aneignen wollen, die sie befähigen, internationale Führungsaufgaben zu übernehmen. Der berufsbegleitende Master in „Mobility Innovations | eMA MOBI“ schließlich gibt Führungskräften und Fachleuten Gelegenheit, umfassendes Wissen zur Entwicklung und Implementierung neuer Geschäftsmodelle in der Transport- und Mobilitätsbranche zu erlangen.

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R ek l a m e

Veranstaltungsvorschau Herbst 2014

Balkenüberschrif t Leerzeile

12.–14.09.2014

Datum

Research Symposium: „What is Civil Society? – Integrating New Perspectives“

Titel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

13.09.2014

Datum

Uni live!

Titel

Für Studieninteressierte: Die ZU von innen kennenlernen

Untertitel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

13.09.2014 | 17:30 Uhr

Datum, Zeit

11. Sommerfest

Gattung

Was ist eigentlich nochmal Zivilgesellschaft?

Titel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

26.–27.09.2014 | 13:30 Uhr

Datum, Zeit

ZU-Energieforum

Gattung

Die Energiewende neu verstehen – Perspektiven aus Wirtschaft, Technik & Gesellschaft

Titel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

02.–05.10.2014

Datum

LakeMUN 2014

Titel

Die Model of United Nations Konferenz – „Diplomatie probieren“ für Oberstufenschüler

Untertitel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

24.–26.10.2014

Datum

seekult | „MenschMaschine – Faszination & Aversion“

Titel

Das studentisch organisierte Kulturfestival für Friedrichshafen

Untertitel

Kulturhaus Caserne, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

05.11.2014

Datum

A Day with … Prof. Dr. Thomas Macho, Humboldt-Universität zu Berlin

Titel

Von Fall zu Fall: Methodische Überlegungen zu einer konsiliarischen Kasuistik

Untertitel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort Leerzeile

07.–08.11.2014

Datum

Tatendrang

Titel

Die studentische Gründerkonferenz zwischen Technologie, Design & Business

Untertitel

SeeCampus, Friedrichshafen

Ort

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R ek l a m e

Mehrwertige mediale Angebote der ZU

Balkenüberschrif t Leerzeile

Die Zeppelin Universität versteht sich als Universität in der Gesellschaft, die als Präsenzuniversität auch

Passus in Prosa

für diejenigen erreichbar sein möchte, die sich gerade nicht auf dem Bodensee-Campus aufhalten können. Folgende mediale Angebote stehen Ihnen kostenfrei rund um die Uhr zur Verfügung Leerzeile

zu.de

Absatzüberschrif t

Im Bereich „Forschung & Themen“ auf unserer Website in den elf Themenportalen zu den

Reklame in Prosa

Projekten und Ergebnissen unserer Wissenschaftler stöbern Leerzeile

ZU|Daily

Absatzüberschrif t

Digitale Forschungsdelikatessen online, informativ und leicht verdaulich unter zu-daily.de

Reklame in Prosa

Newsletter

Absatzüberschrif t

Unter zu.de/newsletter den vierzehntägig erscheinenden E-Mail-Newsletter der Universität

Reklame in Prosa

Leerzeile

abonnieren Leerzeile

Wissensmagazin, Microsite

Absatzüberschrif t

Unter zwischenfragen.de unser special interest-Medium als günstiges Jahresabo erstehen

Reklame in Prosa

und auf alle bisherigen Ausgaben online zugreifen Leerzeile

ZU on iTunes U

Absatzüberschrif t

Auf ZUoniTunesU.de finden Sie unsere Audio- und Videopodcasts: Mitnehmen zum Mitdenken

Reklame in Prosa Leerzeile

ZU App

Absatzüberschrif t

Laden Sie sich die App der ZU im Appstore herunter. Die App umfasst den Veranstaltungskalender

Reklame in Prosa

der Universität, die neuesten Podcasts sowie alle News aus der ZU Leerzeile

welle20.de

Absatzüberschrif t

Hier können Sie das studentische Radio der ZU rund um die Uhr erreichen – hören Sie hinein!

Reklame in Prosa

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Impr essum

Professor Dr. Stephan A. Jansen, Präsident ZU

Herausgeber

Tim Göbel, Vizepräsident ZU

Mitherausgeber Leerzeile

R ainer Böhme

Chefredaktion Leerzeile

Frauke Leonie Fichtner, Florian Gehm, Sebastian Paul, Johanna Weiß

Redaktion

Zeppelin Universität

Anschrif t der Redaktion

Leerzeile

Universitätskommunikation Am Seemooser Horn 20 D-88045 Friedrichhafen Leerzeile

Philipp N. Hertel

Projektleitung & Art Direction Leerzeile

Christof Salzmann

Künstlerische Intervention Leerzeile

Simon Merz

Graf ik Leerzeile

Ulrike von Dewitz

Reinzeichnung Leerzeile

Peter Aulmann, Kontakt: peter.aulmann@zu.de | Tel. +49 7541 6009 1141

Ansprechpartner für Anzeigen

Marilena Davis, Kontakt: marilena.davis@zu.de | Tel. +49 7541 6009 1101

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Auf lage Leerzeile

Sommer 2015

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Satzschrif t Leerzeile

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Rechtshinweise

nur mit ausdrücklicher Genehmigung, Quellenangabe und unter Einsendung eines Belegexemplars an die Redaktion. Leerzeile

2192-7979

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Ausgabe #06 ISSN 2192-7979


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